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Yvonne Ortmann auf ihrem Blog zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung, Meditation und innere Arbeit:
„Wie du mit Meditation + innerer Arbeit über deine bisherigen Erfahrungen hinauswächst„
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Christentum heute ist ohne die biblischen Texte kaum vorstellbar. Es gab allerdings schon Christentum bevor die Bibel entstand. Auch ist die Bibel nicht vom Himmel gefallen. Wie wir mit ihr umgehen, ist entscheidend für uns selbst und für andere. – VORSICHT : Das Anliegen des Blogs ist mir sehr ernst; einzelne Sätze sind allerdings nicht immer wörtlich zu nehmen. ;-) – Bin übrigens als Christian Schmill auf Facebook, @C_Schmill bei Twitter.
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Yvonne Ortmann auf ihrem Blog zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung, Meditation und innere Arbeit:
„Wie du mit Meditation + innerer Arbeit über deine bisherigen Erfahrungen hinauswächst„
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Ich lese zurzeit ein außergewöhnliches Buch, dessen besonderer Reiz ist, dass es ein Gespräch zwischen Vater und Sohn ist. Beide sind Franzosen. Der Vater, Jean-François Revel, ist ein erfolgreicher Schriftsteller und Philosoph, und der Sohn, Matthieu Ricard, ein Biologe, der eine aussichtsreiche Karriere an der Universität gegen eine Laufbahn als buddhistischer Mönch eingetauscht hat. Er ist der französische Übersetzer des Dalai Lama und wurde in den Medien als „glücklichster Mensch der Welt“ bezeichnet.
Das Buch ist leider nicht mehr ganz neu, aber da das Thema bis weit in die Antike zurückgeht, spielen ein paar Jahre da keine große Rolle. Das Buch ist ein Gespräch zwischen tibetischem Buddhismus und abendländischer Philosophie. Da Ricard selbst auch durch die europäische Kultur geprägt ist, sind ihm nun sowohl westliches als auch buddhistisches Denken vertraut, und er versucht in dem Gespräch u.a. Missverständnisse gegenüber dem Buddhismus auszuräumen.
Besonders beeindrucken tut mich die Ganzheitlichkeit buddhistischer Spiritualität und die hoch entwickelte tibetische Kultur. Die Verbindung von Denken und Leben und Charakter ist ein Ansatz, der in der abendländischen Philosophie früher auch zu finden war; in den vergangenen Jahrhunderten allerdings scheint die europäische Philosophie weitgehend verkopft geworden zu sein, wobei Verbindungen zu praktischer Erfahrung und Charakterbildung häufig nicht erkennbar sind.
Mir ist Ricard vor einer Weile im Internet aufgefallen. Ich weiß nicht, ob er auch Deutsch spricht, aber 2015 wurde ein nettes Interview mit ihm bei SRF Kultur (Sternstunde Philosophie) ausgestrahlt, wo er ins Deutsche übersetzt wird. Auch Bücher von ihm in Deutsch sind vorhanden.
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Ein katholischer Priester schreitet langsam in weißem Gewand durch das grüne Paradies des Dschungels. Die dunkelhäutigen Indios seiner noch jungen Gemeinde werden kämpfend einer nach dem andern von feindlichen Soldaten erschossen. Rotes Blut im grünen Paradies. Opfer des europäischen Imperialismus.
Ein in die Jahre gekommener, feuriger Prediger legt seine schwarze Bibel vor den Bagger und rettet so sein Gemeindehaus vor dem Abriss. Als Teil einer “Chain Gang” predigt er später noch seinen schwitzenden Mitgefangenen. Er war verurteilt worden, weil er im Affekt den Liebhaber seiner Frau mit einem Baseballschläger erschlagen hatte.
“Christliche Mission”. Der Begriff weckt je nach Weltanschauung und persönlicher Erfahrung sehr unterschiedliche Gefühle. Sogar für die Kinoleinwand wurde das Thema bearbeitet. Vom katholischen Priester im Lateinamerika des 18. Jahrhunderts in “Mission”, bis hin zum charismatischen Prediger in den Südstaaten der USA des 20.. Jahrhunderts in “Apostel!”. Mission hat eine lange Geschichte. Viele Orte, viele Menschen, viele Kulturen, viele Sprachen,…
Mission findet heutzutage nicht mehr nur in weit entfernter Übersee statt. Durch Säkularisierung und Migration wohnen auch im “christlichen Abendland” Christen und “Heiden” Tür an Tür. Wo auch immer Mission betrieben wird, “avantgardistisch” wird wohl kaum die Bezeichnung sein, welche den meisten Menschen dabei einfällt.
Viele bezweifeln sogar, dass Mission überhaupt jemals eine gute Sache gewesen ist. In ihr wird ein Mangel an Toleranz und eine Respektlosigkeit gegenüber der Individualität des einzelnen Menschen vermutet. Manche sprechen von “Kulturimperialismus”. Christliche Mission hat den unangenehmen Beigeschmack von Egozentrik bekommen, die bemüht ist, andere für die eigene Überzeugung zu gewinnen. Die historische Selbst-verständlichkeit von Kirche und Christentum im in die Jahre gekommenen christlichen Abendland gehört mittlerweile der Vergangenheit an.
Die alte Bezeichnung “christlich” ist über viele Jahrhunderte hinweg zu einem schillernden Begriff geworden. Manche sprechen sogar in der Mehrzahl von “Christenheiten” und “Christentümern”. Es soll die kaum noch überschaubare Uneinheitlichkeit christlicher Identität in Vergangenheit und Gegenwart zum Ausdruck bringen. Dem entspricht auch eine Fülle unterschiedlicher missionarischer Aktivitäten. Von großflächigen Plakaten, über Glaubenskurse, hin zu Missionierenden, welche an die Tür klopfen. Man könnte auch von “christlichen Missionen” im Plural sprechen.
Nach fast 2000 Jahren Christentum ist die Frage, was genau man unter “christlicher Mission” zu verstehen hat, nicht so einfach zu beantworten. All die unterschiedlichen Selbstverständnisse und Ausdrucksformen gegeneinander abzuwägen, würde allerdings den begrenzten Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengen. Stattdessen richte ich – inspiriert vom Begriff “avantgardistisch” – den Blick in die Zukunft, und frage:
Wie müsste christliche Mission denn aussehen, um das Prädikat “avantgardistisch” zu verdienen? Welche Kriterien müsste sie erfüllen?
Kann etwas so Altes wie das aus der Antike stammende Christentum überhaupt noch avantgardistisch sein? – Altes nur aufzuwärmen und hübsch garniert erneut zu servieren, würde man doch wohl kaum als “avantgardistisch” bezeichnen, oder?
“Christlich” ist heute eine Sammelbezeichnung für eine Fülle religiöser Erscheinungs-formen, welche sich irgendwie auf Jesus von Nazareth berufen. All die Widersprüche und Streitigkeiten innerhalb des Christentums lassen allerdings erahnen, dass die Christenheit in ihrer Breite wohl noch nicht ganz verstanden haben kann, was Jesus gewollt hatte.
Jesus selbst hat uns keinen einzigen Text hinterlassen. Aber in den vielen Texten des frühen Christentums und den Erzählungen von Jesus begegnet uns die innovative spirituelle Kraft dieses Menschen. Die christliche Religion ist heute statistisch die größte Weltreligion. Offensichtlich war der Impuls, der von dem Mann aus Nazareth ausging, stark genug, um das Christentum entstehen und über den gesamten Erdball wachsen zu lassen.
Haben all die Christen, welche sich nach Jesus Christus benennen, auch die große Vision verstanden, welche dieser Mann aus Nazareth gehabt hat? Ist das kirchliche Christentum in seiner Breite vielleicht zurückgefallen auf eine Stufe organisierter, kleinbürgerlicher Religiosität, welche es in ähnlicher Weise auch schon vor Jesus gegeben hatte? Wenn es gelänge, die innovative Kraft der Spiritualität von Jesus und vom frühen Christentum für unsere Zeit wiederzuentdecken, wäre das dann avantgardistisch?
Avantgarde ist kein Tagesgeschäft, sondern hat zu tun mit den langfristigen Prozessen einer Kultur. Die fortschrittlichsten Menschen einer Epoche wurden häufig erst nach ihrem Tod von der Masse der Menschen als solche erkannt. Entscheidendes Kriterium für das Prädikat “avantgardistisch” ist nicht die Popularität dessen, was man tut, in der Gegenwart, sondern dessen Wirkung in der Zukunft.
Wir können als Menschheit zurückblicken auf eine spektakuläre Geschichte, voller Errungenschaften und Grausamkeiten. Um im Zeitalter von Superlativen und Globalisierung als Menschheit überleben zu können, brauchen wir für die Zukunft allerdings eine bessere Kultur. Finanzielle Macht, militärische Stärke oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dürfen nicht länger die gestaltenden Kräfte sein. – Wie mag die Avantgarde einer solchen Kultur wohl aussehen?
Visionäres erwächst in der Kultur, in der es beheimatet ist. Es sind nicht einfach nur neue verrückte Ideen, sondern es besteht ein innerer Zusammenhang zum Alten. Die Orientierungskraft ergibt sich aus der aus dem Alten erwachsenen und schon im Alten angelegten Richtung einer Entwicklung.
Jesus erwuchs aus der Frömmigkeit und den Hoffnungen seines Volkes und seiner Kultur. In den Erzählungen der frühen Christenheit, die von Jesus überliefert sind, knüpft Jesus an vielfältigen Erfahrungen von Menschen an, Alltagserfahrungen und religiöse Vorstellungen, und einige erkannten offensichtlich das Visionäre seiner Botschaft.
Die Erzählungen von Jesus sind voll von uralten menschlichen Themen: Suchen und Finden, Himmel und Erde, Schuld und Vergebung, Dämonen und Engel, Gerechtigkeit und Unrecht, Heil und Scheinheiligkeit, Krankheit und Heilung, Gott und Teufel, Frieden und Unfriede. Die multi-ethnische Jesus-Bewegung des 1.. Jahrhunderts war eine Lerngemeinschaft. Christen lernten durch Jesus über das Himmelreich und wurden zugleich Teil von ihm. Inmitten der harten Realität nahm eine bessere Welt in der Gemeinschaft der Jesus-Anhänger Gestalt an. In der frühen Christenheit breitete sich schnell die Überzeugung aus, dass Jesus nicht einfach nur die Mängel einer alten Religion reparieren wollte, sondern dass mit ihm etwas völlig Neues gekommen war.
Kultur kann sich abnutzen und ihre gestaltende Kraft verlieren. Alte Traditionen reichen nicht mehr aus, um den Erfordernissen der Gegenwart gerecht zu werden. Es entsteht ein Bedürfnis nach Neuem. Avantgarde ist ein Angebot zur Befriedigung dieses Bedürfnisses.
Zur Zeit von Jesus litt sein Volk unter der gewaltsamen Unterdrückung und Ausbeutung durch das römische Imperium. Im Wirken von Jesus wurden für die Menschen gewaltlose Alternativen zum trostlosen Alltag deutlich und Hoffnung greifbar. In der Entstehung des Christentums findet die religionsgeschichtliche Entwicklung des Judentums einen vorläufigen Höhepunkt. Unterschiedliche Motive und Traditionslinien jüdischer Frömmigkeit münden in einer innovativen Spiritualität, welche das Judentum vorher so noch nie gesehen hatte.
Jesus gründete seine Botschaft auf der alten Frömmigkeit seines Volkes, und macht gleichzeitig deutlich, dass nun etwas Neues kommt. Er sprach von der Notwendigkeit von neuen Verpackungen für einen jungen, noch gärenden Wein: Neuer Wein in neuen Schläuchen!
Es ist schwer, etwas Genaues über die Zukunft zu sagen. Eines hat bis heute allerdings immer gestimmt: Die Kinder sind die Zukunft. Wer die Kultur von Morgen sucht, sollte dabei die Kinder von heute nicht vergessen. Die frühe Christenheit knüpft an eine Verheißung aus den heiligen Texten des Judentums an: “Siehe, ich will euch senden den Propheten […] Der soll das Herz der Väter bekehren zu den Kindern und das Herz der Kinder zu ihren Vätern…” (Maleachi). Wenn man eine Kultur sucht, die generationsübergreifend funktionieren soll, wäre es sinnvoll, diese familienfreundlich zu gestalten. – In einem Jesus-Zitat heißt es: “Wer das Reich Gottes nicht wie ein Kind annimmt, wird nicht hineinkommen.”
In den Texten der Evangelien fordert Jesus eine radikale Solidarität mit jedem Mitmenschen – nicht nur Solidarität zwischen den Generationen. “Selig sind die Barmherzigen…” heißt es z.B. in der Bergpredigt. Sogar Feindesliebe wird von ihm gefordert. Statt Superlative, Konkurrenzkampf und Ellenbogenmentalität ein solidarisches Miteinander. Insbesondere im Zeitalter nuklearer Bedrohung wohl alternativlos. Wir haben als hochgerüstete Menschheitsfamilie nur eine gemeinsame Zukunft, oder wir haben gar keine. Auch unsere moderne Hochleistungsgesellschaft funktioniert nicht gut für alle Menschen. Kranke, Alte und Behinderte fallen schnell aus dem “normalen” Leben raus. Eine Gesellschaft der Nächstenliebe würde anders aussehen.
In unserer schnelllebigen Zeit kann man schnell das Bewusstsein für die größeren Zusammenhänge und den Blick für zeitlose Werte verlieren. Wir brauchen Werte, welche auch in der Zukunft noch Bestand haben werden, einer Zukunft, die ganz anders sein wird als unsere Vergangenheit, die wir kennen. Avantgarde ist genau die Kultur, die Neues und Altes in solcher Weise verbindet, dass sie sich in der Zukunft etablieren wird. Damit wir als Menschheit überleben können, muss dies eine lebensfreundliche Kultur für alle Lebewesen sein. Vertrauen ist ein kostbares Gut.
Die frühe Christenheit weiß um die Vergänglichkeit weltlichen Luxus und strebt nach höheren Idealen. In einer Zeit der Massenproduktion und des maßlosen Konsums weist das Vorbild jesuanischer Spiritualität den Weg in eine nachhaltige Zukunft. Liebe ist mit Abstand der wichtigste Wert der Religion von Jesus. Liebe zu Gott, zum Mitmenschen, zu sich selbst und zur ganzen Schöpfung. In einer Welt, die kleiner wird, und wo die Ressourcen knapper werden, brauchen wir Kompetenz, die Wertvolles zu bewahren weiß.
Unsere moderne, globalisierte Welt ist komplex. Wir brauchen Dinge in unserem Leben, die uns helfen uns zu orientieren und einen Lebensweg für uns zu finden, der zu uns selbst und unseren Rahmenbedingungen passt. Eine Art “Lebensphilosophie” oder Bauchgefühl, das auch in Krisen noch funktioniert und uns in einer manchmal chaotischen Welt noch Zuhause fühlen lässt. “Spiritualität” ist wohl ein populärer Begriff unserer Zeit, der gut dazu passt. Bestsellerautor Harari ist nicht der Einzige, der Spiritualität für eine Schlüsselkompetenz des Menschen von Morgen hält. Wir sollten heute lernen, was wir morgen brauchen werden. In der Bergpredigt beschreibt Jesus den Weg einer einfachen, verinnerlichten Spiritualität.
Das Christentum hat noch nicht ausgedient. Wir könnten heute in ihm die Spiritualität finden, die wir morgen brauchen werden, und eigentlich schon gestern gebraucht haben. Mission ist viel mehr als der Aufruf zur Anerkennung von Glaubenssätzen. Sie ist der Ver-such die Notwendigkeit eines Mentalitätswechsels aufzuzeigen, und die Einladung in eine himmlische Gegenkultur zu einer kranken Welt.
Christliche Mission hat seit jeher ein avantgardistisches Moment: Sie verweist auf eine bessere Welt, die noch nicht Gestalt gewonnen hat. Seit fast 2000 Jahren reden Christen von dem Zukünftigen, das bis heute im großen Stil noch nicht verwirklicht worden ist:
Das Kommen des Himmelreiches.
Die ersten Christen hofften auf eine bessere Welt und erlebten gleichzeitig die raue Wirklichkeit. Sie machten sich keine Illusionen über einen sanften Weg in die Zukunft. Sie erlebten und glaubten, dass die neue Welt durch Leiden zu uns kommt. Die Gemeinschaft der ersten Christen bildete sich unter dem Symbol des Kreuzes, an dem ihr Held für seinen Glauben gestorben war und der Menschheit den gewaltlosen Weg in eine bessere Zukunft weist. Liebe muss gelebt werden, um zu überzeugen.
Wissenschaftler haben in der Moderne ein enormes Wissen zusammengetragen. Auch christliche Gelehrte sind in den vergangenen Jahrhunderten nicht untätig gewesen. Moderne Bibelwissenschaft, Theologie und interdisziplinäre Forschung ermöglichen es uns heute den christlichen Glauben besser zu verstehen, als jemals zuvor. Ein breiteres Geschichtsbewusstsein und Verständnis für andere Kulturen gibt uns dafür zusätzlich noch einen weiten Horizont.
Ein modernes Konzept, das die avantgardistische Qualität des christlichen Glaubens aufzeigt, nennt sich beispielsweise “Integrales Christentum”. Es macht den Reichtum, die kreative Kraft und das richtungsweisende Potential der christlichen Tradition nachvollziehbar. Die Spiritualität von Jesus nimmt hier für unsere Zeit erneut Gestalt an.
Behaupten tut dies zumindest die evangelische Theologin Marion Küstenmacher. Zusammen mit ihrem Mann und einem weiteren Theologen hatte sie vor ein paar Jahren das Buch “Gott 9.0” herausgebracht. Wie auch viele andere Christen, setzt sie sich für ein avantgardistisches Christentum ein. Marion Küstenmacher veröffentlichte dann vor zwei Jahren ein Buch mit dem Titel “Integrales Christentum” und reagierte damit auf die Wünsche vieler Leser von “Gott 9.0”, die sich mehr praktische Anleitungen zum Konzept des Integralen Christentums wünschten.
Die 1956 in Würzburg geborene Marion Küstenmacher ist eine der erfolgreichsten christlichen Schriftstellerinnen. Ähnlich wie ihr Mann, Werner Tiki Küstenmacher, verfasste sie eine Vielzahl von Büchern. Beide haben drei erwachsene Kinder. Über ihre schriftstellerische Tätigkeit hinaus ist Marion Küstenmacher in den Bereichen Lebenshilfe und Persönlichkeitsentwicklung tätig.
Marion Küstenmacher besitzt jahrzehntelange intensive Erfahrungen aus der christlichen Szene. Sie stammt aus einer Familie, in der seit 150 Jahren gemischt konfessionell geheiratet wurde. Bereits als Kind und Jugendliche hatte sie einige naturmystische Erlebnisse und las ihr erstes Mystikbuch, welches sie tief beeindruckte. Anfang der 70er besuchte sie “Hippiegottesdienste” im Saal eines Missionsordens und wurde Teil einer Teestubengemeinde. Sie studierte Theologie und Germanistik und arbeitete als Lektorin beim Claudius-Verlag mit den Schwerpunkten Psychologie und Spiritualität.
1997 verlor Marion Küstenmacher in der Mitte der Schwangerschaft ihr Baby und fiel danach in eine seelische Krise. Halfen tat ihr ein Buch des amerikanischen Philosophen Ken Wilber. Sie vertraute Wilber, weil sie wusste, dass dieser selbst nach wenigen Jahren Ehe seine Frau durch Krebs verloren hatte. Ken Wilber, von der Transpersonalen Psychologie kommend, formulierte in den 90er Jahren die Integrale Theorie, von der auch das Integrale Christentum seinen Namen bekommen hat. Entstanden ist das Integrale Christentum in den USA, wo es mittlerweile auch schon integral ordinierte Pastoren und ein internationales integral-christliches Netzwerk gibt.
Die Integrale Theorie erklärt u.a. auch, warum es unterschiedliche Perspektiven – auch im christlichen Glauben – geben muss. Sie weist damit einen Weg für Ökumene, interreligiösen Dialog und Interspiritualität. Laut Marion Küstenmacher hat all dies eine klare Richtung: “hin zu immer mehr Mitgefühl, Inklusivität und Liebe, wie sie uns Jesus, der Lebendige, vorgelebt hat.”
Die Einladung zum Integralen Christentum ist ein Bespiel für eine avantgardistische christliche Mission. Integrales Christentum ist keine vage philosophische Idee und auch kein neues Arrangement alter religiöser Symbole, sondern ein bis ins Alltägliche heruntergebrochenes und durchdekliniertes zeitgemäßes und innovatives Christentum. Es hilft, die Bedeutung der biblischen Texte und die mystische Tiefe der Überlieferung von Jesus aus Nazareth für unsere Zeit zu verstehen. Integrales Christentum führt die unter-schiedlichen christlichen Traditionslinien zusammen und verbindet sie in einem in sich stimmigen Narrativ. Es erklärt den Reifungsprozess des einzelnen Menschen in Verbindung mit der kulturgeschichtlichen Entwicklung der Menschheit und zeigt die Bedeutung von Spiritualität für die Zukunft auf. Sie gibt dem Einzelnen praktische Übungen an die Hand, mit denen er selbst gleich anfangen kann.
Der Umfang dieses Artikels reicht nicht aus, um Integrales Christentum hier noch detaillierter zu erklären. Aber er reicht aus um darauf hinzuweisen: Es gibt sie schon die avantgardistische christliche Mission, und wer neugierig geworden ist, hat die Möglichkeit, sich damit vertraut zu machen und sie auszutesten. Integrales Christentum beschreibt eine zeitgemäße christliche Spiritualität. Darüber hinaus ist es visionär und lässt erahnen, was alles noch vor uns liegt. Es ist die lebendige Weiterführung einer Entwicklung, die wir schon in Geschichte und Gegenwart erkennen können.
Es gibt Menschen, die Marion Küstenmacher und ihre Mitstreiter kritisieren. Dies ist auch notwendig, da kein Konzept die Wirklichkeit hundertprozentig abbilden kann. Es ist wichtig, sich mit Stärken und Schwächen eines Konzepts vertraut zu machen. Mit solch modernen Konzepten erscheint es allerdings mehr als plausibel, dass Religion, Spiritualität und auch noch das Christentum in der Zukunft von großer Bedeutung sein werden. Christen verstehen sich als Teil des kommenden Himmelreiches, von dem Jesus gesprochen hat. Christliche Mission hatte in diesem Sinne seit jeher den Anspruch, Avantgarde zu sein. Mit dem integral-christlichen Konzept kann jeder praktisch ausprobieren, wie dies in unser modernen Welt aussehen kann.
“Reformation war gestern. Die Zukunft des Christentums gehört der Transformation.”
(Marion Küstenmacher)
Sandra Hauser auf ihrem Blog „Integrales Christsein“ zum Thema Nahtoderfahrungen:
Nahtoderfahrungen als mystisches Erlebnis
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Ich interessiere mich für Mirra Alfassa, weil sie gemacht hat, was ich selbst gerne machen würde. Sie ist keine typische Sozialunternehmerin. Sie hat nicht ein einzelnes Unternehmen gegründet, sondern eine ganze Stadt.
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Meine letzte Stelle als Gemeindepädagoge war bei der ev. Vaterunser-Kirchengemeinde in Berlin-Wilmersdorf. Dort hielt eine Frau einen Vortrag über ihre Reise nach Auroville. Der Name „Auroville“ fiel mir auf, da ich durch den vorletzten Kirchentag auf die Integrale Bewegung und Integrales Christentum gestoßen war. Sri Aurobindo ist eine der vielen Quellen der Integralen Theorie, und er kann auch als „Vater“ von Auroville gesehen werden.
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Aurobindo wird manchmal als Philosoph bezeichnet. Er selbst verstand sich allerdings als Politiker und Poet. Noch vor Gandhi war er ein indischer Revolutionär und saß ein Jahr in britischer Untersuchungshaft in einer Einzelzelle, wurde dann allerdings frei gesprochen. Im Jahr vor seiner Inhaftierung praktizierte er bereits Yoga. Dies und folgende spirituelle Erfahrungen während der Haft wurden grundlegend für sein späteres Wirken.
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Mirra Alfassa wurde 1878 in eine wohlhabende Familie jüdischer Abstammung geboren – ein türkisch-persischer Vater und eine ägyptische Mutter. Die Eltern waren kurz zuvor in Frankreich immigriert.
Schon als Kind hat Mirra Alfassa mystische Erfahrungen. Sie hatte auch Berührungen mit anderen Mystikern und war später dann der erste Mensch aus dem Westen der in Indien als Guru verehrt wurde.
1914 traf sie Sri Aurobindo und zog dann 1920 nach Indien. Dort leitete sie bald den Aschram, der sich um Aurobindo gebildet hatte. Der Aschram existiert immer noch, hat mittlerweile ca. 1500 Mitglieder, betreibt eine Schule und hat internationale Aktivitäten – u.a. auch in Berlin.
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Auroville, „The City of Dawn“. – Der Name „Auroville“ bedeutet „Stadt der Morgendämmerung“ (von französisch „aurore“ und „ville“). Er kann allerdings auch als als Wortspiel mit dem Namen „Auro-bindo“ verstanden werden. – Während Aurobindo der „Vater“ von Auroville ist, ist Mirra Alfassa „die Mutter“ („The Mother“), wie sie auch von vielen Anhängern genannt wird.
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Auroville versteht sich als Labor für die ganze Menschheit. Die Vision von Aurobindo wurde von Alfassa nach Aurobindos Tod weiter vorangetrieben und erhielt 1966 Unterstützung durch die UNESCO. Das Schlagwort „lebenslanges Lernen“ hat in Auroville die Gestalt einer menschlichen Gemeinschaft und eines neuen Lebensstiles angenommen.
1968 wurde Auroville dann um einen einzelnen Baum herum in einer wüsten, unwirtlichen Gegend gegründet. Bei der Gründung waren Vertreter der meisten Staaten Indiens und der Welt anwesend und hatten jeweils Erde aus ihrer Heimat mitgebracht, welche dort in einer großen Urne aufbewahrt wird. Später kam noch das Matrimandir als zentraler Sakralbau hinzu.
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Das Matrimandir in Auroville – Foto von sillybugger (via Wikimedia Commons) – CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)
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In Auroville bemüht man sich um die Vermeidung von Hierarchie und Regeln. Grundlage des Zusammenlebens ist die Charta, welche bei der Gründung 1968 live im indischen Rundfunk übertragen wurde:
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Hier findet ihr eine Dokumentation vom SRF (Schweizer Radio und Fernsehen):
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Eine weitere ausführlichere Doku gibt es hier:
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Wär das nicht was? Eine „Aurostadt“, eine „Zukunftsstadt“ in Brandenburg, ganz in der Nähe von Berlin? Eine von vielen Städten eines Auroville-Netzwerkes einer besseren Zivilisation? – Es gibt auch in Deutschland Menschen, die sich für eine bessere Zukunft engagieren…
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Die Idee einer Stadt der Zukunft ist keine ganz neue Idee…
„Der Engel zeigte mir auch einen Strom, der wie Kristall glänzte; es war der Strom mit dem Wasser des Lebens. Er entspringt bei dem Thron Gottes und des Lammes und fließt die breite Straße entlang, die mitten durch die Stadt führt.
An beiden Ufern des Stroms wächst der Baum des Lebens. Zwölfmal im Jahr trägt er Früchte, sodass er jeden Monat abgeerntet werden kann, und seine Blätter bringen den Völkern Heilung.
In dieser Stadt wird es nichts mehr geben, was unter dem Fluch Gottes steht. Der Thron Gottes und des Lammes wird in der Stadt sein, und alle ihre Bewohner werden Gott dienen und ihn anbeten. Sie werden sein Angesicht sehen und werden seinen Namen auf ihrer Stirn tragen.
Es wird auch keine Nacht mehr geben, sodass man keine Beleuchtung mehr braucht. Nicht einmal das Sonnenlicht wird mehr nötig sein; denn Gott selbst, der Herr, wird ihr Licht sein. Und zusammen mit ihm werden sie für immer und ewig regieren.“
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(Das Buch der Offenbarung, 22. Kapitel, Verse 1-5 – Bibel, Neues Testament)
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“Glücklich schätzen
können sich Menschen,
die hungrig und durstig sind
nach Gerechtigkeit.
Sie werden satt werden.”
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(Worte von Jesus aus der Bergpredigt – Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium 5. Kapitel, Vers 6)
Ich will nun versuchen zu skizzieren, was die nächsten Schritte sein könnten. Bestimmt gibt es auch sinnvolle Ansätze, an die ich nicht gedacht habe. Benutzt also gerne die Kommentar-Funktion und lasst eurer Fantasie freien Lauf… 😉
Bei dieser Überschrift werden bei einigen Traditionsliebhabern wahrscheinlich die Alarmglocken läuten. Manche Christen werden bei Begriffen wie „Liebe“, „Freiheit“, „Heiliger Geist“, „Spiritualität“, u. Ä. nervös, und sicherlich haben viele von uns schon negative Erfahrungen mit bestimmten christlichen Individualisten gemacht, die gerne ihren Stil leben wollen, sich nicht gut in die Gemeinschaft einfügen und sich nichts sagen lassen. – Am Umgang mit solchen Typen wird so einiges deutlich von christlicher Freiheit und der Qualität christlicher Gemeinschaft.
„Alles ist erlaubt – aber nicht alles nützt. Alles ist erlaubt – aber nicht alles baut auf.“
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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 10,23 – Neues Testament)
Als soziale Wesen bedeutet Leben für uns immer individuelles und kollektives Leben zugleich – so auch beim geistlichen Leben. Kein Baby überlebt, wenn nicht andere Menschen da sind, die sich um es kümmern. Im Johannes-Evangelium wird das Entstehen geistlichen Lebens („ins Reich Gottes kommen“) mit der Geburt eines Kindes verglichen. Gut, wenn auch dann eine Gemeinschaft da ist, die sich um zartes geistliches Leben kümmert.
„Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.“
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(Jesus im Johannes-Evangelium 3,3 – Neues Testament)
Die authentische, subjektive religiöse Erfahrung des Einzelnen ist der Ausgangspunkt für geistliche Gemeinschaft. Geistliche Gemeinschaft ist die Gemeinschaft von Menschen, welche eine solche Erfahrung gemacht haben. Eine „geistliche Geburt“ ist Teil der persönlichen Biografie. Diese Erfahrungen und Biografien gilt es angemessen zu würdigen und Menschen in ihrer spirituellen Entfaltung zu begleiten und Verbindendes aufzuspüren.
Religiöse Gruppen haben oft einen Hang zum Konservativen, und die Bedürfnisse des Einzelnen kommen da manchmal gegenüber den Interessen der Gruppe und der Tradition zu kurz. Dabei ist es doch der Einzelne, der erlöst und neu geboren wird. Christliche Gemeinschaft besteht doch gerade aus Menschen, welche solch eine individuelle Erfahrung gemacht haben und machen.
Schleiermacher (1786-1834) ist in diesem Zusammenhang sicherlich immer noch einer, der maßgeblichen Theologen:
„Schleiermacher hatte einen klaren Blick für die Selbständigkeit der Religion, er bekräftigte die Bedeutung des religiösen Erlebens des einzelnen Glaubenden und leitete damit eine entscheidende Wende ein.“
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(Lauster, Die Verzauberung der Welt)
In Wissenschaft und Theologie ist in den vergangenen 200 Jahren viel passiert. In der Breite der real-existierenden Christenheit, in kirchlicher Praxis und persönlicher Frömmigkeit sind wir allerdings kaum weiter als vor 200 Jahren. Es ist höchste Zeit, dass wir eine (selbst-)kritische Bestandsaufnahme machen und den Mut haben für einen weiten Blick auf unseren christlichen Glauben.
Erfahrung ist immer gedeutete Erfahrung. Unsere Biografie und unsere Kultur stellen uns Deutungsmuster zur Verfügung. Die religiöse Erfahrung selbst ist nicht mangelhaft, die Deutung der religiösen Erfahrung kann dies allerdings schon sein.
Erst die Verbindung zur christlichen Tradition (Kollektiv) macht eine Erfahrung zu einer „christlichen“ Erfahrung, und die Deutung unserer Erfahrungen mag sich im Laufe unseres Lebens auch verändern. Im ersten Teil unserer Bibeln können wir beobachten, wie das jüdische Volk im Lauf ihrer Geschichte immer wieder erwogen hat, welche Bedeutung ihre Tradition (die Erfahrungen der Ahnen) für ihr gegenwärtiges Leben hat.
„Höre, mein Volk; lass dich warnen, Israel! – Wenn du doch auf mich hören würdest!
Du sollst keine anderen Götter neben mir haben, wie sie bei fremden Völkern verehrt werden – bete solche Götzen nicht an!
Denn ich bin der HERR, dein Gott, ich habe dich aus Ägypten herausgebracht. Von mir sollst du alles erwarten, und ich werde dir geben, was du brauchst!“
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(81. Psalm, Verse 9-11 – Bibel / Tanach / Altes Testament)
Individuelle religiöse Erfahrungen haben ihren eigenständigen Wert, auch wenn die „kollektive Verwertbarkeit“ in der christlichen Gemeinschaft nicht immer erkennbar ist.
Wenn es in der jüdisch-christlichen Überlieferung etwas gibt, das zeitlos bestand hat und für jeden Menschen aller Zeiten, Kulturen und Sprachen (also auch für die Menschen bei uns auf der Straße) von Bedeutung ist, dann muss auch jede echte religiöse Gotteserfahrung – logischerweise – mit diesen zeitlosen Werten Überschneidungen haben. Diese Überschneidungen gilt es jeweils aufzuspüren und zu integrieren, um Kontinuität und Zukunftstauglichkeit einer lebendigen religiösen Kultur zu gewährleisten.
Komplizierter wird es durch die Kinder, welche in die christliche Gemeinschaft hineinwachsen. Sie lernen christliche Inhalte und Werte kennen, ohne dass sie notwendigerweise ein tiefgreifendes religiöses Erlebnis im Sinne von Joh 3 haben. In christlichen Traditionslinien ist dieses Problem unterschiedlich gelöst worden. Die Praxis der Konfirmation scheint mir dabei allerdings keine optimale Lösung zu sein.
„Ich versichere euch: Wer sich Gottes Reich nicht wie ein Kind schenken lässt, der wird ganz sicher nicht hineinkommen.“
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(Jesus im Lukas-Evangelium 18,17 – Neues Testament)
Die Frage, ob es eine „christliche Sozialisation“ im Geiste Jesu überhaupt gibt bzw. was das denn genau sein soll, trifft das Herz des Christentums. Sie hat grundlegende Bedeutung für die Geschichte und Gegenwart der Christenheit und hat mit wichtigen Begriffen der Theologie und Praxis zu tun (z.B. „Taufe“).
Die Briefe von Paulus gehören wahrscheinlich zu den ältesten erhaltenen christlichen Texten und geben uns tiefe Einblicke in das Seelenleben eines Missionierenden. Obgleich wir bei Paulus kaum Details aus dem Leben Jesu finden, ist die Nähe des Jesus, von dem die Evangelien erzählen, auch bei Paulus greifbar.
Wir sehen in seinen Briefen auch die große Bedeutung, welche seine persönlichen mystischen Erfahrungen des Christus für seine Mission gespielt haben, und wir können erkennen, welch große Bedeutung er dem Wirken des Geistes Gottes im Leben des Einzelnen beigemessen hat (z.B. Röm 7-8, Gal 5).
„Paulus, Apostel, berufen nicht von Menschen oder durch menschliche Vermittlung, sondern unmittelbar von Jesus Christus…
Das Evangelium, das ich verkünde, ist nicht menschlichen Ursprungs. Ich habe diese Botschaft ja auch nicht von einem Menschen empfangen und wurde auch nicht von einem Menschen darin unterwiesen; nein, Jesus Christus selbst hat sie mir offenbart…
…dann hat Gott beschlossen, mir seinen Sohn zu offenbaren…
Als er mir nun seinen Sohn offenbarte – mir ganz persönlich – , gab er mir den Auftrag, die gute Nachricht von Jesus Christus unter den nichtjüdischen Völkern zu verkünden…“
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(Paulus im Brief an die Christen in Galatien, 1. Kapitel – Neues Testament)
Mein Eindruck ist, dass wir heutzutage weitgehend eine bessere Balance zwischen der Übermacht der Traditionsgemeinschaft (2000 Jahre Christentum in einer Vielfalt von Traditionslinien) und dem religiösen Erleben und der Lebenserfahrung des Einzelnen brauchen.
Manche Menschen neigen dazu, sich der Mehrheitsmeinung anzupassen. Dies ist nicht immer gut. Auch in der „Heiligen allgemeinen Kirche“ und der “Gemeinschaft der Heiligen” gibt es stinknormale gruppendynamische Prozesse.
„Wenn ihr jedoch wie wilde Tiere aufeinander losgeht, einander beißt und zerfleischt, dann passt nur auf! Sonst werdet ihr am Ende noch einer vom anderen aufgefressen.
Was will ich damit sagen?
Lasst den Geist Gottes euer Verhalten bestimmen, dann werdet ihr nicht mehr den Begierden eurer eigenen Natur nachgeben.“
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(Paulus im Brief an die Christen in Galatien 5,15-16)
In den Erzählungen über Jesus lesen wir, wie er einzelnen Menschen besondere Aufmerksamkeit schenkte und sich Ausgegrenzten zuwendete. – Die Beachtung des Einzelnen mit seinen Bedürfnissen und Nöten, mit seiner persönlichen Biografie und seinen Lebensumständen ist beste jüdische und jesuanische Tradition.
„Wenn ihr begriffen hättet, was das heißt:
‚Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer,‘ [Hosea 6,6]
dann hättet ihr nicht Unschuldige verurteilt.“
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(Jesus im Matthäus-Evangelium 12,7)
Mitgefühl und Barmherzigkeit sind grundlegende Begriffe nicht nur im Christentum, sondern auch in anderen Religionen. Empathie ist auch nicht nur eine menschliche Fähigkeit.
Die theoretische Beschäftigung mit der Überlieferung von Jesus ist nicht der einzig mögliche Zugang zum christlichen Glauben. Man kann auch einfach das, was man über diesen Mann lernen kann, als Einzelner und in christlicher Gemeinschaft praktisch ausprobieren.
Ein Christ, der sich nicht real in seinem alltäglichen Leben auf den Weg Jesu begibt und die Lehre von Jesus selbst ausprobiert, ist ein toter Christ. Es gibt kein lebendiges Christsein, das sich nur im Kopf abspielt.
„Darum gleicht jeder, der meine Worte hört und danach handelt, einem klugen Mann, der sein Haus auf felsigen Grund baut…“
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(Jesus im Matthäus-Evangelium 7,24)
Auch wenn Christen vom „erfüllten Leben“ durch Jesus sprechen, fühlt man sich auch als Christ manchmal leer und hofft auf Erbauung durch die Gemeinschaft mit anderen Christen. Anstatt dem Mangel Aufmerksamkeit zu schenken und Gründe zu erforschen, wird leider häufig oberflächlich darüber hinweggegangen.
Ich habe in Gemeinden und Kirchen auch manchmal den Eindruck bekommen, dass das Interesse an „erfolgreichen“ Veranstaltungen und soliden Finanzen größer war, als das Interesse an der Seele des einzelnen Menschen.
„Du sagst:
‚Ich bin reich und habe alles im Überfluss, es fehlt mir an nichts‘,
und dabei merkst du nicht, in was für einem jämmerlichen und erbärmlichen Zustand du bist – arm, blind und nackt.“
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(Offenbarung 3,17 – Neues Testament)
Natürlich kann das Interesse am Einzelnen auch übergriffig werden und zu geistlichem Missbrauch führen, aber Gefahren sind immer die Begleiterscheinung von Freiheit. Wo Menschen frei sind, können sie diese Freiheit auch missbrauchen oder einfach Fehler machen. Eine grundsätzlich gesunde Kultur des Umgangs mit einander ist da ein guter Schutz.
Wenn wir den erlebten geistlichen Mangel transparent machen würden und offen damit umgingen, als Einzelne und als Gruppen, dann wäre dies schon der erste Schritt in die richtige Richtung. Das Um-denken im Wahrnehmen des Mangels könnte zur Quelle von Leben werden. Stattdessen wird leider häufig die Not überspielt und man will sich lieber an scheinbar „christlichen“ Aktivitäten erfreuen. Die Musik spielt, während die Seele lautlos schreit…
„Wenn jemand an mich glaubt, werden aus seinem Inneren, wie es in der Schrift heißt, Ströme von lebendigem Wasser fließen.“
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(Johannes-Evangelium 7,38)
“Glücklich schätzen
können sich Menschen,
die hungrig und durstig sind
nach Gerechtigkeit.
Sie werden satt werden.”
“Glücklich schätzen
können sich Menschen,
die hungrig und durstig sind
nach Gerechtigkeit.
Sie werden satt werden.”
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(Worte von Jesus aus der Bergpredigt – Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium 5. Kapitel, Vers 6)
Gemischte Gefühle scheinen eine regelmäßige Begleiterscheinung des Lebens zu sein – auch bei Christen. Freude und Dankbarkeit für überströmenden Segen und Ungeduld mit der Verwirklichung nötiger Veränderungen können dicht beieinander liegen. Wir erleben Segen und Mangel zugleich.
Diese gemischten Gefühle transparent zu machen, erscheint mir wesentlich für eine gesunde Mission: Wissen und Unkenntnis, Glaube und Zweifel, Schuld und Gnade, Freude und Leid, Klarheit und Unsicherheit, Vollmacht und Schwachheit, Befähigung und Unfähigkeit, Fehler und Vergebung, Traurigkeit und Selbstmitgefühl,…
„Denn ich bin ganz sicher: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Dämonen, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch irgendwelche Gewalten, weder Hohes noch Tiefes oder sonst irgendetwas auf der Welt können uns von der Liebe Gottes trennen, die er uns in Jesus Christus, unserem Herrn, schenkt.“.(Paulus im Brief an die Christen in Rom 8,38-39)
Es sind auch nicht nur die Fülle des Segens und Dankbarkeit, welche uns antreiben, sondern auch das Wahrnehmen des Mangels. “Die Liebe Christi drängt uns…” (2.Kor.5,14). Innere und äußere Not werden durch Hoffnung und Liebe zu Motivation. -Auch Barmherzigkeit ist ein grundlegender Wert jüdisch-christlicher Tradition.
In einem Leben im Geist Jesu kann eine Kraft erfahren werden, die über die unzulänglichen Möglichkeiten unseres kleinen Lebens hinausgeht. Wir bleiben Begnadete und Empfangende.
Die Aneignung des Weges und Wesens Jesu ist ein lebenslanges Ringen, ein Kreuzesweg, ein ständiges Sterben und Auferstehen, ein Reifungsprozess. Nimmt man sein Kreuz auf sich, erlebt man die Kraft, es zu tragen. Das Kreuz ist somit nicht nur Symbol eines historischen Ereignisses, sondern Symbol eines Lebensstils und einer Gegenkultur zur Welt: Christenheit als begnadete Gemeinschaft der Liebenden, unterm Kreuz und vor dem leeren Grab, die ihr altes Leben loslassen und Kraft aus der Höhe empfangen.
Wenn wir mit unseren eigenen Möglichkeiten ans Ende kommen, ist Gott noch lange nicht am Ende. In Schwachheit, Ohnmacht, Scheitern und Leiden erfahren wir Sterben und Auferstehung als Lebensstil (2.Kor. 6,8-10; Gal. 2,20).
„…Mein altes Leben ist mit Christus am Kreuz gestorben. Darum lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir!…“.(Paulus im Brief an die Christen in Galatien 2,19-20)
Die Fülle des Lebens kommt in unsere Welt durch den Tod, den Mangel an Leben, hindurch. Das Prinzip des Kreuzes und der Auferstehung: Leben aus dem Tod. Mission im Sinne Jesu ist Ausdruck von Erniedrigung und Erhöhung, von Scheitern und Wieder-aufgerichtet-werden. Im Sterben des Egos werden wir erfasst und emporgehoben von heiligem Geist.
Missionierende haben sich nicht selbst erfunden, sondern sind in Bewegung gesetzt worden von einem Moment, einer Kraft, welche weit über die eigenen Möglichkeiten hinaus geht. – Die lukanischen Texte, insbesondere die Apostelgeschichte, stellen dies eindrücklich dar. – Sie sind Träger eines Impulses und einer Überlieferung, welche sie empfangen haben und weitergeben. Es ist nicht unsere Macht, welche das Himmelreich aufrichtet, sondern Gottes Macht.
Aktives Vertrauen verwirklicht sich in Entscheidungen und Taten. Der Friede Gottes und seine Kraft wird erfahrbar im Ausgleich unseres Mangels. Lebensenergie, ewiges Leben, fließt durch mich hindurch in die Welt: Geistliches, erfülltes Leben nicht als Status, sondern als dynamischer Prozess. – Vielleicht ist es diese Erfahrung, die auch schon in dem alten Sprichwort zum Ausdruck kommt:
“Hilft dir selbst, dann hilft dir Gott!”
(Sprichwort)
Strömen oder Fließen ist ein wichtiges Motiv in der Kulturgeschichte der Menschheit. Der Mensch nährt sich am Busen der Natur, und zum Baby fließt die Milch aus der Brust der stillenden Mutter. Nehmen und Geben, Leben empfangen und weitergeben. In der jüdisch-christlichen Überlieferung kommt dies in besonderer Weise im Reden vom Heiligen Geist zum Ausdruck (Joh. 3).
Eine geheimnisvolle, heilige Macht, die durchs Leben trägt und den Menschen selbst zur Quelle von Leben macht (Joh. 7,38). Leben im göttlichen Flow. Stetigkeit und Beständigkeit im Wechselspiel von Mangel und Ausgleich (2.Kor. 6,8-10). Christen sind Dienende und Liebende mit gemischten Gefühlen, Scheiternde und Aufgerichtet-werdende, Tanzende im Ausgleich stärkerer Kräfte.
“Glücklich schätzen
können sich Menschen,
die hungrig und durstig sind
nach Gerechtigkeit.
Sie werden satt werden.”
“Glücklich schätzen
können sich Menschen,
die hungrig und durstig sind
nach Gerechtigkeit.
Sie werden satt werden.”
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(Worte von Jesus aus der Bergpredigt – Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium 5. Kapitel, Vers 6)
Sattheit macht träge. Hunger setzt uns in Bewegung, auf der Suche nach etwas, das die Sehnsucht unseres Herzens stillt und Körper und Seele satt machen. Unsere Bedürfnisse sind allerdings je nach Lebensphase und -umständen unterschiedlich. Es gibt geistliche Reifungsprozesse…
Der Glaube eines Erwachsenden ist nicht dasselbe, wie der Glaube eines Kindes. Wenn ein Mensch ein Bekehrungserlebnis hin zum Christentum hat, sind damit noch nicht alle Fragen für alle Zeit beantwortet. Die Vielfalt des weltweiten Christentums heutzutage ist nicht identisch mit dem Christentum zur Zeit der ersten Apostel. Wir sind alle noch auf dem Weg und suchen Erfahrungen (Phil. 3,10-12) und Antworten…
„Um Christus allein geht es mir. Ihn will ich immer besser kennen lernen: Ich will die Kraft seiner Auferstehung erfahren, aber auch seine Leiden möchte ich mit ihm teilen und mein Leben ganz für Gott aufgeben, so wie es Jesus am Kreuz getan hat….Dabei ist mir klar, dass ich dies alles noch lange nicht erreicht habe und ich noch nicht am Ziel bin. Doch ich setze alles daran, es zu ergreifen, weil ich von Jesus Christus ergriffen bin…“.(Paulus im Brief an die Christen in Philippi 3,10-12)
Gute Erfahrungen machen uns Hoffnung, Ähnliches könnte sich noch einmal ereignen. Sie öffnen die Augen für die Schönheiten des Lebens: Es gibt erfahrbare Vergebung, die Kraft eines guten Gewissens, echte Liebe, Solidarität aus tiefer Überzeugung, Hilfsbereitschaft im Glauben an zeitlose Werte, Leben in einer größeren Dimension, tieferes Verstehen, erweitertes Bewusstsein, Sinn im Leben,…
Es gibt viele Menschen, die etwas suchen, und manchmal sind die Probleme und Fragen von Christen und Nichtchristen dieselben:
Wie können wir als Menschheit eine Zukunft haben? Wie können wir verantwortungsvoll und nachhaltig leben? Wie macht unser Alltag Sinn? Wie werde ich meine Depressionen los? Wie können wir in Frieden miteinander leben? Wie schaffe ich es, das Richtige zu tun? Wie werde ich glücklich? Wie findet und pflegt man belastbare Beziehungen? Wie funktioniert Familie? Wie wird meine Seele satt?…
Wie könnte Mission im Auftrag Gottes etwas anderes sein, als die Antwort auf die tiefsten Sehnsüchte des Menschen?
Das Bild, das die Evangelien von Jesus malen, ist das Bild eines Menschen, der sich radikal mit allen Menschen solidarisiert. Er wendet sich den Ausgegrenzten zu und ruft sogar zur Feindesliebe auf. Der Gott dieses Jesus ist der Gott des Jona, welcher sich auch um die Feinde sorgt – und sogar um die Tiere (Jona 4,11; Matthäus 10,29; Johannes 2,15-16). In der Bergpredigt spricht er zu seinen Jüngern (!):
„Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.”
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(Matthäus-Evangelium 7,7 – Hervorhebung von mir)
Wir bräuchten in der Christenheit eine deutliche Zäsur: Weg von der Besserwisserei und hin zur Solidarität mit der Not und den Fragen jedes Menschen. Was sich in meinem Leben bewährt hat, sollte ich sicherlich nicht so einfach wieder aufgeben. Es gehört jedoch auch zu einem Leben im Geist Jesu, die Nöte und Fragen anderer wirklich ernst zu nehmen.
Angesichts der Geschichte und Gegenwart der Christenheit wäre ein Beharren auf der Position “man selbst vertrete aber die richtige Variante des Christentums” etwas peinlich. Gelebter Pluralismus und eine Kultur gesunden, konstruktiven Austauschs könnten selbstgemachtes Christentum überwinden (2 Kor 10, 4-5) und uns weit bringen. Da wir noch nicht am Ziel sind, können wir bereits Erreichtes immer wieder in Frage stellen. Wenn man bereit ist, Gutes loszulassen, könnte man vielleicht Besseres empfangen...
“Glücklich schätzen
können sich Menschen,
die hungrig und durstig sind
nach Gerechtigkeit.
Sie werden satt werden.”
“Glücklich schätzen
können sich Menschen,
die hungrig und durstig sind
nach Gerechtigkeit.
Sie werden satt werden.”
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(Worte von Jesus aus der Bergpredigt – Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium 5. Kapitel, Vers 6)
Besitz als Statussymbol hat lange Tradition. Es kann ein teures Auto, die gestylte äußere Erscheinung oder persönliche Kompetenz sein, mit denen man oder frau versucht andere zu beeindrucken. – Macht und Ohnmacht liegen dabei oft dicht beieinander. – In einer Konsumgesellschaft fällt es uns schwer Mängel wahrzunehmen, welche sich nicht durch Konsum abstellen lassen.
Missionierung ist älter als das Christentum (Mt 23,15). Menschen ziehen durch die Welt, um andere für ihre Sache zu gewinnen – auch in unserer heutigen Zeit. Wer missioniert besitzt etwas: eine Idee, ein Produkt, eine Botschaft, usw., und die Beweggründe zum Missionieren sind unterschiedlich.
„Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr verschließt den Menschen das Himmelreich. Selbst geht ihr nicht hinein, und die, die hineingehen wollen, lasst ihr nicht hinein….Ihr reist über Land und Meer, um auch nur einen einzigen Anhänger zu gewinnen, und wenn ihr einen gewonnen habt, macht ihr ihn zu einem Anwärter auf die Hölle, der doppelt so schlimm ist wie ihr..Wehe euch, ihr verblendeten Führer!…Matthäus-Evangelium“.(Matthäus-Evangelium 23,13-16)
Auch Christen missionieren, und auch bei Christen sind die Beweggründe unterschiedlich. Die Bergpredigt fordert uns auf, uns Schätze im Himmel zu sammeln (Mt 6,20). Christen sind Christen nicht wegen dem, was sie besitzen, sondern wegen dem, was sie sind: Sie sind Menschen, die von Jesus lernen, und ein lebendiges Zeugnis der Veränderung, die in ihrem Leben stattfindet.
Es gehört zu den Grundüberzeugungen des Christentums, dass Gott sich “am besten” nicht in Lehrsätzen oder in einem Buch, sondern in einem Menschen aus Fleisch und Blut offenbart. Das Wesen von Mission ist Ausdruck der Identität der Missionierenden. Als Missionierende sind wir lebendiges, authentisches Zeugnis dessen, was Jesus im Leben eines Menschen bedeuten kann.
Wir können als Christen bezeugen, welche Erfahrungen wir selbst mit Jesus gemacht haben. Wir können jedoch nicht Zeugen sein von dem, was Christen früherer Generationen mit Jesus erlebt haben. Da können wir nur weitererzählen, was wir von anderen gehört oder gelesen haben. – Haben oder Sein?
Es geht bei Mission im Geiste Jesu kaum um die Informationen, die wir besitzen, sondern es geht darum, was für Menschen wir sind (Apg 19,13-15). Sind wir Menschen, die dem Auferstandenen begegnet sind (Gal 3,1; Mt 25,40)? …die Vergebung und Veränderung erfahren haben und aus Gnade leben? …die das Heilige berührt haben? …welche die Kraft eines guten Gewissens kennen (2 Kor 1,12)? …welche die Kräfte einer neuen Welt gespürt haben (Hebr 6,5)? …in denen der Geist Jesu weiterlebt (Röm 8,9)? …die noch Hungrige und Lernende sind?
“Jesus kenne ich und Paulus auch. Aber wer seid ihr?”
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(Apostelgeschichte 19,15 – Neues Testament)
Wer bist du ??
“Glücklich schätzen
können sich Menschen,
die hungrig und durstig sind
nach Gerechtigkeit.
Sie werden satt werden.”
Sabine Bobert veröffentlichte auf ihrem Blog „Mystik und Coaching“ das Gedicht einer Teilnehmerin eines Aufbauseminars: