Christentum heute ist ohne die biblischen Texte kaum vorstellbar. Es gab allerdings schon Christentum bevor die Bibel entstand. Auch ist die Bibel nicht vom Himmel gefallen. Wie wir mit ihr umgehen, ist entscheidend für uns selbst und für andere. – VORSICHT : Das Anliegen des Blogs ist mir sehr ernst; einzelne Sätze sind allerdings nicht immer wörtlich zu nehmen. ;-) – Bin übrigens als Christian Schmill auf Facebook, @C_Schmill bei Twitter.
„Au Salon de la rue des Moulins“ von Henri de Toulouse-Lautrec (1894) via Wikimedia Commons – public domain
„… Was für ein Schlemmer und Säufer, dieser Freund der Zolleinnehmer und Sünder! …“
. (Kritik von Zeitgenossen von Jesus; Bibel, Neues Testament; Matthäus-Evangelium 11. Kapitel, Vers 19)
Was würden wohl deine Familie und deine Freunde dazu sagen?
Jesus hatte keinen guten Ruf zu verlieren. Zumindest nicht in den frommen Kreisen seiner Zeit.
Ein Freund von Nutten und korrupten Kollaborateuren mit der verhassten römischen Besatzungsmacht. – Der Ausdruck „politisch inkorrekt“ wäre eine grobe Verharmlosung. – Jesus hatte nicht nur populäre Menschen unter seinen Freunden. Er hatte ein Herz für die Loser seiner Zeit. Und er suchte das Gespräch mit denen, um die andere einen Bogen machten.
Jesus war eine äußerst umstrittene Persönlichkeit des öffentlichen Lebens seiner Zeit. Ein Konflikt, der ihn am Ende das Leben kostete.
„Dann verließ Jesus die Stadt und ging wie gewohnt zum Ölberg hinaus. Seine Jünger begleiteten ihn …
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Er entfernte sich ein kleines Stück von ihnen, kniete nieder und betete:
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‚Vater, wenn es dein Wille ist, dann lass diesen bitteren Kelch des Leidens an mir vorübergehen. Aber nicht was ich will, sondern was du willst, soll geschehen.‘
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Da erschien ein Engel vom Himmel und gab ihm neue Kraft. Jesus litt Todesängste und betete so eindringlich, dass sein Schweiß wie Blut auf die Erde tropfte.
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Als er nach dem Gebet aufstand und zu seinen Jüngern zurückkehrte, sah er, dass sie eingeschlafen waren, erschöpft von ihren Sorgen und ihrer Trauer.“
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(Lukas-Evangelium; Neues Testament; 22,39-45)
Das älteste Gewerbe der Welt
Prostitution. Leider ein zeitloses Thema. Und nicht nur die Sex-Worker selbst haben Probleme, sondern seit je her bringt dieser Beruf auch Probleme für den Rest der Welt mit sich. – Es gibt professionelle Organisationen, die versuchen zu helfen, in diesem komplizierten Milieu. Und es gibt Kirchen, die offene Türen haben.
Die Art und Weise, wie Jesus Nutten begegnete, ist bestimmt ein Aspekt seines Lebens, der Menschen die letzten 2000 Jahre besonders berührt hat. Prostitution geht an die Substanz des menschlichen und gesellschaftlichen Miteinanders. Die nüchterne Bezeichnung „Prostitution“ macht die ganze Angelegenheit nicht harmloser.
Die krasseste Jesus-Erzählung dazu wäre wohl diese:
Einmal wurde Jesus von einem Pharisäer zum Essen eingeladen. Er ging in das Haus dieses Mannes und setzte sich an den Tisch. Da kam eine Prostituierte herein, die in dieser Stadt lebte. Sie hatte erfahren, dass Jesus bei dem Pharisäer eingeladen war. In ihrer Hand trug sie ein Fläschchen mit wertvollem Salböl. Die Frau ging zu Jesus, kniete bei ihm nieder und weinte so sehr, dass seine Füße von ihren Tränen nass wurden. Mit ihrem Haar trocknete sie die Füße, küsste sie und goss das Öl darüber.
Der Pharisäer hatte das alles beobachtet und dachte: „Wenn dieser Mann wirklich ein Prophet wäre, müsste er doch wissen, was für eine Frau ihn da berührt. Sie ist doch eine stadtbekannte Hure!“
„Simon, ich will dir etwas erzählen“, unterbrach ihn Jesus in seinen Gedanken.
„Ja, ich höre zu, Lehrer‘, antwortete Simon.
„Ein reicher Mann hatte zwei Leuten Geld geliehen. Der eine Mann schuldete ihm fünfhundert Silberstücke, der andere fünfzig. Weil sie das Geld aber nicht zurückzahlen konnten, schenkte er es beiden. Welcher der beiden Männer wird ihm nun am meisten dankbar sein?“
Simon antwortete: „Bestimmt der, dem er die größte Schuld erlassen hat.“
„Du hast Recht!“, bestätigte ihm Jesus. Dann blickte er die Frau an und sagte:
„Sieh diese Frau, Simon! Ich kam in dein Haus, und du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben, was doch sonst selbstverständlich ist. Aber sie hat meine Füße mit ihren Tränen gewaschen und mit ihrem Haar getrocknet. Du hast mich nicht mit einem Kuss begrüßt. Aber seit ich hier bin, hat diese Frau immer wieder meine Füße geküsst. Du hast meine Stirn nicht mit Öl gesalbt, während sie dieses kostbare Öl sogar über meine Füße gegossen hat. Ich sage dir: Ihre große Schuld ist ihr vergeben; und darum hat sie mir so viel Liebe gezeigt. Wem aber wenig vergeben wird, der liebt auch wenig.“
Zu der Frau sagte Jesus: „Deine Sünden sind dir vergeben.“
Da tuschelten die anderen Gäste untereinander: „Was ist das nur für ein Mensch! Kann der denn Sünden vergeben?“
Vor fast 2000 Jahren nahm mit dem Mann aus Nazareth eine Bewegung ihren Anfang, die bis heute nicht zum Erliegen gekommen ist. – Erstaunlich …
Blüten
Farbenprächtige Blüten. – Das Make-up von Frauen kann da kaum mithalten. – Schönheit ist anziehend.
Schönheit wirkt in ihrer Unmittelbarkeit. Der schweifende Blick verweilt dort, und schenkt ihr Aufmerksamkeit. Eine Verbindung entsteht zwischen der sinnlichen Wahrnehmung und dem eigenen Bewusstsein für Schönheit.
… Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen!
Herzens-Schönheit kommt aus der Tiefe eines Lebens. – Es gibt wohl kaum etwas Attraktiveres als wahre Liebe …
Wie müsste wohl eine schöne Frömmigkeit und eine attraktive Spiritualität aussehen?
Welche Bedeutung hat Ästhetik in der Theologie?
„Ihr seid das Licht der Welt …“
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(Jesus in der Bergpredigt, Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium, 5. Kapitel, Vers 14)
Blüten haben farbenfrohe Leuchtkraft. Sie sind ein Anziehungspunkt für die Sinne und erregen Aufmerksamkeit, machen neugierig. Sie stimulieren unsere Wahrnehmung.
Kenner können eine Pflanze an den Blüten identifizieren. Die Gestalt der Blüte ist Teil der Identität einer Pflanze. Durch die Blüten sind Pflanzen leichter für uns erkennbar. Blüten geben uns Information und Orientierung. Sie locken Insekten an und werben um Aufmerksamkeit.
Auch Jesus erregte Aufmerksamkeit, und sein Leben hatte ein deutliches Profil. Schon bald hatte er den Ruf eines Freundes der „Zöllner und Sünder“. – Schönheit, von einer anderen Art.
Wie entsteht eine gesellschaftliche Bewegung? Wie führt man Menschen und auseinander-strebende Kräfte zusammen? Wie bündelt man Energie und Ressourcen?
Ein Licht in der Dunkelheit bringt Menschen zusammen. Eine Kerze im Fenster in dunkler Nacht zeigt dem Verlorenen den Weg nach Haus.
Manche Gottesdienste sind kaum mehr als christliche Selbstdarstellung, und manche Gemeinden lediglich Vereine frommer Typen, die nicht gestört werden möchten.
Wie müsste eine anziehend schöne Gemeinschaft von Menschen aussehen?
Es gibt eine Schönheit des Lebens, in all seiner Wildheit und Unberechenbarkeit. Helfende Hände für Menschen in Not. Offene Türen für Einsame. Gastfreundschaft für Fremde. Freundlichkeit für Verbitterte. Herzenswärme für frierende Seelen … – Lichter der Hoffnung und Blüten der Hoch-zeit des Lebens.
Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, schön wie eine Braut, die sich für ihren Bräutigam geschmückt hat.
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(Neues Testament, Offenbarung, 21,2)
Watte
Watte ist sanft und schützt Zerbrechliches. Lebendiges ist zerbrechlich.
Babys werden weich eingepackt. Weiches, das nachgeben kann, schützt vor Verletzungen. Weiches kann sich auch an harte Stellen und Kanten anpassen.
Nicht alle Lebewesen sind allerdings in gleichem Maße zerbrechlich, und manche haben einen konflikt-freudigeren Lebensstil. Immer wieder prallen wir Menschen aufeinander, und das kann weh tun.
Vertraut euch meiner Leitung an und lernt von mir. Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. Dann werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn dieser Weg ist einfach, und die Last leicht.
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(Matthäus-Evangelium 11,29-30)
Von Gruppen, die hart und glatt sind, prallen manche Menschen ab. Eine jesuanische Gemeinschaft, die sich an der Überlieferung von Jesus orientiert, müsste einladend weich und flexibel sein, und einen Ruf haben, der Zaghaften Mut macht, sich zu nähern und anzuschließen. Ein klares jesuanisches Profil, das erkannt wird und leuchtet. Weit ausgestreckte Arme, die auch noch den letzten Verlorenen erreichen.
Wo Menschen sich nahe kommen, lassen sich Spannungen und Konflikte nicht vermeiden. Sie sind auch notwendig, um an ihnen zu wachsen. Es gibt allerdings gewaltige Unterschiede, wie mit ihnen umgegangen wird. Und wer sich angenommen weiß, läuft auch bei Schwierigkeiten nicht gleich davon.
Nicht jeder empfindliche Mensch ist auch sanft. Sanfte Menschen gehen sanft mit anderen Menschen um. Auch Sanftmut kommt aus der Tiefe eines Lebens. Sie entsteht in einem Leben mit Gott.
Die Frucht, die der Geist Gottes hervorbringt, besteht in Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung …
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(Paulus im Brief an die Christen in Galatien, 5,22-23)
Kletten
Viele biblischen Texte können für uns ein Vorbild sein. Ihre Motive haben sich in der Kulturgeschichte der Menschheit festgesetzt wie Kletten. Gedanken mit Widerhaken. Worte, die sich festsetzen und bleiben. Reizvoll und herausfordernd.
Nachhaltige Kommunikation. Dauerhafte Veränderung. Bilder, die begleiten und verfolgen. Eindrücke und Erfahrungen mit Kraft. Lebensenergie. – Gelockt und gereizt, eingewickelt und verwoben. Gezogen mit Stricken der Liebe.
Denkt an den Regen und den Schnee! Sie fallen vom Himmel und bleiben nicht ohne Wirkung: Sie tränken die Erde und machen sie fruchtbar; alles sprießt und wächst. So bekommt der Bauer wieder Samen für die nächste Aussaat, und er hat genügend Brot zu essen.
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Genauso ist mein Wort: Es bleibt nicht ohne Wirkung, sondern erreicht, was ich will, und führt das aus, was ich ihm aufgetragen habe.
Vielleicht regt dieses Beispiel auch ein bisschen dazu an:
Denn Gottes Reich gründet sich nicht auf Worte, sondern auf seine Kraft.
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(Paulus im Ersten Brief an die Christen in Korinth, 4,20, Neues Testament)
Was am Ende bleibt, ist das Ergebnis. Die Wirkung unseres Denkens und unserer Worte und Taten. Die Frucht eines kurzen oder langen Lebens, und der Ertrag von viel oder wenig Investitionen.
Etwas das gut ist, muss auch gut sein für die, die nach uns kommen.
Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte; das ist das kleinste unter allen Samenkörnern; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter und wird ein Baum, dass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen.
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(Matthäus-Evangelium 13,31-32)
Kleber
Jemand, schon vor längerer Zeit, hatte die Idee den damals beliebten Aufkleber „Jesus lebt“ in „Jesus klebt“ umzuwandeln. – Wie passend für einen Aufkleber. – Es hat auch einen tieferen Sinn:
Jesus verbindet Menschen.
Schon in einem älteren Kirchenlied hieß es ja:
„… an dir wir kleben
in Tod und Leben.
Nichts soll uns scheiden …“
Menschen verbinden Menschen mit einander. Manche Menschen haben dafür eine besondere Begabung und werden immer wieder zur Keimzelle für neue Gruppen und Netzwerke. Ob dies dann allerdings auch von Dauer ist, hängt von dem ab, was die Menschen darüber hinaus miteinander verbindet.
Eigentlich ist im Universum irgendwie sowieso alles mit allem verbunden. Und noch darüber hinaus verbindet uns als Menschen viel mehr, als uns trennt. Unser Menschsein verbindet uns und gibt uns eine Identität, die wir nicht abschütteln könnten, selbst wenn wir es wollten. Unser Menschsein klebt an uns, und wir kleben an der Menschheit und ihrer Geschichte.
Das Geheimnis des Lebens verbindet alles Lebende. Unsere Menschlichkeit verbindet uns als Menschheitsfamilie. Eine religiöse Überlieferung verbindet Gläubige. Eine gemeinsame Sprache verbindet eine Sprachgemeinschaft. Gemeinsame Werte und kulturelle Tradition verbindet ein Volk. Eine Gegend verbindet Nachbarn. Menschen, die sich treffen, verbindet Zeit und Ort.
Alles ist uns geschenkt worden. Nichts haben wir als Einzelne in diese Welt hineingebracht, das nicht schon da gewesen wäre, und auch unsere Einzigartigkeit als Individuum haben wir nicht selbst hervorgebracht.
Ein Bewusstsein dessen, das uns anvertraut worden ist, könnte uns alle mit einander verbinden; das, was uns wertvoll ist. – Fürsorge für alles, das lebt.
„… Es kommt die Zeit, da werde ich meinen Geist ausgießen über alle Menschen. Männer und Frauen werden die Worte Gottes sprechen. Alte Menschen werden noch Träume haben, und junge Menschen Visionen. Sogar über unfreie Menschen werde ich meinen Geist ausgießen.“
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(Bibel / Tanach / Altes Testament, Joel 3,1-2)
Geist erzeugt eine geistige Bewegung. Der heilige Geist des Lebens und der Liebe lässt eine Gemeinschaft der Liebenden entstehen. Er berührt Menschen, erfasst, erneuert und verbindet sie.
… Gott ist Liebe; und die in der Liebe bleiben, bleiben in Gott, und Gott in ihnen.
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(Neues Testament, Erster Brief von Johannes 4,16)
Wie entsteht aus einzelnen Menschen Gemeinschaft und eine gesellschaftliche Bewegung?
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Wenn Menschen in Kontakt kommen ereignet sich etwas: Man verändert sich gegenseitig und Verbindungen entstehen. Wenn Menschen sich treffen, ist es, wie wenn Galaxien sich annähern und beeinflussen, und Neues entsteht. Es entsteht auch eine Kultur der Wahrnehmung und des Umgangs mit einander. Menschliche Gemeinschaft ist wie vielschichtiges, komplexes Gewebe, gesponnen aus vielen Fäden.
Blüten, Watte, Kletten und Kleber. Scheinbar zufällig auf einander treffende Wörter; wie die Menschen in einer Stadt, wenn sie sich begegnen, oder in einen neuen Kiez mit fremden Menschen ziehen.
Die Community der Menschen, die dem Vorbild von Jesus folgen, ist deutlich zu erkennen und anziehend wie eine leuchtende Blüte.
Sie ist weich wie Watte, so dass auch die empfindlichsten Seelen sich nicht verletzen. Einladend und liebevoll, so dass Menschen dort leicht ankommen und sich zuhause fühlen können.
In einer solchen Gemeinschaft entstehen reizvolle, inspirierende, klettige Eindrücke. Bilder und Worte, die hängenbleiben und im Alltag begleiten. Erfahrungen, die die Seele satt machen, und die bleiben.
Mit einer verantwortungsbewussten, herzlichen Liebe, die Menschen verklebt, wie Pech und Schwefel.
Anziehen, annehmen, anreizen und ankleben; und oft alles gleichzeitig.
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Mit Blüten, Watte, Kletten und Kleber bauen wir eine neue, schöne Welt.
(Vor ein paar Jahren, irgendwo beim Arbeitskreis Ökumene im Randbezirk einer deutschen Großstadt …)
Maria: Mich hat herzlich verlangt, dieses Abendmahl mit euch zu feiern. Ich freu mich immer so …
Stefan: Hat euer Papst euch das nicht eigentlich verboten? Kommst du da mit deinem Gewissen klar?
Dagmar: Komm, lass sie in Ruhe. Falls Maria wegbleibt, sind Christine und ich wieder die einzigen Frauen hier.
Christine: Es wird echt so langsam Zeit für eine Quotenregelung: 50% Frauen in jedem Gremium! Auch in der Kirche.
Gerhard: Ich würde mich wohler fühlen, wenn die hier anwesenden Frauen schweigen würden. Es steht geschrieben „Wie es in allen Gemeinden der Heiligen ist,sollen die Frauen in den Gemeinden schweigen.“
Mischa: Mensch, Gerhard …
Martin: Ist das hier überhaupt eine Gemeinde?
Klaus-Peter zu Christine: Nu lass uns mal erst einmal die Sache mit dem ökumenischen Abendmahl-/Eucharistie-Projekt machen. Wir müssen unsere Kräfte bündeln …
Martin zu Maria: Weißt du, ich freu mich ja, dass du dich freust; aber im Moment wird mir das wirklich etwas zu stressig mit dem ökumenischen Abendmahl jede Woche …
Klaus-Peter: Es muss unbedingt wöchentlich sein, wegen der Öffentlichkeitswirkung und um den kirchenpolitischen Druck aufrecht zu erhalten.
Tobias: Also ich könnte jeden Tag Abendmahl feiern.
Paul zu Stefan: Feiert ihr eigentlich das Abendmahl beim ICF?
Gerhard: „Und jeden Tag waren sie beständig und einmütig im Tempel und brachen das Brot in den Häusern …“
Dietrich: Ich finde, es besteht schon eine gewisse Gefahr, dass das Abendmahl zu etwas Alltäglichem wird, wenn man es jede Woche feiert.
Tobias: Einmal die Woche ist doch nicht all-täglich. Ich könnte sogar mehrmals täglich Abendmahl feiern. Ich denke doch sowieso ständig an Jesus und das Kreuz und so …
Dagmar: Also ich hab Familie. Ich muss auch noch mal an was anderes denken.
Mischa: Das Abendmahl ist etwas sehr Wertvolles. Es ist für mich Nahrung für die Seele.
Thomas: Also für mich ist es eher ein Mich-Erinnern an das Wesentliche …
Martin: Ich könnte mal auf YouTube schauen, ob Siggi Zimmer was dazu sagt.
Dietrich: „Diesist mein Leib“, und „dies ist mein Blut“ …
Gerhard: Worthaus ist nicht dasselbe wie die Heilige Schrift.
Paul: Ich möchte nur einen kleinen Moment daran erinnern, dass wir uns nicht über dogmatische Fragen streiten wollten.
Martin: Genau. Mir geht so viel Theorie auch echt auf den Keks.
(Schweigen)
Martin: Und ich wollte euch noch sagen, dass ich schwul bin. Ich dachte, es ist besser, wenn ihr es von mir selber hört.
Gerhard zur Gruppe über Martin: Entweder ER geht, oder ICH gehe.
Maria: Gerhard!
Christine zu Gerhard: Du bist homophob? Ich dachte, du bist Christ?
Dagmar: Leute, wir haben das hier jetzt schon monatelang gemacht und hatten immer eine gute Zeit.
Mischa: Es geht nicht darum, dass wir eine gute Zeit haben …
Dietrich: Das mit der Homosexualität ist schon ein schwieriges Thema …
Christine zu Dietrich: Martin ist nicht ein „Thema“!
Klaus-Peter: Wir müssen uns auf das ökumenische Abendmahl konzentrieren, sonst verzetteln wir uns!
Gerhard: Es heißt in der Heiligen Schrift „Tut den Bösen von euch selbst hinaus!“
Tobias: Wir brauchen als Christen unbedingt mehr Ambiguitätstoleranz. Ein Minimum an social skills sollte man auch unter Christen erwarten können.
Dagmar: Vor allem brauchen wir eine allgemeinverständliche Sprache, die auch die Frau und der Mann auf der Straße verstehen.
Martin: Genau. Wir sind hier wieder der typische, gutbürgerliche, fromme Klub … – und ich bin das schwarze Quoten-Schaf.
Stefan: Häh?
Thomas zu Martin: Du kamst ja eigentlich auch mal aus gutem Hause, nich?
Tobias zu Stefan: Er meint, er ist so wie aus dem Gleichnis vom verlorenen, schwarzen Schaf.
Klaus-Peter in die Runde: Stimmt schon. So Arbeitermilieu oder Schlimmeres ist hier nicht gerade stark vertreten …
Thomas: Liebe Brüder und Schwestern, wir sind Christen! Wir sollten eigentlich an unserer Liebe erkannt werden.
Stefan: Liebe, Liebe, Liebe, … ich kann’s schon nicht mehr hören. Dadrunter versteht doch jeder, was er will.
(Schweigen)
Gerhard: „es müssen auch Parteiungen unter euch sein, damit die Bewährten unter euch offenbar werden.“
Martin: Wer sind denn die Bewährten?
Tobias zu Klaus-Peter: Vielleicht sollten wir doch besser Einzelkelche nehmen.
Klaus-Peter: Also, wir haben uns am Anfang für einen einzelnen Kelch entschieden. Wir rollen die Sache jetzt nicht noch einmal auf.
(Schweigen)
Paul: Ich möchte euch dazu einladen, gemeinsam eine kleine Meditationsübung zu machen, damit wir uns wieder innerlich zentrieren und zu uns selbst finden.
Thomas: Ich dachte, es geht hier um Jesus.
Mischa: Jesus ist doch im Zentrum unserer Seelen.
Maria: Das mit dem Meditieren ist nicht so mein Ding.
(Schweigen)
Mischa: Irgendwie bin ich nicht mehr so richtig in Stimmung fürs Abendmahl.
Thomas: Es kommt nicht auf dein Gefühl an.
Dagmar: Der Appetit kommt beim Essen.
Maria: Dagmar!
Paul: Wir dürfen vielleicht alle noch einmal versuchen uns daran zu erinnern, was uns eigentlich hier zusammengeführt hatte.
(Schweigen)
Dietrich: Jesus!
(Alle nicken langsam, zustimmend.)
Martin: Durch Jesus bin ich von den Drogen weggekommen. Ohne ihn hätt ich das nicht geschafft.
Thomas: „Christen“ kommt von „Christus“ – „JESUS CHRISTUS.“
Christine: Wie seid ihr eigentlich alle zum Glauben gekommen?
Gerhard: Ich bin christlich aufgewachsen. Ich war mein Leben lang in derselben Gemeinde. Ich kenne gar nichts anderes.
Martin: Oh Gott!
Gerhard: „Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht zu Nichtigem aussprechen, denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen zu Nichtigem ausspricht.“
Martin: Entschuldigung.
Christine flüstert Dagmar ins Ohr: Ich frag mich, ob Gerhard überhaupt ein richtiger Christ ist.
Christine zu Gerhard: Hast du nie mal gezweifelt oder ’ne Krise gehabt? So’n Bekehrungserlebnis?
Gerhard: Nein, für mich war immer alles klar, mit Jesus und so. Und mit 14 hab ich mich dann taufen lassen, so mit all den anderen Jugendlichen.
Mischa: Wow!
Tobias: Na, ich weiß nicht, ob das so gut ist …
Dagmar flüstert zurück in Christines Ohr: Das ist nicht deine Aufgabe, das zu beurteilen.
Dietrich: Jesus ist mein Leben. Ich wüsste gar nicht, wie ich anders leben könnte.
Thomas: Ich hab mich lange rumgequält mit dem Sinn des Lebens und so. Meine Eltern sind Atheisten. Durch einen Kollegen hab ich dann die Bibel kennengelernt, und das mit Jesus hat mich echt angesprochen und überzeugt.
Martin: Manchmal ist mir das echt alles zu viel, mit all den Bibelversen und den Streitereien und so. Aber dann denke ich an Jesus und merke: Der lässt mich irgendwie nicht los …
(Schweigen)
(Mischa nimmt das Brot, bricht es und gibt es in die Runde.)
Dietrich: „Nehmet hin und esset: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Solches tut zu meinem Gedächtnis.“
(Maria nimmt den Kelch, nimmt einen Schluck und reicht ihn weiter.)
Dagmar: „Dieser Kelch ist der neue Bund zwischen Gott und euch, der durch mein Blut besiegelt wird. Sooft ihr aus diesem Kelch trinkt, denkt an mich und an das, was ich für euch getan habe!“
(Schweigen.)
(Christine fängt an zu singen, und die anderen stimmen ein:)
„Seid still und erkennt, dass ich Gott bin …“
(Thomas hat noch ein paar Kekse mitgebracht und Klaus-Peter ein paar Chips. Maria holt eine Flasche Mineralwasser heraus, und Stefan, Tobias und Dagmar teilen sich den Rest vom Rotwein. – Sie unterhalten sich noch eine ganze Weile über alles Mögliche. Dann verabschieden und umarmen sie sich und gehen nach Hause.)
Alexander der Große zerschneidet den Gordischen Knoten, by Andre Castaigne – Died 1930 (Public Domain) [Public domain], via Wikimedia Commons
Schwer zu verstehen: Auch Menschen, die es wirklich ernst mit Gott meinen, verknoten sich, stecken fest und kommen nicht weiter; fahren immer wieder gegen dieselbe Wand oder bewegen sich im Kreis. Auch Gespräche zwischen Frommen bleiben oft deprimierend und festgefahren. Wir zerren an den Schnüren der theologischen Argumente und wundern uns, dass sich der Knoten nicht lockert.
… Wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.
(Bibel, Tanach / Altes Testament, 127. Psalm, Vers 1)
Knoten
Knoten im Kopf und Knoten im gemeinsamen Leben. Ich habe beides schon erlebt und daran gelitten. Entschlossenheit und Willenskraft reichen manchmal nicht, um einen Knoten zu entheddern.
Nicht alle Knoten kriegt man auf, und manche Knoten sind einen abgebrochenen Fingernagel auch gar nicht wert. Spannungen und Konflikte gehören zum Leben, und an manchen Knoten führt kein Weg vorbei. Aber das Schwert oder die Schere der Gewalt machen kaputt.
Wenn ihr jedoch wie wilde Tiere aufeinander losgeht, einander beißt und zerfleischt, dann passt nur auf! Sonst werdet ihr am Ende noch einer vom anderen aufgefressen.
(Bibel, Neues Testament, Paulus‘ Brief an die Christen in Galatien, 5. Kapitel, 15)
Die Logik eines Knotens
Mit Logik und Verstand allein lässt sich die Wirklichkeit nicht vollständig erfassen. Mit Logik allein, lässt sich auch nicht jeder Knoten lösen.
Auch ein Mensch, der ein Thema noch nicht so gründlich durchdacht hat wie ich, hat ein „Recht“ auf seine Meinung, und es ist nicht gesagt, dass er seine Position einfach aufgeben kann oder dies tun sollte.
Ein Mann hat einmal erzählt:
Ich habe zu meiner Frau gesagt:
„Ich kann dir 10 Gründe geben, warum dein Standpunkt falsch ist.“
Seine Frau antwortete: „Ist mir egal. Ich weiß, dass ich recht habe!“
Es verstreicht eine gewisse Zeit und der Mann kommt zu der Erkenntnis, dass seine Frau wirklich Recht gehabt hatte. Er denkt darüber nach und sagt dann zu seiner Frau:
„Du hattest Recht. Ich kann dir 10 Gründe geben, warum du Recht gehabt hattest …“
100%ig logisch sind Argumente bestenfalls in meinem eigenen, persönlichen, subjektiven, individuellen Denkgebäude, in dem Denk-System, das ich verteidige. Keine Garantie, dass das auch die absolute Wahrheit ist. Und jemand, der die Voraussetzungen seines eigenen Denkens gar nicht kennt, ist kaum in der Lage, die Relativität seines Denkens wahrzunehmen. Jemand, der von anderen Voraussetzungen ausgeht oder andere Schwerpunkte setzt, wird die Dinge vielleicht anders sehen.
Die Lösung
Knoten verschwinden oft nicht von alleine. Manchmal könnte ich auch gar nicht abwarten, sondern brauche sofort eine Lösung. Deswegen werde ich aktiv: Ich bewege mich, verändere etwas, investiere Zeit und Mühe, gehe auf andere zu …
Manchmal hat man Glück: Man zieht kräftig an den Schnürsenkeln und der Knoten löst sich auf. Funktioniert aber leider bekanntlich nicht immer. – Interessant wäre eine Statistik, wie häufig kräftiges Ziehen an den Schnürsenkeln zum Erfolg führt. 😉 – Das Risiko ist natürlich immer, dass der Knoten danach noch fester ist, und ich noch mehr Mühe habe, den wieder auf zu kriegen. Manchmal entscheidet man sich lieber gleich fürs vorsichtige Fummeln anstatt aufs unsichere Glück zu spekulieren.
Der Herr, der heilige Gott Israels, hat zu euch gesagt:
»Wenn ihr zu mir umkehrt und stillhaltet,
dann werdet ihr gerettet.
Wenn ihr gelassen abwartet und mir vertraut,
dann seid ihr stark.«
Aber ihr wollt ja nicht.
(Tanach / Altes Testament, Jesaja 30,15)
offen und lernbereit
Manche Probleme entstehen durch unsere Macken. Wir sind so voll und satt und halten uns für superschlau. Kein Platz mehr für Veränderungen. Keine Bedürftigkeit.
Du bildest dir ein: ›Ich bin reich und habe alles, was ich brauche. Mir fehlt es an nichts!‹
Da machst du dir selbst etwas vor! Du merkst gar nicht, wie jämmerlich du in Wirklichkeit dran bist: arm, blind und nackt.
(Neues Testament, Offenbarung 3,17)
Buße tut not. Umdenken.
Wenn wir weich und formbar wären in der Hand unseres Schöpfers, dann könnte er aus uns bestimmt etwas Brauchbares machen … 😉 – und wir würden uns dann sicherlich auch nicht so leicht gemeinsam verknoten.
gemeinsam
Wenn mehrere Schnüre involviert sind (was ja in der Regel der Fall ist), reicht es auch nicht aus einen einzelnen Schnürsenkel zu massieren, sondern es müssen sich alle Senkel bewegen. Manchmal sind es auch gar nicht die Inhalte, sondern persönliche Empfindlichkeiten und menschliche Härte, die Gespräche sich festfahren lassen. Wenn sich alle um einen behutsamen Umgang und Flexibilität bemühen, entstehen manche Knoten gar nicht erst.
Überzeugungen sind nicht verhandelbar, Interessen allerdings schon; und man kann auch mit unterschiedlichen Überzeugungen zusammenleben und so manches zusammen machen. Wir tun dies jeden Tag.
Doch ihr müsst mit dieser Freiheit, die ihr habt, behutsam umgehen, damit ihr nicht einem Bruder oder einer Schwester mit einem ängstlicheren Gewissen schadet.
(Paulus‘ erster Brief an die Gemeinde in Korinth, 8,9)
Ambiguitätstoleranz
Dies ist wohl eins der schönsten Wörter, die ich je gelernt habe. Begegnet ist es mir auf dem Blog von Tobias Faix:
Wie würden sich unsere Gemeinden und unsere Diskussionen wohl anfühlen, wenn wir mehr Ambiguitätstoleranz hätten?
Das Leben ist nicht schwarz-weiß, sondern bunt und vielfältig; und die Wirklichkeit erschließt sich sicherlich am besten multiperspektivisch. Oft gibt es auch ganz praktisch mehr als zwei Möglichkeiten. Wenn wir ein Schwarz-Weiß-Denken überwinden könnten, wäre schon viel gewonnen.
Gelassenheit
Wenn ich glaube, dass nicht alles von mir abhängt, sondern vielmehr vom Wirken Gottes, sollte ich doch eigentlich mit meinen persönlichen Ambitionen auch etwas lockerer umgehen können, anstatt anderen damit auf den Senkel zu gehen.
Vertrauen in Gott bringt Gelassenheit und Hoffnung. Kontemplation und Zeit helfen uns Dinge zu erahnen, die wir mit dem Verstand nicht in den Griff kriegen.
… wenn ihr in irgendeinem Punkt anderer Meinung seid, wird Gott euch auch darüber Klarheit schenken. Aber lasst uns auf jeden Fall auf dem Weg bleiben, den wir als richtig erkannt haben.
(Paulus‘ Brief an die Gemeinde in Philippi 3,15-16)
Der weite Blick
So manche Verwirrung löst sich auf, wenn man einen Schritt zurück tritt und die Sache mit Abstand betrachtet. Jemand, der im Glauben fest steht und dessen Sicherheit Gott ist, der kann auch den Mut zu Gedankenspielen haben: Was wäre wenn …?
Seine eigenen (auch theologischen) Überzeugungen zu hinterfragen, heißt nicht, sich von Gott zu distanzieren. Manchmal müssen wir, um Gott näher zu kommen, uns von vertrauten Denkmustern entfernen. Einen einzigen Schritt zurückzugehen reicht manchmal nicht. Vielleicht sind mehrere Schritte nötig, damit der Blick weit genug ist, um alles Wesentliche zu erfassen. Vielleicht muss man sogar den ganzen Weg zurücklaufen bis zur letzten Weggabelung, um einen anderen Gedankengang auszuprobieren.
Etwas, das ich in manchen frommen Kreisen vermisse, ist SELBST-kritische Distanz, Neugier und ein reifes Problembewusstsein. Der eigene Blick ist verengt, und die Welt aus den Augen eines anderen zu sehen, erscheint als gefährlich oder sogar sündhaft. Der Knoten im eigenen Kopf wird gar nicht wahrgenommen, und die Ursache für Meinungsverschiedenheiten wird natürlich immer beim andern gesehen.
Warum siehst du jeden kleinen Splitter im Auge deines Mitmenschen, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht?
(Matthäus-Evangelium 7,3)
Ups …
(Ich erwische mich selbst auch immer wieder dabei, dass ich ungeduldig und fordernd im Umgang mit anderen bin. – Ist unsere Freiheit wirklich auch die Freiheit der Andersdenkenden?)
Ein unverstellter Blick
Das beste Bibel-Projekt, das ich zur Zeit kenne, ist Worthaus. Ein wesentlicher Gedanke bei diesem Projekt ist, dass wir alle die Bibel durch unsere individuellen, subjektiven „Brillen“ lesen. Wichtig ist deswegen, uns unserer Brillen bewusst zu werden, um zum Wesentlichen der Texte durchzudringen.
Manchmal helfen auch ein großer Erfahrungsschatz und ein gutes Verständnis, worauf es im Leben ankommt. Der beste und umfassendste Ansatz, den ich kenne, ist die Integrale Theorie. Mittlerweile ist sie zum Glück auch in der deutschsprachigen Christenheit angekommen:
Ken Wilber hat einmal klug bemerkt, dass wir alle elitär starten, aber egalitär landen. Dort allein, in der egalitären Verbundenheit mit allen, sind menschliche Gemeinschaft, Zusammenhalt, Weisheit und Mitgefühl möglich. Das ist die normale und natürliche Richtung menschlichen Wachstums.
Die meisten Menschen haben sicherlich schon einmal die Erfahrung gemacht, dass sich ein Problem gelöst hat, ohne dass sie sich selbst anstrengen mussten. Informationen sortieren sich in unserem Gehirn und Dinge klären sich in den Tiefen unserer Seele, ohne dass wir uns darüber bewusst sind. Plötzlich ist alles klar, und wir wissen gar nicht, wie das passiert ist. Antworten kommen von irgendwo her zu uns und Dinge in unserem Leben fügen sich zu einander.
Wo ist das Problem?
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren.
(Paulus‘ Brief an die Gemeinde in Philippi 4,7)
Tipps & Tricks
Habt ihr noch Ideen, wie man Knoten wegkriegt? Manche Leute sind besonders gut darin, Knoten zu entheddern. Könnt ihr uns ein paar Tipps geben, wie man das am besten macht?
… ein außergewöhnlicher Geist, Verstand und die Fähigkeit, Träume zu deuten, Rätsel kundzutun und Knoten zu lösen, haben sich bei Daniel gefunden …
(Daniel 5,12)
Maria Knotenlöserin, Gemälde von Johann Georg Melchior Schmidtner (1625-1705),
via Wikimedia Commons – Public domain
[Dies ist die neuere Überarbeitung eines älteren Artikels, welchen ihr mit Kommentaren hier findet.]
Jona und der Wal, Gemälde von Pieter Lastman, 1621, [Public domain], via Wikimedia Commons
Wäre dies nicht ein guter Titel für das Buch, das üblicherweise mit dem Titel „Jona“ verkauft wird? Jona im Fisch scheint zumindest oft der Aspekt zu sein, der die meisten an diesem Buch interessiert. Wäre auch ein sehr kinderfreundlicher Titel. Ohne seinen Freund den Fisch (der Fisch hat Jona ja schließlich vorm Ertrinken gerettet) wäre Jona bestimmt nicht einmal halb so bekannt.
Wer immer noch nicht sicher ist, von welchem Buch ich rede, muss nur mal in ihrer oder seiner Bibel nachschauen:
Der Herr aber ließ einen großen Fisch kommen, der verschlang Jona. Drei Tage und drei Nächte lang war Jona im Bauch des Fisches. Dort betete er zum Herrn, seinem Gott: »… du, Herr, bist mein Retter.«
Da befahl der Herr dem Fisch, ans Ufer zu schwimmen und Jona wieder auszuspucken.
Warum ist „Das Buch vom großen Fisch“ KEIN guter Titel?
( Warum ist diese Frage manipulativ? 😉 )
Ich finde, ein besserer Titel wäre z.B. „Buch von der großen Geduld und Barmherzigkeit Gottes gegenüber ALLEN Menschen“ (zugegebenerweise ein bisschen lang). Es geht ja um Gottes Geduld – mit den „Ungläubigen“, und sogar mit seinen Schein-Heiligen.
Wer sich mal die Mühe machen bzw. den Genuss erleben will, kann ja mal schnell das kleine Büchlein Jona durchlesen (nur 4. kurze Kapitel). Nach dem zweiten Kapitel wird schnell klar, dass die Episode mit dem Fisch nicht das Hauptthema des Buches ist.
Das Buch Jona
Es gibt natürlich auch einen Wikipedia-Artikel zu diesem Buch:
Das Buch ist einer meiner Lieblingstexte in der Bibel. Eine einzigartige Erzählung. Ich kenne keinen zweiten antiken jüdischen Text, der diesem Buch ähnlich ist. Eine Karikatur eines (scheinbar) frommen Menschen. Allerdings offensichtlich auch von einem frommen Menschen geschrieben! – Vielleicht der einzige satirische Text in der Bibel?
Die „Gottlosen“ und Jona
Die Nicht-Juden kommen in diesem Text erstaunlich gut weg. Sogar die Niniviten (samt Tieren!) bereuen und zeigen sich einsichtig! Nur Jona erscheint wie ein bockiges Kind:
Aber Gott fragte ihn: »Hast du ein Recht dazu, wegen dieser Pflanze so zornig zu sein?« »Doch«, sagte Jona, »mit vollem Recht bin ich wütend. Am liebsten wäre ich tot!«
(Vers 9)
[ Nur gut, dass wir Christen nicht so eine Jona-Mentalität haben. 😉 ]
Der Rest der Bibel
Hat dieser Text andere biblische Autoren inspiriert?
Jesus (kein biblischer Autor) kannte laut den Evangelien diesen Text oder zumindest die Erzählung.
»Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des großen Fisches war, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte in der Tiefe der Erde sein.«
Die Jesus-Worte sind (abgesehen von EINER alttestamentlichen Stelle in 2. Könige und dem Buch Jona selbst) auch die einzigen Verse, wo dieser Prophet „Jona“ in der Bibel auftaucht.
Warum wurde auf diese Erzählung von Jona nicht öfter in anderen Texten Bezug genommen?
»Diese verdorbene Generation verlangt dauernd nach einem Zeichen. Doch es wird ihnen keins gegeben werden – nur das des Propheten Jona.Denn wie Jona für die Menschen von Ninive ein Zeichen war, so wird es der Menschensohn für diese Generation sein.«
(Lukas-Evangelium 11,29-30)
Was ist eigentlich das „Zeichen des Jona“? Und warum haben sich die Einwohner von Ninive bekehrt? Warum eigentlich ausgerechnet Ninive? Und warum hat sich Jona geärgert? Und warum ist er dann doch noch in der Nähe von Ninive geblieben?
»Und mir sollte nicht diese große Stadt Ninive Leid tun, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben, die rechts und links nicht unterscheiden können, und dazu noch das viele Vieh?«
Interessiert sich Gott wirklich für Tiere?
(„Viele Vieh“ sind übrigens auch wirklich die letzten beiden Worte des Buches im hebräischen Original.)
Das Zwölfprophetenbuch
Das Buch Jona passt in seinem Charakter eigentlich gar nicht so richtig zu den sogenannten „Zwölf kleinen Propheten“. Man fragt sich, ob die Länge des Buches vielleicht der einzige Grund war, weshalb es in der Zwölfprophetensammlung gelandet ist. (Oder vielleicht die Zeit der Verfasserschaft?) Wer ist überhaupt dafür verantwortlich, dass dieser krasse Text in der Bibel gelandet ist?
Und wer hat das Buch überhaupt geschrieben?
Keine Ahnung.
Und das geht nicht nur mir so. Das Jona diese Erzählung über sich selbst auch noch selber aufgeschrieben hat, wird zumindest in den biblischen Texten meines Wissens nirgendwo behauptet. (Dass man nicht weiß, wer der Verfasser ist, betrifft auch nicht nur das sogenannte Buch „Jona“, sondern viele Texte in der Bibel.)
Wann wurde Jona geschrieben?
„Keine Ahnung!“ … stimmt hier nicht ganz. Man kann wahrscheinlich vom Text selbst ausgehend am besten einschätzen, wann der Text ungefähr geschrieben worden ist. Außerdem lässt das Auftreten des Begriffs „Zwölfprophetenbuch“ (bei Jesus Sirach, 49,10) eine spätere Entstehung kaum zu.
Noch etwas zum Titel
Benannt wird es im Allgemeinen nach dem „Anti-Helden“ der Erzählung: Jona. – Oder sollte es „Jonas“ heißen? (Interessant auch der Wikipedia-Artikel zum Namen „Jona(s)„. Da steht u.a. zur Herkunft und Bedeutung:
Die hebräische Version des Namens bedeutet Taube und stammt ursprünglich vom griechischen Wort οιωνός für Zeichen. Im antiken Griechenland glaubte man, dass Vögel als Zeichen der Götter an die Menschen geschickt wurden. Es wird daher angenommen, dass der Name Jonas für ein friedvolles Wesen steht. Die biblische Version des Namens umfasst die hebräische Bedeutung, aber auch die Bedeutung Zerstörer und Unterdrücker. Als Variante von Jonah kann der Name auch als mit erreichen und Geschenk Gottes in Verbindung gesetzt werden.
(Wikipedia)
Alles sehr interessante Gedanken, wenn man an den Inhalt des Buches und auch an die Worte Jesu denkt. Klingt fast wie eine ironische Randbemerkung zu Jona.
Dass das Buch nach Jona benannt wird, macht Sinn; steht er doch am Anfang und am Ende der Erzählung (neben Gott natürlich). Aber geht es wirklich um ihn als Person oder steht seine prophetische Figur und sein Verhalten für etwas Anderes?
Auch in der heutigen Zeit bemühen sich Menschen um die Überwindung von Feindseligkeit, Dualismus, und um ein höheres Bewusstsein.
Ein richtig guter Titel für das Buch wäre vielleicht:
Für fromme Menschen ist Beten die Antwort des Menschen auf die Offenbarungen des Göttlichen. Das Verständnis der Offenbarungen wird durch die Überlieferungen der religiösen Gemeinschaft von Generation zu Generation weitergegeben. Oft wird das Beten schon kleinen Kindern beigebracht.
Das Gebet ist keine typisch christliche oder jüdische Angelegenheit. Wir finden es in unserer Zeit und auch in der Geschichte in vielen verschiedenen Kulturen. – Gibt es eine Religion, in der nicht gebetet wird? – Es ist wie das Atmen des Glaubens.
Beten ist Ausdruck von Frömmigkeit. Gott ist so wichtig geworden, dass man aktiv wird und sich im Gebet an ihn wendet. Gebet ist etwas Persönliches und Intimes. Es ist Ausdruck von Not und Hoffnung. Hoffnung auf Gehört-werden und Erhörung.
Wenn du beten willst, dann geh in dein Zimmer, schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen.
(Jesus in der Bergpredigt, Die Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium, 6. Kapitel, Vers 6)
Viele fromme Menschen erleben trotzdem das Gefühl ins Leere zu reden oder gegen die Wand. – „Mein Gebet reicht nur bis zur Zimmerdecke.“ – Wir beten in die Unendlichkeit Gottes hinein und manchmal scheint unser Gebet in der Unendlichkeit zu verpuffen …
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.
Vor 3 Jahren war ich an einem Punkt in meinem Leben, wo ich über Vieles verunsichert war. Zu Gott zu beten kam mir fast arrogant vor: Wie kann ich als kleiner Mensch mir anmaßen, mich an den ewigen Schöpfer des Universums zu wenden? Wie kann ich glauben, dass Gott mich wirklich hört wie ein Papa sein Kind? Woher weiß ich überhaupt, dass da ein Gegenüber ist, das für mich persönlich Bedeutung hat?
Die beiden Glaubenskämpfer von Hossa-Talk haben einen hörenswerten Podcast zum Thema „Gebet“, wo es um die harten Fragen geht:
Gebet ist wie kaum etwas Anderes mit unseren Gotteserfahrungen und Gottesvorstellungen und den Tiefen unserer eigenen Seele verbunden. Der Zustand unseres persönlichen Glaubens bekommt Gestalt in unseren Gebeten: So wie wir glauben, so beten wir; und die Stimme des Beters offenbart, wie er wirklich glaubt.
Mehr als Wissen ist der Glaube eine Entscheidung: Glaube ist der Entschluss, sich dem Geheimnis des Göttlichen anzuvertrauen. Und natürlich gibt es Gründe, warum manche Menschen es machen, und andere nicht.
Dem Leben und Gott vertrauen zu können, ist der größte Schatz.
Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiß an jedem neuen Tag.
Christus Pantokrator, Ikone im Katharinenkloster auf dem Sinai (6. Jh), ,by Anonymous ([1]) [Public domain], via Wikimedia Commons
Ein Glaube an die Bibel ist nicht dasselbe wie ein Glaube an Jesus, sondern geht über den Glauben an Jesus hinaus. Die allerersten Christen hatten noch keine „christliche“ Bibel, so wie wir sie kennen. Die neutestamentlichen Schriften entstanden erst in den nachfolgenden Jahrzehnten. Die ersten Christen waren Juden, die dieselben heiligen Texte lasen, wie die anderen frommen Juden ihrer Zeit. Die „christliche“ Bibel als Sammlung in einem Buch ist sogar erst Jahrhunderte später entstanden.
Für einen Glauben an Jesus brauchen wir natürlich gute historische Zeugnisse, denn das Leben und Sterben von Jesus waren ja historische Ereignisse. Wir haben da sicherlich auch kaum bessere Quellen als die neutestamentlichen Texte; deshalb sind diese Texte für uns auch unendlich wertvoll. Die neutestamentlichen Texte selbst präsentieren sich allerdings nicht als heilige Texte. Wir haben im Neuen Testament keine Texte, die sich selbst so darstellen wie z.B. die jüdische Tora oder die Schriftpropheten in unserem Alten Testament (abgesehen vielleicht von der Offenbarung des Johannes).
Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse. Wenn du gehorchst den Geboten des HERRN, deines Gottes, die ich dir heute gebiete, …
Die ersten Christen gingen mit ihren Texten auch anders um, als es viele Christen heutezutage mit ihren Bibeln tun. Das frühe Christentum war keine Buchreligion, mit der „christlichen“ Bibel als heiliges Buch. Dies macht deutlich, dass sich das Christentum verändert hat. Die Jesus-Anhänger wurden ja auch „Christen“ und nicht „Biblianer“ genannt.
Wir sehen im Neuen Testament selbst wie z.B. Paulus um seine Anerkennung unter den Gläubigen kämpfen musste (er war ja auch nicht einer von den Zwölf Aposteln). Heute würde vielleicht jemand sagen: „Hey Leute, natürlich hat Paulus recht. Seine Briefe stehen doch in der Bibel!“ 😉
Den biblischen, insbesondere den neutestamentlichen Texten, wurde eine Bibel-Ideologie übergestülpt, weil man ein einheitliches heiliges Buch haben wollte. Dies war auch eine Macht-Frage. Aus einer spirituellen Jesus-Bewegung wurde eine erstarrte Buchreligion unter der viele fromme Christen noch heute leiden. Verbunden mit einer Menge kirchlicher Strukturen, etablierten religiösen Traditionen und so mancher Schein-Heiligkeit.
„Jésus annonçait le royaume, et c’est l’Église qui est venue.“ /
„Jesus kündete das Reich Gottes an und gekommen ist die Kirche.“
Natürlich beinhaltet ein Bibel-Glaube auch einen gewissen Jesus-Glauben. Entscheidend ist allerdings, ob ich Jesus auch die vollständige Macht über mein Leben gebe, oder ob ich es lieber versuche mit einem heiligen Buch zu regeln. Texte lassen sich leichter kontrollieren als der Geist Gottes …
Der Weg Jesu ist ein spiritueller Weg. Er reicht hinab bis in die Abgründe unserer Seele. Er heilt die Wurzel unseres Lebens. Durch den Entschluss, Kontrolle und Macht aufzugeben, eröffnet sich ein Raum des Vertrauens, in dem Gott uns verändern und gebrauchen kann für die Heilung und Vollendung seiner Schöpfung.
Sumerische Frömmigkeit: Statue von Gudea von Lagaš, Foto von Marie-Lan Nguyen (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons
Bist du „fromm“?
Bin ich „fromm“?
Ein altes deutsches Wort.
Denn die leibliche Übung ist wenig nütze; aber die Frömmigkeit ist zu allen Dingen nütze und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens.
(Die Bibel, Neues Testament, 1. Brief des Paulus an Timotheus, 4. Kapitel, Vers 8, in der Luther-Übersetzung, 1984)
Ich mag das alte Wort „fromm“. Es hat mit dem Herzen zu tun. Ein frommer Christ ist nicht jemand mit einer christlichen Weltanschauung oder christlichen Werten und moralischen Grundsätzen, sondern jemand für den sein christlicher Glaube eine Herzensangelegenheit ist und der seinen Glauben ernst nimmt. Ein Mensch, in dessen Alltag sein Glaube wahrnehmbar ist. Kein Wischiwaschi oder abgehobener, distanzierter Theoretiker.
Echte Frömmigkeit bedeutet ein Sich-Ergeben in die Allmacht Gottes, ein Sich-Einordnen in das Wirken Gottes in seiner Schöpfung. Frömmigkeit hat eine mystische Qualität. Irgendwie ist man vom Geheimnis Gottes berührt und erfasst worden, und es lässt einen nicht mehr los.
Das alte Wort „fromm“ ist immer noch im Gebrauch. Es gibt sogar mindestens zwei sehr interessante Webseiten, die das Wort im Namen tragen:
Es ist mal wieder so weit. Die meiste Zeit des Jahres kann ich mit meiner Pollenallergie ganz gut leben; aber im Moment ist sie wirklich lästig. – Haaatschi!!! – Probleme lassen sich halt nur bis zu einem gewissen Grad ausblenden. Schon blöd, dass mein Körper sich von etwas bedroht fühlt, was eigentlich gar nicht gefährlich ist.
Manche Menschen reagieren allergisch auf Christliches oder Religiöses. Ein Gefühl der Abneigung und des Unbehagens, das sie vielleicht nicht einmal selbst ganz verstehen. Es gibt sogar welche, die sich aufregen und aggressiv werden …
Ich bin in einer frommen Familie und einer kleinen christlichen Freikirche aufgewachsen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich als Heranwachsender manchmal dachte: „Ich mag das ganze Fromme eigentlich nicht so wirklich …“ – Worauf sich dann natürlich ein entsprechendes schlechtes Gewissen einstellte. Frommes muss man doch mögen, oder?
Gefühle hat man einfach. Auch wenn sie stören, kann man sie nicht sofort abschalten. Sinnvoller als abschalten wäre sowieso sich zu fragen, wo die Gefühle herkommen und welche Bedeutung sie haben.
Wenn Menschen allergisch auf „Frommes“ reagieren, müssen sie irgendwann & irgendwie einmal Frommes als etwas Negatives kennengelernt haben. Dies kann einfach ein Vorurteil oder eine Geschmacksfrage sein. Es ist allerdings leider auch gut möglich, dass sich etwas Schlechtes als fromm präsentiert hat, obwohl es echter Frömmigkeit gar nicht entsprach. Wer echten, gesunden christlichen Glauben nicht kennt, hat kaum eine Chance eine „Fälschung“ zu erkennen.
Schon der Begriff „fromm“ selbst ist problematisch. Auch manche Christen empfinden ihn als negativ, weil man leicht eine oberflächliche Form von Religiosität damit verbindet. Ich selbst mag das alte Wort „fromm“, weil ich dabei an Charakter und Lebensstil denke. Eine mögliche Alternative „gläubig“, oder vielleicht sogar „christlich gläubig“, wird leider zu oft sehr theoretisch verstanden. Beim christlichen Glauben geht es aber unbedingt darum, wie man (auch im Alltag) lebt und was für ein Mensch man wirklich ist.
Ich habe lange gebraucht, unterscheiden zu lernen, zwischen dem, was als „christlich“ präsentiert wird, und dem, was wirklich der Überlieferung des Mannes aus Nazareth entspricht; und ich bin damit auch noch lange nicht fertig.
Unser „christliches“ Abendland wurde so nachhaltig durch „christliches“ Gedankengut und kirchliche Praxis geprägt, dass man genau hinschauen muss, um erkennen zu können, wieviel davon wirklich auf den jüdischen Messias Jesus zurückgeht und was nur als „christlich“ etikettiert wurde. Was wir brauchen, ist nichts Geringeres als eine neue Reformation. Aber diesmal richtig.
Ich hasse und verachte eure religiösen Feste und kann eure feierlichen Zusammenkünfte nicht riechen. Ich will eure Brand- und Speiseopfer nicht haben; die Friedensopfer eurer Mastkälber will ich nicht sehen! Hört auf mit dem Lärm eures Lobpreises! Eure Anbetungsmusik werde ich mir nicht anhören. Stattdessen will ich Recht fließen sehen wie Wasser und Gerechtigkeit wie einen Fluss, der niemals austrocknet.
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(Die Bibel, Tanach / Altes Testament, das Buch des Propheten Amos, 5. Kapitel, Verse 21-24)
Religionskritik an der eigenen Religion ist ein Wesensmerkmal der jüdisch-christlichen Überlieferung. Und es ist oft gerade diese selbstkritische Distanz zur eigenen Überzeugung und Praxis, die bei denen fehlt, die den christlichen Glauben für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren.
Es gibt zu viel Falsches und Missverständliches, was mit dem Brustton der eigenen Überzeugung als die absolute „christliche Wahrheit“ präsentiert wird. Zu viel „christlichen“ Murx, der in einer Aura von Heiligkeit und mit dem Anspruch auf Vollkommenheit einherschreitet. Der eigene Glaube wird mit „doch so einleuchtenden und logischen“ Argumenten verteidigt, welche nur die überzeugen können, die sich sowieso überzeugen lassen wollen, und welche statt brillianter Intelligenz eher ein zu niedriges intellektuelles Niveau offenbaren.
So manche „christliche“ Institution ist eine geistliche und geistige Ruine. Kritische Fragen sind nicht erwünscht. Alle sind schon gleichgeschaltet und auf Linie gebracht. Statt Echtheit und Natürlichkeit trifft man auf Heuchelei und Verstellung. Es ist eng, muffig und stickig, bedrückend und beklemmend. Kein Ort, wo kranke Seelen aufatmen können.
Das alte Deutsch einer Lutherübersetzung oder von schönen alten Kirchenliedern ist nicht christlich, sondern einfach alt. Viele Kirchen mögen Christen über lange Zeit ein wertvoller Versammlungsort gewesen sein – aber verstaubt sind sie trotzdem. Talare, Weihrauch, Altäre, Kirchenglocken, etc. stammen aus einer vergangenen Zeit. Ob sie in der Zukunft geeignet sein werden, etwas von Jesus deutlich werden zu lassen, ist die Frage. (Man kann sich auch fragen, ob sie das überhaupt jemals wirklich getan haben.)
Blödheit wird nicht dadurch besser, dass man es für Gott oder Jesus tut. Auch wirkt so manches Gut-gemeinte verkrampft und angestrengt, ängstlich und besorgt, und aus manchem Frommen leuchtet nur ein schwacher Schein des Wesen Jesu hervor. Und Gott weiß, wie oft das bei mir selbst der Fall war und ist. – Herr, erbarme dich!
„Bessere Lieder müßten sie mir singen, daß ich an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müßten mir seine Jünger aussehen!“
Das Leben wäre oft einfacher, wenn wir in einer Schwarz-Weiß-Welt leben würden: Gut oder schlecht? Richtig oder falsch? Ja oder Nein? – Aber unsere Welt ist bunt mit unendlich vielen Schattierungen. Oft müssen wir sagen: Sowohl, als auch. Nicht ganz falsch, und nicht ganz richtig. Etwas hat Vor- und Nachteile.
Auch das real-existierende Christentum ist seinem Selbstverständnis nach eigentlich mangelhaft und relativ. Nur Gott ist absolut und allmächtig. Wir hingegen sind begrenzt, und unser Tun und Verstehen bleibt immer bruchstückhaft und unvollkommen. Nichts Konkretes in dieser Welt ist so heilig, dass es nicht auch Schattenseiten hätte. Gerade unser Mangel begründet unser Bedürfnis nach Gott, den wir selbstverständlich auch weiterhin brauchen, nachdem wir Christ geworden sind.
Von Christus heißt es, dass er sich erniedrigte und Mensch wurde, und dass er sich nicht geschämt hat, uns Schwester und Brüder zu nennen (Bibel, Neues Testament, Paulus‘ Brief an die Philipper 2,5-8; Hebräerbrief 2,11). Sollten nicht gerade Christen, die als begnadigte Sünder leben, kein Problem damit haben, Mängel und Fehler zuzugeben und anderen Sündern einladend zu begegnen? Anstelle als Glaubenshelden und Superheilige umherzuwandeln, dürfen wir andere unsere Schwächen und Fehler sehen lassen. Schwachheit ist eine Strategie des Wirken Gottes in dieser Welt. Jesus bejahte menschliche Schwachheit, um für uns zu leben und zu sterben.
Ist Bescheidenheit nicht auch eine christliche Tugend? Wäre es nicht dem Weg Jesu angemessener, die Kompliziertheit vieler Entscheidungen anzuerkennen und auf die eigene Begrenztheit hinzuweisen, als mit irgendwelchen Auslegungstricks Antworten auch auf die schwierigsten Fragen herbeizuzaubern? An der Seite von Menschen mit zu leiden und ungelöste Probleme auszuhalten, anstatt durch „theologische“ Schnellschüsse die Intaktheit des eigenen, mangelhaften Weltbildes zu beschützen?
Wenn Menschen auf „Frommes“ allergisch reagieren, so ist dies leider allzu oft eine richtige und gesunde Reaktion, weil das, was sich fromm gibt, nicht wirklich der Frömmigkeit von Jesus entspricht.
Liebe ist geduldig, Liebe ist freundlich. Sie kennt keinen Neid, sie spielt sich nicht auf, sie ist nicht eingebildet. Sie verhält sich nicht taktlos, sie sucht nicht den eigenen Vorteil, sie verliert nicht die Beherrschung, sie trägt keinem etwas nach. Sie freut sich nicht, wenn Unrecht geschieht, aber wo die Wahrheit siegt, freut sie sich mit. Alles erträgt sie, in jeder Lage glaubt sie, immer hofft sie, allem hält sie stand. Die Liebe vergeht niemals …
… was wir erkennen, ist immer nur ein Teil des Ganzen …
.
(Die Bibel, Neues Testament, der erste Brief des Apostel Paulus
an die Gemeinde in Korinth, 13,4-9)
… Richtet eure Gedanken ganz auf die Dinge, die wahr und achtenswert, gerecht, rein und unanstößig sind und allgemeine Zustimmung verdienen; beschäftigt euch mit dem, was vorbildlich ist und zu Recht gelobt wird.
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(Paulus‘ Brief an die Philipper, 4,8)
[Dies ist die Überarbeitung eines älteren Artikels. Den älteren Artikel mit Kommentar findet ihr hier.]
Mutter mit Kind. Fotografie von Gertrude Käsebier (1890) [Public domain], via Wikimedia Commons
Religion ist schon längst nicht mehr selbstverständlich. Als ein frommer Mensch wird man hinterfragt.
Fragen können beiden weiterhelfen: Dem Fragenden und dem Hinterfragten.
… seid jederzeit bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der euch auffordert, Auskunft über die Hoffnung zu geben, die euch erfüllt.
.
(Bibel, Neues Testament, Petrus‘ erster Brief, 3. Kapitel, Vers 15)
frag-würdig
Es gibt viel Frag-würdiges in unserer Welt – auch in der Christenheit. Fragen an einen Christen könnten vielleicht sein:
Wenn dir die Bibel so wichtig ist, warum liest du dann so wenig darin?
Wie kannst du Aussagen über die gesamte Bibel machen, wenn du die Texte darin gar nicht so gut kennst?
Wozu liest du in der Bibel (wenn du denn mal darin liest)?
Mit welchen Erwartungen gehst du an die Bibel heran? Welche Fragen meinst du, durch das Studium der Bibel beantworten zu können, und welche nicht?
Ist eine gute Bibelkenntnis alles, was wir heute brauchen, um gut im Glauben leben zu können, oder brauchen wir noch etwas Anderes? Was wäre gegebenenfalls das Andere?
Manchmal trampeln wir einfach weiter auf einem ausgetretenen Pfad, weil wir uns nie gefragt haben, ob es auch anders geht.
Denn unsere Erkenntnis ist bruchstückhaft, ebenso wie unser prophetisches Reden …
Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.
.
(Neues Testament, Paulus‘ erster Brief an die Christen in Korinth, 13,9-13)
sinnvoll fragen
Manches ist fragwürdig, weil es einfach „problematisch“ ist. Es kann dann allerdings auch sein, dass eine Sache so sehr problematisch ist, dass sie schon die Zeit gar nicht wert ist, sich damit zu beschäftigen.
Es gibt einfache Fragen, die relativ schnell zu beantworten sind, und es gibt Fragen, die gehen so tief und weit, dass eine umfassende Antwort gar nicht möglich ist.
… Was ist Wahrheit? …
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(Neues Testament, Johannes-Evangelium 18,38)
Schlechte Fragen – gute Fragen
In manchen Fällen muss man erst einmal schon eine ganze Menge verstanden haben, um bei einem Problem, genau die richtige Frage stellen zu können. Und es gibt Momente, da lässt sich in einer einzigen Frage die ganze Situation auf den Punkt bringen – auch wenn noch keiner eine Antwort hat. – Gut Fragen ist eine Kunst.
Auf der Webseite von Forbes wird auf Sokrates hingewiesen: Die Fähigkeit, gute Fragen stellen zu können, als Leadership Skill. Sokrates scheint ein Meister des Fragens gewesen zu sein. Die „Sokratische Methode“ ist ja sogar ein fester Begriff geworden, für den es sogar einen eigenen Wikipedia-Artikel gibt.
Jesus fragt
Auch von Jesus sind Fragen überliefert. Hier eine Auswahl:
Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?
(Die Bibel, Neues Testament, Lukas-Evangelium, 2. Kapitel, Vers 49)
Was sucht ihr?
(Johannes-Evangelium 1,38)
Ist es deine Sache, liebe Frau, mir zu sagen, was ich zu tun habe?
(Johannes 2,4)
Willst du gesund werden?
(Johannes 5,6)
Als Jesus die Menschenmenge sah, die zu ihm kam, fragte er Philippus: »Wo können wir so viel Brot kaufen, dass alle diese Leute zu essen bekommen?« Jesus wollte ihn mit dieser Frage auf die Probe stellen …
(Johannes 6,5-6)
Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen?
(Matthäus 8,26)
Habt ihr das alles verstanden?
(Matthäus-Evangelium 13,51)
Du als Lehrer Israels weißt das nicht?
(Johannes 3,10)
Und da ihr mir nicht einmal glaubt, wenn ich über die irdischen Dinge zu euch rede, wie werdet ihr mir dann glauben können, wenn ich über die himmlischen Dinge zu euch rede?
(Johannes 3,12)
Wie solltet ihr auch glauben können?
(Johannes 5,44)
Wenn ihr aber dem nicht glaubt, was Mose geschrieben hat, wie wollt ihr dann dem glauben, was ich euch sage?
(Johannes 5,47)
Warum seid ihr so empört?
(Johannes 6,43)
Wollt ihr etwa auch weggehen?
(Johannes 6,67)
Teuflische Fragen – göttliche Fragen
Am Anfang der Bibel tritt auch eine Schlange auf und stellt eine Frage an Eva, um sie zu verführen (Bereschith / Genesis / 1. Mose 3,1); und im Buch Hiob stellt sogar der Satan eine Frage an Gott (Hiob 1,9).
Sogar Gott selbst fragt. (Wo Gott es doch nun bestimmt nicht nötig hat, sich Informationen einzuholen.) Gleich auf den ersten Seiten der Bibel geht’s los:
Adam, wo bist du?
(Bereschith / Genesis / 1. Mose 3,9)
Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist?
(3,11)
Hast du etwa von den Früchten gegessen, die ich euch verboten habe?
(3,11)
Was hast du bloß getan?
(3,13)
Warum bist du so zornig und blickst so grimmig zu Boden?
(4,6)
Wo ist dein Bruder Abel?
(4,9)
frag-würdig
Es gibt in unserem Leben manche Themen und Situationen, wo es die Sache nicht wert ist nachzufragen. Jeder Mensch, wäre aber eigentlich schon unserer Fragen würdig, und die Zeit wert, um mit ihm oder ihr zu reden. Jeder Mensch – unendlich geliebt, unendlich wertvoll.
Die Würde des Menschen ist begreifbar.
Auch wenn miteinander reden manchmal echt schwer ist, und es sicherlich auch Situationen gibt, wo man ein Gespräch besser abbricht.
Es gibt Scharen von Menschen, die so gerne mit jemand reden würden, der auch zuhört. Eins der wertvollsten Geschenke ist ein offenes Ohr. Und manche Menschen wollen schon gar nicht mehr reden, weil es zu oft schief gegangen ist.
Menschen sind würdig unserer Fragen, unserer Neugier. Wie viel Unentdecktes schlummert in einem Menschen? Wie viel Schönheit, die noch nie jemand gesehen hat? Wie viel Einsamkeit? Es gibt noch so viele wichtige Fragen zu stellen – zum richtigen Zeitpunkt. Zum Beispiel:
Wie viel Liebe könnten Menschen erfahren, wenn unsere Fragen zeigen würden, dass uns an ihnen liegt? Wie viel Rohes, könnte beim Sprechen Gestalt gewinnen und verstanden werden? Wie viel Ängste und Schuld, von denen keiner weiß? Wie viel Heilung könnte geschehen? Wie viel Verirrtes einen Weg finden?
Es kann manchmal auch passieren, dass sich jemand verarscht vorkommt, wenn wir Fragen stellen; nämlich dann, wenn wir Fragen stellen, aber nicht wirklich an der Antwort interessiert sind. Manchmal stellt man Fragen, weil man hofft dadurch dann ein Sprungbrett zu haben, um seine eigenen Ideen loszuwerden. Der Andere fühlt sich dann zu Recht getäuscht.
Denkt bei dem, was ihr tut, nicht nur an euch. Denkt vor allem an die anderen und daran, was für sie gut ist.
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(Paulus‘ erster Brief an die Christen in Korinth, 10,24)
Echtes Fragen ist auf den Anderen gerichtet. Es ist ein Ausdruck von wirklichem Interesse. Im Fragen kann Nächstenliebe – vielleicht sogar Feindesliebe – sichtbar werden.
Wenn wir fragen, sollten wir würdig fragen (d.h. auf eine würdige Art und Weise), mit Respekt vor der Privat- und Intimsphäre des Anderen und auch vor der Bedeutung des Themas. Unsere Worte und der Klang unserer Stimme könnten Interesse und Wohlwollen erkennen lassen. Und das natürlich nicht geheuchelt, sondern aus der Aufrichtigkeit unseres Herzens.