An die Kinder in uns …

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„Lasst doch die Kinder zu mir kommen, und hindert sie nicht daran! Gottes Reich ist ja gerade für solche wie sie bestimmt.“ (Markus 10,14) – Gemälde von Carl Heinrich Bloch, 19. Jahrhundert, via Wikimedia Commons, public domain

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„Meine lieben Kinder, ich schreibe euch diese Dinge, damit …“

(2. Kapitel des ersten Johannesbriefes – Bibel, Neues Testament)

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Der Verfasser des ersten Johannesbriefes spricht seine Leser*innen häufig mit „Kinder“ an. Dies ist ein typisches Kennzeichen der drei Johannesbriefe, die wir im Neuen Testament der Bibel finden.

Ist es nicht demütigend als „Kind“ bezeichnet zu werden?

Es heißt „die Wahrheit wird euch frei machen“ … – aber zunächst kränkt sie uns. Wenn wir erkennen, wo wir noch unreif sind und unsere Macken haben, ist dies in der Regel nicht nur ein angenehmes Gefühl …

Wir haben schon in der Kindheit alle eine gewisse Einseitigkeit ausgebildet, um mit den Herausforderungen der Wirklichkeit besser klar zu kommen. Einiges davon schadet uns selbst und anderen. Manche erkennen dies, wenn sie vom Alter her so ungefähr in der „Lebensmitte“ angekommen sind und manches nicht mehr so gut funktioniert oder so viel Spaß macht wie früher.

Es wäre gut, wenn wir unser Bewusstsein erweitern würden und gemeinsam in einen Ausgleich unserer Einseitigkeiten hineinwachsen würden: Schalom, Einfügen, Gleichgewicht finden, Einseitigkeiten ausbalancieren, Schattenarbeit, Heilung der Welt. Ganzheitliche, systemische Entfaltung anstatt individualistischer Selbstoptimierung. Wir brauchen die Verbindung zu anderen Menschen und gemeinsames Leben, um als Menschen unser Potential entfalten zu können.

Gelingt es uns, das Kindliche in uns und in anderen zu erkennen? Es anzusprechen und einzuladen, erwachsen zu werden?

Auf meiner Leseliste steht das Buch „Das Kind in dir muss Heimat finden“ von Stefanie Stahl. Allein schon der Titel des Buches berührt eine Sehnsucht in mir: Heimat finden, Ankommen, Zuhausesein.

Hat jemand von euch schon das Buch gelesen? Habt ihr Eindrücke dazu?

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„Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unsern Augen, was wir betrachtet haben und unsre Hände betastet haben, vom Wort des Lebens … – und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, das beim Vater war und uns erschienen ist …

Liebe Kinder, ich schreibe euch, dass euch die Sünden vergeben sind …“

(1. Johannesbrief)

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„Ich mach dir Platz!“

Paternoster Square in London – gren, Public domain, via Wikimedia Commons

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Platz machen, kann jemand, der Raum hat …

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„Es soll kein Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder. Steht dir nicht alles Land offen? …“

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(Bibel/Tanach, 1. Mose / Genesis / Bereschith, 13. Kapitel, Verse 8-9)

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Die Zukunft liegt vor uns, wie ein weites Land. Und gleichzeitig wird es eng auf unserem Planeten. Ressourcen werden knapp …

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„Wer an mich glaubt, wird erfahren, was die Heilige Schrift sagt: ‚Von seinem Inneren wird Leben spendendes Wasser ausgehen wie ein starker Strom …“

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(Jesus im Johannes-Evangelium, Bibel, Neues Testament, 7,38)

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Innere Freiheit. Ein weites Herz. Innerer Reichtum beschenkt andere Menschen …

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„Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge …“

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(Weihnachtsgeschichte, Lukas-Evangelium, Neues Testament, 2,7)

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(Kein) Platz für Gott. Raum schaffen. Orte, wo wir Gott begegnen …

Freiheit. Spielraum. Lebensraum. Möglichkeiten …

Raum schaffen. Platz im Kopf, im Herzen …

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„Der Platz in unserem Herzen ist euch sicher, auch wenn ihr euch uns gegenüber verschlossen habt. Ich rede zu euch wie ein Vater zu seinen Kindern. Schenkt mir doch dasselbe Vertrauen, das ich euch entgegenbringe, und öffnet mir eure Herzen!“

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( Paulus in seinem zweiten Brief an die Christen in Korinth, 6,12-13

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Heimat.

Zuhause.

Die Tür steht offen … Komm doch rein! …

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Heimat

Am Anfang formte Gott die Erde. Er machte sie rund und schön. Er schuf Samen und warf ihn in den Wind. Und bald umhüllte ein schillernder grüner Mantel das Angesicht der Erde.

Dann formte er Fische und warf sie ins Meer, und sprach:

„Macht euch ein Zuhause!“

Und die Fische schwammen zu den Korallenriffen und in die Abgründe des Meeres und machten sich ein Zuhause in den Weiten der Ozeane.

Dann formte Gott die Vögel und warf sie in den Himmel, und sprach:

„Macht euch ein Zuhause!“

Und die Vögel breiteten ihre Schwingen aus und flogen über die Meere und flatterten auf die Berge, und bauten sich Nester in den Wipfel der Bäume und hoch auf den Gipfeln der Berge.

Dann formte Gott große Tiere mit Hufen und schickte sie in die Weite der Steppe, und sprach:

„Macht euch ein Zuhause!“

Und die großen Tiere stampften los, durchzogen die Steppe und machten sich ein Zuhause auf den Wiesen und in den Wäldern der Welt.

Dann formte Gott den Menschen und hauchte seinen Atem in dessen Nase. Da öffnete der Mensch seine Augen und blickte in das gütige Gesicht Gottes. Da lachte Gott, stellte den Menschen auf seine Füße und gab ihm einen Klaps auf seinen Po, und sprach:

„Mach dir ein Zuhause!“

Und der Mensch lief los und schwamm über die Meere der Erde und sah die Wale und Seeungeheuer. Und er lief durch die Steppen und die Wiesen und Wälder der Erde und sah Rinder und Rehe. Er kletterte sogar hoch auf die Berge und fand die Nester der Adler.

Da bemerkte der Mensch, dass er müde geworden war und schloss die Augen. Und als er sie wieder öffnete, machte er sich auf den Weg zurück zu Gott.

Und Gott sprach zum Menschen:

„Warum bist du wieder zurückgekommen?“

Da sprach der Mensch:

„Ich schwamm über alle Meere deiner Erde und sah all die Meerestiere, die du geschaffen hast. Und ich lief durch alle Landschaften deiner Welt und sah all die Landtiere, die du geschaffen hast. Und ich stieg sogar hinauf auf die Gipfel der Berge und fand die Nester der Adler. Dann merkte ich, dass ich müde geworden war und schloss die Augen. Und in meinem Geist sah ich dein Lächeln und hörte deine sanfte Stimme…“