
… „Komm, wir gehen aufs Feld hinaus.“ Als sie dort waren, fiel Kain über seinen Bruder her und schlug ihn tot.
Da fragte der Herr Kain: „Wo ist dein Bruder Abel? … Das Blut deines Bruders schreit zu mir? … Von jetzt an sollst du ein Flüchtling sein, der heimatlos von Ort zu Ort irrt.“
Kain entgegnete dem Herrn: „Meine Strafe ist zu hart, ich kann sie nicht ertragen!“
(Die Bibel, Tanach / Altes Testament, Bereschith / Genesis / 1. Mose, 4. Kapitel, Verse 8-13)
Es gibt krasse Szenen in der Bibel, in denen es an die Substanz menschlichen Zusammenlebens geht. Gleich auf den ersten Seiten ermordet Kain seinen nichts ahnenden Bruder. Ein paar Seiten später werden zwei Schwestern von ihrem Vater schwanger, und ein Mann ist bereit seinen eigenen Sohn für Gott zu schlachten.
Als sie an den Ort kamen, den ihm Gott genannt hatte, baute Abraham den Altar, schichtete das Holz auf, fesselte seinen Sohn Isaak und legte ihn auf den Altar, oben auf das Holz. Schon streckte Abraham seine Hand aus und nahm das Messer, um seinen Sohn zu schlachten.
(Bereschith / Genesis / 1. Mose 22,9-10)
Viele biblische Erzählungen sind nicht glatt und geschmeidig und rutschen mal so eben gefällig durch das Gehirn; sondern sie sind sperrig und verstörend. – Gott lässt fast die ganze Menschheit, inkl. vieler Tiere, in einer gewaltigen Flut absaufen. Nur ein paar überleben in einer Rettungskapsel – und dann fängt wieder alles von vorne an …
Wer etwas Kuscheliges zum Einschlafen sucht, sollte besser zu einem anderen Buch greifen. Es gibt zwar einige utopische Texte und Verse, in denen eine bessere Welt beschrieben oder verheißen wird, aber die meisten biblischen Texte beschreiben keine heile Welt, sondern sind Texte des realen Lebens: Menschen, Alltag, Macht, Freude und Leid, Blut und Schweiß und Tränen. Sie laden nicht nur zum Nachdenken ein, sondern sie berühren im Kern der eigenen Existenz. Sie fordern uns heraus, indem sie verlangen, dass wir alles auf eine Karte setzen.
Eine der großen Sünden der Christenheit ist das Glattbügeln biblischer Texte und Aussagen. Wir hätten gerne ein harmonisches, erbauliches Ganzes; aber was wir haben, ist eine Sammlung von Texten, die nicht so geschmeidig zusammen passen und die auch nicht gefallen wollen. Die Bibel ist das historische Zeugnis eines Prozesses des Nachdenkens und des Austauschs von Gott-Suchenden und Glaubenden. Gemeinschaft von Frommen als Diskursgemeinschaft.
Viele biblischen Verse sind Worte mit Widerhaken – wie Kletten. Sie setzen sich fest. Sie berühren, und sie stören und verstören. Sie nagen an unseren Vorstellungen und Sehnsüchten von Gott und der Welt. Bleiben irgendwo hängen und werden weitergetragen …
… Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen. Als er säte, fiel ein Teil der Körner auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen sie. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte. Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat. Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte Frucht …
(Neues Testament, Matthäus-Evangelium, 13,3-8)
Evangelium. Eine gute Nachricht für eine ausgehungerte Welt. Licht in der Dunkelheit. Worte des Vertrauens und der Liebe, die uns drängen, Teil der Bewegung Gottes in seiner Welt zu werden und uns selbst ganz hinzugeben. Der Mann des Leidens aus Nazareth hat Gott vertraut und das Himmelreich für uns aufgeschlossen.
Was wir auch tun, wir tun es aus der Liebe, die Christus uns geschenkt hat – sie lässt uns keine andere Wahl. Wir sind davon überzeugt: Weil einer für alle Menschen starb, sind sie alle gestorben. Und Christus ist deshalb für alle gestorben, damit alle, die leben, nicht länger für sich selbst leben, sondern für Christus, der für sie gestorben und auferstanden ist.
(Paulus‘ 2. Brief an die Gemeinde in Korinth, 5,14-15)
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„Eine der großen Sünden der Christenheit ist das Glattbügeln biblischer Texte und Aussagen. Wir hätten gerne ein harmonisches, erbauliches Ganzes;“
Ja! Ich frage mich aber auch, ob man überhaupt Theologie wie bisher betreiben kann, wenn die Bibel nicht das harmonische Ganze ist. Zu praktisch jeder theologischen Theorie finde ich irgendwo Bibelstellen, die ihr widersprechen.
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Die Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham hat die immer wieder übersehene Vorgeschichte, dass Sara sich als Schwester ausgeben sollte und am Hof des Pharao landete
Für mich war Abraham damit der erste Zuhälter.
Diesen Verrat ihrer Liebe hat Sara ihm wohl nie verziehen und das hat sie unfruchtbar werden lassen.
Das hat dann auch den Hass auf Hagar und deren Sohn Ismael begründet.
Was dann das Opfer von Isaak begruendete.
Im übrigen wurde hier nur Gen. 4,14 erwähnt nicht aber 4,24 demgegenüber dann Mt.18,21-22 in der richtigen Folge steht
Der Buddhismus lehrt mit den friedliebenden und den kriegführenden Göttern sich aus einandersetzen.
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Danke für deinen Kommentar! – Über Lamech und die Zahl 777 hab ich an anderer Stelle was geschrieben:
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