Der dreieinige Mensch

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Trinität in San Nicola (Giornico) – Cassinam, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

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Ich bin in den nächsten Wochen damit beschäftigt, meine Bachelorarbeit zu schreiben. Mein Thema ist “Berührungspunkte von Trinitätslehre und Enneagramm als Elemente einer systemischen Theologie“. Fällt euch dazu was ein?

Ich bin schon eine Weile dabei zu recherchieren und hab den Eindruck, dass dies ein vielversprechendes Thema ist. Ich glaube, ein triadischer Ansatz ist hilfreich, um dem Geheimnis des Menschlichen und Göttlichen auf die Spur zu kommen.

Bin gespannt auf eure Kommentare …

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Enneagramm und/oder Bibel?

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Manch einem mag schon diese Frage seltsam erscheinen …

Wo ist das Problem?

Während manche Gläubige über Jahrzehnte hinweg von der Weisheit des Enneagramms beeindruckt sind und damit arbeiten, erscheint anderen bereits das Enneagramm-Symbol als mysteriös und verdächtig. Schleicht sich da vielleicht eine unchristliche Selbsterlösungslehre in die Christenheit ein?

Kritik kommt sogar aus dem katholischen Lager, obwohl gerade Katholik*innen maßgeblich an der Verbreitung des Enneagramms in der christlichen Szene beteiligt waren (Jesuiten, Richard Rohr, Suzanne Zuercher usw.). Die Befürworter und Gegner des Enneagramms scheinen sich allerdings gemischt in den unterschiedlichen christlichen Milieus zu befinden.

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Woran liegt es, dass Christ*innen so unterschiedlich auf die Enneagramm-Theorie reagieren?

Manche Menschen wehren sich dagegen, vom Enneagramm „in eine Schublade gesteckt“ zu werden, andere argumentieren, die Arbeit mit dem Enneagramm widerspräche der christlichen Überzeugung, dass wir durch den Tod Jesu am Kreuz erlöst werden (und nicht durch „Selbsterlösung“ oder irgendeine besondere Erkenntnis). Dabei lassen sich religiöse und nicht-religiöse Argumente kaum sauber von einander trennen. Das nicht spezifisch religiöse Unbehagen, in eine Schublade gesteckt zu werden, könnte z.B. religiös begründet werden: „Es widerspricht dem biblischen Menschenbild!“ (oder ähnlich).

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„Du bist einzigartig!“ (Genauso einzigartig, wie alle anderen …)

Es geht im Grunde wahrscheinlich um die Problematik aller Persönlichkeitstypologien. Sollte es wirklich Kriterien geben, nach denen man alle Menschen in bestimmten Gruppen zusammenfassen kann? – Wissenschaftlich durchgesetzt haben sich im Moment wohl vor allem die „Big Five„. – Sind wir Menschen nicht zu komplex und einzigartig, als dass man uns einfach so vergleichen und sortieren könnte?

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„Autsch! Ich hab einen Balken im Auge …“

„Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn wie ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden. Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen! – und siehe, ein Balken ist in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach kannst du sehen und den Splitter aus deines Bruders Auge ziehen.“

(Bergprdigt – Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium, 7. Kapitel, Verse 2-5)

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Dieser Text aus der schönen Bergpredigt ist für mich die beste biblische Hinführung zum Enneagramm: Es geht darum, den Balken im eigenen Auge wahrzunehmen und zu entfernen, damit man besser sehen kann. (Schattenarbeit)

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Das emergierende Enneagramm

Insbesondere da die Entstehung und Herkunft des Enneagramm aufgrund eines Mangels an historischen Quellen weitgehend im Dunkeln liegt, erscheint es mir wichtig aufzuzeigen, warum und wie die Enneagramm-Theorie an den Inhalt der biblischen Texte anknüpft und sich in die christliche Tradition einfügt. Ich habe vor mich im Rahmen meiner Bachelorarbeit in den nächsten Monaten damit zu beschäftigen.

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Welche Bedeutung hat das Enneagramm für die Zukunft der Christenheit?

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Wenn ihr Informationen, Ideen, Hinweise etc. zu diesem Themenkomplex habt, dann hinterlasst sie gerne in den Kommentaren. 🙂

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Sandra Hauser | Das Böse – aus integraler Sicht

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Sandra Hauser auf ihrem Blog „Integrales Christsein“ über das Phänomen und den Begriff des „Bösen“:

Das Böse – aus integraler Sicht

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Segen für eine Schwangere.

Maria in blauem Tor – Symbol für das Universum und die Symbiose von Alt und Neu (Jimmy Fell, 2010 – Copyrighted free use, via Wikimedia Commons)

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„Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir.
Du bist gebenedeit unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.

Heilige Maria, Mutter Gottes,
bitte für uns Sünder
jetzt und in der Stunde unseres Todes.

Amen.“

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Ave Maria

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Das „Ave Maria“ ist eines der wichtigsten katholischen Gebete. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Betenden auf eine schwangere Frau, die von Gott gesegnet ist, und verbindet Weiblichkeit und Männlichkeit im Göttlichen.

Die ersten Zeilen des Gebets stammen aus dem Lukas-Evangelium des Neuen Testamentes (Bibel):

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„Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach:

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‚Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!‘

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Sie aber erschrak über die Rede und dachte:

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‚Welch ein Gruß ist das?‘ 

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Und der Engel sprach zu ihr:

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‚Fürchte dich nicht, Maria! Du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.‘ 

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Da sprach Maria zu dem Engel:

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‚Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Manne weiß?‘

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Der Engel antwortete und sprach zu ihr:

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‚Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, sie, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.‘ 

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Maria aber sprach:

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‚Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.‘ …“

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(Lukas-Evangelium, 1. Kapitel, Verse 26-37 – Neues Testament, Bibel)

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Rezension: “Freikirchliche Gottesdienste” von Stefan Schweyer

Stefan Schweyer: “Freikirchliche Gottesdienste – Empirische Analysen und theologische Reflexionen”. Erschienen 2020 in der Reihe “Arbeiten zur Praktischen Theologie” (APrTh Band 80) bei der Ev. Verlagsanstalt, Leipzig. 608 Seiten, Hardcover, 58 EUR, ISBN 978-3-374-06710-7.

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Schweyers Buch “Freikirchliche Gottesdienste – Empirische Analysen und theologische Reflexionen” ist in meinen Augen für alle empfehlenswert, die sich empirisch mit Gottesdiensten beschäftigen, sich speziell für freikirchliche Gottesdienste interessieren oder einfach nur Inspirationen zum Thema Gottesdienst suchen. (Alleine die Literaturhinweise bieten eine Fülle von Ansatzpunkten.)

Wem Freikirchen und deren Gottesdienste noch nicht vertraut sind, der bekommt durch das Buch einen guten Einblick durch einen Kenner der Szene; und denjenigen, die freikirchliche Gottesdienste schon kennen, begegnet eine detailreiche und reflektierte Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand, sowohl in der empirischen Arbeit, als auch in der theologischen Reflektion. 

Einzelne Aspekte freikirchlicher Gottesdienste, wie Musik, Gebete, Bibelgebrauch, die Rolle der Predigt, das Abendmahl und die Kollekte, werden bei der Studie berücksichtigt und analysiert, und wer sich nicht durch den Umfang und das wissenschaftliche Niveau dieser Habilitationsschrift abschrecken lässt, kann beim Lesen eine Menge lernen und viele Anregungen finden.

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ZUM AUTOR

Warum interessieren sich Menschen für freikirchliche Gottesdienste? Bei Stefan Schweyer ist dieses Interesse leicht nachzuvollziehen. In seinem Buch beschreibt er unter Punkt 3.4, “Reflektierte Subjektivität”, seine eigene persönliche Verwicklung mit dem Thema.

Schweyer wurde 1970 im Kanton Zürich geboren und war seit seiner Kindheit Teil der freikirchlichen Szene. Seine Eltern waren als Gemeindegründer in Freien Evangelischen Gemeinden tätig. Im Gymnasium des Benediktinerklosters Einsiedeln begegnete er allerdings auch den hochliturgischen Gottesdiensten in der prunkvollen Klosterkirche. Er studierte Theologie und arbeitete als Pastor in einer Freien Evangelischen Gemeinde. Seit 2008 ist er Dozent und seit 2020 Ordentlicher Professor für Praktische Theologie an der STH Basel. Das vorliegende Buch ist seine leicht überarbeitete Habilitationsschrift, welche 2019 von der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg (Schweiz) angenommen wurde.

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ZUM BUCH

Im deutschsprachigen Raum ist die Gottesdienstkultur seit Jahrhunderten durch die traditionellen Gottesdienste der Großkirchen geprägt worden. Schweyers Interesse gilt in seiner Habilitationsschrift Gottesdiensten, welche alternativ zu diesen traditionell-liturgisch gestalteten Gottesdiensten gefeiert werden. Er erläutert:

“Während solche Formate in grosskirchlichen Kontexten meist einen die ‘klassischen’ Gottesdienste ergänzenden Charakter haben, stellen sie in freikirchlichen Kontexten den sonntäglichen und regelmäßigen ‘Normalfall’ dar.” (S.100)

Um solche normalen freikirchliche Sonntagsgottesdienste geht es also in dem vorliegenden Buch. Da das Thema noch nicht ausreichend von Liturgiewissenschaftlern beanrbeitet worden ist, will Schweyer mit seiner Arbeit eine Lücke schließen; und da es in Freikirchen keine zugrunde liegendenden Gottesdienstbücher oder Agenden gibt, drängt sich der empirische Zugang zu diesem Forschungsgegenstand geradezu auf. Das Ziel der Studie war es, die impliziten Logiken freikirchlicher Gottesdienste besser zu verstehen:

“Meine Aufmerksamkeit gilt den theologischen Motiven, die in der Gottesdienstgestaltung und im Gottesdienstverständnis der verantwortlichen Personen zum Ausdruck kommen.” (Punkt 3.1, “Präzisierung der Fragestellung”, S.100)

Die kritische Reflexion des eigenen Standpunkts ist dabei ein wichtiges Element empirischer Sozialforschung. Schweyer ist sich dessen bewusst und dokumentiert dies unter Punkt 3.4, “Reflektierte Subjektivität”. Er schreibt dort bzgl. seiner Nähe zum Forschungsgegenstand: 

“Die Nachteile, dass blinde Flecken übersehen werden und die kritische Distanz fehlen kann, sind nicht zu unterschätzen …” (S.112)

Schweyer knüpft in seiner Studie an einer Aufteilung der freikirchlichen Szene in drei Submilieus an: “klassisch”, “konservativ” und “pfingstlich-charismatisch”. Er sieht innerhalb des pfingstlich-charismatischen Milieus allerdings nochmals wesentliche Unterschiede in Bezug auf die Gestaltung von Gottesdiensten und ergänzt deshalb die drei Submilieus durch ein viertes “neocharismatisches” Submilieu, zu dem er beispielsweise die International Christian Fellowship (ICF) zählt .

Schweyer hatte sich darum bemüht, auch Gottesdienste der sogenannten “geschlossenen Brüder” in seine Studie miteinzubeziehen. Aufgrund eines mangelnden Interesses an einer Zusammenarbeit seitens der angefragten Gemeinden konnten solche Gottesdienste dann allerdings leider nicht in die Studie mit aufgenommen werden (S.129). Besucht wurden schließlich jeweils ein Gottesdienst von insgesamt 16 Gemeinden aus dem konservativen (3 Gemeinden), dem klassischen (4 Gemeinden), dem pfingstlich-charismatischen (6 Gemeinden) und dem neocharismatischen Milieu (3 Gemeinden).

Schweyer weist darauf hin, dass es in der qualitativen Sozialforschung umstritten ist, “ob die vorgängige Formulierung von Hypothesen hilfreich oder hinderlich ist” (S. 105). Er entscheidet sich für “hypothesengeleitete Forschung”, welche einen Mittelweg zwischen hypothesengenerierender und hpyothesenüberprüfender Forschung darstellt. Er nähert sich dem Forschungsgegenstand auf vier Wegen: Teilnehmende Beobachtung, Videoaufzeichnung, Gruppeninterview und schriftliche Quellen. Den Kapiteln zur empirischen Arbeit gehen noch ein Kapitel mit einer Einführung in die Thematik und ein Kapitel mit einer Darstellung des aktuellen Forschungsstandes voraus.

Alle Sozialforscher kennen das Problem, dass die begrenzenden Rahmenbedingungen einer Studie leider manches verhindern, was aus wissenschaftlichem Interesse und zur Steigerung der wissenschaftlichen Qualität wünschenswert wäre. Diese Erfahrung musste auch Schweyer machen. Er weist z.B. explizit darauf hin, dass eine kommunikative Validierung mit den Interviewpartnern nicht erfolgt ist, weil der Forschungsprozess “nur einen einmaligen Aufenthalt an einem Gottesdienstort und nur ein einmaliges Treffen der Interviewgruppe vorsah” (S. 105).

Im Anschluss an die Analysen zu freikirchlicher Gottesdienstpraxis und Gottesdiensttheologie reflektiert er die Ergebnisse untergliedert in 6 Themenbereiche:

Alltag & Gottesdienst
Allgemeines Priestertum & Gottesdienst
Mission & Gottesdienst
Gottesdienst zwischen Form und Freiheit
Gottesdienst zwischen Individualität und Universalität
Liturgische Spannungsfelder

Abschließend formuliert er dann im letzten Kapitel noch “Ein- und Aussichten” in Bezug auf die freikirchliche Gottesdienstlandschaft und die liturgiewissenschaftliche Forschung. 

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KRITISCHE BEWERTUNG

Das Buch ist keine gefällige Lektüre. Es ist ein theologisches Fachbuch. Es folgt nicht dem geschmeidigen Verlauf einer Erzählung, sondern strenger wissenschaftlicher Logik. Schweyers sorgfältiges Arbeiten und seine präzise Sprache erleichtern allerdings das Lesen. Schweizer Kultur ist wahrnehmbar.

Ein Buch zu freikirchlichen Gottesdiensten veröffentlicht von einer Evangelischen Verlagsanstalt. Nicht selbstverständlich. Titel und Verlag lassen vermuten, dass es bei dem Buch um freikirchliche Gottesdienste in Deutschland geht. Diese kommen in dem Buch allerdings kaum vor. Schon auf der Rückseite des Buches wird erklärt, dass die Studie auf empirischen Untersuchungen in der deutschsprachigen Schweiz basiert.

Sicherlich werden viele Beobachtungen und Aussagen in ähnlicher Weise auch auf freikirchliche Gottesdienste in Deutschland zutreffen. In welchem Umfang es dabei auch Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland gibt, wird in der Studie selbst allerdings nicht empirisch erfasst. Wem die freikirchliche Szene in Deutschland nicht bereits vertraut ist, dem wird es schwer fallen zu beurteilen, inwieweit sich die Ergebnisse auf Deutschland übertragen lassen. Das beschriebene Zusammenspiel der für freikirchliche Gottesdienste wichtigen Elemente (Glaubensüberzeugungen, Allgemeines Priestertum, Mission, Alltagsbezug, usw.) dürfte allerdings nicht nur für Schweizer und auch nicht nur für freikirchliche Christ*innen interessant sein.

Bei dem Buch handelt es sich um eine interdisziplinäre Arbeit. Schweyer wendet Methoden der qualitativen Sozialforschung an, um ausgewählte Gottesdienste in der deutschsprachigen Schweiz zu untersuchen. Alle offenen Fragen der Sozialwissenschaft, wie sie z.B. im schon Jahrzehnte andauernden “Methodenstreit” (quantitativ vs. qualitativ) zum Ausdruck kommen, betreffen somit offensichtlich auch den empirischen Teil dieses Buches. Bei einem Forschungsgegenstand mit einer spirituell-religiösen Dimension sicherlich ein ernstzunehmender Aspekt.

Die Darstellung der Studie im Buch beschreibt ein fleißiges Vorgehen und offenbart Kenntnis sozialwissenschaftlicher Vorgehensweise. Ich konnte anhand von Schweyers Lebenslauf allerdings nicht erkennen, ob Schweyer schon vor dieser Habilitation einmal sozialwissenschaftlich gearbeitet hat. Auch nach Lesen des Buches blieben bei mir Zweifel bestehen, inwieweit ausreichende sozialwissenschaftliche Kompetenz für diese Studie vorhanden gewesen ist. Sicherlich würde es die Qualität interdisziplinärer Studien verbessern, wenn man entsprechend dem Forschungsgegenstand und dem Forschungsansatz auch in einem interdisziplinären Team arbeiten würde. 

Schweyer besitzt ein großes persönliches Interesse und eine biografische Nähe zu seinem Forschungsgegenstand. Dies hat offensichtliche Vorteile, bringt aber auch den Nachteil mit sich, dass die sozialwissenschaftlich geforderte “Verfremdungshaltung” in Bezug auf das sogenannte “Fremdverstehen” der involvierten Personen besonders schwer fallen dürfte. Auch in Bezug auf diesen Aspekt wäre Teamarbeit, gemeinsam mit Wissenschaftlern, die eine größere persönliche Distanz zum Forschungsgegenstand haben, sicherlich sinnvoll gewesen.

Gewünscht hätte ich mir auch, dass die theoretischen Voraussetzungen von Schweyers Überlegungen deutlicher geworden wären. Da er selbst evangelischer Theologe ist und das Buch in einem evangelischen Verlag erschienen ist, kann man davon ausgehen, dass “evangelische Identität” (was auch immer das genau sein mag) eine Rolle gespielt hat. (“Evangelisch” ist in den letzten Jahrhunderten zu einem ziemlich “breiten” Attribut geworden.) Andererseits ist allerdings auch Schweyers Liebe zur Ökumene in seinem Buch deutlich erkennbar. Aber mit welchen Überzeugungen und Denkvoraussetzungen geht er in die ökumenische Begegnung?

Schweyer ist Professor an einer Hochschule, die damit wirbt, “bibelorientiert” zu sein. Aber orientieren sich nicht alle Christ*innen irgendwie an der Bibel? – All die Fragen, welche mit der Bedeutung der biblischen Texte und unseren Umgang mit ihnen zusammenhängen, sind leider selbst auf der höchsten akademischen Ebene längst noch nicht geklärt, und es erscheint mir fraglich, ob dies jemals der Fall sein wird.

Die theoretischen Denkvoraussetzungen des Autors bleiben in meiner Wahrnehmung schwammig. (Wem die christliche Szene vertraut ist, dem ist allerdings auch dieses Problem vertraut.) Und dort, wo Schweyer bezug zur Bibel nimmt, empfinde ich seine Argumentation nicht immer als stimmig. So schreibt er z.B.:

“Schon in der Eröffnungssequenz kann die vertikale Dimension markiert werden, indem der Gottesdienst mit Bibelwort und Gebet startet.” (S. 548)

Aber warum sollte ein antikes Menschenwort aus der Bibel mehr “Vertikalität” markieren als ein aktuelles prophetisches “Menschenwort” eines Gemeindemitglieds? “Lehrt” uns nicht gerade die Bibel, z.B. im Ersten Korintherbrief, die Bedeutung solcher aktuellen prophetischen Worte?

Hätte man z.B. die Integrale Theorie Ken Wilbers genutzt, um die Aspekte von Gottesdienst differenzierter zu betrachten und Elemente entsprechend einzuordnen, so wären die Bezüge zwischen einzelnen Elementen und Argumentationslinien klarer gewesen und auch der theoretische Ansatz wäre eindeutig benannt. (Material zur Integralen Theorie und Integralem Christentum ist bereits seit vielen Jahren vorhanden.)

Trotz der angesprochenen Schwächen stellt das Buch, meiner Meinung nach, einen wertvollen Beitrag zum Verständnis und zur Weiterentwicklung von Gottesdienstkultur dar. Die Bedeutung der Studie dürfte über den deutschen Sprachraum hinausgehen. Persönlich schätze ich am Buch besonders Schweyers Interesse am ökumenischen Austausch und der Verbesserung gottesdienstlicher Praxis. Bleibt zu wünschen, dass dieses Buch dazu beiträgt.

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ANMERKUNGEN

Auf der Homepage des Verlages stehen Beilagen zur Studie zum Download zur Verfügung:

Stefan Schweyer: Freikirchliche Gottesdienste  ->  Beilagen

Die Publikation von Schweyers Buch wurde unterstützt vom Verband evangelischer Freikirchen und Gemeinden in der Schweiz (VFK – freikirchen.ch) und von der Arbeitsgemeinschaft für biblisch erneuerte Theologie (afbet.ch).

Weitere Rezensionen zum Buch findet man hier:

Stefan Schweyer: Freikirchliche Gottesdienste (Rezension von Dejan Aždajić, Arbeitskreis für evangelikale Theologie)

Freikirchliche Gottesdienste (Rezension von Ron Kubsch, Evangelium21)

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Veranstaltung zu Gott 9.0 / Integralem Christentum

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Ken Wilber (amerikan. Philosoph, der die Integrale Theorie formulierte)

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Für alle im BERLINER RAUM:


Das Kreuzbergprojekt hat gerade eine Veranstaltung zum Integralen Christentum für nächste Woche, Do. 2.9. 19:30 Uhr veröffentlicht, wo ich ein bisschen was dazu erzähle, und wir drüber diskutieren. Wäre toll, wenn ein paar von euch mit dabei wären. – Ihr dürft auch gerne Werbung dafür machen … 🙂 – Anmeldung per E-Mail unter anna-lena@kreuzbergprojekt.de

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Der Schatz in der Bibel

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Cristo de San Pedro. Sanlúcar la Mayor. Jose Luis Filpo Cabana – CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

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Ein Schriftgelehrter ging auf seinem Lebensweg und las dabei in der Bibel. Plötzlich prallte er gegen etwas Hartes und schaute empor. Er erblickte Jesus am Kreuz und fasste sich an den Kopf …

… und fuhr sich mit der Hand über den Mund.

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Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz,
der in einem Acker vergraben war …

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(Jesus im Matthäus-Evangelium – Bibel, Neues Testament – 13. Kapitel, Vers 44)

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Jeder Schriftgelehrte, der in der Schule des Himmelreichs ausgebildet ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem reichen Schatz Neues und Altes hervorholt …

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(Jesus im Matthäus-Evangelium 13,52)

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Karls Bart

Über den Zusammenhang zwischen Natur und Theologie

[ Gewidmet allen bärtigen Theologen ]

Karl IV. auf dem Votivbild des Prager Erzbischofs Johann Očko von Wlaschim, um 1370 – Public domain, via Wikimedia Commons

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Karl war 13 Jahre alt, als sein Bart zu sprießen begann. Der Bart war weder lang, noch schön, aber er war da.

Karl entschloss sich zu rasieren. Jeden Morgen entfernte er mit einem Elektro-Rasierer die unsichtbaren Bartstoppeln aus seinem Gesicht.

Karl Barth wurde 1886 in Basel geboren. Auch Karl Barth war glattrasiert. Glatt war auch seine Theologie.

Hätte sich Karl Barth auch rasiert, wenn er 1370 in Karlsbad geboren worden wäre? Hätte er andere Texte geschrieben?

Hätten beide Karls ein glücklicheres Leben geführt, wenn sie sich nie rasiert hätten? War Karl IV. glücklich?

Wir wissen es nicht.

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„Es ist nie ein Schermesser auf mein Haupt gekommen; denn ich bin ein Geweihter Gottes von Mutterleib an. Wenn ich geschoren würde, so wiche meine Kraft von mir, sodass ich schwach würde und wie alle andern Menschen.“

(Bibel / Altes Testament / Tanach, Richter / Schoftim 16. Kapitel, Vers 17)

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[ Dieser Text entstand in einer schlaflosen Nacht … 😉 ]