Endlich: Die Gebrauchsanweisung zur Bibel!

Ich hatte vor einer Weile die Idee zu einem Buch, werde aber wahrscheinlich in absehbarer Zeit nicht dazu kommen, es zu schreiben. Auch wäre es sicherlich besser, wenn ich es nicht alleine schreibe. – Um so zu schreiben, dass möglichst alle Menschen es gerne und mit Gewinn lesen könnten, müsste man schon ein genialer Schriftsteller sein, der ich vermutlich nicht bin. 😉

Ich habe den Eindruck, dass ein schlechter Umgang mit den biblischen Texten ein zentrales Problem des Christentums ist, und dieses Buch sollte da helfen.

Das Buch soll ein Paukenschlag sein. [BÄM!] Wer es gelesen hat, kann die biblischen Texte danach nicht mehr so benutzen wie davor. (Es sei denn, sie/er hat davor schon alles richtig gemacht.) Das ist die Idee. Die persönliche und öffentliche Wahrnehmung der Bibel soll sich verändern.

Der Text ist z.T. stichpunktartig und mangelhaft und noch längst nicht vollständig, aber ich glaube, ihr werdet schnell einen Eindruck bekommen, worum es geht.

Na, hat jemand Zeit & Lust? – Vielleicht greift sich ja einfach jemand die Idee und macht daraus ein geniales Buch… (Bitte diesen Beitrag teilen!!)

Die Gebrauchsanweisung zur Bibel (Cover2)

 

Echt jetzt?

Eine „Gebrauchsanweisung zur Bibel“?

Von einem „Christian Schmill“? – Wer ist denn das überhaupt…

Müsste so ein Text nicht mindestens von einem Papst oder jemand in vergleichbarer Anstellung kommen?

 

Herzlichen Glückwunsch!

Sie haben ein einzigartiges Produkt erworben: DIE BIBEL. In Europa und in vielen anderen Teilen der Welt gibt es kein zweites Buch, das auch nur annähernd dieselbe Bedeutung für Geschichte und Kultur besitzt.

Auch wenn in vielen Kirchengebäuden mehr Gesangbücher als Bibeln vorhanden sind, so ist dennoch die Bibel auch das herausragende Buch der Christenheit. (In manchen Gemeinden ist dies auch optisch leicht durch die Präsenz einer Altarbibel auf der Bühne zu erkennen.) Leider scheinen viele Christen die BIBEL mehr zu verehren, als sie zu lesen. – Schade!

Damit Sie auch auf Dauer Freude durch dieses Produkt haben, beachten Sie bitte die folgenden Hinweise:


„Ihr Christen habt in eurer Obhut ein Dokument mit genug Dynamit in sich, die gesamte Zivilisation in Stücke zu blasen, die Welt auf den Kopf zu stellen, dieser kriegszerrissenen Welt Frieden zu bringen. Aber ihr geht damit so um, als ob es bloß ein Stück guter Literatur ist – sonst weiter nichts.“

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(Mahatma Gandhi)


Vergriffen!

Es tut uns leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass das eigentliche Produkt zur Zeit leider vergriffen ist.

Genauer gesagt:  Es existiert nicht mehr.  (Was Sie erhalten haben ist sozusagen ein „Ersatzprodukt“.)

Noch genauer gesagt:  Es hat nie existiert.

Es ist kompliziert…

(Im Abschnitt „Die Entstehung eines heiligen Buches“ weiter unten werden wir auf diese Problematik genauer eingehen.)

Doch zunächst einmal möchten wir Ihnen zum Erwerb des Produkts, das Sie in den Händen halten, gratulieren und Sie mit dem von Ihnen erworbenen Produkt vertraut machen.


„Ich verdanke meine Erleuchtung ganz einfach der Lektüre eines Buches – und dieses Buch heißt kurzweg das Buch, die Bibel.“

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(Heinrich Heine)


Im Lieferumfang enthalten:

Das Produkt „BIBEL“ wird in einer großen Vielfalt an Modellen oder Versionen (im Folgenden einfach „Bibelausgaben“ genannt) vertrieben. Diese Universal-Gebrauchsanweisung ist für alle Bibelausgaben brauchbar.

Navigation

Altes und Neues Testament

Bibeln bestehen (mindestens) aus zwei großen Teilen: Dem ersten, größeren Teil, dem sogenannten „Alten Testament“, und dem zweiten, kleineren Teil, dem sogenannten „Neuen Testament“. Beide Teile enthalten wiederum viele Einzeltexte.

(Die Bezeichnung „Testament“ für die Teile der Bibel kam im Mittelalter in Gebrauch und bezieht sich jeweils auf einen „Bund“ = „Testament“, welchen Gott mit Menschen schließt.)


„… Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.“

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(Bibel, Neues Testament, erster Brief von Paulus an die Gemeinde in Korinth, 11. Kapitel, Vers 25)


Christliche oder jüdische Bibel?

Die Bezeichnung „Altes Testament“ (AT) ist eine christliche Bezeichnung für die jüdische Sammlung von Texten, welche den ersten, älteren Teil unserer Bibeln ausmacht.

Da „alt“ nicht so nett klingt (man denkt an „veraltet“ oder „gebraucht“), benutzen manche Christen anstelle von „Altes Testament“ lieber Bezeichnungen wie „Erster Teil der Bibel“, „jüdische Bibel“ oder „hebräische Bibel“. („Hebräisch“ ist hier eigentlich auch nicht ganz korrekt, da ein kleiner Teil des AT in Aramäisch verfasst worden ist. Außerdem kann es verwirren von „hebräischer Bibel“ zu sprechen, wenn man sie in einer anderen Sprache übersetzt liest.)

Juden benutzen für diese Sammlung ihrer Schriften den Ausdruck „Tanach“, „Tenach“ oder einfach TNK. Ein Kunstwort aus drei Buchstaben, welche für T = Tora, N = Neviim (Propheten) und K = Ketuvim (Schriften) stehen. Dies sind die drei Teile des Tanach.

Man könnte also auch sagen, dass unsere Bibeln nicht nur aus zwei Teilen, sondern aus vier Teilen bestehen:

  1. Tora (5 Bücher Mose / Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri, Deuteronomium)
  2. Propheten (Neviim)
  3. Schriften (Ketuvim)
  4. Neues Testament

Dabei ist allerdings zu beachten, dass in christlichen Bibeln die alttestamentlichen Texte in der Regel in einer anderen Reihenfolge stehen. Die Teile „Propheten“ (Neviim) und „Schriften“ (Ketuvim) sind nicht zwei getrennte Teile, sondern die einzelnen Texte dieser beiden Teile werden anders angeordnet, so dass die beiden Teile Propheten und Schriften des Tanach nicht mehr erkennbar sind. (Manche weisen zurecht darauf hin, dass wir uns als Christen noch mehr mit unseren jüdischen Wurzeln beschäftigen sollten.)

Kapitel und Verse

Die Bibeltexte wurden im Laufe der Geschichte oft – aus praktischen Gründen – mit einer Kapitel- und Vers-Einteilung versehen. Diese Kapitel- und Vers-Einteilungen stimmen in großem und ganzen überein – auch wenn es kleine Unterschiede zwischen manchen Bibelausgaben gibt.

Diese Einteilung erleichtert das Verweisen auf Bibeltexte. So ist z.B. „Lukas 2,1“ der erste Vers im zweiten Kapitel des Lukas-Evangeliums im Neuen Testament:

 

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde…“

.
(Beginn der „Weihnachtsgeschichte“)

 

Extras

Fast alle Bibelausgaben enthalten noch „Extras“. Damit sind die Teile einer Bibelausgabe gemeint, welche über die eigentlichen Einzeltexte des Alten und Neuen Testaments hinaus gehen. (Viele Bibelausgaben sind aufwendig gestaltete Produkte und das Ergebnis der Zusammenarbeit einer großen Zahl von Bibelwissenschaftlern über einen langen Zeitraum hinweg.)

Diese Extras stammen in der Regel nicht aus der Antike, sondern sind moderne Dinge, welche die Benutzung der Bibelausgaben verbessern sollen. Auch Ledereinband, Goldschnitt und beeindruckende Titel wie „Heilige Bibel“ oder „Heilige Schrift“ sind manchmal moderne Extras der Bibelmacher.

Die Extras sind sehr unterschiedlich. Dazu können gehören:

Kapitel- und Verzahlen

Bibliographische Angaben

Erscheinungsjahr, Auflage

Vorwort

Einleitung / Einleitungen

Inhaltsverzeichnis

Überschriften

Fußnoten / Anmerkungen / Kommentare

Befinden sich meist auf der einzelnen Seite unter dem Bibeltext.

Parallelstellen

Damit sind Verweise auf andere Bibelverse gemeint. Befinden sich entweder neben oder unter dem Text.

Karten

Fotos

Aufforderungen zur Bekehrung mit Übergabegebet.

Im Lieferumfang NICHT enthalten: Eine Kontrollfunktion

Viele Rätselhefte enthalten im Anhang die Auflösung – z.B. die Lösung des Kreuzworträtsels.

Bei Bibelversen hilft es manchmal sich ähnliche Verse (Parallelstellen) anzuschauen oder sich grundsätzlich eine gründliche Kenntnis der Bibel und ihrer Zeitgeschichte zu verschaffen. Es gibt allerdings grundsätzlich KEINE Funktion der Bibel um zu überprüfen, ob man einen Vers auch richtig verstanden hat. Wir können die Autoren leider nicht mehr befragen…

Bitte nehmen Sie es nicht persönlich!

Die Briefe im Neuen Testament waren nicht an Sie adressiert und auch kein einziges anderes Wort der Bibel wurde unmittelbar an Sie gerichtet.  (Sonst wären die Texte ja in Deutsch verfasst worden.) Auch wenn Sie sich angesprochen fühlen, bedeutet dies nicht, dass auch Sie gemeint waren. (Vielleicht meldet sich da z.B. manchmal auch einfach ein schlechtes Gewissen zu Wort?)

Bitte nehmen Sie es persönlich!

Die Texte wurden in erster Linie nicht geschrieben, um Menschen über Vergangenes zu informieren. Wenn Sie nach dem Lesen der Bibel nur mehr wissen, haben Sie das Entscheidende verpasst. Ein Grund, weshalb die biblischen Texte immer noch gelesen werden, ist, dass sie wirken.

Bibellesen leicht gemacht (Der Anfänger-Modus)

Kontemplatives Lesen

[…]

 

Genauer betrachtet (Der Fortgeschrittenen-Modus)

Biblische und allg. Hermeneutik, Literaturwissenschaft

[…]

 

Hebräisch, Aramäisch, Griechisch (Der Experten-Modus)

Eine Kopie ist nicht das Original, und eine Übersetzung ist etwas Anderes, als der Originaltext.

Die Spezialisten bei den Experten geben sich dabei nicht einmal mit den Urtext-Ausgaben wie der Biblia Hebraica oder dem Nestle-Aland-NT zufrieden, sondern beschäftigen sich mit den antiken Handschriften selbst, welche für die einzelnen Bibelverse jeweils zur Verfügung stehen.

[…]

 

Lesen mit Jesus-Spiritualität (Der Himmelreichs-Modus)

[…]

 

Über die Entstehung eines heiligen Buches

Was Menschen kaufen wollen, ist das heilige Buch „DIE BIBEL“. Was sie bekommen, ist eine „Bibelausgabe“ mit Übersetzungen von biblischen Texten. Dabei haben manche Bibelausgaben mehr Texte als andere.

Die biblischen Texte, welche übersetzt werden, stammen oft vom sogenannten „Urtext“. (Ein deutsches Wort, das es als Fachbegriff sogar in die englische Sprache geschafft hat!) Eine Urtext-Ausgabe, z.B. die BHS (Biblia Hebraica Stuttgartensia) oder das „Novum Testamentum Graece“ (Nestle-Aland), sind Rekonstruktionsversuche der vermuteten ursprünglichen Originaltexte durch sogenannte „Textkritker“.

Klingt kompliziert – ist aber verstehbar.  🙂


Der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.

.
(Paulus in der Bibel, Neues Testament, …


Wenn Menschen Bücher machen, wird es manchmal kompliziert; und wenn Texte älter werden, wird es meist schwieriger sie zu verstehen.

Die ganze Situation hat 3 Aspekte:

  1. Das Problem der Sammlung
  2. Das Problem der Übersetzung
  3. Das Problem der fehlenden Originale (Textkritik)

 

Über das Sammeln biblischer Texte

Das Wort „Bibel“ kommt vom griechischen „biblia“ = Bücher = Sammlung.

Zuerst waren es die Juden, die Texte sammelten. Die älteste Sammlung ist die Tora

Zur Zeit der ersten Christen und auch später dann bis heute gab es unterschiedliche Sammlungen von biblischen Texten. Auch im vierten Jahrhundert, als die ersten Bibeln hergestellt wurden, und bis heute gab es nie eine einheitliche Sammlung biblischer Texte, welche  alle  Christen benutzen. D.h. konkret, dass es Texte in manchen Bibeln gibt, die wir in anderen nicht finden.

Mit andern Worten:

Ein „Original“ der Bibel existiert nicht!

Es gab nie eine „Original-Bibel“, da die Bibel erst im 4. Jahrhundert geschaffen worden ist, als die Originale der Bibeltexte schon nicht mehr vorhanden waren. Manche biblischen Texte waren zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich schon deutlich älter als 1000 Jahre. Die Schriftrollen waren über all die Jahrhunderte immer wieder kopiert worden. […]

Man machte einfach Abschriften von den […]

Bei allem, das wir über die Überlieferung der biblischen Texte und die Entstehung der Bibel wissen, kann man davon ausgehen, dass es ein „Bibel-Original“ nie gegeben hat […]

Schon die allerersten Bibelausgaben die hergestellte wurden waren mangelhaft. Eine perfekte Original-Bibel hat es nie gegeben […]

Es ist denkbar, dass manche biblischen Texte schon immer in unterschiedlichen Versionen vorgelegen haben und dann auch parallel überliefert worden sind. Die Bibel ist nicht an einem einzigen Ort und nicht zu einem festen Zeitpunkt geschrieben worden, sondern dort, wo

[…]

Wir sind uns bewusst, dass dieser Umstand bedauerlich ist. Da er allerdings schon weit in der Vergangenheit liegt, ist er leider nicht mehr zu ändern.  😉

Andererseits ist dieser Umstand allerdings überhaupt nicht ungewöhnlich. Bei antiken Texte sind die Originale (mit Ausnahme von Inschriften in Stein und Ähnlichem) in der Regel schon lange nicht mehr vorhanden.

Die Entstehung der „Bibel-Idee“

Der Begriff „Bibel“ bezieht sich eigentlich auf eine Idee, und nicht auf ein Buch, das irgendwann einmal existiert hat. Die Idee ist die Zusammenstellung oder Sammlung von bestimmten antiken Texten. Zu dem Zeitpunkt, als solche Sammlungen als Bücher hergestellt wurden, gab es die Originaltexte schon nicht mehr und es konnten nur spätere Abschriften (bzw. die Übersetzungen von Abschriften) verwendet werden. Da allerdings die Abschriften nicht in allem übereinstimmen, sind sogenannte „Textkritiker“ bis heute damit beschäftigt, die Originale zu rekonstruieren. Unsere Bibelausgaben müssten also – zumindest theoretisch – immer besser werden.

Jede Bibelausgabe ist das Ergebnis der Zusammenarbeit vieler Menschen über einen sehr langen Zeitraum hinweg. […]

Bibelwissenschaft ist keine einfache Angelegenheit. Der Bibelleser merkt von all den Schwierigkeiten, mit denen sich Bibelwissenschaftler beschäftigen, in der Regel kaum etwas, da diese in Bibelausgaben in der Regel kaum noch erkennbar sind und manche Schwierigkeit zwecks Lesbarkeit „geglättet“ wird. Manchmal spielt auch das Interesse an der Pflege von Übersetzungs-Traditionen im Interesse der Liturgie etc. eine Rolle, wie bei den Revisionen der Lutherbibel im Deutschen oder der King-James-Bible im Englischen. […]

Die Vorstellung von einer christlichen „Heiligen Schrift“ im Sinne eines fehlerfreien Buches (vergleichbar der Idee vom Koran) ist ein „Kunstwerk“, ein Fantasieprodukt, eine Fiktion. Mit allem, was wir über die Entstehung der Bibel wissen, kann es eine Original-Bibel als Sammlung der Originaltexte nie gegeben haben. […]

Wir gehen auch nicht davon aus, dass jemals alle biblischen Originaltexte irgendwo aus dem Wüstensand ausgegraben sein werden. (Wie wollte man auch überprüfen, ob man wirklich jeweils das Original gefunden hat?)

Selbst wenn es doch einmal eine Bibel geben würde, deren Texte mit den Originalen übereinstimmten, so wäre diese Bibel nicht die Rekonstruktion eines Bibel-Originals (das es nie gab), sondern lediglich die Sammlung „fehlerfreier“ Bibeltexte und die Vollendung aller älteren Bibelausgaben, welche im 4. Jahrhundert ihren Anfang genommen hatten.

[…]

Geballte Autorität

Konstantinische Wende und der Prozess der Kanonisierung

[…]

Leider nur eine Übersetzung  😦

Wer eine Fremdsprache beherrscht, weiß, dass es meist besser ist und mehr Spaß macht, ein Buch oder einen Film in der Originalsprache zu konsumieren.

Es gibt bedeutende Übersetzungstraditionen. So haben z.B. die Luther-Übersetzung und ihre Revisionen im deutschen Sprachraum eine herausragende Bedeutung. Getoppt wird dies allerdings noch durch die Bedeutung der King-James-Bible im englischen Sprachraum oder die Bedeutung der Vulgata (lateinische Übersetzung) in der Kirchengeschichte.

Gibt es die  eine  richtige Übersetzung? Sind auch Bibel-Übersetzungen göttlich inspiriert? – Besonders die alten Hasen unter den Bibel-Fans unterhalten sich gern über die Schwächen und Stärken von Bibelübersetzungen.

Die Faustregel bleibt allerdings: Das Original lesen, ist besser, als die Übersetzung.


„alle Schrift von Gott eingegeben ist nütze zu…“

.
2 Tim 3,16-17


Gebrauch

Keiner der biblischen Texte wurde für einen modernen Leser geschrieben. Die Gefahr eines unsachgemäßen Gebrauches ist also ständig gegeben (siehe „Warnhinweise“).

Schon viele Bibel-Nutzer haben die Texte dennoch als hilfreich empfunden – z.B. für ihre Persönlichkeitsentwicklung . Entscheidend dabei ist der Bezug zum persönlichen Alltag und der individuellen Biographie.

Lernen am Modell / Vorbild

biblische Vorbilder, Fremdes und Vertrautes

Je tiefer man von Texten berührt wird, aufgewühlt, verstört, desto nachhaltiger können sie eine Wirkung im eigenen Leben entfalten.

[…]

Material für Schattenarbeit


Splitter – Balken

.
Bergpredigt


Die Bibel als moralische Instanz

Die Bibel hat eine moralische Dimension. Aber nicht bei jedem biblischen Text steht diese im Vordergrund. Auch ändern sich Bewertungen von „richtig“ und „falsch“.


Damit erklärte er alle Speisen für rein.

.
Jesus in …


Die Bibel hat nicht nur eine moralische Dimension. Es geht auch um Fragen, die noch größer sind und tiefer gehen.

[…]

Die Bibel als Wertekodex

[…]

Die Bibel als spirituelle Quelle

[…]

 


Das Wort Gottes ist schärfer…

.
Hebräerbrief


Warnhinweise

Gefahr!

Manche sagen, dass die Bibel so gut schneidet, wie ein scharfes Schwert. Falls dies der Fall ist, so muss man mit diesen Texten besonders vorsichtig und sorgfältig umgehen.


„Messer, Gabel, Scher und Licht,
sind für kleine Kinder nicht.“

.
Kinderreim


Kein Nachschlagewerk!

Die Bibel ist  KEIN  Nachschlagewerk. Auch wenn diverse Hilfsmittel (Kapitel- und Vers-Einteilung, Parallelstellen, Konkordanzen, Künstliche Intelligenz…) das Auffinden von bestimmten Worten und Versen erleichtern, so sind die Texte dennoch nicht zum Nachschlagen von Details zu bestimmten Themen geschrieben worden.

[…]

Bibelverse wollen als Teile von Texten in Zusammenhang gelesen werden. Nicht-Beachtung des Zusammenhangs erschwert das richtige Verstehen und erhöht die Gefahr des Missverstehens und Missbrauchs.

[…]


 

Na, hat jemand Zeit & Lust?

Vielleicht greift sich ja einfach jemand die Idee und macht daraus ein geniales Buch…

Oder ein Projekt ähnlich der Volxbibel

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Deine Bibel, meine Bibel – Über das willkürliche Deuten biblischer Texte

 

Gott ist kein Schriftsteller

 

Übersicht

1.  Wozu Bibel lesen?

2.  Bibel „verstehen“ oder „deuten“?

3.  Vorstellungen von der Bibel

4.  Über den Umgang mit heiligen Texten

5.  Die Stimme Gottes im Herzen des Menschen

 


 

1.  Wozu Bibel lesen?

Es gibt viele unterschiedliche Gründe, weshalb Menschen zur Bibel greifen. Was dabei am Ende herauskommt, hängt davon ab, was Menschen antreibt.

 

„Bittet Gott, und er wird euch geben! Sucht, und ihr werdet finden! Klopft an, und euch wird die Tür geöffnet!“

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(Jesus in der Bergpredigt; Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium, 7. Kapitel, Vers 7)

 


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2.  Bibel „verstehen“ oder „deuten“?

Über das willkürliche Deuten biblischer Texte

 

Die beiden deutschen Worte „verstehen“ und „deuten“ sind in ihrer Bedeutung nicht identisch. Das Wort „verstehen“ suggeriert ein eher passives Erkennen des Sinns oder einer Absicht, wobei ein „richtiges Verstehen“ meist implizit ist („ich verstehe dich“); während das Wort „deuten“ ein aktiveres Herstellen eines Sinnes bezeichnet, bei dem die Subjektivität und mögliche Fehlerhaftigkeit in der Bedeutung mitschwingt.

 

„Denn was wir erkennen, ist immer nur ein Teil des Ganzen …“

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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth; Neues Testament; 13,9)

 

Willkür

“ Willkürliches  Deuten.“ – Klingt irgendwie nicht so gut. – Was soll bei Willkür schon Gutes herauskommen? – Wer Willkür am eigenen Leib erfahren hat, wird wohl eher einen weiten Bogen darum machen.

 

„Des Menschen Wille ist sein Himmelreich.“

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(Johann Jakob Wilhelm Heinse)

 

„Ganzheitliches Bibelverständnis“

Dies war der ursprüngliche Titel der ersten Version dieses Artikels, welcher übrigens der allererste Artikel meines Blogs war. Ihr findet ihn schnell, wenn ihr „Ganzheitliches Bibelverständnis“ in eine Suchmaschine eingebt. (Der Ausdruck „Ganzheitliches Bibelverständnis“ scheint wohl nicht so gebräuchlich zu sein. Ich mag ihn allerdings immer noch.)

Ich würde den ursprünglichen Artikel heute nicht mehr so formulieren. Deswegen also nun hier: die zweite Version  🙂

 

„Die Unterweisung in der Lehre unseres Glaubens hat nur das eine Ziel: die Liebe, die aus einem reinen Herzen, einem guten Gewissen und einem aufrichtigen Glauben kommt.

Dieses Ziel haben jene Leute aus den Augen verloren, und daher ist alles, was sie von sich geben, leeres Gerede.  Sie wollen Lehrer des Gesetzes sein, das Gott durch Mose gegeben hat, und dabei verstehen sie nichts von dem, wovon sie reden und worüber sie solche selbstsicheren Behauptungen aufstellen.“

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(Paulus im ersten Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus 1,5)

 

„Bibelverständnis“

Warum ist dieser Begriff problematisch? – Weil er suggeriert, dass man biblische Texte „richtig verstehen“ kann. Ich glaube zwar auch, dass es biblische Texte gibt, die man richtig verstehen kann; aber das Problem liegt darin, dass Juden und Christen schon sehr viel Zeit und Kraft damit verbracht haben, sich über das „richtige Verständnis“ biblischer Texte streiten.

Wie kann man denn überprüfen, ob man einen Text richtig verstanden hat? – Wir können die Menschen, welche die Texte aufgeschrieben haben, ja nicht mehr fragen. Und wenn wir Gott fragen … was würde er wohl antworten?

 

 

Der erste Artikel meines Blogs

Der erste Artikel meines Blogs (also die erste Version dieses Artikels) basierte auf einer E-Mail, die ich Wolfgang Nestvogel als Anfrage an sein Bibelverständnis geschrieben hatte, nachdem ich einen Vortrag von ihm gehört hatte. – Leider habe ich nie eine Antwort bekommen, und wir haben uns nie über sein Bibelverständnis austauschen können.

Wolfgang Nestvogel ist Rektor der Akademie für Reformatorische Theologie (ART) und Pastor der Bekennenden Evangelischen Gemeinde (BEG) Hannover (Quelle: wolfgang-nestvogel.de).

Tja, wir alle glauben halt, was wir glauben wollen …

 

„… niemals wurde eine Prophetie durch den Willen eines Menschen hervorgebracht, sondern vom Heiligen Geist getrieben haben Menschen im Auftrag Gottes geredet.“

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(Zweiter Petrusbrief; Neues Testament; 1,21)

 

will-kür-lich

Wenn wir einen Text lesen (was schon einmal voraussetzt, dass wir die Sprache verstehen), dann versuchen wir un-willkürlich – sozusagen vollautomatisch – ihn zu deuten. Es gibt gar kein Verstehen ohne Interpretation. Wir merken das, wenn wir z.B. eine Gebrauchsanweisung oder juristisches Kleingedrucktes lesen, wo wir zwar die einzelnen Worte eigentlich kennen, aber es trotzdem für uns keinen Sinn ergibt.

In „will-kür-lich“ steckt das Wort „Wille“. Wir  wollen ,  dass die Worte für uns Sinn machen. Unser Verstand ist dafür gemacht, Sinnzusammenhänge herzustellen. Dadurch ist es uns möglich zu lernen. – Wenn wir etwas falsch gedeutet haben, können wir die Deutung korrigieren. Wenn wir jedoch gar keinen Sinn erkennen können, geht das Gelesene höchstwahrscheinlich wieder verloren, weil es sich mit keiner Bedeutung in unserem Leben verbinden kann. Es bleibt nichts hängen.

 

„Wenn jemand die Botschaft vom Himmelreich hört und nicht versteht, ist es wie mit der Saat, die auf den Weg fällt. Der Böse kommt und raubt, was ins Herz dieses Menschen gesät worden ist.“

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(Jesus im Matthäus-Evangelium 13,19)

 

„ganzheitlich“

Es geht mir um einen gesunden Umgang mit den biblischen Texten, der möglichst viele Aspekte berücksichtigt, uns selbst positiv verändert und auch keine (oder möglichst wenig) unerwünschte Nebenwirkungen hat. Ein Umgang, der die Bibel für uns selbst und die Menschen unserer Zeit wertvoller macht.

Dies wollen im Grunde wahrscheinlich irgendwie die meisten Bibelleser. Aber wie können wir die Wirkungen überprüfen? Besteht überhaupt die Gefahr, dass Bibellesen unerwünschte Nebenwirkungen hat? Kann man zu viel in der Bibel lesen? Die Bedeutung der Bibel überschätzen?

 

„…alles, was in der Schrift steht, ist von Gottes Geist eingegeben, und dementsprechend groß ist auch der Nutzen der Schrift: Sie unterrichtet in der Wahrheit, deckt Schuld auf, bringt auf den richtigen Weg und erzieht zu einem Leben nach Gottes Willen.

So ist also der, der Gott gehört und ihm dient, mit Hilfe der Schrift allen Anforderungen gewachsen; er ist durch sie dafür ausgerüstet, alles zu tun, was gut und richtig ist.“

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(Paulus in seinem zweiten Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus 3,16-17)

 

schwarz-weiß

Schwarz-Weiß-Denken ist so schön einfach. Das macht es auch so attraktiv. Es ist so praktisch. Nicht unbedingt immer leicht anzuwenden, aber es gibt immer eine eindeutige Orientierung: Klare Ansagen und eine bestimmte Richtung …

Aber unser Leben hat nicht nur viele Grau-Stufen. Leben ist bunt. Wild. Nicht in den Griff zu kriegen …

Schwarze Buchstaben auf weißem Grund. Der Versuch Bedeutendes ans vergängliche Papier zu heften.

Als Christen glauben wir ja eigentlich, dass Gott sich am besten nicht in heiligen Texten, sondern in einem Menschen aus Fleisch und Blut offenbart hat: Dem Juden Jesus aus Nazareth in Galiläa, geboren in Bethlehem zur Zeit der römischen Besatzung, noch vor der Zerstörung des jüdischen Tempels in Jerusalem und der Auslöschung jüdischen gesellschaftlichen Lebens in Palästina im zweiten Jahrhundert nach Christus.

 

„Ihr selbst seid unser Empfehlungsbrief, geschrieben in unsere Herzen, ein Brief, der allen Menschen zugänglich ist und den alle lesen können. Ja, es ist offensichtlich, dass ihr ein Brief seid, den Christus selbst verfasst hat und der durch unseren Dienst zustande gekommen ist.

Er ist nicht mit Tinte geschrieben, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, und die Tafeln, auf denen er steht, sind nicht aus Stein, sondern aus Fleisch und Blut; es sind die Herzen von Menschen.“

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(Paulus im zweiten Brief an die Christen in Korinth 3,2-3)

 

menschlich – göttlich

Wenn fromme Menschen heilige Texte lesen, tun sie dies im Glauben, dass es nicht nur Worte von Menschen sind, sondern dass Gott selbst hier spricht. Es ist diese Doppelnatur heiliger Texte, die sie so kraftvoll sein lassen. Menschlich. Göttlich. Schwierig und gefährlich und nicht in den Griff zu kriegen …

Mich erinnert dies an die uralten Diskussionen und Spekulationen über die Natur von Jesus … – all die christologischen Streitereien. So alt wie das Christentum selbst. Die Doppel-Natur von Jesus. – Gott. Mensch. Nicht in den Griff zu kriegen …

 

„Es geht mir darum, dass ihr gestärkt und ermutigt werdet und dass ihr in Liebe zusammenhaltet. Dann werdet ihr eine tiefe und umfassende Erkenntnis erlangen, ein immer größeres Verständnis für das Geheimnis Gottes.
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Christus selbst ist dieses Geheimnis; in ihm sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen. Ich sage das, damit euch niemand mit kluger Überredungskunst auf einen falschen Weg führt.“
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(Kolosserbrief; Neues Testament; 2,2-4)

 

„ganzheitlich“ oder „homogen“

Das Wort „ganzheitlich“ hier bitte nicht mit „homogen“ verwechseln. Ich behaupte nicht, dass die Bibel einen „homogenen“ Inhalt besitzt und widerspruchsfrei wäre. (Eher glaube ich das Gegenteil.)

Auch gegenüber einem „homogenen“, einheitlichen Bibelverständnis bin ich skeptisch. Bei der Vielfalt all der Texte und Autoren … – sollte es da wirklich eine  Auslegungsmethode geben, die für alle passt?

 

„Viele Male und auf verschiedenste Weise sprach Gott in der Vergangenheit durch die Propheten zu unseren Vorfahren. Jetzt aber, am Ende der Zeit, hat er durch seinen Sohn zu uns gesprochen …“
.
(Brief an die Hebräer; Neues Testament; 1,1-2)

 

„Bibelverständnis“

Das Thema an sich ist riesig. Ich möchte das mal in meinem Kopf sortieren in die Bereiche „die Vorstellung, die ich von der Bibel habe“ und „wie ich mit ihr umgehe“. – Die beiden Aspekte hängen natürlich zusammen und beeinflussen sich wechselseitig.

Dazu fallen mir dann auch noch Fragen ein, wie:

 

Warum beschäftigst du dich eigentlich mit der Bibel?

Hat sich das bis jetzt für dich gelohnt? Bringt dir das was? Was genau?

Was wünschst du dir von der Bibel?

 

Ich hab mir die Fragen auch selbst grad gestellt, und war überrascht …

 

„Die Bibel, bestehend aus den Schriften des Alten und Neuen Testaments, ist Offenbarung des dreieinen Gottes. Sie ist von Gottes Geist eingegeben, zuverlässig und höchste Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung.“

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(aus der „Glaubensbasis der Evangelischen Allianz vom 2. September 1846, überarbeitet 2018„)

 


 

3.  Vorstellungen von der Bibel

Dekonstruktion eines Ideals: Sind die biblischen Texte Gottes Worte an dich heute?

 

„Bibel = Wort Gottes?“

„Die Bibel ist das Wort Gottes.“ – Eine Aussage, die man immer noch hört. (Interessant, dass es bei der Glaubensbasis der Ev. Allianz nicht so formuliert worden ist.) – Aber wer dürfte so etwas eigentlich behaupten?

Glaubst du das?

Falls ja, bist du selbst durch das Studium der Texte zu dieser Erkenntnis gelangt oder haben es dir andere über die Bibel gesagt?

Das meiste, was über die Bibel gesagt wird und gesagt worden ist, wird von Menschen gesagt, die keine theologische Ausbildung besitzen, Übersetzungen benutzen und kaum Kenntnisse von Textkritik und der Entstehung der Bibel besitzen.

 

„Wenn ich in Sprachen rede, die von Gott eingegeben sind – in irdischen Sprachen und sogar in der Sprache der Engel – , aber keine Liebe habe, bin ich nichts weiter als ein dröhnender Gong oder eine lärmende Pauke.“

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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 13,1)

 

„Das Wort Gottes“

Dies ist eigentlich ein symbolischer Ausdruck. – Wir kennen Worte nur als Bestandteile menschlicher Sprache.

Welche Sprache spricht Gott? Keine? Alle? Hat Gott eine Muttersprache?

Paulus erwähnt im eben zitierten Vers im ersten Brief an die Christen in Korinth die Sprache von Engeln. Aber ich kenne eigentlich nur menschliche Sprache.

 

„‚Ihr Männer, liebe Brüder und Väter, hört mir zu, wenn ich mich jetzt vor euch verantworte.‘
.
Als sie aber hörten, dass er auf Hebräisch zu ihnen redete, wurden sie noch stiller …“
.
(Paulus in der Apostelgeschichte; Neues Testament; 22,1-2)

 

Heilige Sprachen

Von der Religionsgeschichte her kennen wir das Phänomen, dass manchmal Sprachen als „heilig“ betrachtet werden – z.B. das Hebräische im Judentum oder das Arabische des Koran im Islam. Dahinter steht die Überzeugung, dass Gott sich sprachlich offenbart hat, und das Bewusstsein, dass jede Sprache eine, ihr eigene, Natur besitzt, welche sie von anderen Sprachen unterscheidet.

Wenn Gott eine Sprache erwählt hat, um sich durch sie zu offenbaren, wird diese dadurch heilig. Nicht alle Juden fanden es z.B. so toll, dass ihre heiligen Schriften ins Griechische übersetzt worden waren (Septuaginta), und die Übersetzung des Koran in andere Sprachen ist auch für manche Muslime ein heikles Thema.

Natürliche Sprachen sind lebendig und verändern sich. Gott aber verändert sich nicht. (Oder doch?) – Kann es überhaupt eine heilige Sprache geben? – Beim Hebräischen sehen wir in der Geschichte, wie es über Jahrhunderte zu einer liturgischen Sprache erstarrt gewesen war, bevor es dann in der Neuzeit wiederbelebt wurde. (Wobei das moderne Ivrit nicht mit Biblischen Hebräisch identisch ist.)

Interessant ist, dass im Christentum meines Wissens „heilige Sprache“ nie so richtig ein Thema war. Vielleicht liegt das daran, dass unsere Bibel ja ursprünglich in mehreren Sprachen (Hebräisch, Aramäisch, Griechisch) geschrieben worden ist.

Sind vielleicht irgendwie alle Sprachen heilig? Offenbart sich Gott in den Worten, die Menschen einander sagen und die von Generation an Generation weitergegeben werden? Offenbart er sich vielleicht gerade auch in der lebendigen Veränderung von Sprache?

Im biblischen Narrativ ist die Entstehung von Sprachen ein Schöpfungsakt Gottes:

 

„… Wir werden hinuntersteigen und dafür sorgen, dass sie alle in verschiedenen Sprachen reden. Dann wird keiner mehr den anderen verstehen!“

.
(Bibel / Tanach / Altes Testament, Bereschith / Genesis / 1. Mose 11,7)

 

Kommunikation

Ich bin überzeugt, dass viel zu viel Fromme nicht genug darüber nachdenken, was Kommunikation eigentlich ist, und wie sie funktioniert. – Müsste jemandem, dem die Veränderung von lebendigen Sprachen bewusst ist, es nicht eigenartig und problematisch erscheinen, dass Gott sich in einem Text für alle Menschen aller Zeiten offenbart?

Während ich diese Zeilen schreibe, merke ich ständig, wie schwierig es ist, genau das auszudrücken, was ich sagen will. Es soll ja auch nicht missverstanden werden können. – Wer schreibt, will verstanden werden. – Wir alle kennen das vom SMS- und Briefe-Schreiben. Man möchte nicht zu viele Worte machen, aber auch nicht etwas so verkürzen, dass es missverständlich ist. Jeder, der es gewöhnt ist, öffentlich zu sprechen, oder wer regelmäßig Texte verfasst, dem ist diese Spannung vertraut.

Was man mit Worten ausdrücken kann, ist auch so begrenzt. Wir hätten oft so viel zu sagen … so große Gefühle … tiefe Gedanken …

 

Ich habe noch so vieles auf dem Herzen, aber das möchte ich euch lieber persönlich sagen und nicht schreiben …“

.
(Johannes‘ zweiter Brief; Neues Testament; Vers 12)

 

Wer kann die Bibel lesen, wie ein antiker Gläubiger?

Niemand, weltweit, beherrscht die biblischen Sprachen auf muttersprachlichen Niveau. Und diese Situation ist nicht neu. Es war schon immer so, seitdem Bibeln produziert worden sind. – Verlage suchen für Übersetzungen Menschen, welche die jeweiligen Sprachen auf muttersprachlichen Niveau beherrschen. Für Bibel-Übersetzungen kann es solche kompetenten Leute naturgemäß leider einfach nicht geben.

Wer in der Lage ist, zwei Sprachen auf (annähernd) muttersprachlichem Niveau zu sprechen und Bücher im Original und Übersetzung vergleichen kann, der weiß genau, dass eine Übersetzung immer eine Reduzierung bzw. Veränderung des ursprünglichen Inhalts ist. In Bezug auf Bibel-Übersetzungen müsste man hier eigentlich ins Nachdenken kommen – gerade bei so schwer greifbaren Themen wie „Glaube“, „Geist“ und „Frömmigkeit“.

Wir müssen auch davon ausgehen, dass nicht alle Verfasser der biblischen Texte die jeweiligen Sprachen, die sie benutzten, auf muttersprachlichen Niveau beherrscht haben. Das Griechisch, das in der Offenbarung benutzt wird, soll z.B. etwas eigenartig sein. – Konnte der Verfasser kein besseres Griechisch oder hat er den Text absichtlich so geschrieben? – Schwer zu sagen …

Übrigens sprach Jesus mit ziemlicher Sicherheit Aramäisch. Die Evangelien sind aber alle in Griechisch.

 

„Fassungslos hörte jeder die Jünger in seiner eigenen Sprache reden.

‚Wie ist das möglich?‘, riefen sie außer sich. ‚Alle diese Leute sind doch aus Galiläa, und nun hören wir sie in unserer Muttersprache reden …'“

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(Apostelgeschichte 2,6-8)

 

Die Bibel im Original lesen?

Pech gehabt. Die Originale der biblischen Texte haben wir leider nicht mehr. Ist bei antiken Texten eigentlich auch nichts Ungewöhnliches. Von den allermeisten Texten wird allerdings auch nicht angenommen, dass sie heilig sind.

 

„… Wer diesen Worten etwas hinzufügt, dem wird Gott all das Unheil zufügen, das in diesem Buch beschrieben wurde. Und wer etwas von diesen prophetischen Worten wegnimmt, dem wird Gott auch seinen Anteil am Baum des Lebens und an der Heiligen Stadt wegnehmen, die in diesem Buch beschrieben sind.“

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(Offenbarung von Johannes; Neues Testament; 22,18-19)

 

Wie gut sind die Rekonstruktionsversuche?

Schwer zu sagen … – Meines Wissens ist es bisher noch nicht gelungen einen soliden Rekonstruktionsvorschlag für alle Texte herzustellen, weil der zeitliche Abstand zwischen den Handschriften und Originalen zum Teil ziemlich groß ist, und der Zustand relevanter Handschriften teilweise kaum eine eindeutige Rekonstruktion zulassen. In den Bibelübersetzungen sind diese Probleme in der Regel natürlich – das Lesen soll ja einigermaßen „Spaß“ machen – nicht mehr zu erkennen.

 

„Bei Karpus in Troas ließ ich meinen Mantel zurück. Bring ihn mit, wenn du kommst, und ebenso die Buchrollen, vor allem die Pergamente.“

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(Paulus im zweiten Brief an Timotheus 4,13)

 

Gibt es in der Christenheit überhaupt eine einheitliche Bibel?

Weder das Alte noch das Neue Testament ist zu einem bestimmten Zeitpunkt vom Himmel gefallen, sondern sie sind beide über einen längeren Zeitpunkt entstanden, und die Diskussion über den biblischen Kanon, also die Frage, welche Schriften zur Bibel gehören sollen, hat nie aufgehört. – Diese Aussage ist natürlich abhängig davon, wen man als Christ akzeptiert. Wenn man nur die Gläubigen als Christen anerkennt, welche dieselbe Bibel benutzen, hat man hier keine Probleme.

Wann wurde überhaupt die allererste Bibel hergestellt?

Es geht beim Problem des Kanons hauptsächlich um die Frage der Kanonisierung der alttestamentlichen Texte, also quasi um die Kanonisierung der jüdischen Bibel. – Gab es aber im Judentum überhaupt jemals ein dem evangelikalen Fundamentalismus entsprechendes Bibelverständnis? Und wenn ja, wann? Und wer hat es vertreten? – Mir ist so etwas jedenfalls noch nicht begegnet – außer bei den sogenannten „messianischen Juden“, die das vom Christentum übernommen haben.

Auffällig ist, dass Juden Unterschiede zwischen ihren heiligen Texten machen. Am heiligsten ist die Tora.

Meines Wissens war auch der Kanon der jüdischen Bibel zur Zeit der ersten Christen noch gar nicht abgeschlossen. Juden benutzten damals ja Schriftrollen – und nicht  ein  dickes Buch.

Das Wort „Bibel“ kommt in der Bibel selbst natürlich nicht vor. Die Bibel als „feste“ Sammlung entstand ja erst Jahrhunderte, nachdem der letzte biblische Text verfasst worden war.

 

„… weil du der Stimme von JHWH, deines Gottes, gehorchst und hältst seine Gebote und Rechte, die geschrieben stehen im Buch dieses Gesetzes …

Siehe, ich lege dir heute das Leben und das Gute vor, den Tod und das Böse … dass du … wandelst in seinen Wegen und seine Gebote, Gesetze und Rechte hältst …“

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(Bibel / Tanach / Altes Testament; Devarim / Deuteronomium / 5. Mose 30,10-15)

 

„Freeze!“

Jeder biblische Vers ist zu einem festen Zeitpunkt in der Geschichte unter ganz bestimmten sprachlichen und außersprachlichen Rahmenbedingungen in einer festen Form erstarrt und wurde von dem Zeitpunkt an – mehr oder weniger gut – bis heute überliefert. In der Regel lässt sich dieser Zeitpunkt noch nicht einmal genau datieren.

Deshalb ist wissenschaftliche Bibelauslegung und Bibelübersetzung nichts für Anfänger; denn dabei geht es – unter Verwendung aller zur Verfügung stehenden Mittel – um das Ausloten des Deutungs-Raumes eines Textes. (Schon die Rekonstruktion des Deutungs-Raums der einzelnen altsprachlichen Worte ist nicht einfach – wie Altsprachler wissen.)

Selbst alle „Urtext-Varianten“ des biblischen Textes sind nur Rekonstruktionsversuche, da die historischen Handschriften der biblischen Texte leider nicht in allem übereinstimmen. – Wenn es anders wäre, bräuchte man keine Textkritik.

 

„Von oben kommen nur gute Gaben und nur vollkommene Geschenke; sie kommen vom Schöpfer der Gestirne, der sich nicht ändert und bei dem es keinen Wechsel von Licht zu Finsternis gibt.“

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(Brief von Jakobus; Neues Testament; 1,17)

 

Kontext, Kontext, Kontext

Sprache ist  immer  untrennbar mit einem konkreten, zeitlichen kulturellen Kontext verbunden. Jeder, der schon einmal versucht hat, eine Fremdsprache zu lernen, kann das verstehen. Eine Sprache zu lernen, bedeutet, auch eine Kultur zu lernen.

Manche Worte beschreiben grundlegende menschliche Erfahrungen, wie Atmen, Essen, Laufen, usw. – aber selbst da gibt es Nuancen (tief/flach atmen, schnell/langsam laufen/gehen/rennen …). Andere Worte haben einen sehr spezifischen Kontext, wie z. B. Passah, Abendmahl, Weihnachten, …

Sprache ist grundsätzlich der Veränderung in der Zeit unterworfen, was man sofort merkt, wenn man Luther im Original liest, oder wenn man an die Bedeutung von Worten wie „toll“ oder „geil“ denkt. (Wenn man älter wird, merkt man immer mehr, wie sich die eigene Muttersprache verändert.)

In den religiösen Schriften wird nun der Text durch die Tradition konserviert, aber löst sich zunehmend von dem historischen und sprachlichen Kontext. Es wird zunehmend schwieriger den Text richtig zu interpretieren, da sich Kultur und Sprache des Lesers verändern und Wissen um Anlass und Zusammenhänge des Verfassens der Texte immer mehr abnimmt. Die Gefahr von Missverständnissen steigt.

Um einen Text richtig zu interpretieren, muss man versuchen, den ursprünglichen Kontext zu rekonstruieren. Inwieweit einem das jeweils gelungen ist, kann man kaum überprüfen. – Je fremder einem Leser der ursprüngliche historische Kontext ist, desto schwieriger wird es zu verstehen, was der Verfasser mit dem Text bezwecken wollte.

 

„… wer Freude hat am Gesetz von JHWH und darüber nachdenkt – Tag und Nacht.“

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(Erster Psalm, Vers 2)

 

Die Bibel, ein vollkommenes, fehlerfreies Buch? Eine zuverlässige Quelle der Wahrheit?

Dies dürfte jemand eigentlich nur behaupten, wenn er dies persönlich Text für Text und Vers für Vers überprüft hat. Aber wie sollte so etwas funktionieren? Wir haben ja noch nicht einmal die Originale?

Und was ist mit Wahrheit gemeint? Müssen alle Details einer Erzählung historisch korrekt sein?

Wie wollen wir die Historizität einer biblischen Aussage überprüfen, wenn es dazu gar keine anderen historischen Quellen gibt?

Die Korrektheit historischer Dokumente ist ja auch nicht nur ein theologisches Thema und ist auch immer relativ zum wissenschaftlichen Standpunkt des Historikers. – Und auch „wissenschaftliche Erkenntnis“ verändert sich …

Und wie wollte man als kleiner Mensch die Korrektheit von Aussagen über die Schöpfung oder Gott selbst beurteilen? – Die Frage nach der Wahrheit der Bibel führt ganz tief hinein in grundlegende erkenntnistheoretische philosophische und religiöse Fragen. Wer versucht, sich an diesen Fragen vorbei zu schummeln, leistet sich selbst und anderen einen schlechten Dienst.

Und  selbst wenn  wir sicher sein könnten, dass unsere Bibeln fehlerfrei wären und absolute, göttliche Autorität besäßen, welche praktische Bedeutung hätte dies, wenn wir nicht überprüfen können, ob wir einen Text richtig verstanden haben?

Ist der Glaube an eine vollkommene Bibel nicht nur ein persönliches Glaubensbekenntnis und ein frommer Wunsch mancher Christen, weil wir Menschen so gerne etwas Zuverlässiges haben, an das wir uns klammern und über das wir verfügen können?

Selbst der Apostel Petrus, einer der 12 Jünger von Jesus, soll ja schon vor fast 2000 Jahren geschrieben haben, dass Paulus schwer zu verstehen ist. – Wie können wir da heutzutage sicher sein, dass wir einen Text richtig verstanden haben? Und ist so ein rechthaberischer Umgang mit der Bibel überhaupt sinnvoll und gut?

 

„… Es gibt in ihnen [den Briefen von Paulus] allerdings einige schwierige Stellen. Die werden von unverständigen Leuten missdeutet, die im Glauben nicht gefestigt sind. Aber so verfahren diese Leute ja auch mit den übrigen Heiligen Schriften. Sie verurteilen sich damit selbst zum Untergang.“

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(Zweiter Petrusbrief 3,16)

 

„Ich präsentiere Ihnen: Das WORT GOTTES“

Wie kann ein Mensch Texte, die offensichtlich auch von Menschen geschrieben worden sind und deren Rekonstruktion und Übersetzung von Menschen gemacht worden sind, als „Wort Gottes“ präsentieren? Ist das nicht immer auch ein Anspruch auf Deutungshoheit und Anmaßung göttlicher Autorität für menschliche Interpretationen, Überzeugungen und Meinungen?

Auch das Hören und Lesen biblischer Texte ist immer schon ein Interpretationsvorgang. – Der Sinn von Worten entsteht immer erst durch den Zusammenhang. – Wie groß ist da die Gefahr, dass man anstatt das Reden Gottes aus einem biblischen Text zu hören, doch nur seine eigenen Gedanken hört und sie mit der Stimme Gottes verwechselt?

Die Überzeugung, dass Gott durch heilige Texte zu mir redet, und was er mir durch sie sagt, ist immer auch eine Glaubensentscheidung, die ich dann besser auch vor mir selbst und anderen vertreten kann.

 

„… Es sollten sich nicht so viele in der Gemeinde um die Aufgabe drängen, andere im Glauben zu unterweisen. Denn ihr wisst ja: Wir, die andere lehren, werden von Gott einmal nach besonders strengen Maßstäben beurteilt.“

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(Jakobusbrief; Neues Testament; 3,1)

 

Gott ist kein Schriftsteller

Ganz offensichtlich erheben die meisten Texte in der Bibel gar nicht den Anspruch, dass Gott sie geschrieben oder gesprochen hat. Und bezüglich der Bibelverse, wo der Schreiber sagt „Gott hat gesagt“, können wir ihn leider nicht mehr fragen, was genau er denn damit meint und wie das zustande kam. – Ich kenne persönlich niemanden, der behauptet, dass Gott zu ihm direkt gesprochen hat, und wenn ich mal jemand treffen sollte, würde ich mich wahrscheinlich fragen, was es denn damit auf sich hat.

Die Entstehung vieler biblischen Texte liegt im Dunkel, und wir können oft nur vom Text selbst her versuchen zu rekonstruieren, wer, wann genau, warum, etc. etwas geschrieben hat. Das ist die Aufgabe von Theologen; und die sind oft auch nicht einer Meinung.

Die antike Welt war eine andere als unsere heutige. Die Kulturen waren selbstverständlich polytheistisch geprägt und vor diesem Hintergrund, mit Göttern, Halb-Göttern, Mythen, Orakeln, Ritualen, etc., erzählten Juden und Christen von dem  einen  Gott und der Rettung der Menschheit. – Musste ein Reden von Gott damals nicht notwendigerweise anders sein als heute? Worum geht es beim Leben mit Gott eigentlich?

 

„Gott ist Liebe, und die in der Liebe bleiben, bleiben in Gott, und Gott in ihnen.“

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(Erster Brief von Johannes 4,16b)

 

Jesus war kein Schriftsteller!

Wir glauben an Jesus, aber wir haben keinen einzigen Satz, den Jesus selbst aufgeschrieben hat. Obwohl viele Christen über Jesus reden oder schreiben, habe ich noch nie gehört, dass sich jemand über diese erstaunliche Tatsache Gedanken gemacht hat.

 

“ … der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“

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(Paulus im zweiten Brief an die Christen in Korinth 3,6)

 

Probe am Exempel: Paulus erster Brief an die Christen in Korinth

Beispiele sind eine tolle Methode, Dinge zu erklären und ein Gefühl für Themen zu bekommen.

 

„Bei euch bringt es doch tatsächlich jemand fertig, seinen Streit mit einem anderen Gemeindeglied vor einem weltlichen Gericht auszutragen, statt die Sache von denen entscheiden zu lassen, die zu Gottes heiligem Volk gehören!“

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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 6,1)

 

Manche sagen mit Verweis auf diesen Vers, dass es uns als Christen verboten ist, gegen andere Christen vor Gericht zu ziehen. Das klingt für mich wie ein Verweis auf einen Gesetzestext. Der Text ist aber nicht aus der Tora oder einem anderen biblischen Gesetzestext, sondern aus einem Brief. – Ich finde Paulus‘ Standpunkt auch gut und würde mich dem vom Grundsatz her anschließen. Aber wie kommt jemand darauf, dass diese Worte wörtlich Worte Gottes sind und ein Christ sich deswegen daran halten muss? Nur weil sie in der Bibel stehen?

 

„Nun zu eurer Anfrage im Hinblick auf die, die noch unverheiratet sind. Ich habe diesbezüglich keine ausdrückliche Anweisung vom Herrn; aber weil der Herr mir sein Erbarmen erwiesen und mich in seinen Dienst gestellt hat, könnt ihr meinem Urteil vertrauen …

 Eins ist sicher, Geschwister: Es geht immer schneller dem Ende zu. Deshalb darf es in der Zeit, die uns noch bleibt, beim Verheirateten nicht die Ehe sein, die sein Leben bestimmt …

Wenigstens ist das meine Meinung, und ich denke, dass auch ich den Geist Gottes habe.“

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(7,25-40)

 

Laut Paulus‘ eigener Aussage sind doch mindestens diese 16 Verse nicht Gottes-, sondern Menschen-Wort! Er beruft sich vorsichtig auf eine gewisse Autorität, eine gewisse Inspiration, aber macht gleichzeitig deutlich, dass er diese Anweisungen  NICHT  direkt von Gott oder Jesus bekommen hat.

Jetzt könnte man natürlich sagen:

„Auch diese 16 Verse sind Gottes Wort – Paulus hat das nur nicht gewusst.“

Oder man könnte sagen:

„Die Bibel ist überall da Gottes Wort, wo nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es nicht Gottes Wort ist.“

Aber werden solch eigenartige Gedankenspiele wirklich der Natur der Texte gerecht? Tragen wir hier nicht ganz offensichtlich unsere eigenen Vorstellungen an die Bibel heran und machen sie uns so zu recht, wie wir sie haben wollen?

 

„Was ich verkünde, ist nicht meine eigene Lehre; es ist die Lehre dessen, der mich gesandt hat. Wenn jemand bereit ist, Gottes Willen zu erfüllen, wird er erkennen, ob das, was ich lehre, von Gott ist oder ob ich aus mir selbst heraus rede.“
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(Jesus im Johannes-Evangelium 7,17)

 

Heilige Texte im Vergleich:  Die Bibel und der Koran

Für mich war es sehr hilfreich die Bibel mit dem Koran zu vergleichen.

Manche Christen gehen mit der Bibel um, wie manche Muslime mit ihrem Koran umgehen. Es gibt aber deutliche Unterschiede im Charakter der beiden Bücher und in ihrer Entstehung.

Bei Wikipedia heißt es:

 

„Ein wichtiges Kennzeichen des Korans ist seine Selbstreferentialität. Das bedeutet, dass der Koran sich an vielen Stellen selbst thematisiert.“

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(Wikipedia)

 

In der Bibel finden wir dies so nicht, und können es so auch gar nicht finden, weil die Bibel anders entstanden ist. Die erste Bibel wurde erst Jahrhunderte nach dem Abfassen des letzten neutestamentlichen Textes gemacht. Deshalb gibt es keinen Bibelvers, der die Bibel selbst zum Thema hat.

Wir finden in der Bibel auch  keine einzige  Verheißung oder Andeutung, dass es einmal ein solches heiliges Buch wie die Bibel geben wird!!

Stattdessen lesen wir in der Bibel Verse wie diese:

 

„… Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.
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Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: ‚Erkenne den HERRN‘, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß“

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(Bibel / Tanach / Altes Testament, Jeremia 31,33-34)

 

„Denkt daran: Der Heilige Geist, mit dem Christus euch gesalbt hat, ist in euch und bleibt in euch. Deshalb seid ihr nicht darauf angewiesen, dass euch jemand belehrt.

Nein, der Geist Gottes, mit dem ihr ausgerüstet seid, gibt euch über alles Aufschluss, und was er euch lehrt, ist wahr und keine Lüge. Darum bleibt in Christus, wie Gottes Geist es euch gelehrt hat!“

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(Erster Brief von Johannes 2,27)

 

Bibel = Anthologie?

Wie wäre es, wenn wir die Bibel einfach als Anthologie der historisch wichtigsten christlichen Schriften lesen würden? Und wenn auf unseren Bibelausgaben nicht „Heilige Schrift“, sondern „Sammlung der grundlegenden Schriften des Christentums“ stehen würde?

Wie wär’s, wenn anstatt uns über die Inspiration der Bibel zu streiten, wir mehr ausprobieren würden, ob die Texte  uns  zu einem besseren Leben inspirieren? – Jemand hat mal gesagt, dass ihn nicht die Stellen in der Bibel beunruhigen, die er nicht versteht, sondern die, welche er versteht.

 

„Prüft jedoch alles und behaltet das Gute!“

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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Thessalonich 5,21)

 


 

4.  Über den Umgang mit heiligen Texten

 

Willkür?

Wir alle machen mit den biblischen Texten, was wir wollen. (Wie könnte es auch anders sein?) Wichtig ist, dass wir uns dessen bewusst sind, unsere Motivation klären, uns transparent darüber austauschen und auch bereit sind, selbst die Verantwortung dafür zu übernehmen und nicht versuchen, sie auf andere abzuschieben.

Bei Gottesvertrauen und Wiedergeburt geht es um Gotteserfahrungen im Menschen. Bibel-Traditionen, Dogmen, traditionelle Glaubensbekenntnisse und „christliche“ Normen hingegen werden von außen an den Menschen herangetragen. Es ist, meiner Meinung nach, von entscheidender Bedeutung, ob ein Mensch die Stimmigkeit dieser äußeren Dinge in sich selbst erfahren kann.

 

„Von diesen Worten [der Predigt über Jesus] waren die Zuhörer bis ins Innerste getroffen:

‚Liebe Brüder, was sollen wir jetzt tun?‘, fragten sie Petrus und die anderen Apostel.

Ändert eure Einstellung‘, erwiderte Petrus …“

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(Apostelgeschichte 2,37-38)

 

Zwei Aspekte

Beim Umgang mit der Bibel kann man auch wieder zwei Aspekte berücksichtigen:

Zum einen, wie ich die Bibel für mich selbst benutze, und dann, wie ich sie gegenüber anderen benutze. Hängt natürlich auch wieder beides zusammen.

 

„Darum geht zu allen Völkern und macht die Menschen zu meinen Jüngern … und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“
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(Matthäus-Evangelium 28,19-20)

 

Biblizismus

Ist es eine den Texten und Sachverhalten angemessene Strategie, alles wörtlich zu nehmen (Biblizismus), außer dann, wenn es offensichtlich nicht funktioniert? Wird die Bibel da nicht zum magischen Zauberbuch? Was für eine Bibel-Ideologie steckt da dahinter?

Lenkt uns das Kopfzerbrechen über Bibelverse und das Streiten über die Bibel nicht ab von dem, worum es eigentlich geht?

Manche biblischen Texte präsentieren sich selbst als das Reden Gottes (z.B. ein Teil der alttestamentlichen Schriftpropheten). Doch die meisten tun dies nicht. Und selbst wenn alle  biblischen Texte sich als direkte Worte Gottes an die Adressaten der Texte präsentieren würden, woher wüssten wir, dass Gott uns heutzutage, 2000 (!) Jahre später, dasselbe durch die Texte sagen will? (Den Menschen in biblischen Zeiten hat Gott ja auch nicht allen dasselbe gesagt. – Vergleicht mal Gottes Anweisungen durch die Propheten Jeremia, Jesaja, etc.)

Und  selbst wenn  er uns heute durch sie dasselbe sagen wollte, wie könnten wir überprüfen, ob wir ihn richtig verstanden haben? Und wie abhängig sind wir im Verstehen biblischer Texte von einem Heer von Textkritikern, Altertums-Wissenschaftlern, Altsprachlern, Bibel-Übersetzern, Bibel-Experten, Theologen, Pfarrern, Pastoren, Predigern, Bibel-Lehrern, Bibel-Gesellschaften, Verlagen, Kommentatoren, … und von kirchlichen Traditionen, persönlichen Prägungen und Glaubensentscheidungen  ANDERER ? Sollte ein gesunder Umgang mit der Bibel uns nicht auch zu mündigen Christen machen, die ihren Glauben selbst verantworten können und nicht auf theologisch Gebildetere verweisen müssen?

Fragen, Fragen, Fragen … und die Antworten, die ich darauf meistens bekomme, laufen darauf hinaus, dass Menschen, die Gottes Geist besitzen, verstehen, was Gott ihnen sagen will. – Aber wozu brauchen wir dann heilige Texte, wenn Gott sowieso seine Kinder unmittelbar durch seinen Geist belebt, inspiriert, Verstehen seines Willens schenkt und leitet?

 

„Alle, die sich von Gottes Geist regieren lassen, sind Kinder Gottes.“

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(Paulus‘ Brief an die Christen in Rom 8,14)

 

Wie viel Anstrengungen wurden schon von Christen unternommen, um ein fundamentalistisches Bibelverständnis zu verteidigen, das eine mehr als wacklige Grundlage hat. – Lässt sich die Zeit und Kraft nicht besser investieren?

Wenn einem Bibel-Leser heutzutage ein biblischer Text persönlich wertvoll wird, braucht er dann noch eine theologische Theorie, die dies rechtfertigt?

 

“ Die Tora von JHWH ist vollkommen,
sie belebt und schenkt neue Kraft …
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Die Weisungen von JHWH sind zuverlässig und erfreuen das Herz …
.
Sie lassen sich nicht mit Gold aufwiegen, sie sind süßer als der beste Honig.“
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(Psalm 19,8-11)

 

Wenn die Bibel so toll ist, warum lesen wir Christen dann nicht mehr darin?

Warum haben so viele Christen Probleme, sich fürs Bibellesen zu begeistern?

Wer kann schon erklären, worum es im langen Jesaja-Buch geht? Oder wann hast du das letzte Mal Leviticus gelesen? – Viele Christen kennen nur ein paar Lieblingsverse.

Ein verehrtes Buch, das im Bücherregal einstaubt. – Biblische Texte sind oft keine gefällige Lektüre.

 

„… die Legenden und endlosen Geschlechtsregister, mit denen sie sich befassen, führen nur zu Spekulationen, statt dass sie den Glauben fördern und damit der Verwirklichung von Gottes Plan dienen.“

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(Paulus im ersten Brief an Timotheus 1,4)

 

Woher stammt überhaupt die fundamentalistische Bibel-Ideologie?

Die ersten Christen konnte sie offensichtlich noch nicht besitzen, denn da gab es die Bibel ja noch gar nicht.

Wie alt ist das fundamentalistische Bibelverständnis, das uns heute so vertraut ist? Genauer gesagt: Wann hat in der Geschichte das erste Mal jemand die Überzeugung gehabt, dass die 66 Bücher unserer heutigen protestantischen Bibel das fehlerfreie Wort Gottes an alle Menschen für alle Zeit sind, und wie schnell und auf welche Weise hat sich diese Überzeugung ausgebreitet?

Ich hab schon verschiedene Leute gefragt und selbst etwas recherchiert, aber es ist gar nicht so leicht, da ein klares Bild zu bekommen. Scheint ein bisschen komplexer zu sein …

 

 

Hermeneutik

Hermeneutik ist die Wissenschaft vom Verstehen von Texten und ein Bereich der Theologie. Dort scheint man nun mehr und mehr mit allgemeinen literaturwissenschaftlichen Methoden an die Bibel heranzugehen. Ein Ansatz, den ich an sich sinnvoll finde und der sich sicherlich auch schon als fruchtbar erwiesen hat.

Aber braucht man für religiöse, heilige Texte nicht auch eine spezielle religionswissenschaftliche Hermeneutik? Und ist es nicht unbedingt notwendig, religiöse Texte innerhalb ihrer religiösen Tradition zu verstehen? – Die Komparative Theologie und der inter-religiöse Dialog kann uns hier bestimmt auch noch sensibler werden lassen und ein Stück weiter bringen.

Ein angemessener Umgang mit der Bibel muss differenziert sein und der Vielfalt und dem Inhalt der Texte, sowie dem Wissen über die Entstehungsgeschichte dieser Sammlung Rechnung tragen.

 

„JHWH ernst nehmen, ist der Anfang aller Erkenntnis …“

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(Bibel / Tanach / Altes Testament, Mischle / Sprüche 1,7)

 

Wie können wir richtig leben? Wie sollten wir leben?

Manche Menschen greifen zur Bibel, weil sie Rat und Orientierung suchen in einer immer komplexer werdenden Welt. Religion war traditionell eine der großen gesellschaftlichen Kräfte, die Menschen verbunden und gemeinsames Leben gestaltet hat.

Heutzutage ist Kirche „out“ und Spiritualität „in“ wie schon lange nicht mehr. – Welche Rolle spielt die Bibel dabei?

Die Frage des Bibelverständnis ist eng verbunden mit christlicher Ethik. In den Diskussionen der Christenheit geht es oft um ethische Fragen (Homosexualität, Geschlechterrollen, Scheidung, Abtreibung, …), bei denen dann die entsprechenden Bibelverse in die Diskussion eingebracht werden.

 

„Sündigt deine Schwester oder dein Bruder, so weise sie oder ihn zurecht …“

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(Matthäus-Evangelium 18,15)

 

Ethik – Gebote & Verbote

Die Bibel hat weit mehr als nur eine ethische Dimension. Aber gerade die ethischen Fragen sind oft dafür verantwortlich, dass Christen sich wegen Bibelversen in die Haare kriegen, und sie dominieren manchmal christliche Diskussionen. – Ist das sinnvoll, wenn moralische Fragen im Vordergrund stehen?

Wie müsste ein Umgang mit der Bibel aussehen, damit er bei ethischen Entscheidungen hilfreich ist?

Wenn man sich an einzelnen Bibelversen festbeißt, bleibt man immer in einem antiken Christentum hängen und von Theologen abhängig. Allein wenn sich der christliche Diskurs über biblische Texte mit dem spirituellen Leben des Einzelnen verbindet, kann er wirklich hilfreich sein. Eine Hilfe zur Orientierung ist etwas anderes als eine eindeutige Anweisung.

 

„Wir alle, die der Glaube an Christus zu geistlich reifen Menschen gemacht hat, wollen uns ganz auf dieses Ziel ausrichten. Und wenn eure Einstellung in dem einen oder anderen Punkt davon abweicht, wird Gott euch auch darin die nötige Klarheit schenken.“

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(Paulus im Brief an die Christen in Philippi 3,15)

 

Situationsethik

Die theologische Diskussion um Situationsethik hat ganz viel mit Bibelverständnis zu tun und macht gut das Dilemma zwischen dem Bedürfnis des Menschen nach Rat und Orientierung und dem Umgang mit den biblischen Texten deutlich.

Man hat der Situationsethik, glaube ich, zu Recht vorgeworfen, dass der Mensch damit überfordert ist. Kein Mensch kann in einer Situation rein logisch eine perfekte Entscheidung treffen. Alleine schon deshalb nicht, weil unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit immer begrenzt ist.

Aber wer sagt, dass wir vollkommene Denkfähigkeit besitzen müssen? Oder Vollkommenes leisten? Wie wäre es, wenn wir getragen von Gnade und Vertrauen leben könnten, die der Geist Gottes schenkt? – Und aus vielen Situationen werden wir gar nicht herauskommen, ohne anderen etwas schuldig zu bleiben.

 

„Bleibt niemand etwas schuldig! Was ihr einander jedoch immer schuldet, ist Liebe …“

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(Paulus im Brief an die Christen in Rom 13,8)

 

Der harte Gemeinde-Alltag

Was sollten wir z. B. Lesben und Schwulen heute von der Bibel her sagen? Oder Geschiedenen, die wieder geheiratet haben und vielleicht sogar Kinder aus zweiter Ehe haben? Oder Gläubigen, die mit einem Ungläubigen zusammenleben und ein gemeinsames Kind haben? (Spielen die Kinder in den Bibelversen überhaupt eine Rolle?)

Früher hätte ich bei solchen Fragen fast reflexartig mit der Konkordanz passende Bibelverse gesucht. Heute graut mir vor Christen, die auf alle Fragen eine „passende“ Bibel-Antwort parat haben. Als hätte sich die letzten 2000 Jahre nichts geändert …

 

„…  wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“

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(Paulus im zweiten Brief an die Christen in Korinth 3,17)

 

Guter Rat teuer

Es ist natürlich wenig hilfreich, wenn man Menschen nur sagt „da musst du tun, was du für richtig hältst“. Und doch kennt sicherlich jeder viele Situationen, in denen man einfach keinen Rat hat; wo man nur einfach dem anderen zur Seite stehen kann. Aber vielleicht ist die wortlose Unterstützung oft genau das, was der andere braucht, um für sich selbst zu einer Entscheidung zu finden.

In der oben zitierten, „berühmten“ Bibelstelle zur Inspiration (2. Tim. 3,16-17) geht es auch um viel mehr als nur um Wissen über biblische Gebote. Es geht um eine Veränderung des Menschen und Befähigung zum guten Leben.

Wir sind manchmal schwach und möchten uns an andere anlehnen. Aber über kurz oder lang sollte jeder lernen, selbst die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen und ein reifer Christ zu werden. Leben bedeutet Veränderung. Wenn ein Mensch nicht reifer wird, stimmt etwas nicht.

 

„Eigentlich müsstet ihr längst in der Lage sein, andere zu unterrichten; stattdessen braucht ihr selbst wieder jemand, der euch die grundlegenden Wahrheiten der Botschaft Gottes lehrt. Ihr habt sozusagen wieder Milch nötig statt fester Nahrung.“

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(Brief an die Hebräer 5,12)

 

„norma normans“

Die Bibel als Norm für Glaube und Leben (siehe „Glaubensbasis der Ev. Allianz“). Ein immer noch aktuelles Thema. – Welche Auswirkungen hatte dieses Denken in der Kulturgeschichte der Menschheit? Und warum gab es gerade im Protestantismus so viele Spaltungen, Konfessionen und Denominationen?

Da es das Christentum schon gab, bevor der erste neutestamentliche Text geschrieben wurde, kann die Bibel keine notwendige Voraussetzung fürs Christentum sein. Es gab unter den ersten Christen allerdings die mündliche Überlieferung, charismatische Gaben und den praktischen Gemeinde-Alltag.

 

„… so hat Christus denn auch seine Gemeinde beschenkt:
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Er hat ihr die Apostel gegeben, die Propheten und Verkündiger der rettenden Botschaft, genauso wie die Hirten und Lehrer, welche die Gemeinde leiten und im Glauben unterweisen. Sie alle sollen die Christen für ihren Dienst ausrüsten, damit die Gemeinde, der Leib von Christus, aufgebaut und vollendet wird.
.
Dadurch werden wir im Glauben immer mehr eins werden und miteinander den Sohn Gottes immer besser kennen lernen. Wir sollen zu mündigen Christen heranreifen, zu einer Gemeinde, die ihn in seiner ganzen Fülle widerspiegelt.“
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(Epheser-Brief; Neues Testament; 4,11-13)

 

Wer braucht heilige Texte?

Wenn Gott der Christenheit ein heiliges Buch als Maßstab hätte geben wollen, warum hat er das dann nicht schon im 1. oder 2. Jahrhundert gemacht? – Zu Pfingsten kam nicht ein Update der Tora, sondern der Heilige Geist! – Jahrhundertelang lebte die Christenheit mit einer Vielzahl von jüdischen und christlichen Texten (von denen viele nicht Eingang in die Bibel gefunden haben), aber ohne eine heilige Bibel.

Bei manchen Menschen befriedigt eine Bibel ein Bedürfnis nach Sicherheit. Aber diese Sicherheit ist trügerisch. Denn der Besitz eines heiligen Buches wird uns nicht retten. Unsere einzige Sicherheit besteht im Wirken Gottes. Dies ist eine Sicherheit des Glaubens.

 

„Darum gleicht jeder, der meine Worte hört und danach handelt, einem klugen Mann, der sein Haus auf felsigen Grund baut …“

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(Bergpredigt, Matthäus-Evangelium 7,24)

 

Heilige Texte und Glaubens-Systeme als Machtinstrumente

Der Glaube an die Bibel ist bei vielen Christen Teil eines theologischen Systems. Ein Glaube an die Bibel (wie auch immer er aussieht) kann allerdings niemals identisch mit dem Glauben der ersten Christen sein, denn die ersten Christen hatten die Bibel noch nicht.

Manche verteidigen solch ein theologisches System und monolithisches Bibelverständnis, das sich im Laufe der Kirchengeschichte herausgebildet hat. Man geht dabei von dem Ergebnis einer Entwicklung aus und schaut durch diese Brille zurück in die Vergangenheit.

Solch ein „christlicher“ Glaube kann dann allerdings kein „biblischer“ Glaube mehr sein – selbst wenn er sich „bibeltreu“ schimpft -, denn er geht ja klar über das hinaus, was wir in den biblischen Texten selbst lesen und stülpt ihnen eine deutlich jüngere Bibel-Ideologie über.

Warum machen Menschen das?

Es ist interessant sich anzuschauen, welchen Einfluss der Römische Kaiser und die „Verstaatlichung des Christentums“ unter Konstantin auf die Entstehung der Bibel hatten.

Heilige Texte, Rituale, Sakramente, etc. lassen sich kirchlich verwalten. Der Heilige Geist jedoch nicht.

 

„Der Wind weht, wo er will. Du hörst zwar sein Rauschen, aber woher er kommt und wohin er geht, weißt du nicht. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.“

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(Jesus im Johannes-Evangelium 3,8)

 

Das beste Projekt zum Thema Bibel und christlicher Glaube, das ich kenne, ist das Worthaus-Projekt. Zimmer sagt da auch was zu „Brillen“ und einem unverstellten Blick:

 

 

Subjektivität

Wenn es uns wirklich um die Sache Jesu geht und nicht um die Verteidigung unseres eigenen persönlichen theologischen Standpunkts, müssen wir bereit sein, unsere theologische Theorie zu hinterfragen – egal wer und wie viele diesen Standpunkt mit uns vertreten oder in der Vergangenheit vertreten haben.

Natürlich kann jeder für sich persönlich an eine perfekte Bibel glauben. – Es gibt auch Amerikaner, die glauben, dass die King-James-Bible die einzig richtige Bibel ist. – Aber mit welchem Recht oder welcher Begründung darf ich andere dazu drängen, dass auch so zu sehen oder sie auffordern, die Konsequenzen, die ich persönlich ziehe, auch zu ziehen?

 

Liebe ist geduldig, Liebe ist freundlich. Sie kennt keinen Neid, sie spielt sich nicht auf, sie ist nicht eingebildet. Sie verhält sich nicht taktlos, sie sucht nicht den eigenen Vorteil, sie verliert nicht die Beherrschung, sie trägt keinem etwas nach.
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Sie freut sich nicht, wenn Unrecht geschieht, aber wo die Wahrheit siegt, freut sie sich mit. Alles erträgt sie, in jeder Lage glaubt sie, immer hofft sie, allem hält sie stand.
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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 13,4-7)

 

Verantwortung

Alles bis jetzt Gesagte zwingt mich dazu, vorsichtig und mit Bescheidenheit über die biblischen Texte zu sprechen. In unserem Umgang mit und Reden über die Bibel muss auch die Begrenztheit und Unvollkommenheit unseres Verstehens zum Ausdruck kommen.

Wenn ich mich von Gott oder meinem Gewissen zum Reden gedrängt fühle, aber mir gleichzeitig die Fehlerhaftigkeit meines Verstehens bewusst ist, stehe ich in einer Spannung, die sich nicht auflösen lässt; und wir brauchen Kraft und Gnade, diese Spannung auszuhalten.

 

„Gottes Wort ist voller Leben und Kraft. Es ist schärfer als die Klinge eines beidseitig geschliffenen Schwertes, dringt es doch bis in unser Innerstes, bis in unsere Seele und unseren Geist, und trifft uns tief in Mark und Bein. Dieses Wort ist ein unbestechlicher Richter über die Gedanken und geheimsten Wünsche unseres Herzens.“

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(Brief an die Hebräer 4,12)

 

Wenn biblische Texte wie ein besonders scharfes Schwert sein können, sollten wir vorsichtig damit umgehen.

Wenn ich das Gefühl habe, mit meinem Auto stimmt vielleicht was nicht, sollte ich vorsichtig weiterfahren oder vielleicht sogar anhalten. Ähnlich ist es mit unserem Bibelverständnis.

Es geht bei diesen Fragen auch nicht um akademische Spielereien, sondern es geht um Sinn und Sinnlosigkeit, Glaube und Verzweiflung, Vergangenheit und Zukunft, Leben und Tod. Um die größten Fragen eines Menschen und der Menschheit.

 

„Wenn keine Offenbarung da ist, verwildert ein Volk …“

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(Mischle / Sprüche 29,18)

 

Nebenbemerkung: Autobiographisches

Gemeinde Christi – Church of Christ (non-instrumental)

 

Ich bin in einer kleinen Freikirche aufgewachsen, einer „Gemeinde Christi“. Das ist eine Denomination, die nach dem 2. Weltkrieg durch amerikanische Missionare nach Deutschland gekommen ist. In den USA heißen diese Gemeinden „Churches of Christ“ (non-instrumental) und die Ausbildungsstätten Pepperdine University, Abilene University, Harding University u.a. sind mit ihnen affiliiert. Die sogenannte „Boston-Bewegung“ / „International Churches of Christ“ sind aus ihnen hervorgegangen.

Entstanden ist diese Denomination aus dem sogenannten „restoration movement“ im 18. Jahrhundert in den USA. Bei den Pionieren, die nach Westen drängten und dort ihre Äcker absteckten, entstand ständig die Situation, dass in einem Dorf Menschen zusammen kamen, die durch unterschiedliche christliche Traditionen geprägt waren.

Damals hatten ein paar Christen (ganz im Sinne der Renaissance – „zurück zu den Quellen“) die Idee, man müsste die Spaltung in der Christenheit überwinden können durch eine Rückkehr zu den Wurzeln. Bald kam es in dieser Bewegung selbst dann allerdings auch wieder zu Spaltungen und neuen Denominationen.

Die Churches of Christ haben das Ziel, neutestamentliches Christentum zu verwirklichen und leben in der Vorstellung, dass sie dies erreichen, indem sie die Bibel möglichst wörtlich nehmen und sogar das Vorbild der ersten Christen als verbindlich für alle Christen ansehen. Dies hat u.a. dazu geführt, dass sie den Gebrauch von Musikinstrumenten im Gottesdienst ablehnen (daher „non-instrumental“).

Die Vielfalt der Meinungen in der frühen Christenheit wird kaum wahrgenommen und die in den neutestamentlichen Schriften zum Ausdruck kommenden Ansichten werden als normativ fürs Christentum aller Zeiten angesehen. Unstimmiges und Widersprüchlichkeiten werden „harmonisiert“. Der protestantische Kanon wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Mit Christen anderer Konfessionen und Denominationen wird grundsätzlich nicht zusammengearbeitet, da die anderen ja nicht so „biblisch“ und damit potentielle Nicht-Wiedergeborene oder sogar Irrlehrer sind.

Heute kann ich kaum noch nachvollziehen, wie unkritisch ich das damals geglaubt habe. Aber wir sind halt alle durch unsere persönliche Geschichte geprägt und glauben, was wir glauben wollen …

 

„… YHWH ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser …“

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(Psalm 23,1-2)

 

5.  Die Stimme Gottes im Herzen des Menschen

 

„… In das Herz des Menschen hat er den Wunsch gelegt, nach dem zu fragen, was ewig ist. Aber der Mensch kann Gottes Werke nie voll und ganz begreifen …“

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(Bibel / Tanach / Altes Testament, Kohelet / Prediger 3,11)

 

„Kür“

In „will-kür-lich“ stehen auch die Buchstaben „k-ü-r„.

 

„Ihr wisst doch, wie es ist, wenn in einem Stadion ein Wettlauf stattfindet: Viele nehmen daran teil, aber nur einer bekommt den Siegespreis.

Macht es wie der siegreiche Athlet:

Lauft so, dass ihr den Preis bekommt!“

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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 9,24)

 

In manchen Wettkampf-Sportarten gibt es einen Pflicht- und einen Kür-Teil. Im Kür-Teil haben die Sportler viel Freiheit, ihn kreativ zu gestalten – nach ihren Stärken und Schwächen und Vorlieben.

Menschen sind keine Inseln. Wir sind soziale Lebewesen und sind für ein gemeinschaftliches Leben „programmiert“. In der Gemeinschaft müssen Interessen und Bedürfnisse ständig ausgehandelt werden, und die Frage nach der Identität der Gruppe, also das, was verbindet, ist von existentieller Bedeutung.

Auch in religiösen Gemeinschaften findet ein ständiges Ausbalancieren statt: Sowohl im Leben des Einzelnen, als auch im gemeinsamen Leben. In diesem Ausbalancieren haben die Tradition und heilige Texte ihre Bedeutung – aber auch die gelebte, private Spiritualität des einzelnen Gläubigen.

Die Kunst der „sportlichen Frommen“ ist nun die „Kür“: Das kreative Gestalten dieses Ausbalancierens – sowohl im Leben des Einzelnen, als auch im Leben der Gemeinschaft. Dabei müssen sowohl die Bedürfnisse des Einzelnen als auch die der Gemeinschaft berücksichtigt werden. Das organische Bild des Körpers kann hier viel Orientierung geben.

Durch den Austausch über die heiligen Texte entsteht eine Diskurs-Gemeinschaft. Tradition verbindet und sorgt dafür, dass Traditions-Linien nicht abreißen und kulturelle Kontinuität gewährleistet sind. Es ist aber die erlebte Spiritualität des Einzelnen und die Stimmigkeit dieser religiösen Erfahrungen, aus denen sich das religiöse Leben speist.

Menschen stimmen mit ihren Füßen ab. Dort, wo kein geistliches Leben erfahrbar ist, wird auch bald kein geistlicher Mensch mehr hingegen.

Wenn wir einen Bibeltext lesen, versuchen wir in der Regel ihn so zu deuten, dass er wertvoll für uns wird. Das ist ja auch wirklich sinnvoll. – Das Leben ist hart, und wir brauchen Quellen der Kraft und der Inspiration.

 

„… das Reich Gottes gründet sich nicht auf Worte, sondern auf Gottes Kraft.“

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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 4,20)

 

Beim Lesen geht es ja nicht nur um das „richtige“ Verstehen dessen, was der Verfasser ursprünglich vermitteln wollte, sondern es geht darum, dass ich Gott zu mir reden lasse. Ein kontemplatives Lesen, welches schon eine lange Tradition hat:

 

 

Je mehr mein Wille und mein Denken mit dem Wirken Gottes in unserer Welt und in meinem Leben übereinstimmt, desto mehr höre ich das Reden Gottes durch die biblischen Texte.

 

Ihr seid zur Freiheit berufen … dient einander in Liebe! …
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Lasst den Geist Gottes euer Leben bestimmen …
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… die Frucht, die der Geist wachsen lässt, ist: Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung. Dagegen hat das Gesetz nichts einzuwenden.
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(Paulus an die Christen in Galatien, 5,13-23)

 

Dem, was dem gemeinsamen Leben, was  allem  Leben dient, kann auch ein Reden Gottes durch heilige Texte nicht widersprechen.

Einfach gemeinsam leben.

 

[Dies ist die neuere Überarbeitung meines ersten Blog-Artikels, welchen ihr hier findet.]

 

Bibel. Jetzt. (6) – Bibel 4D (vier-dimensional)

tesseract
By Jason Hise at English Wikipedia (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Häh? 4D?

Das geht doch gar nicht. – Oder?

Dimensionen

Der Text, den du gerade liest, ist ein bzw. zwei-dimensional. Der Raum oder die Umgebung, in der du dich gerade befindest ist drei-dimensional: Breite mal Höhe mal Länge/Tiefe; so wie ein Würfel oder andere Körper.

In diesem Post geht es nun um Vier-Dimensionales. – Aber, keine Angst, hier geht’s nicht um Mathematik, und es geht auch nicht, um ein neues Computer-Game zur Bibel, sondern um…

„Darum gleicht jeder, der auf meine Worte hört und tut, was ich sage, einem klugen Mann, der sein Haus auf felsigen Grund baut. Wenn dann ein Wolkenbruch niedergeht und die Wassermassen heranfluten, wenn der Sturm tobt und an dem Haus rüttelt, stürzt es nicht ein, denn es ist auf Felsen gegründet.

Doch wer meine Worte hört und sich nicht danach richtet, gleicht einem unvernünftigen Mann, der sein Haus einfach auf den Sand setzt. Wenn dann ein Wolkenbruch niedergeht und die Wassermassen heranfluten, wenn der Sturm tobt und an dem Haus rüttelt, bricht es zusammen und wird völlig zerstört.“

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(Die Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium, 7. Kapitel, Verse 24-27)

Sicherheit und Denkgebäude

Wohl dem, der ein festes Fundament für sein Leben gefunden hat; und dies gilt ganz besonders für Menschen, die eine Familie gründen wollen oder auf andere Art und Weise Verantwortung für das Leben anderer Menschen übernehmen. Leben braucht Sicherheit und Orientierung.

Sinn-Zusammenhänge erkennen können sogar Tiere (sonst könnte man Tiere ja gar nicht dressieren); und auch schon für Säuglinge und Kleinkinder ist die richtige Deutung ihrer Wahrnehmungen und Erfahrungen überlebenswichtig. Deutung passiert nicht nur auf gedanklicher Ebene.

Für Kinder werden zusätzlich dann noch Regeln aufgestellt. Geht auch gar nicht anders. „Nicht auf die Straße rennen!“ – „Nicht die heiße Herdplatte anfassen!“ – Bevor wir das so richtig kapieren, finden wir uns in einer Art Denk-Gebäude wieder aus Regeln, Traditionen, Gewohnheiten, Argumenten, Fakten, Vermutungen, … und wir arbeiten dann unser Leben lang an diesem Puzzle des Lebens, um Sinnzusammenhänge richtig zu deuten und uns auf sie einzustellen.

Gut zu leben, bedeutet u.a. seine Wahrnehmungen und Erfahrungen richtig deuten zu können: Was ist da gerade passiert? Was hat derjenige gemeint? Warum ist die Sache wieder schief gegangen? Warum mag mich keiner? …

Als Erwachsener hat man sich in der Regel irgendwann sein „Denk-System“ aus Meinungen, Wertvorstellungen, Überzeugungen, usw. zusammengebastelt und hofft, in diesem Fahrzeug gut durchs Leben zu rollen. Mit dem Bild des Hauses gesprochen: Man sitzt in seinem Denkgebäude und guckt aus dem Fenster. Doch,

„… wenn der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der HERR nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst.“

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(Die Bibel, Tanach / Altes Testament, Psalm 127, Vers 1)

Die vierte Dimension

Leben bleibt nicht stehen. Die Uhr tickt, und der Zeiger dreht sich weiter… – Das ist die vierte Dimension.

Leben ist nicht statisch, eingefroren oder einbetoniert. Es ist gerade das eigentliche Wesensmerkmal des Lebens, dass Lebewesen wachsen, sich verändern und bewegen. Leben ist VIER-dimensional: Bewegung und Veränderung im Laufe der Zeit. (Die obige Animation dient übrigens nur dazu, Bewegungen im drei-dimensionalen Raum zu illustrieren.)

Bibel 4D

Die Bibel ist eine Sammlung von ein bzw. zwei-dimensionalen Texten. Buchstabe hinter Buchstabe, Wort für Wort, Satz für Satz. Wörter auf einem platten Blatt Papier bzw. einer Schriftrolle. Aber diese Worte sind im Leben entstanden; und das auch nicht zu EINEM festen Zeitpunkt, sondern über eine lange Zeit erstreckt. Die Bibel ist weder das Stillleben eines Malers, noch das Standbild in einem Film.

Dieser vier-dimensionale Zusammenhang der Bibel ist in den Texten selbst nicht vollständig erhalten. Wir können allerdings versuchen, so gut es eben geht, den geschichtlichen Zusammenhang und das Leben der Menschen von damals zu rekonstruieren, und dann versuchen die Texte in diesem Zusammenhang zu verstehen.

Schon die Verfasser der biblischen Texte selber versuchten durch das Schreiben der Texte, ihre Erfahrungen zu verarbeiten und zu deuten. Die religiöse jüdische Geschichtsschreibung ist ein andauerndes Ringen darum zu verstehen, warum Gott so mit ihnen umgegangen ist. Die Texte selbst schon eröffnen einen Deutungsraum, in dem es darum geht, Gottes Wirken in seiner Schöpfung zu erkennen und zu verstehen; und dieser Deutungsraum erstreckt sich durch die Zeit bis zu uns heute.

Das Buch Hiob, z.B., beschäftigt sich mit einer der schwersten Frage überhaupt: unverdientes, schweres Leid. Die Frage wird in dem Buch diskutiert, und die Rahmenhandlung erklärt auch den Grund für Hiobs Leiden. Ob dies jedoch immer und überall eine ausreichende Erklärung für Leid ist, bleibt dem Urteil des Lesers überlassen.

Die Bibel-Community

Die biblischen Texte sind nicht zum Zeitpunkt des Verfassens versiegelt worden, so dass wir heute die ersten Leser wären, die diese Texte zu Gesicht bekämen und über sie diskutieren könnten. (Sie wurden ja auch gar nicht direkt für uns geschrieben.) Vielmehr sind die Texte über all die Jahrhunderte Teil des religiösen Lebens der Menschen gewesen, die diese Texte geschätzt, gelesen und diskutiert haben.

Wenn wir die Bibel lesen, stellen wir bald fest, dass manche biblischen Aussagen schon ihrerseits auf noch ältere biblische Texte Bezug nehmen. Die Bibel zitiert sozusagen sich selbst. Dies zeigt uns, wie diese Texte Teil des geistlichen Lebens von religiösen Gemeinschaften gewesen sind. Man las die alten Texte und schrieb neue. Als Bibel-Leser tauchen wir ein in eine Welt von „Bibel-Leuten“, sozusagen eine Bibel-Community, die sich über Zeit und Raum erstreckt bis hin zu zu mir.

Deutungsraum

Die Freunde von Skizzen und Modellen können versuchen sich das so vorzustellen (auf eine optische Darstellung habe ich aus naheliegenden Gründen verzichtet):

Menschen schreiben Texte für Menschen, und Menschen lesen diese Texte (Horizontale Beziehungsebene). Menschen sprechen zu Gott (Gebet, Hilferuf, Schwur, Lob, Dank, …), und Gott spricht zu den Menschen (Propheten, Engel, Traum, brennender Dornbusch, …) – vertikale Beziehungsebene.

Horizontale: Kommunikation zwischen Menschen
Vertikale: Gott spricht zu Menschen und Menschen sprechen zu Gott

Da dies alles allerdings nicht zu einem einzigen Zeitpunkt stattfand und -findet, dehnt sich dieser Raum auch zeitlich aus. Sozusagen in einer vierten Dimension. (Kann man sich logischerweise optisch nicht mehr räumlich vorstellen.) Es entsteht ein zeitlich-räumlicher Deutungsraum des Redens über, zu und von Gott her. Die Wirkung der biblischen Texte dehnt sich sozusagen in einem vierdimensionalen Deutungsraum aus bis hin zu meinem Stuhl (falls ich im Sitzen lese).

Platte Deutungen biblischer Texte sind fragwürdig. Wahrheit ist nicht eindimensional; und Sprache transportiert mehr, als dem Sprechenden oder Schreibenden bewusst ist. Wie man richtig oder gewinnbringend (nicht finanziell gemeint) mit biblischen Texten umgeht, ist eine für das Christentum entscheidende Frage.

Wirkung

In der Literaturwissenschaft betrachtet man immer auch die Wirkungsgeschichte von Texten und deren „Rezeption“; d.h. man untersucht, wer die Texte wo zitiert hat, welche Wirkungen sie gehabt haben, wie der Stoff weiter verarbeitet worden ist, usw. In den letzten 100 Jahren sind auch viele Bücher verfilmt worden – darunter auch die Bibel oder biblische Texte.

Durch die Jahrhunderte wurden die biblischen Texte und ihre Wirkungen ein wesentlicher Teil der Menschheitsgeschichte, insbesondere in der westlichen Welt und im Vorderen Orient. Man kann sich kaum vorstellen, wie unsere Welt die letzten 2000+ Jahre ausgesehen hätte, wenn es diese Texte nicht gegeben hätte. Nicht alle Wirkungen waren allerdings positiv; und auch heute noch kann „Bibel“ Menschen auch Schaden, wenn schlecht damit umgegangen wird.

Manche scheinen zu glauben, dass heilige Texte über solche kritische, literaturwissenschaftliche Untersuchungen erhaben sind. Aber nichts in unserer Welt ist so heilig, dass es nicht auch missverstanden oder missbraucht werden könnte. Gerade bei Texten, die einen göttlichen Anspruch haben, ist es unbedingt notwendig genau hinzuschauen, wie sie benutzt werden und welche Wirkungen sie haben.

Ich komme regelmäßig an einem kleinen Büro vorbei, in dem mitgearbeitet wird am Entstehen einer internationalen, Englisch-sprachigen Enzyklopädie über die Bibel und ihre Wirkungsgeschichte: „Encyclopedia of the Bible and its Reception“.

Leben für Betonköpfe

Es ist ein zentrales Problem aller Buchreligionen: Texte sind starr – das Leben nicht. Im Laufe der Kirchengeschichte ist vielerorts das christliche Denken erstarrt. Obwohl das Leben ständig weitergeht, versuchen manche Christen ihren Glauben aus einem perfekten „Glaubenssystem“ abzuleiten, dass sie sich aus Bibelversen, Glaubensbekenntnissen und Dogmen konstruiert haben. Ein frag-würdiges Projekt. – Schon Paulus wusste:

„… der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“

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(Neues Testament, 2. Brief von Paulus an die Gemeinde in Korinth, 3. Kapitel, Vers 6)

Steinernde Herzen

Wie wir die Bibel lesen, hat auch damit zu tun, was für Menschen wir sind. Manch einem ist die Sicherheit eines starren Denkgebäudes lieber als die Unsicherheit des Lebens und des Glaubens. Kinder brauchen auch noch mehr Regeln als erfahrene Erwachsene. Und manche hat schon das Leben hart gemacht.

„Ich will euch ein anderes Herz und einen neuen Geist geben. Ich nehme das versteinerte Herz aus eurer Brust und gebe euch ein lebendiges Herz. Mit meinem Geist erfülle ich euch, damit ihr nach meinen Weisungen lebt, meine Gebote achtet und sie befolgt.“

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(Tanach / Altes Testament, Hesekiel 36,26-27)

In Jesus nahm das Wort Gottes menschliche Züge an und lebte unter uns, wie wir. Gott wohnt bei seinen Menschen. Und auch nach Jesu Aufnahme in den Himmel hat er uns hier nicht allein gelassen.

Ein für allemal: JESUS !

„… zu ermahnen, dass ihr für den Glauben kämpft, der ein für alle Mal den Heiligen überliefert ist.“

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(Neues Testament, Judas-Brief, Vers 3)

Manche Menschen haben Angst vor Veränderungen – andere sehnen sich danach.

Ist unser christlicher Glaube nicht etwas Unveränderliches, auf das man sich verlassen kann?

Die Gestalt unseres Glaubens ist Jesus. Auf IHN können wir uns verlassen. Das allein ist christlicher Glaube.

Lebendiger Glaube – Haben oder Sein?

Glaube ist kein Besitz, den man sich in die Tasche stecken kann. LEBEN-diger Glaube kann nur ge-LEBT werden; und Leben ist Vier-dimensional. Vier-dimensional müsste auch die Art und Weise sein, wie biblische Texte gelesen und verstanden werden, und wie sie für Menschen heute noch wertvoll werden können.

Bibellesen im Geiste Gottes und Jesu. Das ist das Ziel, dem ich in dieser Artikelreihe auf die Spur zu kommen suche. Dazu gehört es, sensibel zu werden für Veränderungen und genau hinzuschauen, welche Gestalt der Glaube an den EINEN Gott in den unterschiedlichen biblischen Texten gefunden hat. Wie ging Jesus mit seinen heiligen Texten um? Und wie unterscheidet sich Paulus‘ Verständnis vom Leben im Geist vom Dienst des Buchstabens?

In diesem Artikel geht es nicht darum, dass sich die Texte verändern würden, sondern darum, dass sich UNSER VERSTÄNDNIS der Texte verändert und die WIRKUNG die sie haben. Ich lese heute die biblischen Texte nicht mehr so, wie ich sie vor 40 Jahren gelesen habe. Je vertrauter uns die Texte und ihre Welt werden, desto eher verstehen wir auch den ursprünglichen Sinn.

Die Bibel ist ein Buch des Lebens: Aus dem Leben heraus entstanden und in das Leben von Menschen hinein gesprochen. Wenn wir lernen würden, Bibel 4-dimensional zu denken, könnten wir vielleicht die Engstirnigkeiten überwinden, die geistliches Leben so oft behindern.

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