Gutes neues Jahr

 

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Sonnenaufgang von Fondachelli-Fantina (Montagna di Verná / Monti Peloritani, Gebirge im Nordosten von Sizilien) Foto von Girtompir, via Wikimedia Commons – CC0

 

Ich wünsche dir, dass du dir keine guten Vorsätze für die Zukunft machst. Die Zukunft gehört uns nicht. – Wie wär’s, wenn du schon heute, hier und jetzt einfach der beste Mensch bist, der du sein kannst?

Ich wünsche dir, dass das Leben dich kitzelt, reizt und lockt, es in all seiner Fülle zu erfahren.

Ich wünsche dir, dass die Geheimnisse unserer Welt dich faszinieren und kindliche Neugier in dir wächst.

Ich wünsche dir wache Augen für alle Schönheit.

Ich wünsche dir, dass du erlebst, wie schön es ist, ein guter Freund zu sein, und Freunde hast, die ewig Freunde bleiben.

Ich wünsche dir Familie, die Zuhause ist.

Ich wünsche dir Arbeit, in die du gerne dein Herzblut investierst, und dass du gute Früchte deiner Arbeit sehen darfst.

Ich wünsche dir viele Kinder in deinem Leben.

Ich wünsche dir Nähe zu alten Menschen.

Ich wünsche dir, das Heilige zu berühren.

Ich wünsche dir, Sinn in Krankheit zu finden.

Ich wünsche dir Zeit zum Lesen.

Ich wünsche dir geist-erfülltes Sein.

Ich wünsche dir, gebraucht zu werden.

Ich wünsche dir eine Gemeinschaft von Menschen, mit denen du auf demselben Weg bist.

Ich wünsche dir die Reife des Erwachsenwerdens, dass du mit Abstand und Milde auf das Gute und Schlechte in deinem Leben schauen kannst.

Ich wünsche dir den Trost des Waldes.

Ich wünsche dir tiefe Verbundenheit mit allem, was ist.

Ich wünsche dir, dass du die gute Kraft spürst, die dich trägt.

Ich wünsche dir Liebe, die dich drängt und zieht in eine bessere Welt.

Ich wünsche dir Leben, das nie endet.

Ich wünsche dir tiefes Erbarmen mit allem Leid in dieser Welt.

 

Der Rest deines Lebens liegt vor dir, wie ein weites, offenes Land …

 

 

Die zweite/nächste Generation

 

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Früheste erhaltene Darstellung der Maria mit Kind in einer Katakombe (2. Jahrhundert) von einem unbekannten Künstler, via Wikimedia Commons – public domain

 

 

Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.

Die Erde aber war Irrsal und Wirrsal. Finsternis über Urwirbels Antlitz. Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser.

Gott sprach:

‚Licht werde!‘ …

[ 6 Tage später  😉 ]

Gott sah alles, was er gemacht hatte, und da, es war sehr gut.“

.
(Bibel / Tanach / Altes Testament, Bereschit / Genesis / 1. Mose, 1. Kapitel)

 

The Next Generation

Wir kennen das Problem aus der Unterhaltungsindustrie: Das Original war noch wirklich gut, aber ein Sequel oder die 2., 3., 4. … Staffel ist dann oft schon nicht mehr so toll.

Ein erfolgreiches Produkt hat meist etwas Besonderes, Originelles, Einzigartiges; aber die nächste Generation ist dann oft nicht mehr ganz so interessant oder die Qualität ist schlechter.

Es gibt kraftvolle, historische Ereignisse, live Events, Kämpfer an vorderster Front, Menschen, die Außergewöhnliches erleben …

Und dann gibt es noch die, die davon berichten und davon weitererzählen.

Wir bemühen uns, bestimmte Gefühle zu erzeugen oder Veränderungen zu erzwingen und werden dabei oft frustriert. Und manchmal ereignen sich Dinge in unserem Leben einfach, die wir nicht geplant hatten und die uns für immer verändern.

 

„… so wie es uns die Augenzeugen berichtet haben, die von Anfang an dabei waren …
.
… allem von Anfang an sorgfältig nachzugehen und es für dich, verehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben …“
.
(Lukas-Evangelium, 1. Kapitel, Verse 2-3; Bibel, Neues Testament)

 

Nachahmung

Es gibt Originale, und es gibt Kopien. Urheberrecht wird geschützt. Man kann das, was einem geschenkt ist, für sich selbst benutzen oder es allen zur Verfügung stellen.

 

„Jeder Mensch wird als Original geboren, aber die meisten sterben als Kopie.“

.
(Kaspar Schmidt / Max Stirner, 1806-1856)

 

„‚Ich gebiete dir durch Jesus, den Paulus predigt: Fahre aus!‘ …

‚Ich kenne Jesus und ich kenne Paulus. Aber wer seid ihr?‘

Und der Besessene stürzte sich auf sie und attackierte sie mit solcher Heftigkeit, dass sie nackt und verletzt aus dem Haus flohen …“

.
(Apostelgeschichte 19,13-16; Neues Testament)

 

Religiöse Menschen haben in der Kulturgeschichte der Menschheit eine schier unglaubliche Fülle an Produkten erzeugt, von der Malerei in einer Katakombe über einen wissenschaftlich-theologischen Bibelkommentar bis hin zur modernen Webseite. Auch hier gibt es allerdings beträchtliche Unterschiede in Qualität und Wirkung.

 

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Altarbibel auf einem lutherischen Altar; Foto von Leon Brooks, via Wikimedia Commons – public domain

 

Gesellschaft in Bewegung

Immer wieder tun sich Menschen zusammen, um etwas Neues zu schaffen oder Verhältnisse zu verändern; vom Nachbarschafts-Projekt bis hin zur Reformation oder Revolution.

Oft gibt es am Anfang eine zündende Idee oder einen Menschen mit einer Vision …

 

 „… und ich sah dort unzählige Knochen verstreut liegen …

‚Sprich zu diesen dürren Knochen …

Ich bringe Geist in euch zurück und mache euch wieder lebendig! … Ich lasse Sehnen und Fleisch um euch wachsen und überziehe euch mit Haut. Meinen Atem hauche ich euch ein, damit ihr wieder lebendig werdet …‘

… hörte ich ein lautes Geräusch und sah, wie die Knochen zusammenrückten, jeder an seine Stelle. Vor meinen Augen wuchsen Sehnen und Fleisch um sie herum, und darüber bildete sich Haut …

‚Du Mensch, ruf den Lebensgeist und befiehl ihm in meinem Namen:

‚Komm, Lebensgeist, aus den vier Himmelsrichtungen und hauche diese toten Menschen an, damit sie wieder zum Leben erwachen!'“

.
(Bibel / Tanach / Altes Testament, Jechesqel / Ezechiel / Hesekiel 37,2-9)

 

Die großen Fragen des Lebens

Dies ist eines der größten Probleme jeder gesellschaftlichen Bewegung, und zugleich die wichtigste Aufgabe jeder Tradition, die für sich beansprucht, belastbare und zeitlose Antworten auf die großen Fragen des Lebens zu geben:

Wie erschaffen wir eine lebensfreundliche Kultur, die in den folgenden Generationen weiterleben wird? – Solche Menschen wären Kulturschaffende im besten Sinne des Wortes.

 

„Wenn eure Kinder eines Tages fragen, was dieser Brauch bedeutet, dann erklärt ihnen:
.
‚YHWH hat uns mit starker Hand aus der Sklaverei in Ägypten befreit …
.
Dieser Brauch soll uns wie ein Zeichen an der Hand oder ein Band um die Stirn daran erinnern, dass YHWH uns mit starker Hand aus Ägypten befreit hat.'“
.

(Bibel / Tanach / Altes Testament, Schemot / Exodus / 2. Mose 13,14-16)

 

Kultur, die sich selbst automatisch auf die nächsten Generationen überträgt. – Mathematiker denken jetzt vielleicht an das Prinzip der vollständigen Induktion.  😉

Wie die sexuelle Fortpflanzung des Menschen funktioniert ist ja recht offensichtlich und auch schon umfangreich erforscht. Aber wie genau funktioniert die geistig-kulturelle Fortpflanzung? Macht so ein Begriff oder so eine Vorstellung überhaupt Sinn?

Sprache spielt in dem Zusammenhang sicherlich eine große Rolle; aber das Thema geht auch über die Bedeutung von Sprache noch weit hinaus. Der Begriff „Mem“ ist hier von Bedeutung.

Tiere haben angeborene Instinkte. Darüber hinaus besitzen sie allerdings auch Verhalten, das sie von den älteren Tieren gelernt haben …

Es käme darauf an, aus unserer menschlichen Natur und aus der gesellschaftlichen Kultur ein harmonisches, organisches Ganzes zu schaffen, das nachhaltig dem Leben dient.

 

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Foto von „The Cookiemonster“ via Wikimedia Commons – CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)

 

Brutpflege

Eltern sorgen sich um ihre Kinder, Kinder um die Eltern, Großeltern um die Enkel, ….

Fürsorge ist einer der großen Schätze einer Gesellschaft.

In der Bewegung, die Jesus aus Nazareth ins Leben gerufen hat, ging es allerdings noch um etwas anderes.

 

„Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern, dazu auch sein eigenes Leben, der kann nicht mein Jünger sein.“

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(Lukas-Evangelium 14,26)

 

Wenn wir als Christen uns nur um unsere Familien sorgen, haben wir etwas Wichtiges noch nicht verstanden.

 

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„Rebranding Jesus“, Foto von Daniel Silliman – CC BY-NC-ND 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0

 

Das Geheimnis des Heiligen

Jede Gesellschaft lebt von Werten, die über das eigene kleine Leben und die eigene Familie hinausgehen. Weit darüber hinaus gehend gibt es noch zeitlose Werte, die der Nachhaltigkeit allen Lebens dienen.

In einer globalisierten Welt gewinnt das Verstehen darüber, was Werte sind, wie sie entstehen, vermittelt und übertragen werden immer mehr an Bedeutung; denn Werte bestimmen unser Verhalten.

 

 

Das Nachdenken über das, was für uns wertvoll, heilig ist, führt uns auch zum Geheimnis Gottes.

Wer oder was ist Gott für dich? Wie können wir ihn oder sie oder es kennenlernen? Ist der Begriff heutzutage überhaupt noch für alle Menschen sinnvoll? Was für Gottesvorstellungen gibt es? Wo kommen sie her und was haben sie mit spiritueller Erfahrung zu tun?

 

„… trennt euch ganz entschieden von einem Lebensstil, wie er für diese Welt kennzeichnend ist!

… auch von der Habgier, die den Besitz für das Wichtigste hält und ihn zu ihrem Gott macht!“

.
(Kolosserbrief 3,5; Neues Testament)

 

 

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Leinengewebe, Foto von Dee.lite, via Wikimedia Commons – public domain

 

Kultur – ein vielschichtiges, komplexes Gewebe

Wie heilige Texte und Religion, so ist auch Kultur ein komplexes, vielschichtiges Gewebe. Eine Fülle von Verbindungen und Beziehungen … historisch gewachsen …

Unser geistiges Wesen ist darauf angelegt, Sinnzusammenhänge herzustellen; und die Vermittlung von Sinn ist auch eine wichtige Aufgabe von Kultur. Wir suchen Halt, Sicherheit und Orientierung in einer Welt die bedrohlich und gefährlich sein kann. – Schönheit hat etwas Beruhigendes …

 

„Wer in schönen Dingen einen schönen Sinn entdeckt – der hat Kultur.“

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(Oscar Wilde (1854 – 1900), eigentlich Oscar Fingal O’Flahertie Wills, irischer Lyriker, Dramatiker und Bühnenautor)

 

Religiöse Erziehung im Judentum

Die Christenheit ist keine ethnische Gemeinschaft mehr, die allein auf Grund der physischen Abstammung besteht. Doch auch schon im Judentum hatte es existentielle Bedeutung für das Volk Gottes, dass Kinder in der Treue zu ihrem Gott YHWH erzogen wurden. Für eine Identität als ein großes Volk braucht man mehr als gemeinsame Gene.

Bildung hat einen sehr hohen Stellenwert in der jüdischen Kulturgeschichte; und es ist eine der auffälligen Leistungen jüdischen Lebens, dass das Judentum es bist heute geschafft hat, in fremden Kulturen eine eigene Identität zu bewahren.

 

„Im Übrigen finden sich alle diese Forderungen im Gesetz des Mose, das seit vielen Generationen in allen Städten verkündet und Sabbat für Sabbat in allen Synagogen vorgelesen wird.“

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(Apostelgeschichte 15,21)

 

 

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Spielende Kinder, römisches Relief (2. Jh. nach Chr), Louvre, via Wikimedia Commons – CC BY 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0)

 

Generationen – eine Kette mit vielen Gliedern

Wenn man älter wird, wird einem mehr und mehr bewusst, wie groß der Anteil ist, den all die früheren Generationen am eigenen Leben haben. Die Prägung in den frühen Kindertagen durch Eltern und andere; das Leben der Großeltern, dessen Auswirkungen immer noch spürbar sind; historische Ereignisse, die lange Schatten werfen; kulturelle Errungenschaften, die frühere Generationen erkämpft haben …

 

„YHWH, YHWH, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue, der Gnade bewahrt an Tausenden von Generationen, der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt, aber keineswegs ungestraft lässt, sondern die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern, an der dritten und vierten Generation.“

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(Bibel / Tanach / Altes Testament, Schemot / Exodus / 2. Mose 34,6-7)

 

Glaube hat mit der persönlichen Biografie zu tun. Auch die Menschen, von denen die biblischen Texte erzählen hatte eine Vergangenheit, und eine Wirkung auf die Menschen in ihrem Leben.

 

„Ich habe deinen aufrichtigen Glauben vor Augen, den Glauben, der zuerst deine Großmutter Loïs und deine Mutter Eunike erfüllte und der nun auch – da bin ich ganz sicher – dein Leben bestimmt.“

.
(Paulus im zweiten Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus 1,5)“

 

 

Impuls ohne Kraft

Ein neues Projekt anzustoßen braucht oft schon enorme Anstrengungen. Wenn man eine  gute  Idee hat, finden sich häufig andere, die sie unterstützen, und die Dinge nehmen ihren Lauf …

Schon den Gründern selbst fällt es allerdings manchmal nicht leicht, die ursprüngliche Begeisterung frisch zu halten. Noch schwieriger wird es dann bei den Angestellten und der nächsten Generation:

Wird es gelingen Begeisterung zu vermitteln und als Bewegung im Flow zu bleiben?

Häufig erstarren Bewegungen nach einer Weile in Traditionen und Strukturen, und die tiefe innere Verbindung zu den ursprünglichen Ursachen der Bewegung und der Kraft der Entstehung gehen bei den Nachfolgern verloren.

 

„‚… Es ist damit wie beim Wind:
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Er weht, wo er will. Du hörst ihn, aber du kannst nicht erklären, woher er kommt und wohin er geht. So ist es auch mit der Geburt aus Gottes Geist.‘
.
Nikodemus ließ nicht locker:
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‚Aber wie soll das nur vor sich gehen?‘
.
Jesus erwiderte:
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„Du bist ein anerkannter Gelehrter in Israel und verstehst das nicht? …'“
.
(Johannes-Evangelium 3,8-10; Neues Testament)

 

Erfasst und getragen von ewiger Kraft

Eine Bewegung, die aus der Quelle des Lebens schöpft und mit dem Leben verbunden bleibt, dürfte solche kulturellen Nachhaltigkeits-Probleme eigentlich nicht haben.

Und solange es Leben gibt, gibt es Hoffnung, und Hoffnung gibt Kraft.

 

„Zum Beginn des jüdischen Pfingstfestes waren alle, die zu Jesus gehörten, wieder beieinander.
.
Plötzlich kam vom Himmel her ein Brausen wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie sich versammelt hatten. Zugleich sahen sie etwas wie züngelndes Feuer, das sich auf jedem Einzelnen von ihnen niederließ. So wurden sie alle mit dem Heiligen Geist erfüllt und fingen an, in fremden Sprachen zu reden …
.
‚Hört her, ihr Leute aus Judäa und ihr Einwohner von Jerusalem! Ich will euch erklären, was hier geschieht …'“
.
(Apostelgeschichte 2,1-14)

 

 

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„Wellenreiter“ von Jon Sullivan via Wikimedia Commons – public domain

 

Die zweite Generation der Jesus-Bewegung

Eine in manchen Gemeinden populäre Variante des Gemeindewachstums scheint das Kinderkriegen zu sein.  😉

 

„Deshalb möchte ich, dass die jüngeren Witwen wieder heiraten, Kinder zur Welt bringen und sich um ihren Haushalt kümmern.“

.
(Paulus im ersten Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus 5,14; Neues Testament)

 

Schon bald, nachdem das Christentum entstanden war, gab es Gläubige, die Jesus nicht mehr live erlebt hatten. Und für die Kinder, die dann in christliche Familien hineingeboren wurden, gilt natürlich dasselbe.

Kinder sind heilig. Sie sind der Schatz jeder Gesellschaft und garantieren deren fortbestehen. – Eine religiöse Tradition überträgt sich allerdings nicht unbedingt automatisch auf die Kinder.

Ein paar Jahrzehnte nach Pfingsten waren dann auch die letzten Augenzeugen verstorben, die Jesus noch gesehen und gehört hatten, und es gab neben dem geistlichen Leben, das in religiöser Gemeinschaft erlebt wurde, nur noch die Überlieferung. Dies war sicherlich auch der entscheidende Motor dafür, dass man anfing die Schriften der ersten Christen zu sammeln.

Überlieferung ereignet sich in einem 4-dimensionalen Raum. Alles verändert sich ständig: die Welt, die Sprachen, der Blick auf die Geschichte, die Kultur, die Religion, …

 

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von Jason Hise via Wikimedia Commons (English Wikipedia) – public domain

 

Bibel + Glaubensbekenntnis

Manche betrachten das Christentum als Buchreligion; aber das war es ursprünglich vom Wesen her eigentlich nicht.

Die auffälligste Veränderung gegenüber dem Judentum ist die Weite und Vielfalt des Christentums. In Christus stand nun  allen  Menschen, unabhängig davon zu welchen Völkern sie gehörten, das Heiligtum der Juden weit offen. – Gott kommt zu uns und wohnt in allen Völkern.

Dies war auch verbunden mit einer veränderten Spiritualität. Gegenüber der alten Synagogen-Frömmigkeit scheint nun das persönliche, individuelle Erleben des Einzelnen (im Glauben an Jesus) und das kreative, vielfältige Gestalten des gemeinsamen religiösen Lebens deutlich an Bedeutung zu gewinnen.

 

 Jedem hat Gott seine ganz bestimmte Aufgabe in der Gemeinde zugeteilt. Da sind zunächst die Apostel, dann die Propheten, die verkünden, was Gott ihnen eingibt, und drittens diejenigen, die andere im Glauben unterweisen.

Dann gibt es Christen, die Wunder tun, und solche, die Kranke heilen oder Bedürftigen helfen. Einige übernehmen leitende Aufgaben in der Gemeinde, andere reden in unbekannten Sprachen“

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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 12,28; Neues Testament)

 

„… der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“

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(im zweiten Brief an die Christen in Korinth 3,6; Neues Testament)

 

 

So wie es in Geschichte und Zeitgeschichte schon oft mit gesellschaftlichen Bewegungen passiert ist, so ist dann auch die Christenheit weitgehend erstarrt in Strukturen, Glaubensbekenntnissen, Grundlagen-Papieren und heiligen Texten. Besonders im Protestantismus erlangte die Bibel überragende Bedeutung als  das  Heilige Buch.

 

 

Gott ist kein Schriftsteller

 

Die Bibel diente auch als Machtinstrument für die Kirche, und sie diente zur Stabilisierung des römischen Reiches, das dringend eine religiöse Grundlage brauchte, die besser funktionieren sollte als die althergebrachten religiösen Traditionen.

Glaubensbekenntnisse und Bibel waren Instrumente im Kampf gegen konkurrierende christliche Bewegungen und dienten der Abgrenzung und Vereinheitlichung. – Konsolidierung des Christentums. – Ein Kampf, der im Grunde bis heute andauert.

Dieser Vorgang hat auch zu tun mit den großen Themen der christlichen Theologie:

Christologie, Heiliger Geist (Pneumatologie), Sakrament, Bischof, Kirche (Ekklesiologie), Abendmahl/Eucharistie, TaufeVorherbestimmung/Prädestination, Erwählung, Heiligung und Heiligenverehrung, LiturgieEschatologie / Tausendjähriges Reich, …

 

„Jesus kündete das Reich Gottes an und gekommen ist die Kirche.“

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(Alfred Loisy)

 

War der  „christliche“ Glaube, der auf diese Weise überliefert worden ist, noch identisch mit dem, was Jesus gelehrt hatte? Wo sind die geist-erfüllten Menschen, die es schaffen, die Herzen von Christen unterschiedlicher Traditionslinien wieder mit einander zu verbinden?

Wie ihr wahrscheinlich schon gemerkt habt, bin ich überhaupt kein Fan von Glaubensbekenntnissen. Andererseits scheint es mir allerdings schon so zu sein, dass sie als Bekenntnis der persönlichen Glaubensüberzeugung auch ihren Platz haben. Gut finde ich das Buch von David Steindl-Rast: Credo.

Es wird eine der entscheidenden Fragen bzgl. der Zukunft der Christenheit sein, wie wir mit dem historischen Erbe des bisherigen Christentums umgehen.

 

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Petersplatz im Morgengrauen, mit Petersdom (Vatikan), Foto von Islandoftrees via Wikimedia Commons – CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

 

Nachhaltigkeit als Wesensmerkmal eines Systems

Strukturen und Schriften reichen nicht aus, um religiöses Leben zu konservieren. Es braucht immer auch noch Menschen aus Fleisch und Blut, welche die Schriften sinnvoll nutzen und Strukturen ausfüllen.

 

„Was ich dir vor vielen Zeugen als die Lehre unseres Glaubens übergeben habe, das gib in derselben Weise an zuverlässige Menschen weiter, die imstande sind, es anderen zu vermitteln.“

.
(Paulus im zweiten Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus 2,2; Neues Testament)

 

Und darüber hinaus braucht es noch dieses nicht greifbare Etwas, eine gewisse geistige, fluide Kultur mit spiritueller Qualität, die uns nie völlig verfügbar ist, aber die wir versuchen können aufzuspüren. Ein Wahrnehmen des Lebens und der Wirklichkeit und die Verbindung zur Quelle der Kraft. Dieses „gewisse Etwas“ zu kultivieren wäre eine der wichtigsten Aufgaben christlicher Spiritualität.

Auch die biblischen Texte erzählen ja davon, dass Gott selbst es ist, der seine Schöpfung erhält und den Menschen sucht, der den Lauf der Geschichte gestaltet und ein gutes Ziel für sie hat. Und es war die Überzeugung der ersten Christen, dass dies jetzt durch Jesus geschieht und Gottes himmliches Reich angebrochen ist.

 

„Und wie lautet dieses Geheimnis?

‚Christus in euch  – die Hoffnung auf Gottes Herrlichkeit!'“

.
(Kolosserbrief 1,27)

 

Erziehung zum christlichen Glauben

Geht das überhaupt? Oder ist der Titel schon schlecht formuliert? Sollte es vielleicht besser heißen  „Erziehen  im  Glauben“  oder  „Erziehung im Christentum“?

Und ist Erziehung zum Glauben an Jesus dasselbe wie „christliche Erziehung“ oder gibt es da einen Unterschied?

 

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„Lasst doch die Kinder zu mir kommen, und hindert sie nicht daran! Gottes Reich ist ja gerade für solche wie sie bestimmt.“ (Markus 10,14) Gemälde von Carl Heinrich Bloch, 19. Jahrhundert, via Wikimedia Commons – public domain

 

Einen interessanten Artikel von Tobias Faix zum Thema gibt es hier:

„Ist Glaube machbar? Über den Sinn und Unsinn christlicher Erziehung“

Da das Christentum noch nicht ausgestorben ist und so mancher Christ auch schon im christlichen Elternhaus groß geworden ist, scheint es durchaus möglich zu sein, christlichen Glauben über die Generationen hinweg zu überliefern.

 

 

Es gab allerdings nie einen einheitlichen christlichen Glauben, und nach fast 2000 Jahren ist die Vielfalt christlicher Konfessionen, Denominationen, Kirchen, Projekten und Bewegungen schier unübersehbar. Zu welchem christlichen Glauben soll man denn sein Kind erziehen?

 

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(Glaube allein)

Vielleicht mehr als irgendwo sonst, ist es im Protestantismus, dass der Glaube die zentrale Rolle spielt: Er entscheidet über Leben und Tod, über Himmel und Hölle.

Umso wichtiger ist es, was denn genau Wesen und Inhalt des Glaubens sind. – Gedanken sind Kräfte.

Im Protestantismus wurde Glaube immer mehr zu einer Art „Bildungsgut“. Mit dem Buchdruck und der Alphabetisierung und Schulpflicht wurde es immer mehr Menschen möglich, eine Bibel zu besitzen und darin zu lesen. Die Frage,  was  man denn glaubt oder auch was man meint, nicht mehr glauben zu können, rückte bei vielen Menschen in den Vordergrund.

 

„Denn man wird für gerecht erklärt, wenn man mit dem Herzen glaubt; man wird gerettet, wenn man den Glauben mit dem Mund bekennt.“

.
(Paulus im Brief an die Christen in Rom 10,10; Neues Testament)

 

Plappernde Fromme und sprachlose Christen

Sobald Menschen den Mund aufmachen, wird es kompliziert. Manche Christen gehen mit ihrem missionarischen Eifer und persönlichen Überzeugungen anderen auf die Nerven, und andere sind sprachlos geworden, weil sie selbst kaum noch verstehen, was sie eigentlich glauben.

Sprache(n) spielt, besonders für den christlichen Glauben, eine überragende Rolle. Man denke nur an die Bibel, die Mission und Bibelübersetzungs-Projekte.

In Diskussionen zwischen Christen erlebe ich es ständig, dass man kaum noch in der Lage ist, mit einander zu reden. Zu unterschiedlich ist die Art und Weise, wie man den christlichen Glauben versteht und lebt, und die Voraussetzungen, von denen man ausgeht. Dabei wäre es angesichts der Globalisierung und der Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, so wichtig, dass wir als Christen wirklich ein Licht für die Welt wären.

 

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Calvary Church bei Nacht; eine „non-denominational evangelical church“ in Charlotte, North Carolina; Foto von Fartbarker, via Wikimedia Commons – public domain

 

Sprachfähige Eltern

Ich glaube, es würde helfen, wenn wir uns von traditionellen christlichen Sprachmustern etwas distanzieren, und neu lernen, das, was wir wirklich von ganzem Herzen glauben, selbst und frisch in Worte zu fassen. Kreativer, kulturschaffender Umgang mit Sprache. Neue Formen wie biblisches Erzählen und Poetry-Slam könnten dabei vielleicht helfen – oder Erlebnispädagogik  😉

 

Ich war in eine verzweifelte Lage geraten – wie jemand, der bis zum Hals in einer Grube voll Schlamm und Kot steckt!
.
Aber er hat mich herausgezogen und auf festen Boden gestellt. Jetzt haben meine Füße wieder sicheren Halt.
.
Er gab mir ein neues Lied in meinen Mund …“
.
(Psalm 40,3-4, Altes Testament / Tanach)

 

Theologen scheinen als Berufsgruppe nicht unbedingt für diese Aufgabe geeignet zu sein. Auch in der Vergangenheit (man denke nur an die Psalmen und Propheten) waren es Poeten, Visionäre, Musiker, Maler, Sänger, Künstler … die spirituellen Menschen geholfen haben, das was sie glauben in Worte zu fassen und religiös sprachfähig zu werden.

 

 

 

Lasst uns die Künstler in uns wecken!

 

Verankert im Hier und Jetzt

Manche von uns haben viel Bibelwissen und können mitreden. Manche haben schon eine lange Geschichte als Christen und tragen mit sich viel liebgewordene christliche Tradition. Wir bringen das dann auch unseren Kindern bei: Glaubensbekenntnis, Katechismus, Christenlehre, Familienandachten, …

Dies bleibt allerdings zum Teil nur Theorie. Ein Christentum für den Kopf, aber das Herz bleibt leer; und das theoretische Wissen hat kaum erkennbare Wirkung im Alltag. In Kirchen und Gemeinden sind manche engagiert und nett, während zuhause die Familie den Bach runtergeht …

 

„Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber mit dem Herzen sind sie weit weg von mir.“

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(Jeschajahu / Jesaja 29,13, Altes Testament / Tanach)

 

Ich glaube, um gangbare und heilsame Wege für uns selbst, unsere Familien, das Christentum und die Menschheit zu finden, müssen wir dicht bei uns selbst und unser alltäglichen Wirklichkeit bleiben. – Die großen Fragen in Kopf und Herzen bewegen, aber bei mir selbst beginnen. – Die neue Welt beginnt bei mir.

Spiritualität braucht Ruhe und Stille. Sie kann man nicht kaufen oder sich mal schnell als Instant-Produkt in irgendwas einrühren. Man muss im eigenen Leben den nötigen Raum schaffen.

Wenn wir zu einer eigenen Spiritualität finden, die in unserer persönlichen Erfahrung verankert ist und die wir selbst verantworten können, brauchen wir uns auch nicht mehr hinter dem Schwergewicht der Tradition oder den breiten Schultern christlicher Persönlichkeiten verstecken.

 

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„Sky Walker – Heaven of Dreams“ von Hartwig HKD via flickr – CC BY-ND 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0

 

„Darum hat Gott einen neuen Tag festgesetzt, an dem er sein Versprechen erfüllen will. Dieser Tag heißt ‚Heute‘ …

‚Heute, wenn ihr meine Stimme hört, dann verschließt eure Herzen nicht.'“

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(Hebräerbrief 4,7; Neues Testament)

 

Wir und die Kinder

Kinder sind klein und schwach und abhängig. Sie genießen in der Gesellschaft einen besonderen Schutz – zumindest theoretisch.

Schwache und Kinder genießen in den biblischen Texten auch die besondere Sympathie Gottes:

 

„Da sagte Jesus:
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‚Lasst doch die Kinder! Hindert sie nicht, zu mir zu kommen; denn für Menschen wie sie steht Gottes neue Welt offen.‘
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Dann legte er den Kindern segnend die Hände auf …“
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(Matthäus-Evangelium 19,14-15; Neues Testament)

 

Ein beliebter Bibelvers. Viel wurde schon gesagt und geschrieben. Christen diskutieren über Kindertaufe, Kinder-Evangelisation, Religionsunterricht für Kinder, …

Alle Kinder der Welt sind unsere Kinder – eine große Menschheitsfamilie. Wir können über die Zukunft von Kindern nachdenken und unser eigenes Leben verändern. Eine bessere Zukunft für Kinder kann bei mir beginnen: in meinem Herzen, meinen Träumen, meinem Alltag, meiner Familie, meinem Engagement …

 

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„Got you, daddy!“ von Clarence Goss from USA (Flickr: Got You Daddy) via Wikimedia Commons – CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)

 

Prägen durch gemeinsame Zeit

Viele Familien verbringen nicht mehr viel Zeit mit einander: Kita, Schule, Arbeit, … – Und die Zeit, die sie zusammen haben, ist manchmal nur Zeit vor dem Fernseher oder Zeit über dem Handy oder Tablet.

Ein tiefergehendes Gespräch mit seinem Kind führen zu können, ist alles andere als selbstverständlich; und das betrifft nicht nur Teenager. Oft braucht man kreative Ideen, um Situationen und Atmosphäre zu schaffen, wo Kinder anfangen aus ihrem Leben zu erzählen.

 

„Alle, die zum Glauben an Jesus gefunden hatten, ließen sich regelmäßig von den Aposteln unterweisen und lebten in enger Gemeinschaft. Sie feierten das Abendmahl und beteten miteinander …

Die Gläubigen lebten wie in einer großen Familie. Was sie besaßen, gehörte ihnen gemeinsam …

Tag für Tag kamen die Gläubigen einmütig im Tempel zusammen und feierten in den Häusern das Abendmahl. In großer Freude und mit aufrichtigem Herzen trafen sie sich zu den gemeinsamen Mahlzeiten.“

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(Apostelgeschichte 2,42-46)

 

More than words … – Das eigene Vorbild

Ein Gedankenexperiment:

Eltern, die nicht sprechen und nicht schreiben können haben ein Kind. Gibt es für sie überhaupt Möglichkeiten ihr Kind christlich zu erziehen oder brauchen sie dazu unbedingt Sprache? Wie sieht es aus mit nicht-sprachlichen Möglichkeiten der Kommunikation und mit anderen Formen von Prägung?

Eltern kennen das: Wir können uns den Mund fusselig reden … – doch Kinder machen oft nicht das, was wir sagen. Aber das Leben, das wir ihnen vorleben, bleibt in ihnen für den Rest ihres Lebens.

Eine rauchende Mutter mag ihrem Kind den guten Rat geben: „Fang bloß nicht an zu rauchen …“ – Aber Kinder scheinen sich mehr an dem zu orientieren, was wir vorleben, als an dem, was wir sagen. Das eigene Vorbild hat wohl mehr Kraft, als unseren Worte.

 

„Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr Heuchler! Ihr versperrt anderen den Zugang zu Gottes himmlischem Reich. Denn ihr selbst geht nicht hinein, und die hineinwollen, hindert ihr auch noch daran.“

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(Matthäus-Evangelium 23,13)

 

 

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Big Spring (Missouri, USA), Foto von Kbh3rd, via Wikimedia Commons – GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)

 

 

Im göttlichen Flow

Wir sind alle bedürftig. Auch Eltern. Es gibt so viel Mangel und Not … und die Herausforderungen und Bedrohungen in unserer Welt können Angst machen.

Wenn wir für uns selbst eine tiefe und reiche Spiritualität gefunden haben, dann fließt sie durch uns auch zu den Menschen in unserem Leben. Das göttliche Leben, das uns erfüllt, wird auch auf unsere Kinder ausstrahlen.

 

„Wer an mich glaubt, wird erfahren, was die Heilige Schrift sagt: Von seinem Inneren wird Leben spendendes Wasser ausgehen wie ein starker Strom.“

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(Johannes-Evangelium 7,38)

 

Heiligung

Gott macht unsere Seele gesund und „heilt all unsere Gebrechen“. Er ist der gute Hirte, der uns mit allem versorgt. Bei ihm ist kein Mangel. Wenn wir unser Altes loslassen, macht er alles neu.

Er fügt uns ein in die Gemeinschaft der Heiligen. Eine Generation aus Königen und Priestern. Wie  ein  Organismus wirken alle zusammen. Was einer nicht kann, kann der andere. Gott schenkt Befähigung, so wie es der Organismus braucht; und alle wachsen gemeinsam und zusammen der Ganzheit entgegen. Gott ist Liebe.

Christus in uns – die Hoffnung der Herrlichkeit. Immer wieder suchen wir seinen Frieden, und er wird uns geschenkt, in einer Weise, die wir nicht verstehen. Gottes Wirken erfasst uns und führt uns mit sich im Strom des Lebens.

Er macht unser Leben hell und führt uns auf einem guten Weg. Er gießt seine Liebe in unsere Herzen …

Wir sind das Licht der Welt. Unsere Kinder finden Sicherheit und Orientierung in dem Licht, das von uns ausgeht. Unsere Liebe wärmt ihre Seelen.

 

Ich versichere euch: Wer sich Gottes Reich nicht wie ein Kind schenken lässt, der wird ganz sicher nicht hineinkommen.“

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(Lukas-Evangelium 18,17)

 

 

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Selbstporträt von Élisabeth Vigée-Lebrun mit ihrer Tochter, via Wikimedia Commons – public domain

 

Liebe, Vertrauen und Freiheit

Vielleicht besteht eine gute christliche Erziehung gerade in der geschickten Balance zwischen der freiheitlichen Entwicklung des einzelnen Persönlichkeit und der kreativen und kraftvollen Vermittlung zeitloser Werte. – Urvertrauen ins Leben, das befähigt so zu leben, dass es allem Leben dient.

Das Wechselspiel zwischen der Persönlichkeits-Entwicklung und dem Seelenleben des Einzelnen einerseits und dem Leben der Gesellschaft andererseits ist etwas, das unser ganzes Leben bestimmt. Ich bin immer ein Teil von unterschiedlichen Gruppen. Wie ich diese Gemeinschaft erfahre und mitgestalten kann, ist entscheidend für mich selbst und auch die Wirkung, die von mir ausgeht.

Die beste Orientierung in diesem vielschichtigen, komplexen Geschehen bietet meines Erachtens die Integrale Theorie (zumindest hab ich bis jetzt noch nichts Besseres gefunden.).

Vielleicht wird ein tieferes Verstehen von guter Erziehung und dem Überliefern von Werten und Spiritualität an kommende Generationen dazu beitragen, dass das Himmelreich zu uns kommt, von dem Jesus geredet hat.

 

„Reformation war gestern. Die Zukunft des Christentums gehört der Transformation.“

.
(Marion Küstenmacher auf dem Cover ihres Buches „Integrales Christentum“)

 

Jesus. Die Biografie.

 

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Jesus als guter Hirte, frühchristliche Deckenmalerei in der Calixtus-Katakombe in Rom (um 250) via Wikimedia Commons – public domain

 

Ich muss euch leider die traurige Mitteilung machen, dass die Biografie von Jesus zur Zeit leider vergriffen ist und auch antiquarisch nicht mehr aufzutreiben ist.

Ich weiß, es wäre ein ganz besonders schönes – und auch zum Anlass so passendes – Weihnachtsgeschenk gewesen, aber ihr müsst euch da doch leider noch was anderes ausdenken.

Scherz!“  😉

Es sieht wohl doch eher so aus, als ob es eine Jesus-Biografie gar nicht gibt.

 

„Das Neue Testament (NT) ist als Glaubensdokument der Urchristen zugleich die wichtigste Quelle der historischen Jesusforschung.“

.
(Wikipedia)

 

Die Autobiografie von Jesus

Das wäre natürlich der absolute Knaller! Jesus schreibt eine Autobiografie über sein Leben als Sohn Gottes.

Tja, leider heißt es auch in diesem Fall:

„Pech gehabt!“ – Leider auch keine Autobiografie.

 

„Jesus sprach:

‚Wer sucht, soll nicht aufhören zu suchen, bis er findet;
und wenn er findet, wird er erschrocken sein;
und wenn er erschrocken ist, wird er verwundert sein,
und er wird über das All herrschen.'“

.
(Thomas-Evangelium, 2. Sprichwort)

 

Es sind zwar entsprechende Texte aufgetaucht, aber die Echtheit ist umstritten.  😉

 

[Leider Französisch. – Was Englisches gibt’s allerdings hier.]

 

2013 wurde eine Autobiografie von Jesus veröffentlicht, deren Verfasser sich  Jürg Amann  nennt. – Scheint wohl auch nicht ganz echt zu sein.  😉  (Vielleicht ist es auch schon vergriffen. Auf der Verlags-Seite hab ich es nicht gefunden.)

Jesus selbst scheint wohl doch eher keinen einzigen Text hinterlassen zu haben. – Wirklich schade! – Und auch eine erstaunliche Tatsache, über die sich kaum jemand ernsthaft Gedanken zu machen scheint. – Auch Schade. – Denn bei allem, was wir über sein Leben „wissen“, wäre es ihm sicherlich möglich gewesen, Texte zu hinterlassen.

 

„Dies ist der Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes.
.
Im Buch des Propheten Jesaja heißt es:
.
‚Ich sende meinen Boten vor dir her; er wird dein Wegbereiter sein.‘ …
.
In jener Zeit kam auch Jesus aus Nazaret in Galiläa zu Johannes und ließ sich im Jordan von ihm taufen …“
.
(Markus-Evangelium; Bibel, Neues Testament; 1. Kapitel, Verse 1-9)

 

Interviews mit Jesus

Es sind schon Interviews mit Jesus aufgetaucht; aber auch in diesen Fällen ist die Echtheit sehr umstritten.  😉

Schon in den neutestamentlichen Texten wird allerdings von Begegnungen von Menschen mit Jesus nach dessen Tod berichtet:

 

„Später, als ich wieder in Jerusalem war und im Tempel betete, hatte ich eine Vision:

Ich sah Jesus, und er sagte zu mir:

‚Verlass Jerusalem, so schnell du kannst! Lass dich durch nichts aufhalten! Denn die Menschen hier werden nicht annehmen, was du ihnen als mein Zeuge über mich berichtest.‘

‚Aber Herr‘ wandte ich ein, ‚gerade sie müssten mir doch Glauben schenken …'“
.
(Paulus in der Apostelgeschichte; Neues Testament; 22,17-19)

 

Keine Jesus-Biografie!

Also, eine Biografie haben wir leider nicht.  😦

Aber wie wär’s mit einem „Evangelium“?

Jemand ist vielleicht schon der Gedanke gekommen, dass die Evangelien Jesus-Biografien wären; aber, wer anfängt sie zu lesen, merkt bald, dass dies keine Biografien sind, so wie wir sie heute kennen. Dennoch erzählen die Evangelien eine Menge interessanter Details. Das Meiste seiner Lebensgeschichte ist uns allerdings unbekannt.

 

„Schon viele haben die Aufgabe in Angriff genommen, einen Bericht über die Dinge abzufassen, die in unserer Mitte geschehen sind und die wir von denen erfahren haben, die von Anfang an als Augenzeugen dabei waren und dann Diener der Botschaft Gottes geworden sind.
.
Darum hielt auch ich es für richtig, nachdem ich allem bis zu den Anfängen sorgfältig nachgegangen bin, diese Ereignisse für dich, hochverehrter Theophilus, in geordneter Reihenfolge niederzuschreiben, damit du erkennst, wie zuverlässig all das ist, worin du unterrichtet worden bist.
.
In der Zeit, als Herodes König von Judäa war, lebte dort Zacharias …“
.
(Lukas-Evangelium; Neues Testament; 1,1-5)

 

Der Jude Jesus

Meine Oma hatte meine Mutter einmal gefragt:

„Weißt du eigentlich, dass Jesus ein Jude war?!“

Komisch. – Wie kann man das verpassen?

Das Christentum hat sich allerdings auch angestrengt, ihn zu ent-judaisieren. Und das haben die nicht nur mit der Person von Jesus gemacht, sondern auch mit heiligen Texten.

Anscheinend war Jesus sogar nur ein Jude zweiter oder dritter Klasse. Ein Jude aus der Provinz, ein Galiläer; und ein Galiläer aus einem kleinen Kaff, Nazareth.

 

„‚Aus Nazaret?‘

entgegnete Natanaël.

‚Was kann aus Nazaret Gutes kommen?‘

Doch Philippus sagte nur:

‚Komm mit und überzeuge dich selbst!'“

.
(Johannes-Evangelium; Neues Testament; 1,46)

 

Jesus bezieht Stellung zu Weihnachten und den Umständen seiner Geburt

Dank unseres Weihnachtsfestes sind die Umstände der Geburt von Jesus zum Glück hinreichend bekannt.

Jesus‘ erste Wochen außerhalb des Bauchs seiner Mutter waren anscheinend recht dramatisch; wobei man sich fragen muss, wie viel der Kleine davon mitbekommen hat. – Wie oft mögen die Eltern von Jesus ihm wohl von den Umständen um seine Geburt herum erzählt haben?

Weihnachten.  Der  christliche Klassiker! In der Geschichte des Christentums und mittlerweile auch global in vielen Konsumgesellschaften ein echt wichtiges Thema. Komisch, dass Jesus selbst kaum etwas über die Umstände seiner Geburt gesagt zu haben scheint. Zumindest wüsste ich jetzt auf Anhieb keine einzige Bibelstelle, wo Jesus selbst etwas dazu sagt.

 

„Jesus erwiderte:
.
‚Wenn ich mir selbst eine solche Ehre anmaßen würde, wäre sie nichts wert. Aber nun ist es mein Vater, der mich ehrt – er, von dem ihr sagt, er sei euer Gott. Und dabei habt ihr ihn nie gekannt; ich dagegen kenne ihn.
.
Würde ich behaupten, ihn nicht zu kennen, dann wäre ich ein Lügner wie ihr. Aber ich kenne ihn und richte mich nach seinem Wort.
.
Abraham, euer Vater, sah dem Tag meines Kommens mit jubelnder Freude entgegen. Und er hat ihn erlebt und hat sich darüber gefreut.‘
.
Die Juden entgegneten:
.
‚Du bist noch keine fünfzig Jahre alt und willst Abraham gesehen haben?‘
.
Jesus gab ihnen zur Antwort:
.
‚Ich versichere euch: Bevor Abraham geboren wurde, bin ich.‘
.
Da hoben sie Steine auf, um ihn zu steinigen.“
.
(Erzählung vom Evangelisten Johannes; Johannes-Evangelium 8,54-58)

 

Die Evangelisten

Eine eigenartige Berufsbezeichnung. – Wie wird man eigentlich „Evangelist“? Gibt es da so was wie eine Ausbildung?

 

„… Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jesaja 52,7):
.
‚Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!‘
.
Aber nicht alle waren dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht (Jesaja 53,1):
.
‚Herr, wer glaubte unserm Predigen?‘
.
So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.“
.
(Paulus im Brief an die Christen in Rom 10,14-17)

 

Im Neuen Testament gibt es vier „Evangelisten.“ Einer von ihnen ist Johannes, ein anderer Lukas (oder wer auch immer die Verfasser des Johannes- und Lukas-Evangeliums gewesen sein mögen).

Lukas hat sich ja anscheinend zumindest mal die Mühe gemacht und recherchiert, um aufzuschreiben, was er über Jesus in Erfahrung bringen konnte. Was die Kindheit und Jugend und die ganze Zeit vor dem öffentlichen Auftreten von Jesus betrifft, ist da bei der Recherche allerdings auch nicht gerade viel herausgekommen.

Auf jeden Fall ist das Lukas-Evangelium auch keine Biografie in dem Sinne, was man heute von einer modernen Biografie erwarten würde. Bei den anderen drei Evangelisten sind die Informationen über die Kindheit und Jugend von Jesus allerdings noch deutlich magerer.

 

„Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“

.
(Johannes-Evangelium 1,14)

 

Jesus, Flüchtlingskind.

Matthäus (bzw. der Verfasser des Matthäus-Evangeliums) erzählt von einem unfreiwilligen Abstecher nach Ägypten. Genauer gesagt: Josef und Maria schützten das Leben ihres Kindes, indem sie nach Ägypten flüchteten. (In den heiligen Texten der Juden zu dieser Zeit übrigens keine ganz ungewöhnliche Geschichte.)

Wie alt war Jesus, als er dann nach Nazareth kam?

Im Matthäus-Evangelium heißt es, dass Josef den Auftrag bekommt, nach Israel zurückzukehren, als Herodes gestorben war. Kann man daraus das ungefähre Alter von Jesus bestimmen, als er nach Nazareth kam? Und sind die Erzählungen überhaupt historisch gemeint?

 

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„Rebranding Jesus“ von Daniel Silliman – (CC BY-NC-ND 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/)

 

Angry Young Man

Was hat Jesus eigentlich die ganze Zeit gemacht, bevor er öffentlich in Erscheinung trat? Wie viel kann man spekulieren über seine Beziehung zu Johannes den Täufer, vielleicht sogar zu den Essenern oder anderen gesellschaftlichen Gruppen, und der Zeit, die er eventuell mit ihnen verbracht hat?

Auf jeden Fall hat Jesus, anscheinend im Unterschied zum Rest seiner Familie, irgendwann sein Heimatdorf Nazareth verlassen. (Vielleicht war das auch ein Grund, weshalb die nicht so gut auf ihn zu sprechen waren?)

 

„Doch es musste so kommen, weil sich erfüllen sollte, was in ihrer Tora steht:

‚Sie haben mich ohne Grund gehasst.'“

.
(Johannes-Evangelium 15,25)

 

Jesus, Migrant.

Auf jeden Fall war Jesus Migrant. Er migrierte durch Israel. Und nachdem die ehemaligen Nachbarn und Bekannten aus seinem Heimatdorf versucht hatten ihn umzubringen, wollte er wahrscheinlich auch nicht mehr zurück nach Hause.

Als Wanderprediger verkündete er – wie schon Johannes der Täufer vor ihm – das über die Welt hereinbrechende Himmelreich. Und wie er selbst es tat, so schickte er auch seine Schüler aus, von Ort zu Ort zu gehen:

 

Geht und verkündet:
.
‚Das Himmelreich ist nahe.‘
.
Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus. Was ihr umsonst bekommen habt, das gebt umsonst weiter …“
.
(Matthäus-Evangelium 10,7-8)

 

Auch kam es anscheinend vor, dass Jesus verschiedene Menschen, die sich für Jesus-Nachfolge interessierten, vor der Vorstellung einer komfortablen „christlichen Ausbildung“ warnte:

 

„Die Füchse haben ihren Bau, die Vögel ihre Nester, aber der Menschensohn hat keinen Platz, an dem er sich ausruhen kann.“

(Lukas-Evangelium, 9,58)

 

Jesus, vom Bau

Jesus‘ Adoptiv-Vater war übrigens Bauhandwerker von Beruf. (Die Berufsbezeichnung „Zimmermann“ stimmt wohl nicht so ganz.)

Hatte auch Jesus diesen Beruf erlernt? Vielleicht von seinem Adoptiv-Papa? Hat Jesus später dann auch als Bauhandwerker gearbeitet? Hat er noch irgend etwas anderes gelernt oder einfach ungelernt gemacht? Karriere vielleicht? – So weit ich weiß, haben wir dazu keine Informationen – mit Ausnahme der Karriere, die er später als Wanderprediger und Messias gemacht hat.

 

„‚Für wen halten die Leute den Menschensohn?‘
.
‚Manche halten dich für Johannes den Täufer,‘
.
antworteten sie, ‚manche für Elia und manche für Jeremia oder einen der anderen Propheten.‘
.
‚Und ihr?‘
.
fragte er, ‚für wen haltet ihr mich?‘
.
Simon Petrus antwortete:
.
‚Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!‘ …
.
Dann schärfte Jesus den Jüngern ein, niemand zu sagen, dass er der Messias sei.
.
Danach redete Jesus mit seinen Jüngern zum ersten Mal offen darüber, dass er nach Jerusalem gehen und dort von den Ältesten, den führenden Priestern und den Schriftgelehrten vieles erleiden müsse; er werde getötet werden und drei Tage danach auferstehen.“

.
(Matthäus-Evangelium 16,13-21)

 

Das „frühere“ Leben eines Superstars

Komisch, dass sich nicht einmal einer der 12 Jünger von Jesus die Zeit genommen hat, eine Biografie von Jesus zu schreiben. Aber vielleicht wussten sie auch einfach gar nicht so viel über das Leben von Jesus. Vielleicht hat Jesus nicht so viel über sein „früheres Leben“ geredet, über die Zeit, bevor er berühmt geworden war.

 

„Während Jesus noch zu der Menge redete, waren seine Mutter und seine Brüder gekommen. Sie standen vor dem Haus und wollten ihn sprechen.
.
Einer aus der Menge sagte zu Jesus:
.
‚Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen dich sprechen!‘
.
Jesus wandte sich zu dem, der ihm diese Nachricht brachte, und erwiderte:
.
‚Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?‘
.
Dann wies er mit der Hand auf seine Jünger und fuhr fort:
.
‚Seht, das sind meine Mutter und meine Brüder!'“
.
(Matthäus-Evangelium 12,46-49)

 

Geschäftige Christen

Und die ersten Christen hatten ja dann auch wirklich alle Hände voll zu tun. Man muss nur mal die Apostelgeschichte lesen. Da war echt was los. Kein Wunder, dass die nicht so richtig die Zeit gefunden haben, nun auch noch eine Jesus-Biografie zu schreiben.

Außerdem war Schreibmaterial damals auch noch teurer, und die Spendeneinnahmen waren wahrscheinlich auch nicht so üppig.

Sie hatten am Anfang auch gar keine Kirchen oder eigenen Gemeindehäuser und trafen sich u.a. einfach im Tempel.

 

„Einmal, als Zacharias vor Gott seinen Dienst als Priester versah, weil seine Abteilung damit an der Reihe war, wurde er nach der für das Priesteramt geltenden Ordnung durch das Los dazu bestimmt, in den Tempel des Herrn zu gehen und das Rauchopfer darzubringen …
.
Draußen wartete das Volk auf Zacharias, und alle wunderten sich, dass er so lange im Tempel blieb.
.
Als er endlich herauskam, konnte er nicht mit ihnen sprechen. Da merkten sie, dass er im Tempel eine Erscheinung gehabt hatte …“
.
(Lukas-Evangelium 1,8-22)

 

Jesus im Heiligtum

Lukas erzählt davon, dass es in der Verwandtschaft von Jesus einen Priester gab, Zacharias, der auch im Tempel Dienst hatte. (Gibt es eigentlich noch andere Texte, die dies berichten?)

Dieser Priester wurde dann auch der Papa von Johannes, dem sogenannten Täufer, der wiederum dann eine der wohl bekanntesten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zur Zeit Jesu wurde. (Find ich schon interessant, dass Jesus solche Leute in seiner Verwandtschaft hatte.)

 

Jesus erwiderte:

‚Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?'“

.
(Lukas-Evangelium 2,49)

 

In Lukas 2,49, als Jesus noch ein kleiner Junge und seinen Eltern im Heiligtum abhandengekommen war – Alptraum aller Eltern -, antwortete er ihnen, als sie ihn endlich gefunden hatten:

„Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?“

Das Heilige scheint für Jesus kein fremder Ort gewesen zu sein.

Auch in anderen Erzählungen in den Evangelien lesen wir davon, dass Jesus im Tempel war, besonders in den letzten Tagen vor seiner Hinrichtung, als es sogar zu einer öffentlichen Auseinandersetzung im Tempel kam.

 

„In Jerusalem angekommen, ging Jesus in den Tempel und fing an, alle hinauszuweisen, die dort Handel trieben oder etwas kauften. Er warf die Tische der Geldwechsler und die Sitze der Taubenverkäufer um und duldete auch nicht, dass jemand etwas über den Tempelhof trug. Zur Erklärung sagte er ihnen:
.
‚Heißt es nicht in der Schrift: ›Mein Haus soll ein Haus des Gebetes sein für alle Völker‹ Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!‘
.
Als die führenden Priester und die Schriftgelehrten davon hörten, suchten sie nach einer Möglichkeit, Jesus zu beseitigen. Sie hatten nämlich Angst vor ihm, weil das ganze Volk von seiner Lehre tief beeindruckt war.“
.
(Markus-Evangelium 11,15-18)

 

Jesus, höchster Name

Mit welchem Namen haben ihn seine Eltern eigentlich gerufen? – Höchstwahrscheinlich nicht „Jesus“.

Auch waren seine Eltern nicht Herr und Frau Christus. – „Christus“ ist  nicht  sein Nachnahme (!), sondern die griechische Übersetzung des hebräischen Wortes „Messias“ (Maschiach = Gesalbter). Ein jüdischer Ehrentitel, der mit entsprechenden Erwartungen und Hoffnungen verbunden war.

„Jesus“ ist die lateinische Version des Griechischen „Ἰησοῦς“. (Waren die Eltern von Jesus vielleicht verkappte Hellenisten?)

Die messianischen Juden nennen Jesus, so weit ich weiß, jedenfalls „Jeschua.“ Aber ist der Name in irgendeiner historischen Quelle belegt? Und wie schreibt man das auf Aramäisch (höchstwahrscheinlich die Muttersprache von Jesus)?

Der eigene Name hat einen besonderen Klang. – Wie mag Jeschuas Name wohl in seinen eigenen Ohren geklungen haben? Und hatte er eine tiefere Bedeutung für ihn?

 

„‚Wer sich von seiner Frau scheidet und eine andere heiratet – es sei denn, seine Frau ist ihm untreu geworden – , der begeht Ehebruch.‘
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Da sagten die Jünger zu Jesus:
.
‚Wenn es zwischen Mann und Frau so steht, ist es besser, gar nicht zu heiraten!‘
.
Er erwiderte:
.
‚Das ist etwas, was nicht alle begreifen können, sondern nur die, denen es von Gott gegeben ist.
.
Manche sind nämlich von Geburt an zur Ehe unfähig, manche werden durch den Eingriff von Menschen dazu unfähig gemacht, und manche verzichten von sich aus auf die Ehe, um ganz für das Himmelreich da zu sein. – Wer es begreifen kann, der möge es begreifen!‘
.
Danach wurden Kinder zu Jesus gebracht; er sollte ihnen die Hände auflegen und für sie beten. Aber die Jünger wiesen sie barsch ab.
.
Da sagte Jesus:
.
‚Lasst die Kinder zu mir kommen …'“
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(Matthäus-Evangelium 19,9-14)

 

Jesus, ein Familienmensch?

War Jesus irgendwann einmal verliebt? Verlobt? Verheiratet? Verwitwet? Papa?

Er war schließlich so richtig Mensch, stimmt’s? Und besonders in der antiken orientalischen Kultur war Familie-gründen Standard.

Was hältst du von der Vorstellung, dass Jesus vielleicht Frau und Kinder hatte? – Sie werden allerdings nirgendwo im Neuen Testament erwähnt. – Vielleicht doch eher keine Frau und keine Kinder? – Oder wurde er vielleicht aus irgendwelchen Gründen von Frau und Kindern getrennt?

Man nimmt an, dass Jesus ungefähr 30 Jahre alt war, als er öffentlich in Erscheinung trat. Eine lange Zeit seit seiner Pubertät …

 

„Es soll euch zuerst um Gottes Reich und Gottes Gerechtigkeit gehen, dann wird euch das Übrige alles dazugegeben.“

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(Jesus in der Bergpredigt; Matthäus-Evangelium 6,33)

 

Zu guter Letzt

Ihr habt es im Laufe des Lesens wahrscheinlich schon gemerkt, dass man mit Aussagen über das Leben von Jesus vorsichtig sein muss, da nur schwer zu klären ist, was genau an der Überlieferung historisch ist.

Ich hab diesen Artikel ein bisschen ironisch geschrieben. Nicht, weil ich mich über Jesus lustig machen will (bestimmt nicht!), sondern weil in der Geschichte der Christenheit eine Menge entstanden ist, über das sich Jesus, glaube ich, nicht freuen würde. Zumindest nicht der Jesus, den wir in den biblischen Texten kennenlernen.

 

„Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr verschließt den Menschen das Himmelreich. Selbst geht ihr nicht hinein, und die, die hineingehen wollen, lasst ihr nicht hinein.“

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(Matthäus-Evangelium 23,13-14)

 

Der Mystiker Jesus

In letzter Zeit tauchen auch Bücher auf, die Jesus als Mystiker diskutieren.

Voll krass! – Geht das überhaupt? Kann ein Sohn Gottes und die zweite Person des dreieinigen Gottes ein Mystiker sein?

 

„In Gott hat ja alles nicht nur seinen Ursprung, sondern auch sein Ziel,
.
und er will viele als seine Söhne und Töchter an seiner Herrlichkeit teilhaben lassen.
.
Aber um diesen Plan zu verwirklichen, war es notwendig, den Wegbereiter ihrer Rettung durch Leiden und Sterben vollkommen zu machen. Er, der sie heiligt, und sie, die von ihm geheiligt werden, haben nämlich alle denselben Vater.
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Aus diesem Grund schämt sich Jesus auch nicht, sie als seine Geschwister zu bezeichnen, etwa wenn er sagt:
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‚Ich will meinen Brüdern verkünden, wie groß du bist, o Gott; mitten in der Gemeinde will ich dir Loblieder singen. (Psalm 22,23)'“

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(Hebräerbrief; Neues Testament; 2,10-12)

 

[Dies ist die neuere Überarbeitung eines älteren Artikels, welchen ihr mit Kommentaren hier findet.]

 

Wärst du auch gerne mit Sex-Workern befreundet?

 

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„Au Salon de la rue des Moulins“ von Henri de Toulouse-Lautrec (1894) via Wikimedia Commons – public domain

 

„… Was für ein Schlemmer und Säufer, dieser Freund der Zolleinnehmer und Sünder! …“

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(Kritik von Zeitgenossen von Jesus; Bibel, Neues Testament; Matthäus-Evangelium 11. Kapitel, Vers 19)

 

Was würden wohl deine Familie und deine Freunde dazu sagen?

Jesus hatte keinen guten Ruf zu verlieren. Zumindest nicht in den frommen Kreisen seiner Zeit.

Ein Freund von Nutten und korrupten Kollaborateuren mit der verhassten römischen Besatzungsmacht. – Der Ausdruck „politisch inkorrekt“ wäre eine grobe Verharmlosung. – Jesus hatte nicht nur populäre Menschen unter seinen Freunden. Er hatte ein Herz für die Loser seiner Zeit. Und er suchte das Gespräch mit denen, um die andere einen Bogen machten.

Jesus war eine äußerst umstrittene Persönlichkeit des öffentlichen Lebens seiner Zeit. Ein Konflikt, der ihn am Ende das Leben kostete.

 

„Dann verließ Jesus die Stadt und ging wie gewohnt zum Ölberg hinaus. Seine Jünger begleiteten ihn …
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Er entfernte sich ein kleines Stück von ihnen, kniete nieder und betete:
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‚Vater, wenn es dein Wille ist, dann lass diesen bitteren Kelch des Leidens an mir vorübergehen. Aber nicht was ich will, sondern was du willst, soll geschehen.‘
.
Da erschien ein Engel vom Himmel und gab ihm neue Kraft. Jesus litt Todesängste und betete so eindringlich, dass sein Schweiß wie Blut auf die Erde tropfte.
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Als er nach dem Gebet aufstand und zu seinen Jüngern zurückkehrte, sah er, dass sie eingeschlafen waren, erschöpft von ihren Sorgen und ihrer Trauer.“
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(Lukas-Evangelium; Neues Testament; 22,39-45)

 

Das älteste Gewerbe der Welt

Prostitution. Leider ein zeitloses Thema. Und nicht nur die Sex-Worker selbst haben Probleme, sondern seit je her bringt dieser Beruf auch Probleme für den Rest der Welt mit sich. – Es gibt professionelle Organisationen, die versuchen zu helfen, in diesem komplizierten Milieu. Und es gibt Kirchen, die offene Türen haben.

Die Art und Weise, wie Jesus Nutten begegnete, ist bestimmt ein Aspekt seines Lebens, der Menschen die letzten 2000 Jahre besonders berührt hat. Prostitution geht an die Substanz des menschlichen und gesellschaftlichen Miteinanders. Die nüchterne Bezeichnung „Prostitution“ macht die ganze Angelegenheit nicht harmloser.

Die krasseste Jesus-Erzählung dazu wäre wohl diese:

 

Einmal wurde Jesus von einem Pharisäer zum Essen eingeladen. Er ging in das Haus dieses Mannes und setzte sich an den Tisch. Da kam eine Prostituierte herein, die in dieser Stadt lebte. Sie hatte erfahren, dass Jesus bei dem Pharisäer eingeladen war. In ihrer Hand trug sie ein Fläschchen mit wertvollem Salböl. Die Frau ging zu Jesus, kniete bei ihm nieder und weinte so sehr, dass seine Füße von ihren Tränen nass wurden. Mit ihrem Haar trocknete sie die Füße, küsste sie und goss das Öl darüber.

Der Pharisäer hatte das alles beobachtet und dachte: „Wenn dieser Mann wirklich ein Prophet wäre, müsste er doch wissen, was für eine Frau ihn da berührt. Sie ist doch eine stadtbekannte Hure!“

„Simon, ich will dir etwas erzählen“, unterbrach ihn Jesus in seinen Gedanken.

„Ja, ich höre zu, Lehrer‘, antwortete Simon.

„Ein reicher Mann hatte zwei Leuten Geld geliehen. Der eine Mann schuldete ihm fünfhundert Silberstücke, der andere fünfzig. Weil sie das Geld aber nicht zurückzahlen konnten, schenkte er es beiden. Welcher der beiden Männer wird ihm nun am meisten dankbar sein?“

Simon antwortete: „Bestimmt der, dem er die größte Schuld erlassen hat.“

„Du hast Recht!“, bestätigte ihm Jesus. Dann blickte er die Frau an und sagte:

„Sieh diese Frau, Simon! Ich kam in dein Haus, und du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben, was doch sonst selbstverständlich ist. Aber sie hat meine Füße mit ihren Tränen gewaschen und mit ihrem Haar getrocknet. Du hast mich nicht mit einem Kuss begrüßt. Aber seit ich hier bin, hat diese Frau immer wieder meine Füße geküsst. Du hast meine Stirn nicht mit Öl gesalbt, während sie dieses kostbare Öl sogar über meine Füße gegossen hat. Ich sage dir: Ihre große Schuld ist ihr vergeben; und darum hat sie mir so viel Liebe gezeigt. Wem aber wenig vergeben wird, der liebt auch wenig.“

Zu der Frau sagte Jesus: „Deine Sünden sind dir vergeben.“

Da tuschelten die anderen Gäste untereinander: „Was ist das nur für ein Mensch! Kann der denn Sünden vergeben?“

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(Lukas-Evangelium 7,36-50)

 

Neugierig geworden?

EINE BEGEGNUNG, DIE ALLES VERÄNDERTE – DAS GLEICHNIS VON DEN BEIDEN SCHULDNERN (LK 7,36-50) | WORTHAUS 1.2.1

 

[Dies ist die neuere Überarbeitung eines älteren Artikels, welchen ihr mit Kommentaren hier findet.]

 

berühren

 

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Säugling während des Stillens, Foto von Petr Kratochvil via Wikimedia Commons – public domain

 
Wir verlieren uns schnell in Gedanken und Argumentationen, führen endlose Diskussionen im Kopf und mit anderen Menschen, bleiben hängen in immer wieder denselben Gedankengängen …

Wenn wir versuchen, dicht an einfachen menschlichen Erfahrungen zu bleiben, kann uns das vielleicht davor bewahren, uns in Theorien zu verirren.

Eine der grundlegendsten menschlichen Erfahrungen ist die Berührung und das Berührt-werden. – Notwendig zum Überleben.

 

fühlen

Schon der kleine neue Mensch, der im Bauch der Mama wächst, fühlt. Wahrnehmungen füttern das Gehirn mit Informationen, und die Eindrücke werden zu den ersten Erinnerungen von der Umwelt.

Nach der Strapaze der Geburt – noch bevor das Neugeborene richtig sehen kann – erlebt es Berührungen und Haut; Hände, die es halten und streicheln, und den Körper der Mutter, der ihm alles gibt, was es braucht.

Erwachsene sind gegenüber Kindern übermächtig; und Eltern gehören zu den ersten Allmächtigen, welche sie kennenlernen. Kinder werden berührt und lernen zu berühren.

 

Wohin soll ich gehn vor deinem Geist,
wohin vor deinem Antlitz entlaufen!

.

Ob ich den Himmel erklömme, du bist dort,
bettete ich mir das Gruftreich, da bist du.

.

Erhübe ich Flügel des Morgenrots, nähme Wohnung am hintersten Meer,
dort auch griffe mich deine Hand, deine Rechte faßte mich an.

.

Spräche ich: »Finsternis erhasche mich nur, Nacht sei das Licht um mich her!«,
auch Finsternis finstert dir nicht, Nacht leuchtet gleichwie der Tag,
gleich ist Verfinsterung, gleich Erleuchtung.

.

Ja, du bists, der bereitete meine Nieren, mich wob im Leib meiner Mutter!
Danken will ich dir dafür, daß ich furchtbar bin ausgesondert:
sonderlich ist, was du machst, sehr erkennts meine Seele.

.

Mein Kern war dir nicht verhohlen, als ich wurde gemacht im Verborgnen, buntgewirkt im untersten Erdreich,

.

meinen Knäul sahn deine Augen, und in dein Buch waren all sie geschrieben,
die Tage, die einst würden gebildet, als aber war nicht einer von ihnen.

.
(Bibel / Tanach / Altes Testament, Psalm 139, Verse 7-16)

 

Haut

Berührungen werden durch die Haut vermittelt. Haut an Fingern, Händen, Füßen, Kopf, …

Die Haut. Das größte Organ. Sie schützt uns und ist gleichzeitig eine durchlässige Membrane zwischen Innen und Außen. Sie grenzt uns ab und vermittelt Wahrnehmungen aus der Welt um uns her …

 

 

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„Got you, daddy!“ von Clarence Goss, USA, via Wikimedia Commons (Flickr: Got You Daddy) – CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)

 

Hände und Händehalten

Es gibt kaum etwas Niedlicheres als die Finger und Fingernägel von Babys. Und später sind es diese Hände, die die Kinder überall drin haben, und greifen und be-greifen.

Berührungen erhalten ihre Wirkung durch den Zusammenhang. Das Händchenhalten in der Kita fühlt sich für die Kinder anders an, als später das Händehalten mit Freundin oder Freund.

Der Handschlag mit dem neuen Geschäftspartner fühlt sich anders an als das Händeschütteln mit einem alten Freund. Und wenn sich Sportler nach einem Tor in die Arme fallen, ist das anders, als wenn man einen Trauernden in den Arm nimmt.

Wir berühren einander in den Rollen, die wir ausfüllen – und das muss kein künstliches Schauspielern sein. Auch der aufrichtigste und natürlichste Mensch ist in Beziehungen eingebunden, in denen er (s)eine Rolle spielt.

 

Sehende und hörende Hände

Blinde sehen mit den Händen, und Taubstumme können mit den Händen die Sprache erlernen. Und ein alter, sterbender Mensch, der schon blind und taub ist, spürt doch noch eine Berührung, einen Händedruck und ein Händehalten.

 

rühren

In „Berührung“ steckt „rühren“. Das Wort „rühren“ hat mit  Bewegung  zu tun. Berührungen können etwas in Gang setzen: Gedanken, Gefühle, Menschen … – Unsere Worte und Blicke können andere Menschen tief berühren.

 

Blicke, die unsere Seele berühren

Wir können mit Blicken etwas „ab-tasten„. – Auf Neu-Deutsch: Wir „scannen“ unsere Umgebung.

Die Blicke oder die Stimme eines Anderen – oder  einer  Anderen – können mein Herz bewegen und es schneller schlagen lassen, und in meiner Seele rühren …

 

Dein blaues Auge hält so still,
Ich blicke bis zum Grund.
Du fragst mich, was ich sehen will?
Ich sehe mich gesund.

Es brannte mich ein glühend Paar,
Noch schmerzt das Nachgefühl;
Das deine ist wie See so klar
Und wie ein See so kühl.

.
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(Klaus Groths Gesammelte Werke. Vierter Band. Plattdeutsche Erzählungen – Hochdeutsche Gedichte, Kiel und Leipzig, Verlag von Lipsius & Tischer, 1893, S. 176)

 

*

 

Zart wie Windhauch – Wenn Gott uns berührt …

 

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Erschaffung Adams (Sixtinische Kapelle), Foto von Jörg Bittner Unna (Own work) via Wikimedia Commons – CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)

 

… Am Tag, da ER, Gott, Erde und Himmel machte,noch war aller Busch des Feldes nicht auf der Erde, noch war alles Kraut des Feldes nicht aufgeschossen, denn nicht hatte regnen lassen ER, Gott, über die Erde, und Mensch, Adam, war keiner, den Acker, Adama, zu bedienen: aus der Erde stieg da ein Dunst und netzte all das Antlitz des Ackers, und ER, Gott, bildete den Menschen, Staub vom Acker, er blies in seine Nasenlöcher Hauch des Lebens,und der Mensch wurde zum lebenden Wesen.

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(Bibel / Tanach / Altes Testament, Bereschith / Genesis / 1. Mose 2. Kapitel, Verse 4-7)

 

Der Geist Gottes, der Heilige Geist, ist ein Lebensspender. Gottes Hauch macht Totes lebendig, und drängt in allem Lebendigen zu Wachstum und Segen und dem Wohl der Schöpfung. – Leben, Generation nach Generation.

Menschen können sich glücklich schätzen, wenn sie als Kinder durch Berührungen Liebe kennengelernt haben – und nicht Missbrauch:

Zart war ich, bitter war’s

Familien sollten die Orte sein, wo Menschen sich sicher und Zuhause fühlen und den Segen Gottes erfahren. Orte, wo der Geist der Liebe, als unsichtbares Band, die Generationen mit einander verbindet.

Liebe. Geist. Lebenshauch. – Flüchtig, nicht greifbar, und doch lebensnotwendig wie die Luft zum Atmen.

 

 

*

 

… er hauchte sie an und sagte: „Empfangt den Heiligen Geist!“
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„Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr sie nicht vergebt, dem sind sie nicht vergeben.“
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(Johannes-Evangelium 20,22-23)

 

Jesus

Jesus hatte viele Berührungen mit Menschen – im übertragen Sinn und auch buchstäblich.

Bei einer Erzählung von Jesus spielen Berührungen eine besondere Rolle:

 

… Auf dem Weg … drängte sich die Menge um Jesus. Darunter war auch eine Frau, die seit zwölf Jahren an starken Blutungen litt. Ihr ganzes Vermögen hatte sie für die Ärzte aufgewendet, doch niemand hatte sie heilen können. Sie kam von hinten heran und berührte einen Zipfel seines Gewandes.

Sofort hörte die Blutung auf. „Wer hat mich berührt?“, fragte Jesus. Doch niemand wollte es gewesen sein.

Petrus sagte: „Rabbi, die Menge drängt und drückt dich von allen Seiten!“ Doch Jesus bestand darauf: „Es hat mich jemand angerührt, denn ich habe gespürt, dass eine Kraft von mir ausgegangen ist.“

Als die Frau sah, dass sie nicht verborgen bleiben konnte, fiel sie zitternd vor Jesus nieder. Vor allen Leuten erklärte sie, warum sie ihn berührt hatte und dass sie im selben Augenblick geheilt worden war.

„Meine Tochter“, sagte Jesus da zu ihr, „dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden!“

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(Die Bibel, Neues Testament, Lukas-Evangelium, 8. Kapitel, Verse 42-47)

 

„Na, warte mal ab! Wie kannst du dir da so sicher sein, dass du geheilt worden bist? Vielleicht ist das ja jetzt nur die Aufregung, und wenn du wieder alleine Zuhause sitzt, ist wieder alles beim Alten: ein ewiges Ausbluten.“

 

Der Erzähler der biblischen Geschichte teilt solch menschliche Skepsis nicht. Für ihn ist ganz klar: Jesus  ist  so! Und wenn Menschen ihn berühren, werden sie gesund.

Berührung kann Kraft kosten und Kraft geben, und Menschen heil werden lassen.

 

Berührungs-Stress

Be-gegen-ungen zwischen Menschen sind oft anstrengend. Mit unseren Augen ver-hand-eln wir unsere Blick-Kontakte, und Augen, die uns anstarren, machen uns nervös. Blicke können Körper und Seelen begrabschen …

Ein Blick kann uns treffen und verletzen; und die strafenden Blicke der Eltern halten die Kinder auf rechter Bahn …

Auch das  Wort  eines Anderen kann uns treffen oder berühren. Wir ringen um Worte, liefern uns Wortgefechte im Schlag-Abtausch oder fummeln uns mit schleimigen Worten in die Seele eines anderen.

Menschen kosten Kraft. Schon eine Begrüßung kann bei manchen Menschen in Stress ausarten: „Sag ich einfach ‚Hallo‘ oder gebe ich die Hand?“ – „Was mach ich, wenn der andere mich umarmt?“ – „Kränke ich jemand, wenn ich nicht umarme?“

Menschen. – Wir können nicht ohne sie leben, und nicht mit ihnen.

Ich habe mein ganzes Leben bisher als moderner Stadtmensch gelebt – in der Anonymität einer Großstadt. Mein Leben berührt ständig das Leben anderer Menschen, und mein eigenes wird berührt: Ein flüchtiger Blick in der U-Bahn oder auf der Straße, ein Lächeln, …

Vor Jahren sah ich einmal ein Plakat, das funktionierte ungefähr so:

 

gemEINSAMkeit

 

Leben, einfach

Für manche Menschen heutzutage ist das eigentlich ganz normale Leben schon zu etwas Seltenem geworden: Zeit mit Familie und echten Freunden verbringen – berühren und berührt werden. Einfach leben.

Wie wäre es, wenn wir selbst in unserer Seele gesund würden, und Menschen, deren Leben durch unsers berührt wird, Heilung erfahren? – Vertrauen  hatte die Frau, die Jesus berührt hat, gesund werden lassen.

 

Berührt werden und berühren

Die Episode mit der gesund-gewordenen Frau ist nur ein Ausschnitt der  ganzen  Geschichte. Hier nun die vollständige Erzählung:

 

Als Jesus ans andere Ufer zurückkam, empfing ihn eine große Menschenmenge, denn sie hatten auf ihn gewartet. Da kam ein Synagogenvorsteher zu ihm, namens Jaïrus. Er warf sich vor ihm nieder und bat ihn, in sein Haus zu kommen, weil seine einzige Tochter, ein Mädchen von zwölf Jahren, im Sterben lag.

Auf dem Weg dorthin drängte sich die Menge um Jesus. Darunter war auch eine Frau, die seit zwölf Jahren an starken Blutungen litt. Ihr ganzes Vermögen hatte sie für die Ärzte aufgewendet, doch niemand hatte sie heilen können. Sie kam von hinten heran und berührte einen Zipfel seines Gewandes.

Sofort hörte die Blutung auf. – „Wer hat mich berührt?“, fragte Jesus. Doch niemand wollte es gewesen sein.

Petrus sagte: „Rabbi, die Menge drängt und drückt dich von allen Seiten!“ Doch Jesus bestand darauf: „Es hat mich jemand angerührt, denn ich habe gespürt, dass eine Kraft von mir ausgegangen ist.“

Als die Frau sah, dass sie nicht verborgen bleiben konnte, fiel sie zitternd vor Jesus nieder. Vor allen Leuten erklärte sie, warum sie ihn berührt hatte und dass sie im selben Augenblick geheilt worden war.

„Meine Tochter“, sagte Jesus da zu ihr, „dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden!“

Während Jesus noch mit ihr sprach, kam jemand aus dem Haus des Synagogenvorstehers und sagte zu Jaïrus: „Deine Tochter ist gestorben. Du brauchst den Rabbi nicht weiter zu bemühen.“

Jesus hörte es und sagte zu dem Vorsteher: „Hab keine Angst! Vertrau mir, dann wird sie gerettet werden!“

Er ging in das Haus, erlaubte aber niemand, ihn zu begleiten, außer Petrus, Johannes und Jakobus und den Eltern des Kindes. Das ganze Haus war voller Menschen, die laut weinten und das Mädchen beklagten. „Hört auf zu weinen!“, sagte Jesus zu ihnen. „Das Kind ist nicht tot, es schläft nur.“

Da lachten sie ihn aus, denn sie wussten, dass es gestorben war. Doch Jesus fasste es bei der Hand und rief: „Kind, steh auf!“ Da kehrte Leben in das Mädchen zurück und es stand gleich auf. Jesus ordnete an, ihr etwas zu essen zu geben.

 

Die Kleine hatte bestimmt großen Hunger.

Eine rührende und berührende Geschichte. – „Jesus fasste es bei der Hand.“ Jesus zieht einen kleinen Menschen aus der Unterwelt zurück ins Leben und verwandelt Trauer und Verzweiflung in Freude und Glück.

Leben aus dem Tod.

 

Salben & Segnen

Auch bei einer anderen Erzählung in den Evangelien spielt Berührung eine Rolle. Hier kostet sie nicht nur Kraft, sondern ist auch in höchstem Maße peinlich. – Allerdings für wen?

„Jesus und die Sünderin“:  EINE BEGEGNUNG, DIE ALLES VERÄNDERTE – DAS GLEICHNIS VON DEN BEIDEN SCHULDNERN  (LK 7,36-50)  |  (Worthaus 1.2.1)

 

Segnen, salben („Christus“ = Messias = hebr. „Maschiach“ = Gesalbter) und Handauflegung spielt in biblischen Texten immer wieder eine Rolle.

Bei Berührungen passiert etwas zwischen Menschen, und das Leben und die Zukunft verändern sich.

 

Heiliges Küssen

Im Römerbrief geht es um Gott und die Welt, Himmel und Hölle, Menschenkrampf und göttliches Leben in heiligem Geist. Und ausgerechnet der Römerbrief endet mit einer langen Liste von Grüßen und mit den Worten:

 

Begrüßt einander mit dem heiligen Kuss …

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(Paulus‘ Brief an die Christen in Rom, 16,16)

 

Brüchige Männlichkeit

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Foto von Victorgrigas (own work) via Wikimedia Commons – CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Männlichkeit. Für einen Mann ein naheliegendes Thema  😉

Dass ich nicht der einzige bin, der darüber nachdenkt, merkt man schnell, wenn man z.B. mal „Spiritualität für Männer“ in seine Suchmaschine eingibt.

Wie interessiert Menschen an diesem Thema sind, kann man auch einfach austesten, indem man ein Gespräch auf die Frage „typisch Mann/Frau“ lenkt. Nach meiner Erfahrung gibt es dann in der Regel eine angeregte Diskussion …

… „Weil du auf die Stimme deines Weibes gehört hast und von dem Baum gegessen hast, den ich dir verbot, sprechend: Iß nicht davon!, sei verflucht der Acker um deinetwillen, in Beschwer sollst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. Dorn und Stechstrauch läßt er dir schießen, so iß denn das Kraut des Feldes! Im Schweiß deines Antlitzes magst du Brot essen, bis du zum Acker kehrst, denn aus ihm bist du genommen. Denn Staub bist du und zum Staub wirst du kehren.“

Der Mensch rief den Namen seines Weibes: Chawwa, Leben! Denn sie wurde Mutter alles Lebendigen.

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(Bibel / Tanach / Altes Testament, Bereschith / Genesis / 1. Mose, 3. Kapitel, Verse 17-20)

Die gute alte Zeit …

Frauen werden schwanger, bringen neues Leben in die Welt. Sie sind die Nahrungs-Quelle des Lebens für ihre Säuglinge, welche völlig abhängig und allein nicht überlebensfähig sind.

Früher waren es hauptsächlich die Frauen, die sich um den Nachwuchs kümmerten, und um die Nahrungszubereitung, um die Kleidung, um das Lager des Klans …; sie sammelten Beeren und Pilze, …

Die stärkeren, muskulösen Männer joggten durch die Steppe, spähten nach Gefahren und Beutetieren, kämpften mit Feinden und wilden Tieren …

[Wikipedia hat zwar nicht immer recht, aber hier  kann man ein bisschen dazu nachlesen.]

Männer von heute erleben solche tollen Abenteuer fast nur noch in virtuellen Welten. – Muskulöse Männer, die mit wilden Bestien kämpfen, Helden, die Drachen töten, Einzelkämper, die ganze Armeen auslöschen, … – In der Fantasie kann ein Mann noch ein richtiger Mann sein  😉

Der Klassiker zum Thema:

„Typisch männlich!“ – „typisch menschlich“

Wie viel von dem, was uns als Männer und Frauen ausmacht, stammt noch aus einer vergangenen Zeit? Wie viel Potential schlummert noch in uns, das eigentlich für andere Lebensverhältnisse „gedacht“ war? – Was wäre überhaupt eine „artgerechte Haltung“ für den Menschen? Wie sieht es aus mit Ergonomie und Gesundheit an Arbeitsplätzen und in den Wohnbereichen? „Menschen-gerechte“ Beschäftigungsverhältnisse? Wie „menschlich“ sind Mega-Cities? Wie viel ungenutzte Instinkte schlummern in uns …

Was ist „typisch männlich„? Gibt es z.B. einen „männlichen Beschützer-Instinkt“ wirklich? Welche Überzeugungen sind bloße Tradition, urban legend oder fake news?

„Der deutsche Mann, Mann, Mann …“

Interessanterweise ein von einem Mann geschriebenes Gedicht. 1931. Nicht lange vor der Machtergreifung.

Früher waren die Männer noch die HERREN auf dem Fußballplatz. Mittlerweile gibt es sogar professionellen FRAUENFUSSBALL !!!  (Ein Thema, das manche männlichen Gemüter besonders erregt.) – Wenn mann da mal Gelegenheit hat, ein Gurkenglas zu öffnen, welches die Frau nicht aufgekriegt hat, fühlt mann sich endlich mal wieder in seiner Männlichkeit bestätigt: Wir werden als Männer doch noch gebraucht!  – Und Männer können sich Bärte wachsen lassen!

Mein starker Körper

Der Körper einer Frau kann schwanger werden, ein Kind zur Welt bringen und es stillen. Etwas, was kein Mann kann. (Zumindest nicht auf natürliche Weise.) – Aber was kann ein Mann, das eine Frau heutzutage nicht auch kann? Viele Frauen leben genauso wie viele Männer als Singles. Offenbar sind Frauen stark genug für alle Aufgaben, die im alltäglichen Leben anfallen.

Bei allen Pauschalisierungen und Stereotypen setzt man sich immer der Gefahr aus, durch Einzelfälle widerlegt zu werden. Und auch die Frage, ob es überhaupt noch nötig ist, sich über Unterschiede zwischen Frauen und Männer den Kopf zu zerbrechen, scheint berechtigt. – Soll doch einfach jeder machen, was sie/er will. – Eine lange Geschichte von Menschen, die in vorgegebene Rollen gezwängt worden sind, kann für uns eine Warnung sein.

Der Mann als Oberhaupt der Familie

Die Konservativen haben eine Antwort: Der Mann ist das Oberhaupt der Familie! Gruppen brauchen Anführer, und Männer können das besser bzw. haben dafür sogar eine göttliche Berufung. – Eine Antwort, die heute viele nicht mehr überzeugt; und eine Antwort, die mit der wichtigen Frage zu tun hat, wie wir mit unseren heiligen Texten umgehen.

Männern, die mit der Vormachtstellung des Mannes in einer konservativen Familie liebäugeln, sei gesagt, dass wir im Christentum da noch eine ganz andere, jesuanische, Tradition haben:

Da setzte sich Jesus, rief die Zwölf zu sich und sagte zu ihnen: »Wenn jemand der Erste sein will, soll er der Letzte von allen und der Diener aller sein.«

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(Bibel, Neues Testament, Markus-Evangelium 9,35)

In einer Gesellschaft, in der immer noch die Frauen die Kinder kriegen, oft auch eine eigene berufliche Karriere haben und – wie die Männer – zum Unterhalt der Familie beitragen oder sogar alleinerziehend sind und sich um den Haushalt kümmern, erscheinen Männer manchmal wie Assistenten ihrer Frauen. Auch wenn die Frauen dies nicht so wahrnehmen sollten, so ist eine Angst, in der Familie an Bedeutung zu verlieren, sicherlich bei manchen Männern vorhanden.

Frauen, die schwanger werden, Kinder kriegen und Babys stillen zur Seite zu stehen, könnte das nicht auch eine tolle Berufung sein? – Außerdem besteht das Leben auch nicht nur aus Kindern …

Männliche Identität

Für Aufgaben, für die Frauen körperlich zu schwach sind, gibt es heute auch Maschinen und Roboter. Wo bleibt da noch Platz für männliche Identität? Was können Männer, das nur Männer können? Und brauchen wir diese Einzigartigkeit des Männlichen überhaupt, um zu wissen, wer wir sind oder sein wollen?

Reicht es nicht aus, als Mensch einzigartig zu sein, so wie jeder Mensch, Mann oder Frau, einzigartig ist? Wäre es nicht am besten, wenn jeder schaut, was gemacht werden muss, und sich bemüht, seine eigenen Fähigkeiten, so gut wie möglich miteinzubringen? Ist eine Identität als neuer Mensch und Anhänger von Jesus nicht besser als ein künstliches Profil von zweifelhafter Männlichkeit?

Die große Verunsicherung

Verunsicherung ist mit Sicherheit ein prägendes Lebensgefühl unserer Generation. Und kaum ein Thema geht dabei so unter die Haut wie die Anfragen an unsere Sexualität.

Gender. Für manche ist das Wort eines der großen Zeichen der Endzeit. Einen ausgewogenen Artikel dazu findet ihr hier:

Alles Gender oder was?

Frühsexualisierung

Es gibt sogar einen Wikipedia-Artikel zu diesem Thema.

Kinder und Jugendliche, die in unserer Gesellschaft aufwachsen, werden in Familie, Schule und Medien einer Flut von sexuellen Eindrücken ausgesetzt. – Eltern wissen ein Lied davon zu singen. – Ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft und die Hilfsangebote in Familien, Schule und Gesellschaft ausreichend?

Was passiert mit denen, die dabei durchs „Betreuungs-Netz“ rutschen? Wie bringt man die notwendige Freiheit und den nötigen Schutz in eine Balance, die eine gesunde Entwicklung ermöglicht?

Christliche Identität – der neue Mensch

Das Bewusstsein einer neuen Identität, die Gott durch seinen Geist in uns bewirkt, erscheint mir als die gesündeste Grundlage für das Verhältnis zwischen Frauen und Männern und sexuelle Identität. Ein solches Bewusstsein ist auch keine Erfindung der Moderne:

Hier gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Juden und Griechen, zwischen Sklaven und freien Menschen, zwischen Mann und Frau. Denn durch eure Verbindung mit Jesus Christus seid ihr alle zusammen ein neuer Mensch geworden.

(Die Bibel, Neues Testament, Paulus‘ Brief an die Galater, 3. Kapitel, Vers 28)

Sexuelle Not und Not-wendigkeit

Nicht alle Frauen werden schwanger, und nicht alle Männer gründen eine Familie oder sind in der Lage wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen. Die persönliche Erfahrung, Kinder in die Welt zu setzen und Teil der langen Kette der Generationen menschlichen Lebens zu sein, ist eine der existentiellen Erfahrungen des Menschseins. Kinderlosigkeit kann Einzelne und Paare an den Rand der Verzweiflung bringen. (Kinderlosigkeit ist übrigens auch ein biblisches Thema.)

Jesus wandte sich besonders den Ausgegrenzten und Benachteiligten zu. In guter jüdischer Tradition. Der Gott Israels war immer ein Gott, der sich der schwachen erbarmt hat, und die Stimme der Unterdrückten hörte – auch der Kinderlosen. Ein Gott, der denen besonders nah ist, die gesellschaftliche Erwartungen nicht erfüllen können und häufig am Rande stehen und nur zugucken dürfen, was die anderen machen …

Es ist eine  wesentliche  Aufgabe für alle Menschen, die sich mit der jüdisch-christlichen Tradition identifizieren, solche am Rande der Gesellschaft stehenden Menschen in die Mitte ihrer Gemeinschaft einzuladen.

Eine neue Kultur

Wir brauchen eine neue, eine andere, bessere Kultur. Eine Kultur des Miteinanders, die Menschen zusammenführt und verbindet, und sie nicht gegeneinander in Stellung bringt. Eine Kultur, die unsere Lebenswelt vor dem Auseinanderfallen rettet, heilt und als „ganz“ und stimmig erfahrbar macht.

Buchempfehlung:  „Die verborgene Spiritualität des Mannes“ von Matthew Fox

[Dies ist die Überarbeitung eines älteren Artikels, welchen ihr mit Kommentaren hier findet.]

Ruuuhe !!!

 

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Quelle: publicdomainpictures.net

 

Sabbat. – Wikipedia: „von hebräisch schabat: ‚aufhören‘, ‚ruhen‘“

 

DAS DRITTE GEBOT
Du sollst den Feiertag heiligen.
Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir die Predigt und sein Wort nicht verachten, sondern es heilig halten, gerne hören und lernen.

(aus Martin Luthers „Kleinen Katechismus“)

 

Es geht mir hier nicht um eine Diskussion „Sonntag gegen Sabbat“, sondern um die grundsätzlichere Frage:  Was machen wir am 7. Tag der Woche? – oder: Was machen wir am Ruhetag?

 

Den Feiertag heiligen

Das bedeutet NICHT: 6 Tage rackern wir uns ab für uns selbst und am siebten Tag rackern wir uns ab für Gott. 6 Tage dienen wir für uns – am 7. Tag Gottesdienst.

 

Vollendet hatte Gott am siebenten Tag seine Arbeit, die er machte, und feierte am siebenten Tag von all seiner Arbeit, die er machte. Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn,denn an ihm feierte er von all seiner Arbeit, die machend Gott schuf.

(Bibel / Tanach, Altes Testament, Bereschit / Genesis / 1. Mose, 2. Kapitel, Vers 2-3, in der Buber-Rosenzweig-Übersetzung)

 

Gott ruhte von allem Machen. Es war sehr gut. Perfekt. Vollendet. Nichts mehr hinzuzufügen.

Zeit nehmen zum Wahrnehmen des sehr guten Wirken Gottes in seiner Welt. Die Weite des Himmels: Von Horizont zu Horizont. Die Wolken ziehen sehen. Unendlich ausgebreitetes Sternenzelt im Nachthimmel. – Betrachten. Riechen. Lauschen. Schmecken. Ausruhen. Entspannen. Regenerieren. Seelenruhe …

 

entspannt

Tiefe Muskel-Verspannungen lösen sich nicht in einer Bildschirmpause. – Und wie lange dauert es, bis sich verkrampfte Seelen entspannen? Hart gewordene Herzen wieder weich werden?

Der 7. Tag. Ein ganzer Ruhetag.

24 Stunden schlafen? – Ich glaub, das schaff ich nicht.

Wann und wo und wie kommst du zur Ruhe?

Können und wollen wir uns das überhaupt leisten? Gibt es nicht einfach viel zu viel zu tun, und zu wenige, die mit anpacken? So viele Hilfsbedürftige und nicht genug Engagement. So viel Dringendes und Drängendes …

Einen ganzen Tag nichts schaffen? Ist das nicht viel zu unproduktiv? Wie viel Leistungsträger gibt es in unserer Republik, die regelmäßig einen Tag pro Woche total ausfallen können? Was würde das für unser Bruttosozialprodukt bedeuten? Würde Deutschland nicht internationale Spitzenpositionen einbüßen müssen, wenn alle Deutschen einmal die Woche gar nichts leisten?

Wir brauchen ja auch Zeit, um uns um unseren Besitz zu kümmern. Alles will gewartet werden, Zimmer geputzt, Nippes staubgewischt. Vermögen verwaltet. Der soziale Status und Netzwerke müssen ständig unterfüttert werden. Nichts passiert von alleine.

Gerate ich selbst nicht auch ins Hintertreffen, wenn ich das mache? Da kann ich doch niemals mehr mithalten mit denen, die einfach durchpowern:  24/7/365? Sind wir nicht auch unersetzbar und müssen unbedingt erreichbar sein – auch am Ruhetag?

Gibt es noch Orientierung bei aller Optimierung?

 

zeitlos – im Hier-und-Jetzt

Sabbat. Ein geschenkter Tag. Keine Verpflichtungen. Ruhe. Abschalten. Die Uhr bleibt 24 Stunden lang stehen. Die Erde hört auf sich zu drehen.

Einen zeitlosen Raum betreten. Kein Zeitdruck. In die Welt Gottes eintauchen. Von Ewigkeit zu Ewigkeit …

Ein weiter Blick. Erzählen von den Urgroßeltern. Familie planen. Zeit für Kinder. Stress verspielen.

 

Wann?

Es muss nicht unbedingt Sonntag sein. Eigentlich wäre Samstag ja sowieso irgendwie Sabbat-mäßiger.

 

Wo?

Gute Frage. Gibt es überhaupt noch einen Ort in unserem Leben, wo wir wirklich zur Ruhe kommen? Können Kirchengebäude so ein Ort sein? Oder einfach Zuhause? Oder in Gottes Schöpfung? In der Einöde? Bei Verwandten oder Freunden?

 

Mit wem?

Kommen wir zur Ruhe in der Einsamkeit oder eher in der Nähe von Menschen, bei denen wir wir selbst sein können? Einfach so da sein dürfen, wie wir sind? Einem anderen Menschen in die Augen schauen und die Welt um uns herum vergessen. Beziehungen wachsen lassen.

 

Wie?

Vielleicht still sitzen in Meditation. Beten. Vielleicht auch in Bewegung: Unseren ganzen Körper wieder spüren lernen – nicht nur unseren Hintern, auf dem wir zu viel sitzen. Spazieren gehen, wandern, schlendern, tanzen, Ball spielen, uns frei laufen, …

Wie können wir uns an einem Tag abschneiden von all den Schnüren, die an uns zerren?

(Mit oder ohne Smartphone?)

Die Spinne hat uns schon längst gefangen in ihrem Netz, und die Schlinge zieht sich weiter zu …

 

… Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst. Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf.
(Tanach / Altes Testament, Psalm 127, 1-2)

 

[Dies ist die Überarbeitung eines älteren Artikels, welchen ihr mit Kommentaren hier findet.]

Lasst endlich die Kinder zu IHM kommen!

 

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Spielende Kinder, römisches Relief (2. Jh. nach Chr), Louvre, via Wikimedia Commons – CC BY 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0)

 

 

„Da sagte Jesus:
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‚Lasst doch die Kinder! Hindert sie nicht, zu mir zu kommen; denn für Menschen wie sie steht Gottes neue Welt offen.‘
.
Dann legte er den Kindern segnend die Hände auf …“
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(Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium 19.Kapitel, Verse 14-15)

 

Ein beliebter Bibelvers. Viel wurde schon gesagt und geschrieben.

Es wird theologisch dogmatisiert und diskutiert über Kindertaufe, Kinder-Evangelisation, Religionsunterricht für Kinder, … – Das Thema geht uns aber noch viel tiefer und ganz persönlich an. Das Himmelreich beginnt bei mir: in meinem Herzen, meinem Alltag, meiner Familie, …

Eltern kennen das: Wir können uns den Mund fusselig reden … – doch Kinder machen oft nicht das, was wir sagen. Aber das Leben, das wir ihnen vorleben, bleibt in ihnen für den Rest ihres Lebens.

Eine rauchende Mutter mag ihrem Kind den guten Rat geben: „Fang bloß nicht an zu rauchen …“ – Aber Kinder scheinen sich mehr an dem zu orientieren, was wir vorleben, als an dem, was wir sagen.

Manche von uns haben viel Bibelwissen und können mitreden. Manche haben schon eine lange Geschichte als Christen und tragen mit sich viel liebgewordene christliche Tradition. Wir bringen das auch unseren Kindern bei: Glaubensbekenntnis, Katechismus, Christenlehre, Familienandachten, … – Christentum im Kopf und ein leeres Herz. In den Kirchen und Gemeinden sind wir engagiert und nett und zuhause geht die Familie den Bach runter …

 

Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr Heuchler! Ihr versperrt anderen den Zugang zu Gottes himmlischem Reich. Denn ihr selbst geht nicht hinein, und die hineinwollen, hindert ihr auch noch daran.

(Matthäus-Evangelium 23,13)

 

Wir sind alle bedürftig. Es gibt so viel Mangel und Not …

Kinder sind klein und schwach und abhängig.

Wenn Jesus unser Leben ist, wenn ER uns lebt, dann können auch unsere Kinder zu ihm kommen. Sie werden mit hinein genommen in das göttliche Leben, das aus uns ausfließt.

 

Wer an mich glaubt, wird erfahren, was die Heilige Schrift sagt: Von seinem Inneren wird Leben spendendes Wasser ausgehen wie ein starker Strom.

(Johannes-Evangelium 7,38)

 

Heiligung. Gott macht unsere Seele gesund und „heilt all unsere Gebrechen“. Er ist der gute Hirte, der uns mit allem versorgt. Bei ihm ist kein Mangel. Wenn wir unser Altes loslassen, macht er alles neu.

Er fügt uns ein in die Gemeinschaft der Heiligen. Eine Generation aus Königen und Priestern. Wie  ein  Organismus wirken alle zusammen. Was einer nicht kann, kann der andere. Gott schenkt Befähigung, so wie es der Organismus braucht; und alle wachsen gemeinsam und zusammen der Ganzheit entgegen. Gott ist Liebe.

Christus in uns – die Hoffnung der Herrlichkeit. Immer wieder suchen wir seinen Frieden, und er wird uns geschenkt, in einer Weise, die wir nicht verstehen. Gottes Wirken erfasst uns und führt uns mit sich im Strom des Lebens.

Er macht unser Leben hell und führt uns auf einem guten Weg. Er gießt seine Liebe in unsere Herzen …

Wir sind das Licht der Welt. Unsere Kinder finden Sicherheit und Orientierung in dem Licht, das von uns ausgeht. Unsere Liebe wärmt ihre Seelen.

 

 Ich versichere euch: Wer sich Gottes Reich nicht wie ein Kind schenken lässt, der wird ganz sicher nicht hineinkommen.

(Lukas-Evangelium 18,17)

 

Lasst doch endlich die Kinder zu ihm kommen …

 

Was ist mit den Teenagern los?

 

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Teenager in Moskau, von Alagich Katya [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)%5D, via Wikimedia Commons

 

Sorgt sich unsere Gesellschaft um ihre Jugend? Besteht Anlass zur Sorge? Wer oder was beeinflusst und prägt die Jugendlichen, und welche Interessengruppen versuchen, sie an sich zu binden?

 

Wer die Jugend hat, hat die Zukunft.

Napoléon Bonaparte

 

Wenn wir zurückblicken in unsere deutsche Geschichte, finden wir schnell Beispiele für die gezielte Beeinflussung der Jugend (Nationalsozialismus, DDR, …). Es muss auch nicht die gesamte Jugend sein, die erreicht und überzeugt wird. Eine ausreichende Zahl, eine kritische Masse, ist genug. Ein nachhaltiges System der Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen dient der Stabilisierung einer Bewegung, einer Organisation oder eines Systems.

Darüber hinaus hat die Erziehung von Kindern und Jugendlichen natürlich auch einfach die Aufgabe, das Fortbestehen und Wohlergehen der eigenen Familie oder Gruppe zu sichern. Früher war diese Erziehungsaufgabe noch gleichförmiger. Durch den beschleunigten historischen Wandel in den vergangenen beiden Jahrhunderten (gesteigerte Produktivität, Industrialisierung, moderne Wissenschaft, technische Neuerungen, …) ist es heute allerdings gar nicht mehr so leicht zu sagen, was eine gute Erziehung ist. Auf was für eine Zukunft sollen wir die Kinder und Jugendlichen denn vorbereiten? Und vor welchen Gefahren müssen wir sie ständig beschützen?

Wenn es nicht gelingt, Jugendliche dafür zu gewinnen, sich auf positive Weise in die Gesellschaft miteinzubringen und für ein nachhaltiges Gemeinwohl der Menschheit zu sorgen, so wird es genug Interessengruppen geben, die mehr als bereit sind, Geld, Kraft und Zeit von Jugendlichen für ihre eigenen Zwecke zu gebrauchen. Jugendliche sind eine wichtige Konsumentengruppe und potentielle Mitarbeiter und Unterstützer für alles Mögliche.

Welche Rolle spielt der christliche Glaube in diesem Zusammenhang? Gibt es ein spezielles Interesse des Christentums an der Jugend? Vielleicht sogar eine Art christliche Theologie für junge Leute?

Religion im Allgemeinen und der christliche Glaube im Besonderen haben kulturgeschichtlich eine gewaltige Bedeutung für die Erziehung, auch wenn diese nicht immer positiv war und ist. Glaube kann helfen, Leben zu deuten und sich in ihm zurechtzufinden. Wir glauben ja sowieso alle etwas, auch wenn unser Glaube nicht immer eine religiöse Gestalt hat. Religion hat den Vorteil, dass die Tradition einer religiösen Gemeinschaft die individuelle Prägung durch die Eltern relativieren und so vor den immer vorhandenen Macken und Einseitigkeiten schützen kann. Sie erweitert das Familienleben, gibt einen weiten Horizont.

Im Gegensatz zum Judentum, wo Religion doch sehr eine ethnische Angelegenheit ist, ist das Christentum nicht die Religion eines bestimmten Volkes. Man wird auch nicht Christ durch die Geburt, sondern dadurch, dass man irgendwann, wenn man von der Wahrheit des christlichen Glaubens überzeugt worden ist, die Entscheidung trifft, mit Jesus zu leben. Wie sollte oder kann eine Erziehung aussehen, die Jugendliche zu diesem Glauben führt?

Ein klassischer Bibelvers zur Jugend dürfte wohl dieser sein:

 

Niemand verachte dich wegen deiner Jugend; du aber sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Glauben, in der Reinheit.

(Neues Testament, 1. Brief des Paulus an Timotheus, 4. Kapitel, Vers 12)

 

Auch Kinder und Jugendliche tragen Verantwortung, und mit wachsenden Fähigkeiten und größer werdender Freiheit wächst diese mit. Ich denke, es ist gut, sie schon früh an das bewusste Übernehmen von Verantwortung heranzuführen. Dies eröffnet die Möglichkeit, Potential zu entfalten und Persönlichkeit und Charakter zu formen. Manche Kinder werden künstlich klein gehalten, indem die Eltern und andere Menschen im Leben der Kinder viele Aufgaben übernehmen.

Übernehmen von Verantwortung setzt die Fähigkeit eigenverantwortlichen Denkens und Handelns voraus. Diese Fähigkeit zu fördern, ist eine der wichtigsten erzieherischen Aufgaben. Bei einer christlichen Erziehung betrifft dies dann auch den Glauben:

Erziehung zu einem mündigen Glauben.

Jugendliche sind Teil einer Kultur, die das gesamte zukünftige gesellschaftliche Leben beeinflussen wird. Deswegen ist es sehr wichtig, dass die Jugend auch eine Stimme hat, die gehört wird – auch in den Kirchen und Gemeinden. Wir brauchen engagierte Jugendliche, die sprachfähig und kreativ sind, um ihrer Stimme Gehör zu verschaffen, und wir brauchen eine Kultur, die solche Jugendliche hervorbringt.

Teenager. Kein Kind mehr, aber auch noch nicht ganz erwachsen. Ein Vorrecht und eine wichtige Aufgabe der Jugend ist zu hinterfragen. Das Leben muss dahingehend abgeklopft werden herauszufinden, was zukunftstauglich ist. Ein Glaube und Traditionen, die Jugendliche nicht mehr erreichen, werden wohl bald in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

Was ist mit den Teenagern los?

Diese Frage können wohl am besten die Teenager selbst beantworten. Und wir täten gut daran, hinzuhören …

 

Allergisch auf Frommes

 

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Allergietest auf der Haut, by Wolfgang Ihloff (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY-SA 4.0-3.0-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0-3.0-2.5-2.0-1.0)%5D, via Wikimedia Commons

 

Es ist mal wieder so weit. Die meiste Zeit des Jahres kann ich mit meiner Pollenallergie ganz gut leben; aber im Moment ist sie wirklich lästig. – Haaatschi!!! – Probleme lassen sich halt nur bis zu einem gewissen Grad ausblenden. Schon blöd, dass mein Körper sich von etwas bedroht fühlt, was eigentlich gar nicht gefährlich ist.

Manche Menschen reagieren allergisch auf Christliches oder Religiöses. Ein Gefühl der Abneigung und des Unbehagens, das sie vielleicht nicht einmal selbst ganz verstehen. Es gibt sogar welche, die sich aufregen und aggressiv werden …

Ich bin in einer frommen Familie und einer kleinen christlichen Freikirche aufgewachsen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich als Heranwachsender manchmal dachte: „Ich mag das ganze Fromme eigentlich nicht so wirklich …“ – Worauf sich dann natürlich ein entsprechendes schlechtes Gewissen einstellte. Frommes muss man doch mögen, oder?

Gefühle hat man einfach. Auch wenn sie stören, kann man sie nicht sofort abschalten. Sinnvoller als abschalten wäre sowieso sich zu fragen, wo die Gefühle herkommen und welche Bedeutung sie haben.

Wenn Menschen allergisch auf „Frommes“ reagieren, müssen sie irgendwann & irgendwie einmal Frommes als etwas Negatives kennengelernt haben. Dies kann einfach ein Vorurteil oder eine Geschmacksfrage sein. Es ist allerdings leider auch gut möglich, dass sich etwas Schlechtes als fromm präsentiert hat, obwohl es echter Frömmigkeit gar nicht entsprach. Wer echten, gesunden christlichen Glauben nicht kennt, hat kaum eine Chance eine „Fälschung“ zu erkennen.

Schon der Begriff „fromm“ selbst ist problematisch. Auch manche Christen empfinden ihn als negativ, weil man leicht eine oberflächliche Form von Religiosität damit verbindet. Ich selbst mag das alte Wort „fromm“, weil ich dabei an Charakter und Lebensstil denke. Eine mögliche Alternative „gläubig“, oder vielleicht sogar „christlich gläubig“, wird leider zu oft sehr theoretisch verstanden. Beim christlichen Glauben geht es aber unbedingt darum, wie man (auch im Alltag) lebt und was für ein Mensch man wirklich ist.

Ich habe lange gebraucht, unterscheiden zu lernen, zwischen dem, was als „christlich“ präsentiert wird, und dem, was wirklich der Überlieferung des Mannes aus Nazareth entspricht; und ich bin damit auch noch lange nicht fertig.

Unser „christliches“ Abendland wurde so nachhaltig durch „christliches“ Gedankengut und kirchliche Praxis geprägt, dass man genau hinschauen muss, um erkennen zu können, wieviel davon wirklich auf den jüdischen Messias Jesus zurückgeht und was nur als „christlich“ etikettiert wurde. Was wir brauchen, ist nichts Geringeres als eine neue Reformation. Aber diesmal richtig.

 

Ich hasse und verachte eure religiösen Feste und kann eure feierlichen Zusammenkünfte nicht riechen. Ich will eure Brand- und Speiseopfer nicht haben; die Friedensopfer eurer Mastkälber will ich nicht sehen! Hört auf mit dem Lärm eures Lobpreises! Eure Anbetungsmusik werde ich mir nicht anhören. Stattdessen will ich Recht fließen sehen wie Wasser und Gerechtigkeit wie einen Fluss, der niemals austrocknet.

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(Die Bibel, Tanach / Altes Testament, das Buch des Propheten Amos, 5. Kapitel, Verse 21-24)

 

Religionskritik an der eigenen Religion ist ein Wesensmerkmal der jüdisch-christlichen Überlieferung. Und es ist oft gerade diese selbstkritische Distanz zur eigenen Überzeugung und Praxis, die bei denen fehlt, die den christlichen Glauben für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren.

Es gibt zu viel Falsches und Missverständliches, was mit dem Brustton der eigenen Überzeugung als die absolute „christliche Wahrheit“ präsentiert wird. Zu viel „christlichen“ Murx, der in einer Aura von Heiligkeit und mit dem Anspruch auf Vollkommenheit einherschreitet. Der eigene Glaube wird mit „doch so einleuchtenden und logischen“ Argumenten verteidigt, welche nur die überzeugen können, die sich sowieso überzeugen lassen wollen, und welche statt brillianter Intelligenz eher ein zu niedriges intellektuelles Niveau offenbaren.

So manche „christliche“ Institution ist eine geistliche und geistige Ruine. Kritische Fragen sind nicht erwünscht. Alle sind schon gleichgeschaltet und auf Linie gebracht. Statt Echtheit und Natürlichkeit trifft man auf Heuchelei und Verstellung. Es ist eng, muffig und stickig, bedrückend und beklemmend. Kein Ort, wo kranke Seelen aufatmen können.

Das alte Deutsch einer Lutherübersetzung oder von schönen alten Kirchenliedern ist nicht christlich, sondern einfach alt. Viele Kirchen mögen Christen über lange Zeit ein wertvoller Versammlungsort gewesen sein – aber verstaubt sind sie trotzdem. Talare, Weihrauch, Altäre, Kirchenglocken, etc. stammen aus einer vergangenen Zeit. Ob sie in der Zukunft geeignet sein werden, etwas von Jesus deutlich werden zu lassen, ist die Frage. (Man kann sich auch fragen, ob sie das überhaupt jemals wirklich getan haben.)

Blödheit wird nicht dadurch besser, dass man es für Gott oder Jesus tut. Auch wirkt so manches Gut-gemeinte verkrampft und angestrengt, ängstlich und besorgt, und aus manchem Frommen leuchtet nur ein schwacher Schein des Wesen Jesu hervor. Und Gott weiß, wie oft das bei mir selbst der Fall war und ist. – Herr, erbarme dich!

 

„Bessere Lieder müßten sie mir singen, daß ich an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müßten mir seine Jünger aussehen!“

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(aus Nietzsches „Also sprach Zarathustra“)

 

Das Leben wäre oft einfacher, wenn wir in einer Schwarz-Weiß-Welt leben würden: Gut oder schlecht? Richtig oder falsch? Ja oder Nein? – Aber unsere Welt ist bunt mit unendlich vielen Schattierungen. Oft müssen wir sagen: Sowohl, als auch. Nicht ganz falsch, und nicht ganz richtig. Etwas hat Vor- und Nachteile.

Auch das real-existierende Christentum ist seinem Selbstverständnis nach eigentlich mangelhaft und relativ. Nur Gott ist absolut und allmächtig. Wir hingegen sind begrenzt, und unser Tun und Verstehen bleibt immer bruchstückhaft und unvollkommen. Nichts Konkretes in dieser Welt ist so heilig, dass es nicht auch Schattenseiten hätte. Gerade unser Mangel begründet unser Bedürfnis nach Gott, den wir selbstverständlich auch weiterhin brauchen, nachdem wir Christ geworden sind.

Von Christus heißt es, dass er sich erniedrigte und Mensch wurde, und dass er sich nicht geschämt hat, uns Schwester und Brüder zu nennen (Bibel, Neues Testament, Paulus‘ Brief an die Philipper 2,5-8; Hebräerbrief 2,11). Sollten nicht gerade Christen, die als begnadigte Sünder leben, kein Problem damit haben, Mängel und Fehler zuzugeben und anderen Sündern einladend zu begegnen? Anstelle als Glaubenshelden und Superheilige umherzuwandeln, dürfen wir andere unsere Schwächen und Fehler sehen lassen. Schwachheit ist eine Strategie des Wirken Gottes in dieser Welt. Jesus bejahte menschliche Schwachheit, um für uns zu leben und zu sterben.

Ist Bescheidenheit nicht auch eine christliche Tugend? Wäre es nicht dem Weg Jesu angemessener, die Kompliziertheit vieler Entscheidungen anzuerkennen und auf die eigene Begrenztheit hinzuweisen, als mit irgendwelchen Auslegungstricks Antworten auch auf die schwierigsten Fragen herbeizuzaubern? An der Seite von Menschen mit zu leiden und ungelöste Probleme auszuhalten, anstatt durch „theologische“ Schnellschüsse die Intaktheit des eigenen, mangelhaften Weltbildes zu beschützen?

Wenn Menschen auf „Frommes“ allergisch reagieren, so ist dies leider allzu oft eine richtige und gesunde Reaktion, weil das, was sich fromm gibt, nicht wirklich der Frömmigkeit von Jesus entspricht.

 

Liebe ist geduldig, Liebe ist freundlich. Sie kennt keinen Neid, sie spielt sich nicht auf, sie ist nicht eingebildet. Sie verhält sich nicht taktlos, sie sucht nicht den eigenen Vorteil, sie verliert nicht die Beherrschung, sie trägt keinem etwas nach. Sie freut sich nicht, wenn Unrecht geschieht, aber wo die Wahrheit siegt, freut sie sich mit. Alles erträgt sie, in jeder Lage glaubt sie, immer hofft sie, allem hält sie stand. Die Liebe vergeht niemals …

… was wir erkennen, ist immer nur ein Teil des Ganzen …

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(Die Bibel, Neues Testament, der erste Brief des Apostel Paulus
an die Gemeinde in Korinth, 13,4-9)

 

… Richtet eure Gedanken ganz auf die Dinge, die wahr und achtenswert, gerecht, rein und unanstößig sind und allgemeine Zustimmung verdienen; beschäftigt euch mit dem, was vorbildlich ist und zu Recht gelobt wird.

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(Paulus‘ Brief an die Philipper, 4,8)

 

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