Christentum heute ist ohne die biblischen Texte kaum vorstellbar. Es gab allerdings schon Christentum bevor die Bibel entstand. Auch ist die Bibel nicht vom Himmel gefallen. Wie wir mit ihr umgehen, ist entscheidend für uns selbst und für andere. – VORSICHT : Das Anliegen des Blogs ist mir sehr ernst; einzelne Sätze sind allerdings nicht immer wörtlich zu nehmen. ;-) – Bin übrigens als Christian Schmill auf Facebook, @C_Schmill bei Twitter.
Wenn Menschen das Wort „Bibel“ hören, denken sie an einen zweidimensionalen Text oder ein dreidimensionales Buch. – Höchste Zeit für ein Update!
Keine Angst. Die ist kein Werbetext für ein neues Produkt. Dies ist die Einladung zu einem Bewusstseins-Wechsel.
„Bibel“
Wenn Menschen das Wort „Bibel“ hören, stellen sie sich etwas vor, dass es nie gegeben hat – und das liegt an der Geschichte ihrer Entstehung.
Die Bibel ist das „heilige Buch“ der Christenheit. Ein ursprüngliches „Original“ dieses Buches hat es allerdings nie gegeben. Anders als bei den Tora-Tafeln, welche Mose in der Erzählung vom Bundesschluss am Sinai überreicht bekommen hat, gab es nie eine Bibel, welche Gott für die Christenheit gemacht hat. Um die Herstellung von Bibeln musste sich die Kirche selbst kümmern. – Aber vielleicht hat der römische Kaiser damals ja ein bisschen dabei mitgeholfen.
Alle Bibeln, die in Gebrauch sind oder in Buchläden und Museen herumliegen, sind Sammlungen antiker „jüdischer“ religiöser Texte. Die Verfasser der neutestamentlichen Texte waren wahrscheinlich nicht alle Juden, aber die Texte sind dennoch zutiefst jüdisch geprägt und im Umfeld jüdischer Synagogen-Frömmigkeit entstanden.
Original oder Übersetzung?
Die biblischen Originaltexte wurden leider nicht in modernem Deutsch geschrieben, sondern in Hebräisch, Aramäisch und Griechisch. Da selbst Theologen in der Regel diese Sprachen nicht auf muttersprachlichem Niveau beherrschen, benutzen auch sie gerne mal Bibel-Übersetzungen. 😉
Es gibt da allerdings noch ein weiteres Problem mit dem Original…
„Textkritik“?
Dieser Begriff mag so manchem christlichen Fundamentalisten Angst einjagen. Erst ist allerdings völlig harmlos. Es geht lediglich um den Versuch herauszufinden, wie die Originale all der Texte ausgesehen haben mögen, deren Übersetzungen wir in unseren Bibeln finden.
Es existiert kein einziges Original der biblischen Texte mehr. Dies ist bei antiken Texten auch absolut nicht ungewöhnlich. Die Zeiten, in denen diese Texte geschrieben worden sind, liegen ja nun doch schon eine ganze Weile zurück, und mit dem Haltbarkeitsdatum von antiken Schreibmaterial ist das so eine Sache…
Deshalb muss man versuchen diese Originale zu rekonstruieren. Dies wäre nicht so schwierig, wenn sämtliche späteren Abschriften identisch wären. Da dies allerdings leider nicht der Fall ist und zum Teil beträchtliche Unterschiede bestehen, braucht man Bibelwissenschaftler, sogenannte „Textkritiker“, die durch kritisches Studium der alten Handschriften versuchen herauszufinden, welcher „Urtext“ am wahrscheinlichsten mit dem Original übereinstimmt.
Die allererste „Bibel“?
Juden mögen Schriftrollen. Sie benutzen sie immer noch.
Ein Meilenstein in der Buchherstellung war dann der Codex Sinaiticus. – Ein wirklich dickes Buch! Berühmt geworden als eine der wichtigsten biblischen Handschriften.
Ein Kodex ist im wesentlichen ein Stapel von Blättern, welche miteinander verbunden worden sind. Die Schriftrolle ist die ältere Buchform. Der Kodex setzte sich erst in der Spätantike als die führende Buchform durch.
Man könnte den Codex Sinaiticus als die allererste christliche „Bibel“ ansehen. Dazu muss man dann allerdings doch noch Folgendes bemerken:
Dieser Kodex war eine Sammlung griechischerTexte, d.h. das sogenannte „Alte Testament“ (also die vorchristlichen, jüdischen Texte) war schon in einer griechischen Übersetzung und nicht im Original-Hebräisch (bzw. Aramäisch) enthalten.
Der Codex Sinaiticus enthielt sowohl die sogenannten „alttestamentlichen Apokryphen“ (Judit, Tobit, Makkabäer,etc), als auch den Barnabasbrief und Teile des „Hirten des Hermas“. – Ich kenne keine einzige moderne Bibelausgabe, welche dieselbe Auswahl an Texten getroffen hat.
Dies bedeutet, dass es eine Original-Bibel, welche die alttestamentlichen Texte in Hebräisch und Aramäisch, sowie die neutestamentlichen Texte unserer Bibeln in Griechisch enthalten hätte, so weit wir wissen, nie gegeben hat.
Was wir über die Entstehung der Bibel wissen, spricht auch dagegen, dass es solch ein „Original“ jemals gegeben haben kann. – Eine Situation, die sich alle christlichen Fundamentalisten mal auf der Zunge zergehen lassen sollten…
Wandel der Zeiten
Das, was ich bis jetzt erklärt hab, vermittelt schon einen starken Eindruck vom Lauf der Geschichte. – Zeiten ändern sich. Sprachen ändern sich. Machtverhältnisse ändern sich. Menschen migrieren und werden verschleppt, und religiöse Bewegungen breiten sich aus. – Bibeln sind einzigartige Dokumente dieses Wandels.
Die Christenheit als „Bibel-Community“
Jesus selbst hat keinen einzigen Text hinterlassen. (!) Danach dauerte es dann noch drei (!) Jahrhunderte bis die ersten „Bibeln“ hergestellt wurden. (Dass der Name „Bibel“ hier nicht ganz unproblematisch ist, hab ich ja gerade erklärt.)
Besonders seit Erfindung der Massenherstellung von Büchern in der Renaissance und der zunehmenden Alphabetisierung, erfreuten sich Bibeln dann allerdings zunehmender Beliebtheit. Heutzutage können Milliarden Menschen Bibeln besitzen oder übers Internet auf die Texte zugreifen.
Biblische Texte spielten von Anfang an in der Christenheit eine große Rolle. Dies überrascht nicht, waren die ersten Christen doch alle Juden, welche ihre heiligen Texte lasen (oder hörten). Nach und nach wurden dann auch neue Texte von Jesus-Anhängern geschrieben. Kaum vorstellbar allerdings, dass sich z.B. Paulus schon bewusst gewesen wäre, dass sein Brief einmal in einer „Heiligen Bibel“ landen würde.
Die 4D-Bibel
Es gab nie ein „Bibel-Original“. „Bibel“ ist nicht ein Buch, sondern ein religionsgeschichtliches Phänomen der christlichen Geschichte.
Bis heute werden die biblischen Texte erforscht, Bibelausgaben überarbeitet, Textkritik betrieben, kommentiert und diskutiert. Die Gesamtheit all dieser Aktivitäten ist das, wofür das Wort „Bibel“ steht. Eine vierdimensionale „Bibel“ in ihrer Ausdehnung über Raum und Zeit. In dieser Ort und Zeitpunkt transzendierenden Dimension hat „Bibel“ auch eine gewisse „göttliche“ Qualität.
Die 4D-Bibel. – Ein vierdimensionales Symbol des Christentums.
Mehr als „Bibel“
Die Bibel ist allerdings weder mit dem Christentum identisch, noch war sie seine Quelle.
Das Leben, das Jesus vorgelebt hat, geht weit über „Bibel“ hinaus…
… dass sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, auf dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.
.
(Bibel, Neues Testament, Johannes-Evangelium 17. Kapitel, Vers 21)
Will man wirklich so Menschen im 21. Jahrhundert erreichen? Vielleicht sogar die nächste Generation?
Ich hab eher den Eindruck, dass man sich hier ängstlich an traditionelle „Werte“ klammert, weil man mit der Wirklichkeit nicht klar kommt. – Sollen auf diese Weise mündige Christen entstehen?
Man braucht doch keine Bibel-Ideologie, um herauszufinden, ob die biblischen Texte für einen selbst wertvoll sind. – Oder will man versuchen damit, die schillernde, auseinander-driftende Christenheit wieder zusammenzuführen?
Wer braucht ein „Evangelium21-Netzwerk“? – Rotten sich hier ein paar religiöse Extremisten zusammen, um die Moral in der Truppe zu stärken?
„… Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke, doch einmal werde ich alles klar erkennen, so deutlich, wie Gott mich jetzt schon kennt.“
. (Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 13. Kapitel, Vers 12; Bibel, Neues Testament)
Wahrhaftig?
Wissen die Macher von Evangelium 21 es nicht besser, oder verbreiten sie hier absichtlich die Unwahrheit:
„Wir vertrauen darauf, dass die Bibel entsprechend ihrem Selbstzeugnis das völlig vertrauenswürdige und in allen ihren Aussagen zuverlässige und autoritative Wort Gottes ist.“
„Selbstzeugnis“ ? – Das ist ja gerade einer der auffälligen Unterschiede zum Koran, dass die Bibel nicht sich selbst zum Thema macht. Da die Bibel erst Jahrhunderte nach dem Abfassen der biblischen Texte gemacht worden ist, kann sie das auch gar nicht.
(Das einzig theoretisch denkbare wäre eine biblische Verheißung, dass es später einmal so ein heiliges Buch geben würde. Aber so eine Verheißung gibt es in der Bibel nicht. Noch nicht einmal so etwas wie eine Anspielung auf das Erschaffen eines heiligen Buches in der Zukunft.)
Calvary Church bei Nacht; eine „non-denominational evangelical church“ in Charlotte, North Carolina; Foto von Fartbarker, via Wikimedia Commons – public domain
Moderne Kreuzzüge
Im Mittelalter wurden Kriege im Zeichen des Kreuzes geführt. Heute taucht das Wort „unbiblisch“ mancherorts als Kampfbegriff auf; vor allem in der Auseinandersetzung zwischen Christen. Manche haben sich das Dogma von der Unfehlbarkeit der Bibel auf die Fahne geschrieben und sind ausgezogen, die Wahrheit und die göttliche Autorität der Bibel zu verteidigen. – Heutzutage passiert das zum Glück ohne körperliche Gewaltanwendung.
„Alle Menschen sollen eure Güte und Freundlichkeit erfahren …“
.
(Paulus im Brief an die Christen in Philippi 4,5; Neues Testament)
Evangelium21-Konferenzen
In Hamburg gab es 2016 eine Konferenz der Initiative Evangelium21, zu der internationale Redner angereist waren, um die Autorität der Bibel zu verteidigen. In ihrem Blog finden wir dazu Sätze wie diese:
„Christen sollen der Autorität der Heiligen Schrift ganz vertrauen.“
„Die Bibel ist ein zutiefst verlässliches und vertrauenswürdiges Buch, unfehlbar, heilig und göttlich.“
Wenn man der Bibel „Göttlichkeit“ zuspricht, wird sie damit nicht zum Götzen?
Wiedereinmal wird das Dogma von der Unfehlbarkeit der Bibel unkritisch mit dem richtigen christlichen Glauben an Jesus von Nazareth gleichgesetzt und eine „göttliche Autorität der Bibel“ verteidigt. – Woher kommt es, dass so viele Christen mit Eifer eine Lehre verteidigen, die sich noch nicht einmal in dem Buch findet, für dessen Autorität sie sich einsetzen?
Altarbibel auf einem lutherischen Altar; von Leon Brooks [Public domain], via Wikimedia Commons
Was ist „biblisch“? Und was „unbiblisch“?
„Biblisch“ im engeren Sinne wäre einfach etwas, das zur Bibel gehört oder mit ihr zu tun hat. So könnte man z. B. sagen, dass Matthäus-Evangelium ist ein biblischer Text, weil es ja zur Bibel gehört. Es würde hingegen wegen Sinn machen zu sagen „Kriege sind biblisch“, nur weil Kriege in der Bibel vorkommen. Eher könnte man denken, dass Kriege unbiblisch sind, da es ja in der Bibel heißt: „Du sollst nicht töten!“
Wenn man anfängt, so zu denken, hat schon eine Bedeutungsverschiebung stattgefunden. Es geht nicht mehr nur darum, ob etwas sachlich mit dem Buch der Bibel zu tun hat, sondern hier wird die Bibel schon als ein Maßstab, also normativ verwendet, für Denken und Handeln.
Das Wort „unbiblisch“ ist auch nicht der genaue Gegensatz zum Begriff „biblisch“, denn es würde z. B . komisch klingen zu sagen, Goethes Zauberlehrling wäre unbiblisch, weil der Text nicht in der Bibel steht (zumindest für meine Ohren). Hingegen könnte man durchaus sagen, dass der Zauberlehrling kein biblischer Text ist.
„Als Bibel (altgriechisch βιβλίαbiblia ‚Bücher‘; daher auch Buch der Bücher) bezeichnet man eine Schriftensammlung, die im Judentum und Christentum als Heilige Schrift mit normativem Anspruch für die ganze Religionsausübung gilt.“
Unser Bedürfnis nach Orientierung und die biblischen Texte
Unausgesprochen transportiert das Wort „biblisch“ oft, wenn es gebraucht wird, die Vorstellung, dass man Gottes Offenbarung oder seine Anweisungen für unser Leben eindeutig aus der Bibel ableiten kann. Nicht nur die Bibel selbst soll fehlerfrei sein, sondern auch die Art und Weise, wie wir sie anwenden.
Es würde z. B. keinen Sinn machen zu behaupten, Alkohol trinken sei unbiblisch, wenn es widersprüchliche Aussagen dazu in der Bibel gäbe oder man dies nicht ein– deutig von ihr ableiten könnte.
Jeder, der sich nur ein bisschen mit dem Christentum beschäftigt hat, weiß, dass es u.a. die unterschiedliche Interpretation der biblischen Texte ist, die zu einer unüberschaubaren Vielzahl von christlichen Kirchen und Gruppen geführt hat. Es drängen sich alleine schon deshalb die Fragen auf:
Sprechen überhaupt alle biblischen Texte deutlich mit einer Stimme? Oder begegnet uns in den biblischen Texte eine Vielfalt an unterschiedlichen Stimmen, Perspektiven und Meinungen?
„Für die Unverheirateten hat mir der Herr keine ausdrückliche Anweisung gegeben. Aber weil der Herr mich in seiner Gnade zum Dienst berufen hat, sind meine Worte vertrauenswürdig. Darum möchte ich euch meine Meinung sagen…
.
Dies ist kein Befehl, sondern meine Meinung, doch ich habe schließlich auch Gottes Geist empfangen.“
. (Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 7,25-40; Neues Testament)
Wie interpretiert man die Bibel richtig ? Und wie lässt sich prüfen, ob etwas richtig interpretiert worden ist?
Mose, von José de Ribera via Wikimedia Commons – public domain
Heilige Texte im Judentum
Mich erinnern diese Überlegungen an die schier unglaubliche Fülle an Regeln für die Anwendung der Tora (5. Bücher Mose), wie wir sie im Rabbinischen Judentum finden. Wer schon einmal vor einer ungekürzten (!) Ausgabe des Talmud stand, weiß wovon ich rede.
In den Evangelien lesen wir, wie Jesus selbst sich mit dieser jüdischen Tradition auseinandersetzt. (Der Talmud selbst hat so zu Jesu Zeiten noch nicht existiert, aber ein Teil davon, in mündlicher Überlieferung.)
„Ihr Heuchler! Wie recht hat Jesaja, wenn er von euch schreibt:
.
‚Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber mit dem Herzen sind sie nicht dabei. Ihre Frömmigkeit ist wertlos, weil sie ihre menschlichen Gesetze als meine Gebote ausgegeben haben.'“
. (Matthäus-Evangelium 15,7-9; Neues Testament)
Hat sich nicht zwischen der Frömmigkeit, die Jesus gelehrt und vorgelebt hat, und der rabbinischen jüdischen Frömmigkeit des 1. Jahrhunderts deutlich etwas verändert?
„… der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig. “
. (Paulus im zweiten Brief an die Christen in Korinth 3,6; Neues Testament)
von Fra Angelico (circa 1395–1455) via Wikimedia Commons – public domain
Einfach Jesus
Inhalt, Qualität und Vielfalt der biblischen Texte inspirieren mich. Vor allem aber sind es das Leben und die Lehre Jesu, die mich gepackt haben (und auch von Paulus bin ich begeistert).
„Darum lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir…“
. (Paulus im Brief an die Christen in Galatien 2,20)
Die neutestamentlichen Texte sind die besten Zeugnisse über Jesus, die wir haben. Deshalb sind sie auch so wichtig. Es geht beim christlichen Glauben in erster Linie um einen Menschen, Jesus von Nazareth (von dem wir glauben, dass er der Messias Gottes, der Christus, ist), und um Menschlichkeit und Liebe (und nicht um Texte und deren Anwendung). Alle anderen Fragen sind zweitrangig. – Wir nennen uns ja auch nicht „Biblianer“ oder „Biblizisten“, sondern Christen.
Wenn Menschen die Bibel als heiliges Buch kaufen, lesen und benutzen, haben sie die Aufmerksamkeit auf Texte gerichtet und nicht mehr auf den Geist und das Heilige, auf das die Texte ja eigentlich selbst verweisen. Man verehrt ein Buch und beschäftigt sich mit Texten.
Ist dies der beste Weg sich für den Geist zu öffnen, aus dem heraus die Texte entstanden sind? – Eine der größten Gefahren für Christen sind Ablenkungen und Versuchungen; und über Texte kann man ja auch viel leichter verfügen und sie als Machtinstrumente benutzen…
Was sind das für Menschen, die unbedingt ein heiliges Buch besitzen wollen? Wer braucht eindeutige Aussagen, klare Ansagen und feste Regeln? Was sagt dieses Bedürfnis aus über ihre Persönlichkeit?
Wer innere Festigkeit besitzt und geistlich erfahren ist, kann sich auch dem Chaos und Herausforderungen des Lebens eher stellen.
„Wer nun auf das hört, was ich gesagt habe, und danach handelt, der ist klug. Man kann ihn mit einem Mann vergleichen, der sein Haus auf felsigen Grund baut. Wenn ein Wolkenbruch niedergeht, das Hochwasser steigt und der Sturm am Haus rüttelt, wird es trotzdem nicht einstürzen, weil es auf Felsengrund gebaut ist …“
. (Jesus am Ende der Bergpredigt, Matthäus-Evangelium 7,24-25)
„Gut gemeint“?
Das ist eine Entschuldigung, die oft gebracht wird:
„Aber es ist doch gut gemeint!“
Wie gut kann etwas gemeint sein, wenn ich versuche meine Überzeugung anderen aufzuzwingen und meine Meinungen durchzusetzen? Mit wem meint man es da gut? Mit sich selbst und seines Gleichen?
Christen, die nicht in der Lage sind, sich selbst und ihre Überzeugungen kritisch zu hinterfragen, stehen in der Gefahr der Sache Gottes trotz ihres Eifers einen echten Bärendienst zu erweisen.
„Denn an Eifer für Gottes Sache fehlt es ihnen nicht; das kann ich bezeugen. Was ihnen fehlt, ist die richtige Erkenntnis.“
. (Paulus im Brief an die Christen in Rom 10,2)
Einander dienen
Wir haben nicht den Auftrag, einander den Kopf zu waschen, sondern die Füße.
Aber mache ich das nicht auch gerade? Versuche anderen Christen „den Kopf zu waschen“?
„Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Denn ein Beispiel habe ich euch gegeben …“
. (Johannes-Evangelium 13,14-15; Neues Testament)
Ich erwarte nicht, dass all die Bibel-Ideologen von heut auf morgen ihre Überzeugung ändern. – Religion ist eine komplexe Angelegenheit. – Aber ich würde mir wünschen, dass sie vorsichtiger in ihrem Auftreten, mit ihren Ansprüchen und Formulierungen wären, und deutlich machen, dass sie für sich selbst persönliche Glaubensentscheidungen getroffen haben, wo andere Christen anders entscheiden. Ich hoffe, es wird auch durch diesen Artikel deutlich, dass es Christen gibt, die Bibel-Ideologie ablehnen.
Für die eigene Meinung göttliche Autorität zu beanspruchen ist eine gewagte Angelegenheit, für die man dann auch die Verantwortung übernehmen muss. Oft werden Menschen nachdenklicher und vorsichtiger, wenn sie Menschen besser kennenlernen, die auch tiefe religiöse Überzeugungen haben – aber andere.
Es ist not-wendig, dass wir uns von einer unsäglichen Kultur der Rechthaberei (nicht gerade eine der christlichen Tugenden) distanzieren, um uns einen frischen, heilsamen Zugang zu den biblischen Texten zu erarbeiten. Ein enges Bibelverständnis nur zu kritisieren ist allerdings etwas unbefriedigend, wenn man nicht auch Wege aufzeigt, wie die biblischen Texte heute noch Licht in unsere Dunkelheit bringen können.
Ein leidenschaftliches Engagement für die Wahrheit der Bibel mag gut gemeint sein, aber das alleine verhindert leider nicht, dass wir mit der Bibel Menschen schaden. Gute Absichten alleine sind nicht ausreichend, sondern wir müssen auch verstehen, und brauchen eine Kultur der kritischen Distanz zur eigenen Überzeugung.
„Nehmt vielmehr bereitwillig Gottes Botschaft an, die er wie ein Samenkorn in euch gelegt hat. Sie hat die Kraft, euch zu retten.
Allerdings genügt es nicht, seine Botschaft nur anzuhören; ihr müsst auch danach handeln. Alles andere ist Selbstbetrug!
Wer Gottes Botschaft nur hört, sie aber nicht in die Tat umsetzt, dem geht es wie einem Mann, der in den Spiegel schaut. Er betrachtet sich, geht wieder weg und hat auch schon vergessen, wie er aussieht.
Ganz anders ist es dagegen mit dem, der nicht nur hört und es dann wieder vergisst, sondern auch danach handelt. Er beschäftigt sich gründlich mit Gottes vollkommenem Gesetz, das uns durch Christus gegeben ist und uns frei macht.“
. (Jakobusbrief 1,21-25)
[ Mit „Gottes vollkommenem Gesetz“ ist hier offensichtlich nichtdie Bibel gemeint. 😉 ]
Abschied
Wir brauchen Mut, um liebgewonnene Traditionen aufzugeben oder sie zumindest erst einmal in Frage zu stellen. Ich kann die Sorge um den Verlust wichtiger Werte verstehen.
Aber ist es intellektuell redlich, wenn man an einem Konzept festhält und es verkündigt, nur weil man keine Alternative dazu sieht? – Man sollte nicht eine Erklärung als die Wahrheit verkaufen, nur weil man für sich selbst noch keine andere Erklärung gefunden hat.
Oft habe ich die Aussage gehört, dass wenn man an der Autorität der Bibel rüttelt, am Ende gar nichts mehr übrig bleibt. – Ich hoffe, dass ihr auf meinem Blog genug Belege dafür findet, dass dies nicht der Fall ist.
[Dies ist die neuere Überarbeitung eines älteren Artikels, welchen ihr mit Kommentaren hier findet.]
Erschaffung Adams (Sixtinische Kapelle) von Michelangelo; Fotografie von Jörg Bittner Unna (Own work) [CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)%5D, via Wikimedia Commons
Der trennende Gott
Worauf wohl der sehnsüchtige Blick Adams gerichtet ist? Und welche Gefühle wohl im Blick Evas zum Ausdruck kommen?
In den Medien ist oft nur ein kleiner Ausschnitt dieses Deckenfreskos zu sehen. – Was auch immer sich Michelangelo bei diesem Gemälde gedacht haben mag; er platzierte jedenfalls einen verhüllten Gott zwischen die nackten Menschen.
nackt
Nackt werden wir geboren. Auch die ersten Menschen der zweiten Schöpfungserzählung unserer Bibeln sind nackt. Keine Scham.
Die beiden aber, der Mensch und seine Frau, waren nackt, und sie schämten sich nicht.
(Tanach / Bibel, Bereschith / Genesis / 1. Buch Mose, 2. Kapitel, Vers 25)
Es gibt nur wenige Verse in der Bibel, die mich so tief berühren wie dieser. – Keine Scham. Keine Angst. Schamlose Verletzbarkeit.
Doch schon in jungen Jahren lernen wir, dass Nacktheit ein Problem sein kann …
Scham
Die Angst davor, nicht gut genug zu sein unter den kritischen Blicken der anderen, ist wohl eine der tiefsten Überzeugungen, welche wir in uns tragen. Viele kränkende Erfahrungen haben uns dies gelehrt.
Wie wäre es, wenn es Augen gäbe, die bis auf den Grund unserer Seele sähen, ohne dass wir uns schämten?
Dein blaues Auge hält so still,
Ich blicke bis zum Grund.
Du fragst mich, was ich sehen will?
Ich sehe mich gesund.
Es brannte mich ein glühend Paar,
Noch schmerzt, noch schmerzt das Nachgefühl:
Das deine ist wie See so klar
Und wie ein See so kühl.
(Klaus Groth)
schamlos leben
Wenn ein neuer Mensch in die Welt kommt, sind Hände da, die ihn auffangen und umsorgen, Augen der Liebe, die ihn betrachten. – Auf den ersten Menschen ruhte der wohlwollende Blick ihres Schöpfers.
Wenn wir einander so ansehen könnten, wie Gott uns sieht …
Jesus sah ihn voller Liebe an:
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»Etwas fehlt dir noch: Geh, verkaufe alles, was du hast, und gib das Geld den Armen. Damit wirst du im Himmel einen Reichtum gewinnen, der niemals verloren geht. Und dann komm und folge mir nach!«
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Als er das hörte, war der Mann tief betroffen. Traurig ging er weg, denn er besaß ein großes Vermögen.
TV-Übertragungswagen des englischsprachigen, staatlich finanzierten Fernsehsenders Russia Today in Moskau; von Jürg Vollmer / Maiakinfo [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)%5D, from Wikimedia Commons
Nachrichten fallen nicht vom Himmel.
Nachrichten sind Produkte von Journalisten, hergestellt in menschlicher Handarbeit mit subtiler Raffinesse. Im hart umkämpften Nachrichtenmarkt müssen Nachrichten attraktiv sein …
Es gibt Großhändler von Nachrichten: Die „Deutsche Presse-Agentur (dpa)“, Associated Press (AP), Reuters, usw. Mit diesen Firmen hat der Endverbraucher normalerweise nichts zu tun. Er/sie kauft seine/ihre Nachrichten beim „Einzelhändler“.
Die Marktanteile bei Tageszeitungskunden waren 2006 folgende: 95,7 % DPA, AP 47,1 %, AFP 47,8 %, Reuters 33,3 %, ddp 30,4 % – wobei ddp mittlerweile (Stand: 2016) aufgrund einer Insolvenz vom Markt verschwunden ist.
(abgerufen am 26.05.2018, 21:30 Uhr)
Die Agentur mit dem größten Marktanteil (dpa) ist eine GmbH. Zur Deutschen Presse-Agentur GmbH heißt es bei Wikipedia (Deutsche Presse-Agentur):
Die 185 Gesellschafter der dpa sind ausschließlich Medienunternehmen wie Verlage und Rundfunkanstalten. Damit sind Gesellschafter und Kunden der Agentur größtenteils identisch.
(abgerufen am 26.05.2018, 21:31 Uhr)
Die Medien
Das Objektivitäts-Ideal des Journalismus ist lobenswert. Aber in welchem Umfang lässt sich dieses Ideal in der Nachrichten-Industrie aufrecht erhalten? Und wie viele von denen, die an der Nachrichtenproduktion und -präsentation beteiligt sind, haben an Objektivität noch ein leidenschaftliches Interesse?
Vor fast vier Jahren (29.04.2014), z.B., wurde beim politischen Kabarett „Die Anstalt“ (ZDF) auf Verbindungen zwischen Journalisten und Lobbyisten hingewiesen. Aufgrund von juristischem Druck, entfernte das ZDF später die Folge. Bei YouTube ist sie zur Zeit noch zu finden.
Mir geht es nicht darum, alle Journalisten unter Generalverdacht zu stellen. Andererseits wäre jedoch auch ein blindes Vertrauen in einen sauberen Journalismus angesichts der Gegebenheiten verantwortungslos.
Kultur
Letztendlich ist das Weltbild, das durch die Medien vermittelt wird, eine Art „Fantasiewelt“. Die erzeugte Illusion mag weitgehend mit der Wirklichkeit übereinstimmen; jedoch ist es dem Einzelnen in der Regel nicht möglich nachzuprüfen, in welchen Punkten und in welchem Umfang die Darstellungen der Medien von der Wirklichkeit abweichen.
Es geht allerdings auch nicht nur um Wirklichkeit. Es geht auch um das Bedienen der Interessen der Konsumenten; wozu u.a. auch die Schaffung bzw. Aufrechterhaltung eines gesellschaftlichen Narrativs gehört.
Ein Narrativ stiftet Identität und dient der Wertevermittlung. Vielleicht wird gerade deswegen vermehrt über Narrative gesprochen, weil wir als deutsches Volk kein einheitliches Narrativ besitzen. Früher war es einfacher eine Antwort auf die Frage zu geben: „Was ist deutsch?“ (Auch wenn die Antwort vielleicht falsch wahr.)
Etwas muss wohl dran sein an der Idee des Narrativs. Nach dem Begriff der „linguistischen Wende“ existiert ja seit einiger Zeit auch der Begriff der „narrativen Wende“. In unserer Multi-Options-Gesellschaft gibt es selbstverständlich nicht nur ein Narrativ, sondern es ist eine Vielfalt an Narrativen im Angebot. Kultur als Selbstbedienungsladen: „Bitte bedienen Sie sich!“
Die Verantwortung des Konsumenten
Wenn wir uns als Konsumenten mehr unserer Macht bewusst wären (wir sind ja schließlich diejenigen, die alles finanzieren), dann könnten wir, von unserer Seite der Wirtschaft aus, die Märkte und das Wirtschaftsleben gestalten, anstatt uns mit der Opfer-Rolle zufrieden zu geben. Wir könnten unser eigenes „Nachrichten-Verhalten“ kritisch überprüfen und alle zu Kultur-Erschaffenden werden. Aktivität statt Passivität. Aus der Couch erheben …
Welche Nachrichtenkanäle benutze ich? Welche Zeitung kaufe ich? Welche Webseiten klicke ich an? Welche Nachrichten teile ich? Was für Neuigkeiten frage ich nach? Auf welche Skandale und Eilmeldungen reagiere ich? Welchen Raum gebe ich dem „Aktuellen“ in meinem Leben?
Wo und wann frage ich kritisch nach? Bin ich bereit für Qualitäts-Journalismus auch Geld auszugeben? Mische ich mich selbst ein und trage bei zur Verbreitung von gut gemachten Nachrichten?
Wir können trotz aller eigenen Begrenztheit uns zumindest bemühen, einen sauberen Journalismus zu unterstützen und die Kritik an der Macht der Medien wach zu halten.
Was tun wir als Christen?
Den Kopf in den Sand zu stecken und als Christ nur noch die Bibel zu lesen, kann wohl kaum eine verantwortbare Alternative zum Nachrichten-Konsum sein. Auch als Christen leben wir in einer Informationsgesellschaft, in der Medien eine gewaltige Rolle spielen. Selbst wenn wir nicht mehr mitspielten, würden die anderen ohne uns weiter machen.
Wir können unsere Sinne schärfen. Welche Wirkung hat mein Nachrichten-Konsum in meinem Leben? Was nützt er mir und welche Auswirkungen hat er auf andere Menschen?
Und wir können ein himmlisches Narrativ den Narrativen dieser Welt entgegensetzen:
Gute Nachricht!
Die Gute Nachricht von der Herrschaft Gottes wurde geboren, als der Himmel und die Erde sich küssten. Jesus aus Nazareth. Kreuz und Auferstehung.
Liebe statt Hass. Licht anstelle von Dunkelheit. Aufrichtigkeit statt Lügen. Statt Verirrungen ein Weg der ans Ziel führt. Entschlossenheit statt Ablenkungen. Geduld und Hartnäckigkeit anstelle von Sinnlosigkeit. Kraft statt Erschöpfung. Frieden statt Krieg und Streit. Herz statt Kopf, und Gemeinwohl anstelle von Einzelinteressen. Gemeinschaft statt Egoismus, Befreiung statt Sklaverei. Gerechtigkeit anstelle von Profit-Steigerung. Verantwortung statt Spaßkultur. Einfachheit anstelle von Optimierungswahn. Vertrauen statt Perspektivlosigkeit, Vergebung anstelle von Schulden. Statt Müll und der Zerstückelung des Lebens, das Ewige, Heilige berühren. Leben statt Tod. Menschheitsfamilie statt Einsamkeit.
Es existiert eine gute Nachricht, für alle Menschen dieser Welt. Geboren aus einem guten Geist, auf dem Weg zur Heilung der Welt. Wo Herzen sich berühren und Leben sich verwandelt in Herrlichkeit. Himmel auf Erden …
Fast 7 Jahre ist es her, dass Gott 9.0 beim Gütersloher Verlagshaus erschienen ist, und es hat mittlerweile die 7. Auflage erlebt. Ein einzigartiges Buch, das auf grundlegende Art und Weise sämtliche traditionellen jüdisch-christlichen Gottesvorstellungen herausfordert.