Meine Tipps für Weihnachten

 

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Gemälde von Gerard van Honthorst, via Wikimedia Commons – public domain

 

[ Ich hatte ja schon die Weihnachts-Tipps von Rabbi Schaul (auch bekannt als der Heilige Apostel Paulus) veröffentlicht. Jetzt kommen noch meine Tipps: ]

 

1.  Sei unabhängig von irgendwelchen dahergelaufenen Weihnachts-Tipps  😉

Achte auf dich selbst und schärfe deine Wahrnehmung für deine Mitmenschen. (Du bist ja nicht doof, und mit dem gesunden Menschenverstand kommt man schon ziemlich weit – so man ihn denn benutzt.) – Du brauchst also nicht unbedingt weiterlesen…  😉

 

Niemand kann mehr von dir erwarten, als du willst und kannst.

 

2.  Bewahre die Ruhe!

Du allein kannst sowieso nicht garantieren, dass dieses Weihnachtfest ein Erfolg wird. Sei also ganz entspannt. Es hängt nicht alles von dir ab.

Auch dieses Weihnachten wird bald wieder vorbei und Vergangenheit sein. Und wenn man schon im voraus seine Aufmerksamkeit auf das Schöne im Weihnachten lenkt, wird man vielleicht auch verzaubert …

 

„Stille Nacht, heilige Nacht, …“

 

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Figuren einer Weihnachtskrippe, Foto von Jeff Weese, via Wikimedia Commons – CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)

 

3.  Bete für Weihnachten.

Denk dabei nicht nur an dich selbst. Weihnachten ist viel größer als deine kleine Weihnachtsfeier…

 

„aber der Engel sagte zu ihnen:

‚Ihr braucht euch nicht zu fürchten! Ich bringe euch eine gute Nachricht, über die im ganzen Volk große Freude herrschen wird. Heute ist euch in der Stadt Davids ein Retter geboren worden; es ist der Messias, der Herr…‘

‚Ehre und Herrlichkeit Gott in der Höhe, und Frieden auf der Erde für die Menschen, auf denen sein Wohlgefallen ruht.'“

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(Lukas-Evangelium 2. Kapitel, Verse 10-14 – Bibel, Neues Testament)

 

4.  Fang bei dir selbst an.

Frag dich nicht, was andere tun müssten, sondern was du selbst tun kannst.

 

„… mit dem Maßstab, den ihr an andere anlegt, werdet ihr selbst gemessen werden.

Warum siehst du jeden kleinen Splitter im Auge deines Mitmenschen, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht? Wie kannst du zu ihm sagen:

‚Komm her! Ich will dir den Splitter aus dem Auge ziehen!‘

und dabei hast du selbst einen Balken im Auge!

Du Heuchler! Entferne zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du klar sehen, um auch den Splitter aus dem Auge deines Mitmenschen zu ziehen.“

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(Jesus in der Bergpredigt – Matthäus-Evangelium 7,2-5 – Bibel, Neues Testament)

 

Schau deinem Schatten in die Augen. Wenn dich jemand so richtig nervt, liegt es wahrscheinlich hauptsächlich an dir selbst. – Bitte den Balken entfernen!

 

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Feldkreuz Hochtannbergpass, Foto von böhringer friedrich, via Wikimedia Commons – CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)

 

5.  Vergebung

Trenn dich vom Ballast negativer Weihnachtserfahrungen. Wenn du selbst anders bist, kann auch dein Weihnachten anders werden.

Fass für dich selbst den Entschluss, Fehler vergangener Weihnachten nicht zu wiederholen, und überlege, wie du ganz praktisch verhindern kannst, wieder „in die alten Schienen zu rutschen“.

Horche in dich selbst hinein. Gibt es da noch jemand, dem du vergeben oder um Vergebung bitten solltest? – Vielleicht gibt es ja trotz der hektischen Weihnachtsvorbereitungen die Möglichkeit einen Moment zu nutzen, um mit einer anderen Person etwas zu klären, bevor die Jesus-Party steigt.

 

„‚Versteht ihr, was ich eben getan habe, als ich euch die Füße wusch?’…

‚Ihr nennt mich Meister und Herr, und das mit Recht, denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und der Meister, euch die Füße gewaschen habe, sollt auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.'“

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(Johannes-Evangelium 13,12-15 – Bibel, Neues Testament)

 

6.  Nicht den Kopf waschen, sondern die Füße.

Weihnachten ist nicht unbedingt der beste Zeitpunkt, um Diskussionen zu führen und „endlich mal was zu klären“. Bevor man versucht Wortgefechte zu gewinnen, sollte man erst einmal schauen, ob man sich ganz praktisch irgendwie nützlich machen kann.

 

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Red mistletoe, Hopkins River, New Zealand, Foto von William M. Connolley, via Wikimedia Commons – GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

 

7.  Das Gute, das Wahre, das Schöne.

Das Weihnachtsfest ist aufgeladen mit großen Erwartungen: Weihnachten als Verkörperung des Guten, Wahren und Schönen. Das ist offensichtlich aber kein Automatismus. Vielmehr ist Weihnachten die Aufgabe, das Gute, Wahre und Schöne in jedem Detail der Weihnachtszeit (neu) zu entdecken.

 

„… orientiert euch an dem, was wahrhaftig, vorbildlich und gerecht, was redlich und liebenswert ist und einen guten Ruf hat. Beschäftigt euch mit den Dingen, die auch bei euren Mitmenschen als Tugend gelten und Lob verdienen.“

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(Paulus im Brief an die Christen in Philippi 4,8 – Bibel, Neues Testament)

 

8. Das Verbindende suchen.

Weihnachten ist der Anlass, dass wir uns Zeit für einander nehmen. Diese Zeit ist schon ein sehr wertvolles Geschenk, das wir einander und uns selbst machen.

Viele Menschen scheinen einfach ausgehungert danach zu sein, als Menschen wahrgenommen und beachtet zu werden. Wir könnten uns die Zeit nehmen, einander zuzuhören. Und wenn wir freiwillig und fröhlich etwas weggeben, kommt eigentlich auch immer irgendwas zurück.

Gibt es Gemeinsames, etwas, das alle an Weihnachten schätzen oder schön finden? (Weihnachtslieder, -musik, -filme, Spiele spielen, alte Geschichte erzählen, alte Fotos, Spazieren gehen…)

 

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Winterlandschaft Ebenthal, Foto von Johann Jaritz, via Wikimedia Commons – CC BY-SA 3.0 at (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/at/deed.en) or CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

 

9. Sei kreativ.

Jedes Jahr die alte Leier. – Rituale können sehr schön und wertvoll sein. Aber man könnte (falls die anderen einverstanden sind) auch mal was Neues ausprobieren. Probieren geht über studieren. Abwechslung belebt.

 

„Viele Male und auf verschiedenste Weise sprach Gott in der Vergangenheit durch die Propheten zu unseren Vorfahren. Jetzt aber, am Ende der Zeit, hat er durch seinen eigenen Sohn zu uns gesprochen…

Er ist das vollkommene Abbild von Gottes Herrlichkeit, der unverfälschte Ausdruck seines Wesens…“

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(Hebräerbrief 1,1-3 – Bibel, Neues Testament)

 

10.  Jesus

The reason for the season. Wundervolles Geheimnis der Offenbarung Gottes im Menschen: Gott wird neugeboren …

Der Neugeborene in der Krippe: Schwach und hilflos. Empfangend.

Der tiefste Sinn von Weihnachten ist wohl der:  Wir sind Beschenkte!

 

Fröhliche Weihnachten!

 

 

 

organisch auferstehen

 

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By de:Bild:BauchOrgane.png + my_update (de:Benutzer:ErnstA, ru:User:Ustas) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)%5D, via Wikimedia Commons

 

Bist du schon organisch auferstanden?

Keine Angst, hier geht es nicht um die menschliche Anatomie oder eine weitere neue Erfindung der schillernden spirituellen Szene im deutschsprachigen Raum, sondern um die Wiederentdeckung einer urchristlichen Erkenntnis.

 

Weil ihr Gottes reiche Barmherzigkeit erfahren habt, fordere ich euch auf, liebe Brüder und Schwestern, euch mit eurem ganzen Leben Gott zur Verfügung zu stellen. …
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Unser Körper besteht aus vielen Teilen, die ganz unterschiedliche Aufgaben haben. Ebenso ist es mit uns Christen. Gemeinsam bilden wir alle den Leib von Christus, und jeder Einzelne ist auf die anderen angewiesen. Gott hat jedem von uns unterschiedliche Gaben geschenkt. …
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Seid in herzlicher Liebe miteinander verbunden, gegenseitige Achtung soll euer Zusammenleben bestimmen.
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(Die Bibel, Neues Testament, Paulus‘ Brief an die Römer, 12. Kapitel, Verse 1-10)

 

Robinson Crusoe findet auf seiner einsamen Insel eine Bibel, die an den Strand gespült worden ist, liest und durch das Wirken des Geistes Gottes wird ein neuer Mensch geboren. Halleluja! Auferstehung zu einem neuen Leben.

Auf der Insel stößt Robinson auf einen anderen Menschen. Aber Robinson geht dem anderen Menschen aus dem Weg. Der andere Mensch ist sogar auch Christ, aber Robinson vermeidet ihn trotzdem und pflegt seine neu gefundene private Frömmigkeit.

Was stimmt bei dem Bild nicht?

 

Alle, die zum Glauben an Jesus gefunden hatten, waren ein Herz und eine Seele. Niemand betrachtete sein Eigentum als privaten Besitz, sondern alles gehörte ihnen gemeinsam.

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(Neues Testament, Apostelgeschichte 4,32)

 

Wie könnte es möglich sein, dass jemand, der von Gottes Liebe berührt worden ist und verstanden hat, dass Gott Liebe ist, nicht dann auch andere Menschen liebt? Liebe ist nicht ein Gefühl oder eine Idee im Kopf, sondern etwas, das sich im praktischen Verhalten verwirklicht. Eine Liebe, die nicht auch in irgendeiner Weise Ausdruck findet, ist nur eine Illusion.

Christen sind wie Magneten: Sie ziehen einander mit Macht an. Der Geist Gottes führt sie zu einander und die Liebe schafft eine herzliche Verbindung. Wie einzelne Wassertropfen, die in Kontakt kommen, fließen sie in einander. Wo auch immer dies nicht geschieht, stimmt etwas nicht mit dem Christentum oder mit dem Christsein.

 

… Lebt so, dass Gott dadurch geehrt wird; er hat euch ja berufen, seine Kinder zu sein. Überhebt euch nicht über andere, seid freundlich und geduldig! Geht in Liebe aufeinander ein!
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Setzt alles daran, dass die Einheit, wie sie der Geist Gottes schenkt, bestehen bleibt. Sein Friede verbindet euch miteinander. Gott hat uns in seine Gemeinde berufen. Darum sind wir ein Leib, und es ist ein Geist, der in uns wirkt. Uns erfüllt ein und dieselbe Hoffnung.
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Wir haben einen Herrn, einen Glauben und eine Taufe. Und wir haben einen Gott. Er ist unser Vater, der über allen steht, der durch alle und in allen wirkt. Jedem Einzelnen von uns aber hat Christus besondere Gaben geschenkt … Jetzt ist er Herr über den Himmel und erfüllt das ganze Weltall mit seiner Gegenwart und Macht … , damit die Gemeinde, der Leib von Christus, aufgebaut und vollendet wird.
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Dadurch werden wir im Glauben immer mehr eins werden und miteinander den Sohn Gottes immer besser kennen lernen. Wir sollen zu mündigen Christen heranreifen, zu einer Gemeinde, die ihn in seiner ganzen Fülle widerspiegelt.
Dann sind wir nicht länger wie unmündige Kinder, die sich von jeder beliebigen Lehrmeinung aus der Bahn werfen lassen und die leicht auf geschickte Täuschungsmanöver hinterlistiger Menschen hereinfallen.
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Stattdessen wollen wir die Wahrheit in Liebe leben und in allem zu Christus hinwachsen, dem Haupt der Gemeinde. Durch ihn ist der Leib fest zusammengefügt, denn er verbindet die Körperteile durch die verschiedenen Gelenke miteinander. Jeder einzelne Teil leistet seinen Beitrag. So wächst der Leib und wird aufgebaut durch die Liebe. Darum fordere ich euch im Namen des Herrn eindringlich auf: Lebt nicht länger wie Menschen, die Gott nicht kennen!
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(Paulus‘ Brief an die Epheser 4,1-17)

 

Unser Gott ist ein Gott, der zur Einheit führt, zum ewigen Frieden. Schalom. Wiederherstellung einer gestörten Schöpfung. Verirrte Menschen finden wieder zurück nach Hause. Verlorenes wird wiedergefunden. Ausgestoßene finden wieder zurück in die Gemeinschaft. Schuld wird vergeben. Kaputte Beziehungen werden gesund, zerrüttete Familien finden Heilung.

 

Ihr werdet sehen: Noch bevor der große und schreckliche Tag kommt, an dem ich Gericht halte, schicke ich den Propheten Elia zu euch. Er wird Eltern und Kinder wieder miteinander versöhnen, damit ich euch und euer Land nicht völlig vernichten muss, wenn ich komme.
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(Altes Testament, Maleachi 3,23-24)

 

Dies sind die letzten beiden Verse unseres Alten Testaments.

Christ werden bedeutet, den wunderbaren Weg des Jesus von Nazareth zu betreten und auf ihm zu gehen. Wer erschöpft ist, findet dort immer wieder neue Kraft. Wer hinfällt, dem wird wieder aufgeholfen. Wer scheitert, erlebt, dass es mit Gott immer weiter geht. Wer mit der eigenen Kraft ans Ende kommt, erlebt die wahre Auferstehung durch die ewige Kraft des Lebens Gottes.

Sterben muss jeder für sich allein. Immer wieder neu. Als einzelner Mensch kapitulieren. Sünde bekennen, vergeben und versöhnen.

Auferstehen können wir nur gemeinsam. Geeint in Christus und verbunden in Liebe und dem Heiligen Geist. Die globale Bewegung und Community der Anhänger des Jesus aus Nazareth, die sich überall dort kristallisiert, wo es Christen zu einander zieht, Leben verändert, und wo das Evangelium dadurch auch für andere Menschen wahrnehmbar wird.

 

 Ihr seid das Licht, das die Welt erhellt.

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(Neues Testament, Matthäus-Evangelium 5,14)

 

Heilige Texte = gute Texte ?

 

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Der Anfang der Gutenberg-Bibel [Text von Hieronymus (* ca 347, † 420), Druck durch Johannes Gutenberg (* ca. 1400, † 1468), Illustrationen von verschiedenen Angestellten], public domain, via Wikimedia Commons

 

Die Frage selbst scheint schon ein bisschen blasphemisch und ein bisschen absurd: Wenn heilige Texte keine guten Texte sind, was dann?

Ich bin mit der Bibel aufgewachsen, und sie hat mich ein Leben lang begleitet. Wenn ich auf eine einsame Insel müsste und könnte nur  ein  Buch mitnehmen, wäre die Frage für mich nur,  welche Bibel-Ausgabe  ich mitnehme. Und doch gibt es immer noch Teile der Bibel, denen ich nicht viel abgewinnen kann. Liegt das an mir oder am Text?

Als ich in der Oberschule war, beschloss ich, in einem Jahr die Bibel durchzulesen, und ich hab es auch geschafft.  🙂  Ca. 3 Kapitel Altes Testament und 1 Kapitel Neues Testament pro Tag. Ich hätte natürlich auch einfach Alles von vorne bis hinten durchlesen können, aber ich wollte nicht so lange aufs Neue Testament warten müssen.

Manchmal war es so spannend, dass ich nach 3 Kapiteln gar nicht aufhören wollte, und andere Male war es ziemlich öde. – Darf man das überhaupt zugeben? – 3. Buch Mose / Leviticus / Wajikra ist für einen Teenager nicht unbedingt fesselnde Lektüre. – Wie wär’s mit etwas Harry Potter? Oder Stephen King?

Es ist allerdings auch eine absurde Vorstellung, dass antike heilige Texte für Kinder, Teenager oder auch Erwachsene spannende Lektüre sein müssen. Wenn man dies von den Texten oder deren Lesern verlangt, ist man in Gefahr, die Texte so verbiegen zu wollen, dass sie für den Leser interessant werden. Auch sich selbst oder anderen vorzumachen, dass man die biblischen Texte ganz toll findet, klingt nicht nach einer christlichen Strategie.

Oft habe ich es erlebt, dass man mit Gewalt versucht die Texte zu „aktualisieren“:

 

Dies sind aber die Namen der Männer, die euch beistehen sollen: von Ruben: Elizur, der Sohn Schedëurs; von Simeon: Schelumiël, der Sohn Zurischaddais; von Juda: Nachschon, der Sohn Amminadabs; von Issachar: Netanel, der Sohn Zuars; von Sebulon: Eliab, der Sohn Helons; von den Söhnen Josefs: von Ephraim: Elischama, der Sohn Ammihuds; und von Manasse: Gamliël, der Sohn Pedazurs; von Benjamin: Abidan, der Sohn des Gidoni; von Dan: Ahiëser, der Sohn Ammischaddais; von Asser: Pagiël, der Sohn Ochrans; von Gad: Eljasaf, der Sohn Deguëls; von Naftali: Ahira, der Sohn Enans.

(Die Bibel, Altes Testament, 4. Buch Mose / Numeri / Bemidbar, 1. Kapitel, Verse 5-15)

 

„Wie kannst du diese Verse heute praktisch in deinem Alltag anwenden?“

Die Gefahr, dass man gerade bei diesem Zitat „falsche Schlüsse“ zieht, ist sicherlich gering: Man „zieht“ wahrscheinlich einfach gar nichts. Für Bibelforscher vielleicht interessante Verse, aber wieviel Zeit und Nachschlagewerke braucht man, um von diesen Versen etwas für sein Leben zu lernen?

Bei anderen Versen ist es viel einfacher, etwas Praktisches abzuleiten:

 

Nun gebe ich dir noch einen persönlichen Rat: Trink nicht länger nur Wasser. Du bist so oft krank, und da würde etwas Wein deinem Magen gut tun.

(Neues Testament, Paulus‘ 1. Brief an Timotheus)

 

Das, was man hier lernen kann, scheint auf der Hand zu liegen. Bei anderen Versen, hingegen, ist es nicht ganz so einfach. Aber wenn man lange genug auf einem Vers herumgekaut hat, kann man da vielleicht auch etwas Brauchbares heraussaugen. Dies ist auch nicht unbedingt schlecht, aber die Frage ist, ob das, was man gelernt hat, der Text auch lehren wollte.

Selbst bei einem göttlichen Gebot, wie „Du sollst den Sabbat heiligen!“, kann ich mich fragen, ob das auch für mich heute gilt. (Gott hat es schließlich nicht direkt zu mir gesagt.) Und noch schlimmer wird es, wenn man jemand anderem einen Bibelvers unter die Nase reibt und behauptet: „Dies ist Gottes Wille für  dein  Leben heute !“

Man kann aus vielen Büchern irgendwelche mehr oder weniger guten Ideen ableiten – auch aus der Bibel. Wie kann ich aber überprüfen, ob ich einen biblischen Text auf eine sinnvolle Weise benutzt habe, bzw., ob ich ihn „richtig“ verstanden habe?

Was sind überhaupt  gute  Texte?  Was macht einen guten Text aus?  „Gut“ für was oder wen?

Das Prädikat „gut“ hat mindestens zwei Aspekte:

1. Hat es der Schreiber geschafft, das auszudrücken, was er sagen wollte? Hat der Herausgeber des Textes, den Text so veröffentlicht, dass er die gewünschte Wirkung erzielt hat? Hat der Text „funktioniert“?

2. Kann der Leser dem Text etwas Positives abgewinnen? Bewirkt das Lesen des Texts etwas Gutes im Leser?

Die erste Frage ist schwer zu beantworten, da wir nur wenig oder gar nichts über den unmittelbaren Zusammenhang der Texte wissen.

Die zweite Frage wird wohl am besten der Leser selbst beantworten können.

Texte werden auch nicht dadurch gut oder besser, dass sie jahrhundertelang verehrt werden. Im Gegenteil, macht der zeitliche Abstand zur Zeit der Entstehung das Verstehen immer schwieriger. Wer bestimmt überhaupt, welche Texte heilig sind? Und gibt es da Unterschiede oder sind alle heiligen Texte gleich heilig? Sind wir irgendwie in der Lage Prozent von Heiligkeit zu messen, oder ist es Gott allein, der sagen könnte, wie heilig ein Text ist? Ist Heiligkeit zeitlos oder hat sie ein Verfallsdatum?

Ein wesentliches Merkmal der abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam) ist, dass sie die klassischen Buchreligionen verkörpern. Heilige Texte sind fundamental; in diesem Sinne sind auch alle drei Religionen fundamentalistisch. Deshalb ist die folgende Frage für alle drei Religionen von zentraler Bedeutung:

Können unsere heiligen Texte für den heutigen Menschen noch gute Texte sein? Oder anders formuliert: Wie muss man mit diesen Texten umgehen, damit sie für Menschen heute gut sein können?

Wir hätten gerne ein Paradies. Ein Schlaraffenland. Kein Stress. Mit Bedienung. Alles Inklusive. Rundum-Sorglos. Wir hätten auch gerne Texte, die uns einfache Antworten geben und alles für uns regeln. Nicht viel anstrengendes Nachdenken. Einfach umrühren – und fertig! Instant-Glauben aus der Bibel-Tüte. Das Leben ist schon anstrengend genug.

Deshalb ist die Bibel auch für manche Christen nicht mehr so attraktiv. Man liest lieber sein Andachtsbuch oder sein Kalender-Blättchen oder guckt einen christlichen Film. Man lässt andere für sich denken und Entscheidungen treffen, und lässt sich die Bibel und den christlichen Glauben erklären: „Es sage mir doch bitte jemand, was ich glauben und wie ich leben soll! Bibel und Theologie ist mir zu kompliziert.“

Die Verantwortung für die Entscheidungen in unserem Leben und in unserem Glauben kann uns kein Mensch und auch kein heiliger Text abnehmen. Die geistliche Reife eines Frommen drückt sich auch nicht darin aus, dass er die biblischen Texte möglichst wörtlich nimmt.

Gute Texte zeichnen sich dadurch aus, dass sie uns begleiten; uns auf unterschiedliche Art und Weise ein Stückchen weiter helfen. Sie bewahren uns vorm Absturz eher, indem sie uns in der Schwebe halten, als dass sie uns in ein Paradies retten, wo uns nichts mehr passieren kann. Sie helfen eher, indem sie unsere Situation erhellen, als dass sie die eindeutige Richtung weisen.

Das Lesen eines von Gottes Geist inspirierten oder benutzten Text kann zur inneren Klärung in meiner Seele beitragen. Der Zweck ist in erster Linie nicht ein Zuwachs an Wissen, sondern die Veränderung des  ganzen  Menschen im Sinne Gottes.

Es ist ja gerade eine erstaunliche Tatsache bzgl. der Bibel, dass diese Texte bis heute gelesen, studiert und geschätzt werden. Es gibt biblische Texte, die Kinder mögen, und Texte, die Professoren mit Begeisterung studieren. Es gibt wohl kaum ein zweites Buch, mit dem Menschen sich so intensiv beschäftigt haben, und das schon für so viele Menschen ein Lebensbegleiter gewesen ist.

Eine abergläubische Verehrung der Bibel und ein schlechter Umgang mit ihren Texten erschweren leider so manchen Lernprozess. Die biblischen Texte sind für uns heute immer noch ein großer Schatz; aber wie wir mit ihnen umgehen, ist entscheidend dafür, ob diese Texte gut für uns sind, oder nicht. Kein Text ist so heilig, dass er nicht auch missbraucht werden und Schaden anrichten kann.

Für mich als Christ sind die biblischen Texte vor allem gut, weil ich durch sie Jesus kennenlerne. Dazu ist eines der Evangelien dann sicherlich auch besser geeignet als z.B. Numeri / 4. Buch Mose. Aber alle biblischen Texte sind Zeugnisse der Geschichte Gottes mit seinem Volk. Und vor diesem Hintergrund fange ich dann auch an zu verstehen, wer Jesus war, wie er gelebt hat, was er wollte und warum er eine solche Wirkung hatte, dass heute auf der ganzen Welt eine gute Nachricht über ihn verbreitet wird.

Wenn wir doch bloß gute, verstehbare Worte finden könnten für die Menschen unserer Welt heute. Worte, die neugierig machen. Worte eines Vetrauens, wie es Jesus gelehrt und vorgelebt hat:

 

Dein Vertrauen hat dir geholfen.

(Neues Testament, Matthäus-Evangelium 22,9)