Christentum heute ist ohne die biblischen Texte kaum vorstellbar. Es gab allerdings schon Christentum bevor die Bibel entstand. Auch ist die Bibel nicht vom Himmel gefallen. Wie wir mit ihr umgehen, ist entscheidend für uns selbst und für andere. – VORSICHT : Das Anliegen des Blogs ist mir sehr ernst; einzelne Sätze sind allerdings nicht immer wörtlich zu nehmen. ;-) – Bin übrigens als Christian Schmill auf Facebook, @C_Schmill bei Twitter.
Ich lese zurzeit ein außergewöhnliches Buch, dessen besonderer Reiz ist, dass es ein Gespräch zwischen Vater und Sohn ist. Beide sind Franzosen. Der Vater, Jean-François Revel, ist ein erfolgreicher Schriftsteller und Philosoph, und der Sohn, Matthieu Ricard, ein Biologe, der eine aussichtsreiche Karriere an der Universität gegen eine Laufbahn als buddhistischer Mönch eingetauscht hat. Er ist der französische Übersetzer des Dalai Lama und wurde in den Medien als „glücklichster Mensch der Welt“ bezeichnet.
Das Buch ist leider nicht mehr ganz neu, aber da das Thema bis weit in die Antike zurückgeht, spielen ein paar Jahre da keine große Rolle. Das Buch ist ein Gespräch zwischen tibetischem Buddhismus und abendländischer Philosophie. Da Ricard selbst auch durch die europäische Kultur geprägt ist, sind ihm nun sowohl westliches als auch buddhistisches Denken vertraut, und er versucht in dem Gespräch u.a. Missverständnisse gegenüber dem Buddhismus auszuräumen.
Besonders beeindrucken tut mich die Ganzheitlichkeit buddhistischer Spiritualität und die hoch entwickelte tibetische Kultur. Die Verbindung von Denken und Leben und Charakter ist ein Ansatz, der in der abendländischen Philosophie früher auch zu finden war; in den vergangenen Jahrhunderten allerdings scheint die europäische Philosophie weitgehend verkopft geworden zu sein, wobei Verbindungen zu praktischer Erfahrung und Charakterbildung häufig nicht erkennbar sind.
Mir ist Ricard vor einer Weile im Internet aufgefallen. Ich weiß nicht, ob er auch Deutsch spricht, aber 2015 wurde ein nettes Interview mit ihm bei SRF Kultur (Sternstunde Philosophie) ausgestrahlt, wo er ins Deutsche übersetzt wird. Auch Bücher von ihm in Deutsch sind vorhanden.
Ken Wilber (amerikan. Philosoph, der die Integrale Theorie formulierte)
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Für alle im BERLINER RAUM:
Das Kreuzbergprojekt hat gerade eine Veranstaltung zum Integralen Christentum für nächste Woche, Do. 2.9. 19:30 Uhr veröffentlicht, wo ich ein bisschen was dazu erzähle, und wir drüber diskutieren. Wäre toll, wenn ein paar von euch mit dabei wären. – Ihr dürft auch gerne Werbung dafür machen … 🙂 – Anmeldung per E-Mail unter anna-lena@kreuzbergprojekt.de
Acker-Senf (Sinapis arvensis), Foto von Teun Spaans, GFDL und CC-BY-2.5, via Wikimedai Commons
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Die Krise der Kirchen
Kirchen sind in der Krise. Ich habe dazu in letzter Zeit öfter Formulierungen gehört wie:
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„Wir müssen uns mehr anstrengen, um die Krise der Kirche zu überwinden.“
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Ich bezweifle, dass das so stimmt. Ich glaube, was wir brauchen ist Bewusstseinsveränderung.
Dies wirft die Frage auf, ob die derzeitigen Entscheidungsträger der Kirchen in der Lage sind, eine solche Bewusstseinsveränderung herbeizuführen.
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Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das ein Mann auf sein Feld sät.
Es ist zwar das kleinste aller Samenkörner. Aber was daraus wächst, ist größer als alle anderen Gartenpflanzen. Ein Baum wird daraus, auf dem die Vögel sich niederlassen und in dessen Zweigen sie nisten.
Ich habe häufig meine besten Ideen nebenbei, wenn ich gar nicht daran arbeite. Ein Phänomen, von dem ich auch schon oft von anderen gehört habe. Sogar Lösungen für mathematische Probleme erscheinen Menschen im Traum …
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Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.
Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.
Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen;
denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf.
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(Psalm 127 – Bibel / Tanach / Altes Testament)
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Mehr Sorglosigkeit und Entspannung?
Müssen wir uns angesichts der Krise von Religion und Kirche wirklich noch mehr anstrengen? Oder sollten wir uns vielleicht eher mehr entspannen? (Klingt das zu gut, um wahr zu sein?)
Und wie vertreten wir dann unsere Sorglosigkeit vor unserem Arbeitgeber und in der Öffentlichkeit?
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„… ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die die selig macht alle, die darauf vertrauen …“
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(Paulus in seinem Brief an die Christen in Rom – Neues Testament – 1,16)
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Eine wirklich Gute Nachricht
Es ist die uralte Botschaft des Evangeliums, dass nicht all unsere Anstrengungen uns retten, sondern das Vertrauen in eine Macht, die größer ist als wir. Eine Kirche, die wirklich „christlich“ ist, wird dies auch authentisch verkörpern.
Unser altes, aufgeblasenes Ego muss gegen das Kreuz prallen, damit eine größere Kraft uns aufrichten und emporheben kann.
Ein sehr nützliches Instrument dazu, dass ich in den vergangenen Monaten kennengelernt habe, ist der spirituelle Weg des Enneagramms. (Richard Rohrs Seminar darüber auf YouTube ist hervorragend!) Und es gibt noch viele andere hilfreiche Dinge …
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Es gibt vor allem Jesus, seine Gegenwart, seine Lehre, und die wunderbare Wirkung, die von ihm ausgeht.
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„Ein Bauer ging aufs Feld, um zu säen …
… einiges fiel auf guten Boden, ging auf, wuchs und brachte Frucht“
SCHALTEN SIE IHRE KIRCHE NICHT AUS. DAS UPGRADE WIRD GERADE INSTALLIERT.
Schritt 1 von. ..
5 Thesen für die ÖKD:
Die ÖKD kann nicht geplant oder “erzeugt” werden. Sie kann sich nur ereignen, oder sie wird nicht sein.
Wir können die Rahmenbedingungen und den Raum schaffen, indem sich ÖKD ereignen kann.
Kirche sind Menschen. ÖKD beginnt in den Herzen von Menschen.
Menschen können in ihren Herzen und in ihrem Leben Raum schaffen, damit ÖKD entstehen kann.
Kirche bedeutet Gemeinschaft. Da das Einssein der Christenheit jetzt schon fast 2000 Jahre auf sich warten lässt, sollten wir alles in der christlichen Welt kritisch unter die Lupe nehmen, was mit Beziehung, Kommunikation und Gemeinschaft zu tun hat.
Einsammeln der Kollekte in einer schottischen Kirche. Gemälde von John Phillip, via Wikimedia Commons – Public domain
„Verkaufe alles, was du hast!“ – Radikaler Minimalismus?
Sorry, wenn ich dir mit dieser Aufforderung zu nahe getreten bin. Die Idee stammt nicht von mir….
Und als er hinausging auf den Weg, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn:
„Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?“
Aber Jesus sprach zu ihm:
„Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als der eine Gott.Du kennst die Gebote: »Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.«…“
Er aber sprach zu ihm:
„Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf.“
Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm:
„Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach!“
Er aber wurde betrübt über das Wort und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter.
Und Jesus sah um sich und sprach zu seinen Jüngern:
„Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen!“
Wenn wir ein bisschen mehr in den Evangelien lesen, werden wir auch merken, dass Jesus nicht allen Menschen dasselbe sagt. Er hat auch nicht alle dazu aufgefordert, ihm hinterher zu gehen.
Geh nach Afrika!
„Aber der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden…“
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(Apostelgeschichte 8,26 – Neues Testament)
„… geht zu allen Völkern und macht die Menschen zu meinen Jüngern…“
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(„Missionsbefehl“ von Jesus im Matthäus-Evangelium 28,19 – Neues Testament)
Wenn wir ein bisschen mehr im Neuen Testament lesen, werden wir allerdings feststellen, dass nicht alle Christen nach Süden geschickt wurden, und dass auch nicht alle Christen dazu aufgefordert werden, als Wanderprediger durch die Welt zu ziehen.
Es geschieht allerdings immer wieder, dass Christen einen Vers aus der Bibel nehmen und meinen, er muss für alle gelten…
Hätte nicht einer gereicht?
„…die sieben Leuchter sind sieben Gemeinden.
Schreib an den Engel der Gemeinde in Ephesus…
An den Engel der Gemeinde in Smyrna schreibe…
Schreib an den Engel der Gemeinde in Pergamon…
Schreib an den Engel der Gemeinde in Thyatira…
Schreib an den Engel der Gemeinde in Sardes…
Schreib an den Engel der Gemeinde in Philadelphia…“
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(Offenbarung 1-3 – Neues Testament)
Sieben Gemeinden bekommen sieben jeweils unterschiedliche Briefe, und es gibt auch noch etliche andere Briefe in der Bibel, und nicht in allen steht dasselbe.
Wenn man in einem einzigen Text alles Wichtige hätte sagen können, warum haben dann Jesus und die Apostel nicht schon einen solchen „Universal-Text“ verfasst? – Es ist doch gerade die Vielfalt an Texten, Menschen und Situationen, die uns zum Denken anregt und uns hilft, das Wesentliche besser zu verstehen.
Wenn schon den Menschen in der Antike, nicht allen dasselbe gesagt worden ist, warum behaupten dann manche Christen heute, dass Gott durch die biblischen Texte allen Menschen dasselbe sagen will?
Der normative Missbrauch der Bibel macht keinen Sinn!
Gottvertrauen braucht keine Glaubenszwänge und kein todsicheres theologisches System.
„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir…“
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(Jesus im Johannes-Evangelium 10,27 – Neues Testament)
Die erste vollständige Bibelübersetzung von Martin Luther 1534, Druck Hans Lufft in Wittenberg, Titelholzschnitt von Meister MS. Foto von Torsten Schleese (Selbstfotografiert im Lutherhaus Wittenberg), via Wikimedia Commons – Public domain
„Die Bibel ist NICHT Gottes Wort!“
Dies wird in der Christenheit nicht deutlich genug gemacht. – Es gibt leider auch viele Christen, die dem sogar energisch widersprechen würden. – Deswegen möchte ich dies in diesem Artikel so deutlich wie möglich machen.
Mir geht es dabei um all die Menschen, die sich schon für die Bibel interessieren, und auch jene, welche vielleicht in der Zukunft zur Bibel greifen werden, weil sie Gott suchen und Antworten auf drängende Fragen ihres Lebens haben möchten.
Die biblischen Texte könnten für uns so viel wertvoller sein, wenn wir besser mit ihnen umgingen…
Die Aussage
„die Bibel ist das Wort Gottes“
ist
unbiblisch,
unchristlich
ungeistlich
und frech.
1. Die Aussage „die Bibel ist das Wort Gottes“ ist unbiblisch !
Diese Tatsache ist so offensichtlich, dass es schon fast peinlich ist, überhaupt darüber zu reden. Da manche Christen in diesem Zusammenhang allerdings sogar von einem „Selbstzeugnis“ der Bibel sprechen, ist es leider wirklich nötig, ausdrücklich darauf hinzuweisen.
Der letzte der biblischen Texte wurde um das Jahr 100 verfasst. Bibeln wurden aber erst ab dem 4. Jahrhundert hergestellt. Demzufolge kann die Aussage „die Bibel ist das Wort Gottes“ in keinem der biblischen Texte zu finden sein, da es Bibeln zur Zeit des Abfassens noch gar nicht gab. Die Aussage ist somit unbiblisch.
Eine Seite des Codex Sinaiticus, eine der bedeutendsten Bibel-Ausgaben aus dem 4. Jahrhundert; via Wikimedia Commons – Public domain
2. Die Aussage „die Bibel ist das Wort Gottes“ ist unchristlich !
Das stimmt allerdings nicht ganz bzw. muss näher erklärt werden.
Da viele Christen behaupten, dass die Bibel das Wort Gottes ist, könnte man auch sagen, es wäre somit im weiteren Sinn „eine christliche Aussage“. Die Christen der ersten Jahrhunderte konnten allerdings gar nicht behaupten, dass die Bibel das Wort Gottes ist, da es unseren Begriff „Bibel“ (bzw. die entsprechenden Begriffe in anderen Sprachen) noch überhaupt nicht gab. Wenn man also auf die Anfänge des Christentums schaut, stellt man fest, dass die Aussage „die Bibel ist Gottes Wort“ damals keine christliche Aussage war und auch nicht sein konnte.
Die ersten Christen erlebten die Offenbarung Gottes auch nicht nur in einem Buch. Im Menschen Jesus aus Nazareth und im Heiligen Geist war Gott selbst zu ihnen gekommen, und Gott sprach nun zu ihnen z.B. auch durch die christliche Schwester und den christlichen Bruder, und er lehrte vor allem den einzelnen Gläubigen in seinem Herzen durch den Heiligen Geist.
„Doch der Heilige Geist, den euch Christus gegeben hat, er bleibt in euch. Deshalb braucht ihr keine anderen Lehrer, der Heilige Geist selbst ist in allen Fragen euer Lehrer. Was er euch sagt, ist wahr und ohne Lüge…“
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(Erster Brief von Johannes, 2. Kapitel, Vers 27 – Bibel, Neues Testament)
3. Die Aussage „die Bibel ist das Wort Gottes“ ist ungeistlich !
Die Jesus-Bewegung war eine „spirituelle Bewegung“. Zum frühen Christentum gehörte wesentlich die Gegenwart und die Wirkungen des Heiligen Geistes. Dies sieht man besonders in der Bekehrung und im Wirken von Paulus. Das Wesen der Frömmigkeit hatte sich geändert: Weg vom Leben nach Texten, und hin zu einem innigen Leben in der Gegenwart des Heiligen Geistes.
„… der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“
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(Paulus im zweiten Brief an die Christen in Korinth 3,6 – Neues Testament)
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„… Wenn ihr aber mit der Kraft des Geistes euer selbstsüchtiges Verhalten tötet, werdet ihr leben.Alle, die sich von Gottes Geist regieren lassen, sind Kinder Gottes.“
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(Paulus im Brief an die Christen in Rom 8,13-14 – Neues Testament)
Die Bibel-Ideologie und Bibel-Frömmigkeit, welche sich in der Kirchengeschichte entwickelt haben, sind ein Rückschritt. Anstatt einem Leben im Geist Gottes zu vertrauen, klammert man sich wieder an heilige Texte.
Das Ganze ist auch eine Machtfrage in den religiösen Systemen der Christenheit:
Über Texte kann man verfügen (Bibelzitate, Dogmen, Bibel-Ausleger,…) – über den Heiligen Geist nicht!
4. Die Aussage „die Bibel ist das Wort Gottes“ ist frech !
Viele biblischen Texte nehmen für sich überhaupt nicht in Anspruch „Wort Gottes“ oder besonders „inspiriert“ zu sein.
Das Lukas-Evangelium ist dafür ein gutes Beispiel. Im Unterschied zu den anderen Evangelien, macht der Verfasser hier wenigstens Angaben über die Umstände der Entstehung des Textes. Er nimmt dabei allerdings gar nicht in Anspruch, irgendwie göttlich inspiriert worden zu sein. Im Gegenteil! Er schreibt, er habe gründlich recherchiert (Lukas 1,3).
Dennoch zu behaupten, die biblischen Texte sein „Gottes Wort“ ist frech, denn man geht damit – aus welchen Gründen auch immer – eindeutig über das hinaus, was viele der biblischen Texte für sich selbst in Anspruch nehmen.
Und es ist vor allem frech, weil man damit auch etwas über Gott sagt, was er selbst gar nicht gesagt hat.
„Es sollten sich nicht so viele in der Gemeinde um die Aufgabe drängen, andere im Glauben zu unterweisen. Denn ihr wisst ja: Wir, die andere lehren, werden von Gott einmal nach besonders strengen Maßstäben beurteilt.“
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(Jakobusbrief 3,1 – Neues Testament)
Warum nehmen wir die biblischen Texte nicht einfach so, wie sie sind?
Wir wären überrascht, welche Wirkung sie entfalten können, wenn man sie von den Ketten von Bibel-Ideologie und menschlicher Instrumentalisierung befreit. – Ein Buch des Lebens…
Die Bedeutung von Mängeln und Mangel für die Mission
Computer-Simulation der verzweigten Architektur der Dendriten von Pyramidenzellen (Neuronen), von Hermann Cuntz via Wikimedia Commons – CC BY 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.5)
“Glücklich schätzen
können sich Menschen,
die hungrig und durstig sind
nach Gerechtigkeit.
Sie werden satt werden.”
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(Worte von Jesus aus der Bergpredigt – Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium 5. Kapitel, Vers 6)
Ein erneuert werdendes Bewusstsein
Göttlicher Geist schenkt auch einen weiten Blick und macht Menschen zu Visionären. Gottes Absicht ist immer noch größer als unser Verstehen. Sie ist der Ausgleich unseres Mangels und das Ziel der Weltgeschichte: Die Rückkehr ins Paradies. Bis hin zu unserem Ziel der Fülle Christi (Eph 4,13) befinden wir uns auf einem Weg des Segens und des Mangels.
Schon im ersten Teil unserer Bibeln (Altes Testament) wird deutlich, dass Gottes Absicht größer ist, als die Fürsorge für ein einzelnes Volk. Das Buch Jona, z.B., ist ein erstaunliches Dokument jüdischer Feindesliebe (Ninive war eine Metropole der Feinde Israels).
„…Und ich sollte kein Mitleid haben mit Ninive, dieser große Stadt, in der mehr als 120.000 Menschen leben, die Gut und Böse nicht unterscheiden können, und dazu noch so viele Tiere?“
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(Mit diesen Worten Gottes endet das kleine Buch „Jona“, Jona 4,11 – Bibel / Tanach / Altes Testament)
Es ist diese Perspektive, die sich dann schon in der ersten Generation der Christen Bahn bricht: Die gute Nachricht eines liebenden Gottes für alle Völker. Kein Platz bleibt mehr für die Vorherrschaft eines einzelnen Volkes. Universalisierung des Glaubens an einen einzigen, einenden Gott. Menschen aller Völker werden Schwestern und Brüder…
Schon die ersten Christen taten sich schwer damit, die Konsequenzen aus dieser großartigen Vision zu verstehen. Heftige Streitigkeiten begleiteten das Christentum von Anfang an. Gleichzeitig erlebten sie allerdings auch die außerordentliche zusammenführende und verbindende Kraft des Glaubens an den Mann aus Nazareth. So war die Vision der einen Menschheitsfamilie gleichzeitig auch Auftrag an die Christen, eine solche Einheit zu verwirklichen und vorzuleben.
„Ich bete darum, dass sie alle eins sind – sie in uns, so wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin. Dann wird die Welt glauben, dass du mich gesandt hast.
Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich nun auch ihnen gegeben, damit sie eins sind, so wie wir eins sind. Ich in ihnen und du in mir – so sollen sie zur völligen Einheit gelangen, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und dass sie von dir geliebt sind, wie ich von dir geliebt bin.“
Es ist sicherlich kein Zufall, dass es einer der späteren neutestamentlichen Texte ist, in dem Jesus betet: “…dass sie alle eins seien (Joh 17,21)” Der Text verweist zugleich auch auf die Quelle dieser Einheit: Das Geheimnis der Einheit von Jesus und Gott. In den darauffolgenden Jahrhunderten wurde dann gerade das Definieren dieses Geheimnisses der Anlass, aufgrund dessen sich Menschen, die sich Christen nannten, bis aufs Blut bekämpft haben. Eine der vielen Fragwürdigkeiten in der Geschichte der Christenheit. Und der Streit darüber hat bis heute nicht aufgehört!
Als Schüler von Jesus sind wir Lernende. Die Bezeichnung “Lernende” setzt Mangel voraus. Wir sind Menschen, die auf ein klares Ziel hin reifen. Unser Bewusstsein wird erneuert und unsere Sinne geschärft, um das Wirken Gottes in unserer Zeit und Welt und in unserem persönlichen Leben immer besser wahrzunehmen und immer mehr damit übereinzustimmen. – Sattheit macht uns dumpf und träge, Hunger schärft unsere Sinne.
„Das soll dazu führen, dass wir alle in unserem Glauben und in unserer Kenntnis von Gottes Sohn zur vollen Einheit gelangen und dass wir eine Reife erreichen, deren Maßstab Christus selbst ist in seiner ganzen Fülle. Denn wir sollen keine unmündigen Kinder mehr sein…“
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(Epheserbrief 4,13-14 – Neues Testament)
Teil der Erneuerung des Bewusstseins ist ein moralisches Leben: Übernehmen von Verantwortung für das eigene Leben, Wahrhaftigkeit, Anerkennen von Schuld usw. Moralität, Wertesysteme und generationsübergreifende Wertetraditionen sind grundlegend nicht nur für das Christentum. Leben mit einem guten Gewissen gibt Stabilität, Klarheit und Kraft.
Die „Zehn Gebote“ vor dem State Capitol in Austin (USA), via Wikimedia Commons – public domain
Als moralische Wesen sind wir Teil von Wertesystemen. Wir erlernen Werte beim Aufwachsen in unserem Umfeld und unserer Kultur. Diese Werte sind relativ. Andere Kulturen haben abweichende Werte. Zu einem reifen Menschen gehört die Fähigkeit, über die eigenen Wertesysteme hinaus denken und das Deuten und Bewerten von Situationen in anderen kulturellen Zusammenhängen lernen zu können. – In einer anderen Kultur erfahren wir schnell Mangel, den wir Zuhause nie erlebt hätten…
Die Entstehung von Wertesystemen, Wertevermittlung und generationsübergreifende Wertetradition sind wichtige Themen für Christentum und Mission. Ein geistliches Leben geht allerdings über Moralität noch weit hinaus. Es geht um die Reifung des ganzen Menschen, die Entfaltung allen menschlichen Potentials, die Entwicklung einer persönlichen und kollektiven Spiritualität, das Christusbewusstsein des neuen Menschen und der neuen Schöpfung. Ein Lern- und Reifungsprozess, mit dem wir nie fertig werden.
„Liebe ist geduldig, Liebe ist freundlich. Sie kennt keinen Neid, sie spielt sich nicht auf, sie ist nicht eingebildet. Sie verhält sich nicht taktlos, sie sucht nicht den eigenen Vorteil, sie verliert nicht die Beherrschung, sie trägt keinem etwas nach. Sie freut sich nicht, wenn Unrecht geschieht, aber wo die Wahrheit siegt, freut sie sich mit.
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Alles erträgt sie, in jeder Lage glaubt sie, immer hofft sie, allem hält sie stand.“
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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 13,4-7 – Neues Testament)
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„Die Frucht hingegen, die der Geist Gottes hervorbringt, besteht in Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Rücksichtnahme und Selbstbeherrschung…“
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(Paulus im Brief an die Christen in Galatien 5,22-23)
Wir sehen uns heute mit Herausforderungen konfrontiert, wie niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Aber wir haben auch Möglichkeiten des Lernens und der Zusammenarbeit wie niemals zuvor. Die modernen Schüler von Jesus tragen mit allem, was ihnen gegeben ist, eine große Verantwortung.
ER IST ein außergewöhnliches Kind. Seine Mama hat das schon immer gewusst. Auch Nachbarn und Bekannte machen immer wieder Andeutungen:
„Aus dir wird noch mal was ganz Besonderes!“
Und dann passiert …
nichts.
Er wächst eigentlich einfach so auf wie all die anderen Jungs in seinem Kaff, irgendwo auf dem Land, weit ab von den Metropolen, wo das Leben spielt …
Keine Ahnung.
Die Zeit vergeht …
Jahr für Jahr, für Jahr …
Im Schoß seiner Familie wächst er heran.
Aus dem Jungen wird ein Mann.
Eines Tages kommt eine Frau ins Dorf und erzählt:
„Leute, stellt euch vor! Unten im Süden, in der Wildnis, noch auf der östlichen Seite des Jordan, gar nicht so weit von Jerusalem, hat so’n komischer Typ angefangen öffentlich zu predigen:
‚Gottes Gericht steht kurz bevor! Tut Buße! Wenn ihr nicht ändert, wie ihr lebt, kommt es zur Katastrophe! Hört endlich auf, das Falsche zu machen und fangt an richtig zu leben!‘
Und die ganzen Leute rennen zu ihm hin, und viele lassen sich im Jordan taufen; als Zeichen, dass sie mit ihrem alten Leben brechen wollen, und um sich vorzubereiten auf das, was kommt …“
Da verlässt er seine Familie und sein Dorf, und macht sich auf den langen Weg nach Süden.
Schon von Weitem sieht er die große Menschenmenge, und hört die kräftige Stimme des Predigers. Er bahnt sich einen Weg durch die Menschen und reiht sich ein in die Schar derer, die sich taufen lassen.
Endlich ist er an der Reihe. Für einen Augenblick ist er begraben im kalten Wasser des Jordan …
Dann richtet er sich auf.
Das Wasser tropft von ihm herab, und er reibt es sich aus den Augen. Als er die Augen öffnet, erblickt er eine Erscheinung am Himmel, wie eine Taube, die vom Himmel auf ihn herabkommt, und er hört eine Stimme:
„Du bist mein Kind!
Ich bin so stolz auf dich.“
Ganz langsam steigt er aus dem Wasser heraus und bahnt sich erneut einen Weg durch die Menge. Er flieht vor den Menschen. Er braucht jetzt Zeit für sich allein, und er geht in die nahe gelegene Wüste. Es zieht ihn in die Einsamkeit …
Wüste. Nur Himmel über ihm. Nachts leuchten die Sterne.
Sein Name ist übrigens „Jeschua;“ eine Kurzform des beliebten alten hebräischen Namens „Jehoschua.“ – Ein berühmter Mann mit demselben Namen hatte einmal vor langer, langer Zeit nicht weit von hier das Volk Gottes in das gelobte Land geführt.
Der Name hatte ursprünglich sicherlich auch einmal eine Bedeutung. Vielleicht sollte er bedeuten „Gott ist großzügig“ oder „Gott rettet“.
Jeschua isst nichts, während er in der Wüste wartet. Und nachdem vierzig Tage vergangen sind, ist er völlig entkräftet, und der Hunger quält ihn …
Da begegnet er dem Bösen.
„Na, du Ebenbild Gottes! Mach doch einfach Brot aus diesem Stein hier! Als Kind Gottes müsstest du das doch eigentlich können, oder?“
Doch Jeschua antwortet nur:
„Um wirklich zu leben, braucht ein Mensch mehr als Essen.“
Eine Weile vergeht.
Dann tut sich ein Abgrund vor ihm auf. Es zieht seinen Blick in die Tiefe …
„Heißt es nicht in den Heiligen Schriften: ‚Er wird Engel schicken, um mich zu retten?‘ “
„Nein, …. nein! Ich kann doch nicht Gott herausfordern. Ich kann sein Eingreifen doch nicht erzwingen. Gott wird alles machen – zu seiner Zeit …“
Wieder vergeht eine Weile.
Immer noch hat Jeschua nichts gegessen, und noch einmal tritt der Versucher an ihn heran und flüstert in sein Ohr:
„Ich habe mehr als du brauchst. Mir ist Alles in dieser Welt GEGEBEN WORDEN. Mir gehören doch alle Mächtigen, alles Geld, aller Reichtum, …
Du brauchst das bloß endlich anerkennen, und die Welt wird dir zu Füßen liegen. Mit mir kriegst du alles , wenn du dich nur endlich vor mir beugst.“
Da öffnet Jeschua seinen Mund und spricht langsam die Worte:
„Hau ab, du Teufel! – Ich weiß nur eins: Gott regiert!“
Und im selben Augenblick ist der ganze Spuk vorbei, und Gottes Helfer kommen zu ihm und versorgen ihn mit allem, was er braucht.
Voll-Macht.
Gestärkt, befähigt, und erfüllt mit der Kraft Gottes, wendet sich Jeschua nun nach Norden. Er lässt die Wüste hinter sich. Auch den Mittelpunkt seines Volkes, Jerusalem, Tempel, Priester und König, die Reichen und Mächtigen lässt er hinter sich und geht zurück zu seinen Leuten aufs Land – zu den einfachen Menschen.
Er trifft sie in den Synagogen und auf den Marktplätzen und spricht mit ihnen. Er sagt ihnen: