Mutter unser

 

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Fridolin Leiber (1853–1912) [Public domain], via Wikimedia Commons

 

Mutter unser im Himmel!
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

 

Ich hatte nicht wirklich gedacht, dass ich der Erste bin, der auf die Idee kommt:

„Mutter unser“.

Schon 1999 gab es einen Artikel bei „Die Welt“ und 2014 einen bei „derFreitag.“ Beides offensichtlich Reaktionen auf eine Diskussion, die schon längst im Gange war. Und das Thema ist noch lange nicht vom Tisch.

Ist das Vater-unser nicht mehr gut genug? Geben wir als Christen mal wieder dem Zeitgeist nach? Passen uns an?

Ist ein „Mutterunser“ nicht eine Verfälschung der Bibel? Vielleicht sogar Gotteslästerung?

 

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet …

(Die Bibel, Tanach / Altes Testament, Jesaja 66,13)

 

Gott ist kein Mann – das ist klar. Wo ist also das Problem von Gott als Mutter zu sprechen? Beides, „Vater“ und „Mutter“, sind sprachliche Bilder, um sich einer Wirklichkeit anzunähern, die sich mit Sprache nie einfangen lässt.

Wie so viele andere Diskussionen in der Christenheit, führt uns die Frage nach der Männlich- bzw. Weiblichkeit Gottes tief hinein in die Grundlagen unseres Glaubens:

  • Wie können wir heutzutage sinnvoll mit den antiken biblischen Texten umgehen?
  • Was ist die zeitlose Wahrheit des Evangeliums, und was ist ihr kultur- und zeitabhängiger Ausdruck?
  • Wer oder was ist eigentlich Gott, und wie können wir halbwegs angemessen von IHM/ IHR reden?

Und es gibt auch Fragen, die mir etwas über mich selbst offenbaren können:

  • Ist mir der Gedanke an einen männlichen, weiblichen oder sächlichen Gott sympathischer?
  • Warum?

 

13 Kommentare zu „Mutter unser

  1. Nur ganz kurz. „Wie eine Mutter“ erachte ich nur als Beschreibung. Genau wie an anderen Stellen auch. Der Heilige Geist kam „wie“ eine Taube auf Jesus, es war keine Taube usw. aber auch klar ist für mich, dass Gott das männliche und weibliche in sich vereint hat.

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    1. Ich denke, es ist schon wichtig, über unsere Gottesbilder und die Art und Weise nachzudenken, wie wir über Gott reden. Wie die biblischen Texte zu antiken Menschen gesprochen haben, muss nicht dieselbe Art und Weise sein, wie wir heute von Gott sprechen. Die Frage ist, warum wir so reden wie wir reden…

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      1. Hmm, Christian,
        das, was du schreibst ist faszinierend.

        Bewegen wir uns dann nicht von der Klarheit in die Beliebigkeit, wie es mittlerweile in den Religionswissenschaften „en Vogue“ ist?
        Natürlich ist es jedem Menschen freigestellt, die Bibel „so zu nehmen“,
        wir er/sie mag. Doch hat Jesus von der Mutter im Himmel gesprochen?
        Und so machen wir uns nicht nur ein Bild, ein „neo-humanistisches“, wo in den Geboten interessanter etwas anderes steht (zu den „Bildern“).

        Hmm, doch wir haben wohl auch hier keine Fragen und Probleme mehr, wenn hier schon die Menschen Hand angelegt haben.
        Der Herr ist es nicht, der sich ändert;
        nur der Mensch… in welche Richtung bloß?, und, Hand auf´s Herz, irgendwie sieht es aus, daß es weg vom Herrn ist.
        Erlaube das vermeintliche Paradoxum:
        Wäre der Mensch wie Gott, fest und konsequent,
        so müßte er doch eine neue Schrift, eine neue Lehre, eine neue Religion kreieren und ausrufen… – eben eine Menschen-gemachte!

        So ich die Kirchen mir anschaue, verkommt das Wort Gottes zu einem „Katalog, wo wir nach eigenem Gusto auswählen dürfen“, eben, wie ich schon oben schrieb: beliebig und auch dem Zeitgeist gemäß –
        oder ist es nur ein gutgestaffeltes Angebot, wie wir es auch beim Autokauf finden, wo wir dann das neue „Fahrzeug“ frei konfigurieren können?

        Erlaube mir zum Schluß etwas „weltlicher“ zu bleiben: Was würde Luther und vor allem Hus sagen, wenn sie diese Entwicklung sehen?

        Alles LIebe,
        Raffa.

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      2. Gott ändert sich nicht – aber unsere Vorstellungen von ihm schon! Das ist gerade eine tolle Seite an der Bibel, dass wir in ihr, da sie über einen so langen Zeitraum entstanden ist, erkennen können, wie sich das Reden von Gott (und übrigens auch das Reden von anderen „metaphysischen“ Dingen, wie Engel, Satan, etc.) ändert. Kommunikation geschieht immer in einem kulturellen Kontext und wird dadurch bestimmt. Der kulturelle Kontext hat sich in den letzten 2000 Jahren (mit zunehmender Geschwindigkeit) dramatisch verändert!

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    1. Die Gottesvorstellung verändert sich meistens. Dazu gibt es auch reichlich Beobachtungen und Material. Ein Kind hat in der Regel eine andere Gottesvorstellung als ein Erwachsener. Religionsgeschichtlich gesehen haben sich Gottesvorstellungen auch verändert. Auch im Christentum (z.B. Trinität). Diese Veränderungen müssen nicht gut oder schlecht sein.

      Der Gott, von dem die biblischen Texte sprechen, ist ja eigentlich sowieso immer da (allgegenwärtig – Psalm 139), und kennt auch die Gedanken der Gottlosen. Die Trennung von Gott geschieht ggf. in meinem Bewusstsein. Die Mystiker hingegen suchen die Vereinigung mit Gott und machen dabei ähnliche Erfahrungen, auch wenn sie unterschiedliche Gottesvorstellungen haben (christl., jüdisch, muslimisch,…).

      Gott ist, per definition, eine Wirklichkeit, die über mein Verstehen und meine Vorstellungskraft hinausgeht. Ich erfahre Gott, auch wenn ich dies nicht verstehe. Wir deuten unsere Erfahrungen allerdings immer in unserem kulturellen Kontext. Deswegen ist die religiöse Traditionsgemeinschaft, der ich angehöre, auch sehr wichtig. Religion ist nicht nur Privatsache. Gemeinschaft und ein gewisses gemeinsames Gottesbewusstsein und Reden von Gott sind wichtig.

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      1. Werter Christian,

        eigentlich wollte ich die Worte ruhen lassen – nur blöderweise, beim Lesen in der Bibel (und weiteren Erläuterungen) zu 4. Mose 1- 35, kamen wir wieder die Lehren und Leviten der Neuzeit plastisch in den Sinn.

        Ich frage mich wahrlich, ob es eine menschliche Tugend ist, das Wort Gottes wieder und wieder deuten zu wollen, den Sinn zu relativieren. Es spricht nichts dagegen, die Worte der „alten Übersetzungen“ etwas flüssiger in den derzeitigen „Tagesgebrauch“ zu transferieren – doch …
        Wir finden das heutige Ansinnen ja schon in Zeiten des Mose.

        Alles Liebe,
        Raffa.

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      2. Die biblischen Texte erzählen von einem Gott, der lebendig ist und aktuell in das Leben von Menschen und die Situation von Gemeinden hineinspricht (s. 1. Korinther 12-14). Die Vorstellung, dass die Bibel das ewige Wort Gottes für alle Zeiten ist und zur Normierung des Glaubens benutzt werden soll, ist erst später in der Kirchengeschichte entstanden und in der Bibel selbst nicht zu finden.

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  2. Hmm, wahrlich?

    Ist dem so Christian?
    Wie oft lesen wir von dem Gott, der da unveränderlich und treu ist? -was ja kein Widerspruch zu dem ist, daß er lebendig ist — da wäre ja dann noch ulkiger??

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      1. Ergo gibt es dann „Erlösung durch Humanismus“??

        Wie du weißt, war ich ein gesegneter Atheist,
        in diesem „Stall“ wurde der Humanismus, der Sozialismus und die menschliche Weisheit gepredigt.
        Wie froh war ich, dieser Irrlehre abtrünnig geworden zu sein… (;-)

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