Christentum heute ist ohne die biblischen Texte kaum vorstellbar. Es gab allerdings schon Christentum bevor die Bibel entstand. Auch ist die Bibel nicht vom Himmel gefallen. Wie wir mit ihr umgehen, ist entscheidend für uns selbst und für andere. – VORSICHT : Das Anliegen des Blogs ist mir sehr ernst; einzelne Sätze sind allerdings nicht immer wörtlich zu nehmen. ;-) – Bin übrigens als Christian Schmill auf Facebook, @C_Schmill bei Twitter.
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Tragic mask on the façade of the Royal Dramatic Theatre in Stockholm, by Holger.Ellgaard (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)%5D, via Wikimedia Commons
Es hat mich erwischt: Eine Erkältung. Nicht gerade dramatisch. Aber schon drängt sich die alte Frage wieder auf: Wie war das doch mit Gottes Liebe und dem Leiden?
Schon meinen Heuschnupfen find ich nicht gut. Zahn- und Kopfschmerzen sind auch nicht gerade toll. Gleichzeitig ist das Jammern natürlich auch ein Bisschen peinlich, wenn man an all die Menschen denkt, die wirklich schwer krank sind. Ich war zum Glück noch nie so richtig schwer krank. Einmal hatte ich allerdings so starke Zahnschmerzen, dass ich es kaum noch aushielt. – Ich bin nicht gut im Leiden.
Es gab einmal einen Profi im Leiden. Ist sogar deutsches Kulturgut geworden: Die Hiobs-Botschaft. Ein Mann, der Nachrichten bekommen hat, die selbst dem gestandensten Mann den Boden unter den Füßen weghauen können. Hiob hatte alles verloren: Seinen Besitz und seine Kinder.
Pardon, FAST alles. Seine Frau hatte er noch. Die hatte übrigens ja auch alles verloren (waren ja wohl auch ihre Kinder dabei; scheint wohl eine patriarchalische Erzählung zu sein). Und seine Frau hatte Gott anscheinend schon aufgegeben (falls sie überhaupt fromm gewesen war). Und als Hiob dann heftig krank wird, lädt seine Frau (die ihm noch übrig geblieben war von allem) ein, sich von Gott zu verabschieden und ins Gras zu beißen!
Hiob jedoch blieb Gott treu – aber er fand das Leiden auch nicht toll; und er klagte Gott heftig an. Im hebräischen Original soll das Buch sogar so krass sein, dass ein jüdischer Rabbiner wohl mal gesagt haben soll, mal sollte das Buch besser nicht alleine, sondern mindestens zu zweit lesen (wahrscheinlich, damit man nicht seine Fassung oder seinen Glauben verliert). – Übrigens eins meiner Lieblingsbücher in der Bibel. – Nebenbei bemerkt: Ich glaube nicht, dass dieses Buch ein Beleg dafür ist, dass Männer besser sind im Leiden als Frauen. Und es gibt auch GlaubensheldINNEN in unseren heiligen Texten.
Es gab da auch noch jemand, der schwer gelitten hat. Und sogar freiwillig!!! (Wie geht das denn?) – Jesus aus Nazareth.
Aber auch Jesus fand das Leiden nicht toll. Er ging nicht freudestrahlend, mit geschwollener Brust, todesverachtend und das Leiden umarmend zu seiner Folter und Hinrichtung. In Gethsemane war er todtraurig und bat Gott so heftig für einen Ausweg, dass ihm der Schweiß von der Stirn tropfte. – Und doch ergab er sich in den Willen Gottes.
Jesus musste gewusst haben, was für eine ungeheure Provokation sein Erscheinen in Jerusalem für das religiöse Establishment war: Der Einzug in Jerusalem und sein Auftreten im Tempel … – „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!“ – „Mein Haus soll ein Haus des Gebets sein!“ – Und er lehrte täglich im Tempel. Doch es gab für Jesus keinen anderen Weg, als den Willen Gottes zu tun. Für uns alle.
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Behälter mit radioaktivem Abfall in den USA; Foto der Nuclear Regulatory Commission via Wikimedia Commons – public domain
Die Suche nach einem stabilen Aufbewahrungsort.
Bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager geht es sogar nicht nur um einen Ort, wo über sehr lange Zeit sehr wenig Veränderung ist, um radioaktives Material relativ sicher einlagern zu können, sondern man diskutiert auch über die Möglichkeit der Rückholbarkeit des Mülls, falls dies nötig wird.
Die Verstehbarkeit von Sprache und Texten ist kein stabiler Ort, um göttliche Offenbarung für alle Zeit zu konservieren.
Schon, wenn man mit jemandem redet, den man sehr gut kennt (Partner, Kind, Eltern, …) kann es zu Missverständnissen kommen. Bei schriftlicher Kommunikation passiert das oft noch schneller, weil der Klang der Stimme, Mimik und Gestik fehlen. Bei älteren Texten wird das Verstehen noch schwerer, weil eine lebendige Sprache sich verändert. Wir müssen nur an das deutsche Wort „toll“ denken, dessen Bedeutung sich völlig umgekehrt hat.
Auch die literarischen Gattungen, welche wir heute haben, sind nicht identisch mit den literarischen Gattungen der Antike. Ist das Buch Jona, z.B., der Bericht eines Wissenschaftlers, eine Kurzgeschichte oder eine Satire, oder vielleicht eine Gattung, die es heute gar nicht mehr gibt? Oder ein Unikat, das man gar keiner Gattung zuordnen kann? Und spielte das für das Verstehen des Textes bei den Menschen damals und bei uns heute eine Rolle? Haben wir etwas richtig verstanden, nur weil uns keine zweite Deutung einfällt?
Sprache lässt sich nie von ihrem kulturellen Zusammenhang trennen, und weder Sprache noch Kultur sind einheitlich. Auch im alten Israel gab es Dialekte, und das Entstehen der Texte erstreckte sich über eine sehr lange Zeit. Es ist eine Illusion zu glauben, man bräuchte nur Wörterbücher für die biblischen Sprachen, um richtig verstehen zu können, was die Texte den Menschen damals sagen wollten. Wir brauchen auch entsprechend gute Kenntnisse der damaligen Kultur. Wenn wir z.B. flächendeckend aus allen sozialen Schichten und allen Epochen die Tagebücher von Menschen hätten, in denen wir lesen könnten, wie sie gedacht, gefühlt und gelebt haben, dann hätten wir eine viel bessere Chance, die biblischen Texte richtig zu verstehen.
Gott ist absolut. – Texte sind es nicht!
Brauchen wir überhaupt ein stabiles Endlager für göttliche Offenbarung?
Nein.
Gott ist lebendig und offenbart sich ständig überall. Und sein Geist weht, wo er will.
Die biblischen Texte können auch heute noch für uns wertvoll sein, weil es zeitlose menschliche und göttliche Wahrheiten gibt, die wir beim Lesen finden können. Aber dies passiert auf der subjektiven Ebene in einem Menschen und ist keine objektive Wahrheit, die wir eindeutig und unmissverständlich sprachlich formulieren und für spätere Zeiten aufbewahren können. Gottes vollkommene Offenbarung lässt sich nicht Vergegenständlichen – auch nicht in Sprache oder einem Text. Der Mensch Jesus ist das Wort Gottes. Dieser Mensch lebt heute nicht mehr. Aber in den neutestamentlichen Texten lesen wir über die Wirkung, die er damals auf andere Menschen gehabt hat. „In Christus wohnt die ganze Fülle Gottes.“
Aber es werden wohl weiterhin biblische Besserwisser die Texte der Bibel missbrauchen, um ihrer eigenen Meinung göttliche Autorität zu verleihen. Sicherlich oft gut gemeint – aber schlecht gemacht. Und Ausdruck mangelnder Selbsterkenntnis. Vielleicht werden Fundamentalisten auch deshalb manchmal wenig ernst genommen, weil sie kaum in der Lage zu sein scheinen, ihre eigene Begrenztheit wahrzunehmen. Auch ein schöner Glaube an Jesus kann abrutschen in Engstirnigkeit.
Wenn doch das Christentum bloß zurückkehren würde zu seinem eigentlichen Wesen und die Christenheit zu ihrem eigentlichen Mittelpunkt:
Jesus.
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Säugling während des Stillens, by Petr Kratochvil [Public domain], via Wikimedia Commons
In „Berührung“ steckt „rühren“. Das Wort „rühren“ hat mit BEWEGUNG zu tun.
Schon die Blicke oder die Stimme eines Anderen – oder eineR Anderen – können mein Herz bewegen und in meiner Seele rühren. Wir können mit Blicken etwas „ab-TASTEN“ („scannen“ auf Neudeutsch) oder auch mit WORTEN jemand tief berühren. Im ursprünglichen Sinn des Wortes wird Berührung über die Haut vermittelt. Die Haut. Das größte Organ. Um berührt zu werden und zu berühren (Finger, Hände, Füße, …).
Schon der kleine neue Mensch im Bauch der Mutter fühlt. Und nach der Strapaze der Geburt sind es – noch bevor der Säugling richtig sehen kann – Hände, die ihn halten, streicheln und der Körper der Mutter, der ihm alles gibt, was er braucht. (Und es gibt kaum etwas Niedlicheres als die Finger und Fingernägel von Babys.) Und wenn das Kind älter wird hat es seine Hände überall drin und greift und be-greift.
Berührungen erhalten ihre Wirkung durch den Zusammenhang. Der Handschlag mit dem neuen Geschäftspartner fühlt sich anders an, als einem Kind die Hand zu schütteln; und wenn sich Sportler nach einem Tor in die Arme fallen, ist das anders, als wenn man einen Trauernden in den Arm nimmt. Wir berühren einander in den Rollen, die wir ausfüllen – und das muss kein künstliches Schauspielern sein. Auch der aufrichtigste und natürlichste Mensch ist in Beziehungen eingebunden, in denen er (s)eine Rolle spielt.
„… Auf dem Weg … drängte sich die Menge um Jesus. Darunter war auch eine Frau, die seit zwölf Jahren an starken Blutungen litt. Ihr ganzes Vermögen hatte sie für die Ärzte aufgewendet, doch niemand hatte sie heilen können. Sie kam von hinten heran und berührte einen Zipfel seines Gewandes. Sofort hörte die Blutung auf. ‚Wer hat mich berührt?‘, fragte Jesus. Doch niemand wollte es gewesen sein. Petrus sagte: ‚Rabbi, die Menge drängt und drückt dich von allen Seiten!‘ Doch Jesus bestand darauf: ‚Es hat mich jemand angerührt, denn ich habe gespürt, dass eine Kraft von mir ausgegangen ist.‘ Als die Frau sah, dass sie nicht verborgen bleiben konnte, fiel sie zitternd vor Jesus nieder. Vor allen Leuten erklärte sie, warum sie ihn berührt hatte und dass sie im selben Augenblick geheilt worden war. ‚Meine Tochter‘, sagte Jesus da zu ihr, ‚dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden!‘ “
(Die Bibel, Das Neue Testament, Das Evangelium nach Lukas, 8. Kapitel, Verse 42-47)
Na warte mal ab! Wie kannst du dir da so sicher sein, dass du geheilt worden bist? Vielleicht ist das ja jetzt nur die Aufregung, und wenn du wieder alleine Zuhause sitzt, ist wieder alles beim Alten: ein ewiges Ausbluten.
Der Erzähler dieser Geschichte teilt solch menschliche Skepsis nicht. Für ihn ist ganz klar: Jesus IST so! Und wenn Menschen ihn berühren, werden sie gesund.
Berührung kann Kraft kosten und Kraft geben.
Be-GEGEN-ungen zwischen Menschen sind oft anstrengend. Mit unseren Augen ver-hand-eln wir unsere Blick-Kontakte, und Augen, die uns anstarren, machen uns nervös. Ein Blick kann uns treffen; und die strafenden Blicke der Eltern halten die Kinder auf rechter Bahn.
Auch das WORT eines Anderen kann uns treffen oder berühren. Wir ringen um Worte, liefern uns Wortgefechte im Schlag-Abtausch oder fummeln uns mit schleimigen Worten in die Seele eines anderen. Menschen kosten Kraft. Wir können nicht OHNE sie leben, und nicht MIT ihnen.
Ich habe mein ganzes Leben bisher als moderner Großstadtmensch gelebt; in der Anonymität des Großstadt. Mein Leben berührt ständig das Leben anderer Menschen, und mein eigenes wird berührt: Ein flüchtiger Blick in der U-Bahn oder auf der Straße, ein Lächeln, … – Ich habe vor Jahren mal ein Plakat gesehen, das funktionierte ungefähr so: “ gemEINSAMkeit „.
Wie wäre es, wenn wir selbst GESUND würden, und Menschen, deren Leben durch unsers berührt wird, Heilung erfahren?
VERTRAUEN hatte die Frau gesund werden lassen.
Die Episode mit der gesund-gewordenen Frau ist allerdings nur ein kleiner Augen-Blick in einer größeren Rahmenhandlung. Hier nun die ganze Geschichte:
„Als Jesus ans andere Ufer zurückkam, empfing ihn eine große Menschenmenge, denn sie hatten auf ihn gewartet. Da kam ein Synagogenvorsteher zu ihm, namens Jaïrus. Er warf sich vor ihm nieder und bat ihn, in sein Haus zu kommen, weil seine einzige Tochter, ein Mädchen von zwölf Jahren, im Sterben lag. Auf dem Weg dorthin drängte sich die Menge um Jesus. Darunter war auch eine Frau, die seit zwölf Jahren an starken Blutungen litt. Ihr ganzes Vermögen hatte sie für die Ärzte aufgewendet, doch niemand hatte sie heilen können. Sie kam von hinten heran und berührte einen Zipfel seines Gewandes. Sofort hörte die Blutung auf. ‚Wer hat mich berührt?‘, fragte Jesus. Doch niemand wollte es gewesen sein. Petrus sagte: ‚Rabbi, die Menge drängt und drückt dich von allen Seiten!‘ Doch Jesus bestand darauf: ‚Es hat mich jemand angerührt, denn ich habe gespürt, dass eine Kraft von mir ausgegangen ist.‘ Als die Frau sah, dass sie nicht verborgen bleiben konnte, fiel sie zitternd vor Jesus nieder. Vor allen Leuten erklärte sie, warum sie ihn berührt hatte und dass sie im selben Augenblick geheilt worden war. ‚Meine Tochter‘, sagte Jesus da zu ihr, ‚dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden!‘ Während Jesus noch mit ihr sprach, kam jemand aus dem Haus des Synagogenvorstehers und sagte zu Jaïrus: ‚Deine Tochter ist gestorben. Du brauchst den Rabbi nicht weiter zu bemühen.‘ Jesus hörte es und sagte zu dem Vorsteher: ‚Hab keine Angst! Vertrau mir, dann wird sie gerettet werden!‘ Er ging in das Haus, erlaubte aber niemand, ihn zu begleiten, außer Petrus, Johannes und Jakobus und den Eltern des Kindes. Das ganze Haus war voller Menschen, die laut weinten und das Mädchen beklagten. ‚Hört auf zu weinen!‘, sagte Jesus zu ihnen. ‚Das Kind ist nicht tot, es schläft nur.‘ Da lachten sie ihn aus, denn sie wussten, dass es gestorben war. Doch Jesus fasste es bei der Hand und rief: ‚Kind, steh auf!‘ Da kehrte Leben in das Mädchen zurück und es stand gleich auf. Jesus ordnete an, ihr etwas zu essen zu geben.“
Die Kleine hatte bestimmt großen Hunger. – Eine rührende und berührende Geschichte. „Jesus fasste es bei der Hand.“ Jesus zieht einen kleinen Menschen aus der Unterwelt zurück ins Leben und verwandelt Trauer und Verzweiflung in Freude und Glück. Leben aus dem Tod. Der Geist Gottes, der Heilige Geist, ist ein Lebensspender. Gottes Hauch machte aus einem Lehmklumpen eine lebendige Menschenseele.
Im Römerbrief geht es um Gott und die Welt, Himmel und Hölle, Menschenkrampf und Leben aus Gottes Geist. Und ausgerechnet der Römerbrief endet mit einer langen Liste von Grüßen und u.a. mit den Worten „Begrüßt einander mit dem heiligen Kuss!“
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