Eduard Fassel | Die Gefahren und Chancen des Dienens

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Gastartikel von Eduard Fassel auf dem Blog „Integrales Christsein“ von Sandra Hauser:

Die Gefahren und Chancen des Dienens

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Mythos von Morgen

„Es gab einmal eine Zeit, da lebten riesige Völker mit gewaltigen Gebäuden auf der Erde. Das war zu der Zeit, als die Menschen sich fast auf der gesamten Erdkugel ausgebreitet hatten. Und die Menschen wollten immer noch mehr, sodass die von der Natur geschenkten Lebensgrundlagen knapp wurden. Viele Pflanzen und Tiere hatten die Ausbreitung der Menschen zu jener Zeit schon nicht überlebt.“

„Dies ist ein Grund, weshalb wir heute Pflanzen und Tiere als unsere Schwestern und Brüder ansehen, weil wir das Unrecht erkennen, das unsere Vorfahren anderen Lebewesen angetan haben.“

„Die Menschen damals taten all dies, weil sie sich selbst und ihrer Welt fremd geworden waren. Sie hatten sich ihre eigene Welt erschaffen. Werkzeuge und Behausungen, Dörfer und Straßen und Städte. Sie hatten gelernt, Feuer zu machen und die Kraft des Blitzes zu nutzen. Sie entfesselten sogar noch gewaltigere Kräfte als den Blitz – dabei waren sie noch nicht einmal in der Lage, ihre eigenen Leidenschaften und Ängste zu beherrschen.“

„Die Menschen liebten die Werke ihrer Hände. Sie wurden ihr Zuhause, und das Zuhause, aus dem sie kamen, wurde ihnen fremd. Sie verstanden nicht das Leid der anderen Lebewesen, und sie verstanden auch nicht die Krankheiten, welche unter ihnen ausbrachen.“

„Mit ihrer Schlauheit erschufen sie Müll, welchen die Erde noch nie gesehen hatte. Sie brachen das Antlitz der Landschaft auf und bohrten tief in den Grund des Lebens. Sie nahmen sich, was sie kriegen konnten, und Abfälle und Gifte schütteten sie ins Meer. Ihre Maßlosigkeit war grenzenlos und unerträglich.“

„Es gab immer auch weise Menschen, welche die Gefahren erkannten, aber ihre Stimmen verhallten im Lärm derer, die ihren Spaß hatten, und in den Klagen derer, die litten. So kam es, wie es kommen musste…“

„Aber warum haben nicht mehr Menschen damals, wo sie doch schon so schlau waren, erkannt, wohin das alles führen würde?“

„Viele Menschen hatten große Sorge bei all diesen Entwicklungen, aber sie waren schwach und hatten keinen Plan, wie sie den Lauf der Dinge ändern könnten. Und die Menschen, welche mehr Macht hatten als andere, waren leider nicht so schlau.“

„Weshalb hatten sie denn mehr Macht?“

[…]


wie lange wird es noch menschen auf unserem planeten geben
was für geschichten werden sich diese menschen später einmal erzählen
wie müssten die mythen einer kultur aussehen welche sich nicht wieder so zerstörerisch entfaltet

Geist-licher Miss-brauch: Evangelium 21

 

Evangelium 21

 

Fürs 21. Jahrhundert? Echt jetzt?

Will man wirklich so Menschen im 21. Jahrhundert erreichen? Vielleicht sogar die nächste Generation?

Ich hab eher den Eindruck, dass man sich hier ängstlich an traditionelle „Werte“ klammert, weil man mit der Wirklichkeit nicht klar kommt. – Sollen auf diese Weise mündige Christen entstehen?

Man braucht doch keine Bibel-Ideologie, um herauszufinden, ob die biblischen Texte für einen selbst wertvoll sind. – Oder will man versuchen damit, die schillernde, auseinander-driftende Christenheit wieder zusammenzuführen?

Wer braucht ein „Evangelium21-Netzwerk“? – Rotten sich hier ein paar religiöse Extremisten zusammen, um die Moral in der Truppe zu stärken?

 

„… Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke, doch einmal werde ich alles klar erkennen, so deutlich, wie Gott mich jetzt schon kennt.“

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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 13. Kapitel, Vers 12; Bibel, Neues Testament)

 

Wahrhaftig?

Wissen die Macher von Evangelium 21 es nicht besser, oder verbreiten sie hier absichtlich die Unwahrheit:

 

„Wir vertrauen darauf, dass die Bibel entsprechend ihrem Selbstzeugnis das völlig vertrauenswürdige und in allen ihren Aussagen zuverlässige und autoritative Wort Gottes ist.“

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(evangelium21.net)

 

Selbstzeugnis“ ?  – Das ist ja gerade einer der auffälligen Unterschiede zum Koran, dass die Bibel  nicht  sich selbst zum Thema macht. Da die Bibel erst Jahrhunderte nach dem Abfassen der biblischen Texte gemacht worden ist, kann sie das auch gar nicht.

(Das einzig theoretisch denkbare wäre eine biblische Verheißung, dass es später einmal so ein heiliges Buch geben würde. Aber so eine Verheißung gibt es in der Bibel nicht. Noch nicht einmal so etwas wie eine Anspielung auf das Erschaffen eines heiligen Buches in der Zukunft.)

 

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Calvary Church bei Nacht; eine „non-denominational evangelical church“ in Charlotte, North Carolina; Foto von Fartbarker, via Wikimedia Commons – public domain

 

Moderne Kreuzzüge

Im Mittelalter wurden Kriege im Zeichen des Kreuzes geführt. Heute taucht das Wort „unbiblisch“ mancherorts als Kampfbegriff auf; vor allem in der Auseinandersetzung zwischen Christen. Manche haben sich das Dogma von der Unfehlbarkeit der Bibel auf die Fahne geschrieben und sind ausgezogen, die Wahrheit und die göttliche Autorität der Bibel zu verteidigen. – Heutzutage passiert das zum Glück ohne körperliche Gewaltanwendung.

 

„Alle Menschen sollen eure Güte und Freundlichkeit erfahren …“

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(Paulus im Brief an die Christen in Philippi 4,5; Neues Testament)

 

Evangelium21-Konferenzen

In Hamburg gab es 2016 eine Konferenz der Initiative Evangelium21, zu der internationale Redner angereist waren, um die Autorität der Bibel zu verteidigen. In ihrem Blog finden wir dazu Sätze wie diese:

Christen sollen der Autorität der Heiligen Schrift ganz vertrauen.

Die Bibel ist ein zutiefst verlässliches und vertrauenswürdiges Buch, unfehlbar, heilig und göttlich.

Wenn man der Bibel „Göttlichkeit“ zuspricht, wird sie damit nicht zum Götzen?

Wiedereinmal wird das Dogma von der Unfehlbarkeit der Bibel unkritisch mit dem richtigen christlichen Glauben an Jesus von Nazareth gleichgesetzt und eine „göttliche Autorität der Bibel“ verteidigt. – Woher kommt es, dass so viele Christen mit Eifer eine Lehre verteidigen, die sich noch nicht einmal in dem Buch findet, für dessen Autorität sie sich einsetzen?

 

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Altarbibel auf einem lutherischen Altar; von Leon Brooks [Public domain], via Wikimedia Commons
 

 

Was ist „biblisch“? Und was „unbiblisch“?

Biblisch“ im engeren Sinne wäre einfach etwas, das zur Bibel gehört oder mit ihr zu tun hat. So könnte man z. B. sagen, dass Matthäus-Evangelium ist ein biblischer Text, weil es ja zur Bibel gehört. Es würde hingegen wegen Sinn machen zu sagen „Kriege sind biblisch“, nur weil Kriege in der Bibel vorkommen. Eher könnte man denken, dass Kriege unbiblisch sind, da es ja in der Bibel heißt: „Du sollst nicht töten!“

Wenn man anfängt, so zu denken, hat schon eine Bedeutungsverschiebung stattgefunden. Es geht nicht mehr nur darum, ob etwas sachlich mit dem Buch der Bibel zu tun hat, sondern hier wird die Bibel schon als ein Maßstab, also normativ verwendet, für Denken und Handeln.

Das Wort „unbiblisch“ ist auch nicht der genaue Gegensatz zum Begriff „biblisch“, denn es würde z. B . komisch klingen zu sagen, Goethes Zauberlehrling wäre unbiblisch, weil der Text nicht in der Bibel steht (zumindest für meine Ohren). Hingegen könnte man durchaus sagen, dass der Zauberlehrling kein biblischer Text ist.

 

„Als Bibel (altgriechisch βιβλία biblia ‚Bücher‘; daher auch Buch der Bücher) bezeichnet man eine Schriftensammlung, die im Judentum und Christentum als Heilige Schrift mit normativem Anspruch für die ganze Religionsausübung gilt.“

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(Wikipedia)

 

Hat Wikipedia mal wieder recht?

 

Unser Bedürfnis nach Orientierung und die biblischen Texte

Unausgesprochen transportiert das Wort „biblisch“ oft, wenn es gebraucht wird, die Vorstellung, dass man Gottes Offenbarung oder seine Anweisungen für unser Leben eindeutig aus der Bibel ableiten kann. Nicht nur die Bibel selbst soll fehlerfrei sein, sondern auch die Art und Weise, wie wir sie anwenden.

Es würde z. B. keinen Sinn machen zu behaupten, Alkohol trinken sei unbiblisch, wenn es widersprüchliche Aussagen dazu in der Bibel gäbe oder man dies nicht  ein – deutig von ihr ableiten könnte.

Jeder, der sich nur ein bisschen mit dem Christentum beschäftigt hat, weiß, dass es u.a. die unterschiedliche Interpretation der biblischen Texte ist, die zu einer unüberschaubaren Vielzahl von christlichen Kirchen und Gruppen geführt hat. Es drängen sich alleine schon deshalb die Fragen auf:

Sprechen überhaupt alle biblischen Texte deutlich mit  einer  Stimme? Oder begegnet uns in den biblischen Texte eine Vielfalt an unterschiedlichen Stimmen, Perspektiven und Meinungen?

 

„Für die Unverheirateten hat mir der Herr keine ausdrückliche Anweisung gegeben. Aber weil der Herr mich in seiner Gnade zum Dienst berufen hat, sind meine Worte vertrauenswürdig. Darum möchte ich euch meine Meinung sagen…
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Dies ist kein Befehl, sondern meine Meinung, doch ich habe schließlich auch Gottes Geist empfangen.“

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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 7,25-40; Neues Testament)

 

Wie interpretiert man die Bibel richtig ?  Und wie lässt sich prüfen, ob etwas richtig interpretiert worden ist?

 

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Mose, von José de Ribera via Wikimedia Commons – public domain

 

Heilige Texte im Judentum

Mich erinnern diese Überlegungen an die schier unglaubliche Fülle an Regeln für die Anwendung der Tora (5. Bücher Mose), wie wir sie im Rabbinischen Judentum finden. Wer schon einmal vor einer ungekürzten (!) Ausgabe des Talmud stand, weiß wovon ich rede.

In den Evangelien lesen wir, wie Jesus selbst sich mit dieser jüdischen Tradition auseinandersetzt. (Der Talmud selbst hat so zu Jesu Zeiten noch nicht existiert, aber ein Teil davon, in mündlicher Überlieferung.)

 

Ihr Heuchler! Wie recht hat Jesaja, wenn er von euch schreibt:
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‚Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber mit dem Herzen sind sie nicht dabei. Ihre Frömmigkeit ist wertlos, weil sie ihre menschlichen Gesetze als meine Gebote ausgegeben haben.'“

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(Matthäus-Evangelium 15,7-9; Neues Testament)

 

Hat sich nicht zwischen der Frömmigkeit, die Jesus gelehrt und vorgelebt hat, und der rabbinischen jüdischen Frömmigkeit des 1. Jahrhunderts deutlich etwas verändert?

 

„… der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. “

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(Paulus im zweiten Brief an die Christen in Korinth 3,6; Neues Testament)

 

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von Fra Angelico (circa 1395–1455) via Wikimedia Commons – public domain

 

Einfach Jesus

Inhalt, Qualität und Vielfalt der biblischen Texte inspirieren mich. Vor allem aber sind es das Leben und die Lehre Jesu, die mich gepackt haben (und auch von Paulus bin ich begeistert).

 

„Darum lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir…“

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(Paulus im Brief an die Christen in Galatien 2,20)

 

Die neutestamentlichen Texte sind die besten Zeugnisse über Jesus, die wir haben. Deshalb sind sie auch so wichtig.  Es geht beim christlichen Glauben in erster Linie um einen  Menschen,  Jesus von Nazareth  (von dem wir glauben, dass er der Messias Gottes, der Christus, ist), und um Menschlichkeit und Liebe (und nicht um Texte und deren Anwendung). Alle anderen Fragen sind zweitrangig. – Wir nennen uns ja auch nicht „Biblianer“ oder „Biblizisten“, sondern Christen.

 

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Benedikt von Nursia; Foto von Gerd A.T. Müller, via Wikimedia Commons – GNU-FDL, https://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:GNU_Free_Documentation_License,_version_1.2

 

schein-heilig

Wenn Menschen die Bibel als heiliges Buch kaufen, lesen und benutzen, haben sie die Aufmerksamkeit auf Texte gerichtet und nicht mehr auf den Geist und das Heilige, auf das die Texte ja eigentlich selbst verweisen. Man verehrt ein Buch und beschäftigt sich mit Texten.

Ist dies der beste Weg sich für den Geist zu öffnen, aus dem heraus die Texte entstanden sind? – Eine der größten Gefahren für Christen sind Ablenkungen und Versuchungen; und über Texte kann man ja auch viel leichter verfügen und sie als Machtinstrumente benutzen…

Was sind das für Menschen, die unbedingt ein heiliges Buch besitzen wollen? Wer braucht eindeutige Aussagen, klare Ansagen und feste Regeln? Was sagt dieses Bedürfnis aus über ihre Persönlichkeit?

Wer innere Festigkeit besitzt und geistlich erfahren ist, kann sich auch dem Chaos und Herausforderungen des Lebens eher stellen.

 

„Wer nun auf das hört, was ich gesagt habe, und danach handelt, der ist klug. Man kann ihn mit einem Mann vergleichen, der sein Haus auf felsigen Grund baut. Wenn ein Wolkenbruch niedergeht, das Hochwasser steigt und der Sturm am Haus rüttelt, wird es trotzdem nicht einstürzen, weil es auf Felsengrund gebaut ist …“

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(Jesus am Ende der Bergpredigt, Matthäus-Evangelium 7,24-25)

 

„Gut gemeint“?

Das ist eine Entschuldigung, die oft gebracht wird:

„Aber es ist doch gut gemeint!“

Wie gut kann etwas gemeint sein, wenn ich versuche meine Überzeugung anderen aufzuzwingen und meine Meinungen durchzusetzen? Mit wem meint man es da gut? Mit sich selbst und seines Gleichen?

 

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Petersplatz im Morgengrauen, mit Petersdom (Vatikan), Foto von Islandoftrees via Wikimedia Commons – CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

 

Christen, die nicht in der Lage sind, sich selbst und ihre Überzeugungen kritisch zu hinterfragen, stehen in der Gefahr der Sache Gottes trotz ihres Eifers einen echten Bärendienst zu erweisen.

 

„Denn an Eifer für Gottes Sache fehlt es ihnen nicht; das kann ich bezeugen. Was ihnen fehlt, ist die richtige Erkenntnis.“

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(Paulus im Brief an die Christen in Rom 10,2)

 

Einander dienen

Wir haben nicht den Auftrag, einander den Kopf zu waschen, sondern die Füße.

Aber mache ich das nicht auch gerade? Versuche anderen Christen „den Kopf zu waschen“?

 

„Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Denn ein Beispiel habe ich euch gegeben …“

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(Johannes-Evangelium 13,14-15; Neues Testament)

 

Ich erwarte nicht, dass all die Bibel-Ideologen von heut auf morgen ihre Überzeugung ändern. – Religion ist eine komplexe Angelegenheit. – Aber ich würde mir wünschen, dass sie vorsichtiger in ihrem Auftreten, mit ihren Ansprüchen und Formulierungen wären, und deutlich machen, dass sie für sich selbst persönliche Glaubensentscheidungen getroffen haben, wo andere Christen anders entscheiden. Ich hoffe, es wird auch durch diesen Artikel deutlich, dass es Christen gibt, die Bibel-Ideologie ablehnen.

Für die eigene Meinung göttliche Autorität zu beanspruchen ist eine gewagte Angelegenheit, für die man dann auch die Verantwortung übernehmen muss. Oft werden Menschen nachdenklicher und vorsichtiger, wenn sie Menschen besser kennenlernen, die auch tiefe religiöse Überzeugungen haben – aber andere.

 

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von Tinette (Nutzer der Italienischen Wikipedia) via Wikimedia Commons – GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

 

rechthaberisch

Es ist not-wendig, dass wir uns von einer unsäglichen Kultur der Rechthaberei (nicht gerade eine der christlichen Tugenden) distanzieren, um uns einen frischen, heilsamen Zugang zu den biblischen Texten zu erarbeiten. Ein enges Bibelverständnis nur zu kritisieren ist allerdings etwas unbefriedigend, wenn man nicht auch Wege aufzeigt, wie die biblischen Texte heute noch Licht in unsere Dunkelheit bringen können.

Ein leidenschaftliches Engagement für die Wahrheit der Bibel mag gut gemeint sein, aber das alleine verhindert leider nicht, dass wir mit der Bibel Menschen schaden. Gute Absichten alleine sind nicht ausreichend, sondern wir müssen auch verstehen, und brauchen eine Kultur der kritischen Distanz zur eigenen Überzeugung.

 

„Nehmt vielmehr bereitwillig Gottes Botschaft an, die er wie ein Samenkorn in euch gelegt hat. Sie hat die Kraft, euch zu retten.

Allerdings genügt es nicht, seine Botschaft nur anzuhören; ihr müsst auch danach handeln. Alles andere ist Selbstbetrug!

Wer Gottes Botschaft nur hört, sie aber nicht in die Tat umsetzt, dem geht es wie einem Mann, der in den Spiegel schaut. Er betrachtet sich, geht wieder weg und hat auch schon vergessen, wie er aussieht.

Ganz anders ist es dagegen mit dem, der nicht nur hört und es dann wieder vergisst, sondern auch danach handelt. Er beschäftigt sich gründlich mit Gottes vollkommenem Gesetz, das uns durch Christus gegeben ist und uns frei macht.“

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(Jakobusbrief 1,21-25)

[ Mit „Gottes vollkommenem Gesetz“ ist hier offensichtlich nicht die Bibel gemeint.  😉 ]

 

Abschied

Wir brauchen Mut, um liebgewonnene Traditionen aufzugeben oder sie zumindest erst einmal in Frage zu stellen. Ich kann die Sorge um den Verlust wichtiger Werte verstehen.

Aber ist es intellektuell redlich, wenn man an einem Konzept festhält und es verkündigt, nur weil man keine Alternative dazu sieht? – Man sollte nicht eine Erklärung als die Wahrheit verkaufen, nur weil man für sich selbst noch keine andere Erklärung gefunden hat.

Oft habe ich die Aussage gehört, dass wenn man an der Autorität der Bibel rüttelt, am Ende gar nichts mehr übrig bleibt. – Ich hoffe, dass ihr auf meinem Blog genug Belege dafür findet, dass dies nicht der Fall ist.

 

[Dies ist die neuere Überarbeitung eines älteren Artikels, welchen ihr mit Kommentaren hier findet.]

 

ökumenisch Bibel lesen

 

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By Friedrich Meier-Vermeersch (Eigenes Werk) [CC0], via Wikimedia Commons
 

 

Viele Christen sehnen sich, nach einer innigeren Verbundenheit und größeren Einigkeit in der Christenheit.

 

Alle, die zum Glauben an Jesus gefunden hatten, waren ein Herz und eine Seele. Niemand betrachtete sein Eigentum als privaten Besitz, sondern alles gehörte ihnen gemeinsam.

(Die Bibel, Neues Testament, Die Apostelgeschichte, 4. Kapitel, Vers 32)

 

Die Christenheit hat manchmal ein schlechtes Image, und das liegt u.a. an ihrer Zerstrittenheit. Das Problem ist nicht, dass es verschiedene christliche Traditionen gibt. Das Problem ist, dass sich Christen bewusst von einander abgrenzen.

Im Ortsteil von Berlin, wo ich wohne, gibt es mindestens vier verschiedene christliche Gemeinden, die mehr oder weniger ihr eigenes Ding machen. Der wesentliche Grund dafür ist, dass die Menschen, die dort hingehen, sich einbinden in Traditionen und Strukturen, die sich von einander abgrenzen. „Christliche“ Glaubensbekenntnisse dienen oft dazu, sich von den „falschen Christen“ zu distanzieren.

Ich bin aufgewachsen in einer kleinen exklusiven Freikirche („Gemeinde Christi“), wo manche glaubten, dass sie die einzig wahren Christen sind, weil sie biblischer sind als alle anderen. Ein „unbiblischer Christ“ ist nach dieser Logik gar kein Christ, und man erhält so eine „künstliche“ Einheit von Christen, die alle dieselbe Meinung haben.

 

 »Ich versichere dir«, entgegnete Jesus, »nur wer durch Wasser und durch Gottes Geist neu geboren wird, kann in Gottes Reich kommen! Ein Mensch kann immer nur menschliches Leben hervorbringen. Wer aber durch Gottes Geist geboren wird, bekommt neues Leben.«
(Neues Testament, Johannes-Evangelium 3,5-6)

 

EIN  LEIB

Die Gemeinschaft der Christen, der Leib Jesu (Epheser 4,4), ist nicht etwas, das wir Christen schaffen und verwalten können, sondern sie ist eine neue Schöpfung Gottes. Die biblischen Texte sind etwas Gemeinsames, das uns verbindet. Aber der eigentliche Grund für unsere Verbundenheit ist nicht ein einheitliches Bibelverständnis.

Viele Veränderungen reifen in unserem Kopf heran. Unsere Wahrnehmung und unser Denken verändern sich, und wir haben dann die Chance, dass sich auch unser Verhalten und die Wirklichkeit verändern.

Wir leben in einer Zeit, wo wir besser als je zuvor verstehen, das Alles mit Allem zusammenhängt. Quantenphysik und Ökosysteme sind dazu nur zwei Stichworte. Dieses neue Bewusstsein trifft in besonderer und tiefer Weise auch auf die Christenheit zu. Wir SIND als Christen ein Organismus, und alles, was die Verbundenheit zwischen Christen stört oder sie von einander trennt, beschädigt diesen Organismus.

Wenn alle Christen die Christenheit als Organismus wahrnehmen und denken lernen, besteht die Chance, dass wir auch praktisch im Alltag immer enger und tiefer mit einander verbunden leben.

 

öKuBi

Dies könnte eine niedliche Abkürzung für eine schöne Sache sein: „Ökumenischer Bibelkreis“. Vielleicht an manchen Orten ein erster Schritt zu einer besseren Christenheit.

Mehr als 6.000 Suchergebnisse für „Ökumenischer Bibelkreis“ in meiner Ecosia-Suchmaschine (die, die Bäume pflanzt). Viele solche Gruppen gibt es offensichtlich schon!

Leider habe ich noch keine zentrale Webseite gesehen, wo es mehr Informationen oder Austausch dazu gäbe. – Wäre es nicht toll, wenn alle, die sich dafür interessieren oder über Erfahrungen austauschen möchten, ein Internet-Portal dafür hätten? Wäre das nicht ein sinnvoller Beitrag für die Ökumene im deutschsprachigen Raum? (Vielleicht sogar mehrsprachig?)

Der Begriff erklärt sich fast von selbst. Es geht um Menschen verschiedener christlicher Traditionen (eben „ökumenisch“), die zusammenkommen, um in der  Bibel zu lesen und darüber zu sprechen. Man muss sich nicht darüber streiten, welche Bibelausgabe man benutzen sollte. Jeder nimmt einfach die Bibel, die er/sie gerne liest, und man tauscht sich aus. Vielfalt schafft unterschiedliche Perspektiven und Bereicherung.

Warum machen Menschen so etwas?

Weiß ich nicht. Ich hab noch keinen gefragt. Ich wünschte, ich hätte schon die Zeit gefunden, mir so etwas einmal persönlich anzuschauen. Jede Gruppe ist natürlich immer nur so gut wie die Menschen, die grad da sind. Ökubi’s sind ganz bestimmt nicht alle gleich.

Ein paar Ideen hätte ich schon, warum so etwas sinnvoll sein kann:

Wenn Christen sich immer nur im Rahmen ihrer eigenen Gruppe und Tradition bewegen, ist der Horizont doch stark begegrenzt. „Ökumenisch“ erweitert den Horizont! Anhänger Jesu sollten sich sowieso für einander und das GEMEINSAME interessieren – egal wo und wie sie zum Glauben gefunden haben. So eine „gemischte“ Gruppe erfordert natürlich Respekt für die Tradition und Glaubenserfahrungen des anderen. (Sollte man ja aber eigentlich sowieso haben. Gerade als Christ!)

Ein zweiter Punkt (der offensichtlich mit dem ersten zusammenhängt) ist das Finden des Wesentlichen am christlichen Glauben. Schon zur Zeit Jesu gab es eine Vielzahl von Texten, Traditionen und religiösen Gruppen im Judentum. Jetzt, nach 2000 Jahren Christentum, ist die Fülle an „Christlichem“ schier unüberschaubar. Es ist unbedingt notwendig zu fragen: Was wollte Jesus von Nazareth eigentlich? Und was hat das mit uns heute zu tun?

Ziel kann auch kaum die Ökumene um jeden Preis sein. Selbst wenn es christliche Kirchen schaffen sollten, sich zu vereinigen, ist damit noch nicht garantiert, dass am Ende auch etwas Gutes dabei herausgekommen ist. Wir brauchen unbedingt ein klares Verständnis von dem, was eigentlich „christlich“ ist!

 

GEFAHREN

Es gibt grundsätzliche Probleme bzgl. ökumenischen Bibelkreisen:

  1.   Die Bibel ist ein dickes Buch. Wie entscheidet man, was man liest? Wo fängt man an?
  2.  Der Teufel steckt im Detail. Man kann sich mit biblischen Detailfragen beschäftigen, bis man schwarz wird. Hat da jemand was davon?
  3.  Die Bibel ist eine Sammlung antiker Schriften. Wenn wir die Bibel lesen, blicken wir zurück in eine längst vergangene Zeit. Es geht aber darum, etwas für heute zu lernen. Wenn man den Blick nicht nach vorne richtet, bleibt man im Alten verhaftet.
  4.  Es ist der Geist, der Leben schafft. Texte sind begrenzte Hilfsmittel – auch heilige Texte. Wir brauchen die Öffnung für und das Streben nach den unbegrenzten Möglichkeiten Gottes. Wo der Geist ist, da ist Freiheit.
  5. Bibelstudium ist nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. (2. Timotheus 3,16-17)
  6.  Es kommt auf die Wirkung an. Gottes Geist hat bestimmte Wirkungen (Galater 5,22-23). Können die Teilnehmer eines Bibelkreises spüren, dass das gemeinsame Bibellesen diese Wirkungen bei ihnen hat? Können die anderen Teilnehmer der Gruppe wahrnehmen, dass der Einzelne sich zum Positiven verändert?
  7.  Es kommt auf die Liebe an (1. Korinther 13). Lieblos ist auch die Bibel für die Katz.

Hat jemand von euch schon persönliche Erfahrungen mit ökumenischen Bibelkreisen?

 

[Dies ist die Überarbeitung eines älteren Posts. Den älteren Post mit Kommentar findet ihr hier.]

 

Was ist mit den Teenagern los?

 

Tennager in Moskau
Teenager in Moskau, von Alagich Katya [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)%5D, via Wikimedia Commons
 

 

Sorgt sich unsere Gesellschaft um ihre Jugend? Besteht Anlass zur Sorge? Wer oder was beeinflusst und prägt die Jugendlichen, und welche Interessengruppen versuchen, sie an sich zu binden?

 

Wer die Jugend hat, hat die Zukunft.

Napoléon Bonaparte

 

Wenn wir zurückblicken in unsere deutsche Geschichte, finden wir schnell Beispiele für die gezielte Beeinflussung der Jugend (Nationalsozialismus, DDR, …). Es muss auch nicht die gesamte Jugend sein, die erreicht und überzeugt wird. Eine ausreichende Zahl, eine kritische Masse, ist genug. Ein nachhaltiges System der Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen dient der Stabilisierung einer Bewegung, einer Organisation oder eines Systems.

Darüber hinaus hat die Erziehung von Kindern und Jugendlichen natürlich auch einfach die Aufgabe, das Fortbestehen und Wohlergehen der eigenen Familie oder Gruppe zu sichern. Früher war diese Erziehungsaufgabe noch gleichförmiger. Durch den beschleunigten historischen Wandel in den vergangenen beiden Jahrhunderten (gesteigerte Produktivität, Industrialisierung, moderne Wissenschaft, technische Neuerungen, …) ist es heute allerdings gar nicht mehr so leicht zu sagen, was eine gute Erziehung ist. Auf was für eine Zukunft sollen wir die Kinder und Jugendlichen denn vorbereiten? Und vor welchen Gefahren müssen wir sie ständig beschützen?

Wenn es nicht gelingt, Jugendliche dafür zu gewinnen, sich auf positive Weise in die Gesellschaft miteinzubringen und für ein nachhaltiges Gemeinwohl der Menschheit zu sorgen, so wird es genug Interessengruppen geben, die mehr als bereit sind, Geld, Kraft und Zeit von Jugendlichen für ihre eigenen Zwecke zu gebrauchen. Jugendliche sind eine wichtige Konsumentengruppe und potentielle Mitarbeiter und Unterstützer für alles Mögliche.

Welche Rolle spielt der christliche Glaube in diesem Zusammenhang? Gibt es ein spezielles Interesse des Christentums an der Jugend? Vielleicht sogar eine Art christliche Theologie für junge Leute?

Religion im Allgemeinen und der christliche Glaube im Besonderen haben kulturgeschichtlich eine gewaltige Bedeutung für die Erziehung, auch wenn diese nicht immer positiv war und ist. Glaube kann helfen, Leben zu deuten und sich in ihm zurechtzufinden. Wir glauben ja sowieso alle etwas, auch wenn unser Glaube nicht immer eine religiöse Gestalt hat. Religion hat den Vorteil, dass die Tradition einer religiösen Gemeinschaft die individuelle Prägung durch die Eltern relativieren und so vor den immer vorhandenen Macken und Einseitigkeiten schützen kann. Sie erweitert das Familienleben, gibt einen weiten Horizont.

Im Gegensatz zum Judentum, wo Religion doch sehr eine ethnische Angelegenheit ist, ist das Christentum nicht die Religion eines bestimmten Volkes. Man wird auch nicht Christ durch die Geburt, sondern dadurch, dass man irgendwann, wenn man von der Wahrheit des christlichen Glaubens überzeugt worden ist, die Entscheidung trifft, mit Jesus zu leben. Wie sollte oder kann eine Erziehung aussehen, die Jugendliche zu diesem Glauben führt?

Ein klassischer Bibelvers zur Jugend dürfte wohl dieser sein:

 

Niemand verachte dich wegen deiner Jugend; du aber sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Glauben, in der Reinheit.

(Neues Testament, 1. Brief des Paulus an Timotheus, 4. Kapitel, Vers 12)

 

Auch Kinder und Jugendliche tragen Verantwortung, und mit wachsenden Fähigkeiten und größer werdender Freiheit wächst diese mit. Ich denke, es ist gut, sie schon früh an das bewusste Übernehmen von Verantwortung heranzuführen. Dies eröffnet die Möglichkeit, Potential zu entfalten und Persönlichkeit und Charakter zu formen. Manche Kinder werden künstlich klein gehalten, indem die Eltern und andere Menschen im Leben der Kinder viele Aufgaben übernehmen.

Übernehmen von Verantwortung setzt die Fähigkeit eigenverantwortlichen Denkens und Handelns voraus. Diese Fähigkeit zu fördern, ist eine der wichtigsten erzieherischen Aufgaben. Bei einer christlichen Erziehung betrifft dies dann auch den Glauben:

Erziehung zu einem mündigen Glauben.

Jugendliche sind Teil einer Kultur, die das gesamte zukünftige gesellschaftliche Leben beeinflussen wird. Deswegen ist es sehr wichtig, dass die Jugend auch eine Stimme hat, die gehört wird – auch in den Kirchen und Gemeinden. Wir brauchen engagierte Jugendliche, die sprachfähig und kreativ sind, um ihrer Stimme Gehör zu verschaffen, und wir brauchen eine Kultur, die solche Jugendliche hervorbringt.

Teenager. Kein Kind mehr, aber auch noch nicht ganz erwachsen. Ein Vorrecht und eine wichtige Aufgabe der Jugend ist zu hinterfragen. Das Leben muss dahingehend abgeklopft werden herauszufinden, was zukunftstauglich ist. Ein Glaube und Traditionen, die Jugendliche nicht mehr erreichen, werden wohl bald in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

Was ist mit den Teenagern los?

Diese Frage können wohl am besten die Teenager selbst beantworten. Und wir täten gut daran, hinzuhören …