Allergisch auf Frommes

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Allergietest auf der Haut, by Wolfgang Ihloff (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY-SA 4.0-3.0-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0-3.0-2.5-2.0-1.0)%5D, via Wikimedia Commons

Es ist mal wieder so weit. Die meiste Zeit des Jahres kann ich mit meinen Pollenallergien ganz gut leben. Aber im Moment stellt sich die Frage, ob ich meine Allergien ignorieren kann, nicht (Hatschi!). Und ich überlege mal wieder, ob es nicht irgendetwas gibt, das mich von dieser alljährlichen Plage befreit. Ich mag Birken eigentlich. (Versteh gar nicht, warum Birken mich nicht mögen.) Mein Körper fühlt sich bedroht von etwas, was eigentlich nicht bedrohlich ist.

Manche Menschen reagieren allergisch auf Christliches oder Religiöses. Ein Gefühl der Abneigung und des Unbehagens, das sie vielleicht nicht einmal selber ganz verstehen. Ich bin in einer frommen Familie und in einer christlichen Gemeinde aufgewachsen, und ich kann mich noch gut erinnern, dass ich beim Heranwachsen manchmal dachte: Ich mag das ganze Fromme eigentlich nicht so wirklich. Und ich habe lange gebraucht, richtig zu begreifen, dass da ein großer Unterschied ist zwischen dem, was sich nach Jesus benennt oder benannt wird, und dem, was wirklich Jesus entspricht und aus ihm hervorgeht. Wenn manche Menschen allergisch auf „Frommes“ reagieren, dann ist das vielleicht (zumindest zum Teil) eine richtige und gesunde Reaktion.

Alles was wir über Jesus sagen, sind zunächst nur unsere menschlichen Worte, und wenn wir etwas als „christlich“ bezeichnen, so ist das zunächst erstmal eine Behauptung. Es bekommt wert dadurch, dass Jesus darin lebt und Gott dadurch wirkt. „Gottes Geist allein schafft Leben. Ein Mensch kann dies nicht. Die Worte aber, die ich euch gesagt habe, sind aus Gottes Geist; deshalb bringen sie euch das Leben.“  (Die Bibel, Neues Testament, Johannes-Evangelium, 6. Kapitel, Vers 63)

Wir tun gut daran, erkennen zu lassen, wenn etwas, das wir sagen, nicht offenbarte göttliche Wahrheit, sondern nur unsere Meinung ist (Neues Testament, 1. Korinther 7,25), und nicht als Glaubenshelden und Superheilige umherzuwandeln, sondern andere auch unsere Schwächen und Fehler sehen zu lassen. Schwachheit ist eine Strategie der Herrschaft Gottes.

Als ich älter wurde, hab ich gelernt zu sehen, dass so manche Kirche eine geistliche (und manchmal auch geistige) Ruine ist, und wie schwach, schmutzig, hässlich und blöd „christliches“ Leben manchmal ist. Anstelle von Meinungsfreiheit und Offenheit sind alle schon gleich-geschaltet und auf Linie gebracht. Statt Echtheit und Natürlichkeit trifft man auf Heuchelei und Verstellung. In manchen Gemeinden ist es eng, muffig und stickig, bedrückend und beklemmend. So manches Gut-gemeinte wirkt verkrampft und angestrengt, ängstlich und besorgt, und aus manchem Frommen leuchtet nur ein schwacher Schein des Wesen Jesu hervor. Und Gott weiß, wie oft das bei mir der Fall war und ist. – Herr, erbarme dich!

Das alte Deutsch einer Lutherübersetzung oder von schönen alten Kirchenliedern ist nicht Christlich, sondern einfach alt. Viele Kirchen mögen Christen über lange Zeit ein wertvoller Versammlungsort gewesen sein – aber verstaubt sind sie trotzdem. Talare, Weihrauch, Altäre, Kirchenglocken, etc. stammen aus einer vergangenen Zeit. Ob sie in der Zukunft geeignet sein werden, etwas von Jesus deutlich werden zu lassen, ist die Frage. (Man kann sich auch fragen, ob sie das überhaupt jemals wirklich getan haben?)

 

Ich hasse und verachte eure religiösen Feste und kann eure feierlichen Zusammenkünfte nicht riechen. Ich will eure Brand- und Speiseopfer nicht haben; die Friedensopfer eurer Mastkälber will ich nicht sehen! Hört auf mit dem Lärm eures Lobpreises! Eure Anbetungsmusik werde ich mir nicht anhören. Stattdessen will ich Recht fließen sehen wie Wasser und Gerechtigkeit wie einen Fluss, der niemals austrocknet.

(Tanach / Altes Testament, Amos 5,21-24)

 

Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.

(Matthäus-Evangelium 5,6)

 

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9 Kommentare zu „Allergisch auf Frommes

  1. Ja, und man möchte hinzufügen, es ist auch höchst fraglich, ob das, was gelehrt wird, Jesu Lehre entspricht, insbesondere die Vergöttlichung seiner Person. Eine Form der Abgötterei. Ich habe die Konsequenz gezogen und bin letztes Jahr aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Ich konnte nicht mehr mittragen, was dort gelehrt wird.

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  2. Vielleicht reagieren die Leute ja auch „allergisch“, weil sie die Aussagen des Christentums bewusst ablehnen. Das muss nicht immer ein vages Bauchgefühl sein, sondern kann auch eine klare weltanschauliche Entscheidung darstellen. Da hilft dann auch kein „besseres, reineres Christentum“.
    Viele Grüße,
    Sebastian (ein atheistischer Besucher)

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    1. Es gibt bestimmt viele Menschen, die gute Gründe haben, das Christentum abzulehnen. „DAS Christentum“ gibt es allerdings so eigentlich gar nicht, denn es ist zu einer Sammelbezeichnung für eine Fülle von Erscheinungen geworden; und am Ende glaubt ja dann auch ein jeder, was er glauben will. – A-theismus (eine Negativ-Aussage) ist aber keine wirkliche Alternative, denn es sagt ja gar nichts darüber aus, woran man glaubt, sondern nur, dass man die Vorstellung von einem Gott für falsch oder nicht sinnvoll hält.

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  3. Da haben Sie recht: Ein Atheist erkennt sich erst als solcher, wenn er einem Gläubigen begegnet. Wenn ich „Christentum“ sage, dann meine ich einen persönlichen Glauben an den Gott, wie er in der Bibel bekundet wird. Ich rede nicht von einem sog. Kulturchristentum, also der Beibehaltung der äußerlichen Formen christlicher Rituale und einem floskelhaften Vokabular (Nächstenliebe, Schöpfung etc.) etwa aus nostalgischen Gründen oder als Marker der Abgrenzung gegenüber Fremden.

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    1. Ich sehe mich selbst als Christ, aber ich bezweifle, dass wir von Gott noch genau so reden sollten, wie es die biblischen Texte tun. Es ist allerdings kaum möglich, etwas allgemein Geltendes zu sagen, weil die persönlichen Denkweisen und Lebenssituationen sehr unterschiedlich sind.

      Was mich vor allem interessiert, ist, zu verstehen, wie aus dem Tod eines machtlosen Wanderpredigers aus Galiläer eine Bewegung entstand, die das Leben von Menschen bis heute verändert. Da ich selbst in meinem Leben diese Kraft oft erlebt habe, glaube ich auch, dass das Reden von Jesus immer noch wichtig ist.

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  4. Ich kenne einen Hauptamtlichen, jedes mal, wenn ich ihn predigen höre, zieht sich bei mir alles zusammen und am liebsten würde ich den Raum verlassen. Ich kann noch nicht mal genau sagen, was mich konkret stört, er sagt auch nichts wirklich Schlimmes oder Falsches, soweit ich weiß. Aber er ist einfach stock-evangelikal und arbeitet in einer Landeskirche. Und irgendwas ist an seinen Lehren, was ich abstoßend finde, ohne zu wissen, was es ist.

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    1. Ich kenne solche Gefühle gut, und ich vermute, vielen Menschen geht es ähnlich. Wir können einen anderen Menschen ja auch nicht ändern, und jemand anzusprechen „hey, irgendwie mag ich dich nicht“ ist bestimmt meistens auch keine gute Idee. Aber wenn ich über meine Gefühle und Eindrücke nachdenke, vielleicht auch noch mit jemand anderen darüber spreche oder darüber bete, dann verstehe ich manchmal besser, wo diese Gefühle herkommen und was sie bedeuten. Auf Bauchgefühl zu achten, find ich ganz wichtig.

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      1. Er hat mich selbst mal darauf angesprochen, wie ich seine Predigten finde. Aber mit meinem „Ehrlich gesagt nicht so gut…“ war er gar nicht einverstanden und auch meine Versuche, es zu erklären hat er nicht akzeptiert. Schade.

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