Das Worthaus-Projekt – ein Blick in die falsche Richtung?

 

Worthaus

 

„Und Lots Frau sah hinter sich und ward zur Salzsäule.
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Abraham aber machte sich früh am Morgen auf an den Ort, wo er vor YHWH gestanden hatte, und wandte sein Angesicht gegen Sodom und Gomorra und alles Land dieser Gegend und schaute, und siehe, da ging ein Rauch auf vom Lande wie der Rauch von einem Schmelzofen.“
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(Bibel / Tanach / Altes Testament, Bereschith / Genesis / 1. Mose 19. Kapitel, Verse 26-28)

 

Meine persönliche Worthaus-Geschichte

Ich bin bekennender Worthaus-Fan. Habe 2016 das Projekt durch eine Freundin meiner Mutter kennengelernt und bin immer noch begeistert. Ich hab schon ganz viel von den Vorträgen gelernt, teile sie in den sozialen Netzwerken und empfehle sie oft und gerne weiter. – Ein herzliches Dankeschön an das ganze Worthaus-Team!

Der erste Vortrag, den ich gehört hab und durch den ich bei Worthaus hängen blieb, war dieser:

 

 

Seitdem habe ich schon viele andere Worthaus-Vorträge gesehen, z.T. zusammen mit anderen, und warte immer noch darauf, dass ich mal einen Vortrag erwische, den ich  nicht  gut finde.  😉

 

„… Die Schrift ist Gottes Atem. Sie soll uns unterweisen; sie hilft uns, unsere Schuld einzusehen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen und so zu leben, wie es Gott gefällt. So werden wir reife Christen und als Diener Gottes fähig, in jeder Beziehung Gutes zu tun.“
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(Paulus im zweiten Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus; Bibel, Neues Testament; 3. Kapitel, Verse 16-17)

 

Worthaus macht Sinn!

Die Bibel ist ein Buch mit überragender kulturgeschichtlicher Bedeutung – ganz besonders für unseren Teil der Welt. Deshalb macht Worthaus auch ganz viel Sinn.

Hören wir heute die Bibel noch so, wie die antiken Menschen die Texte gehört haben?

Natürlich nicht. Geht ja gar nicht. Wir haben eine andere Muttersprache und (fast) alle lesen die Texte in der Regel auch nicht in der Originalsprache. Außerdem leben wir in einer anderen Kultur und Zeit. An diesen krass anderen Voraussetzungen des Hörens hängt schon eine ganze Menge, und man braucht die Hilfe der Bibelwissenschaft, um sich in die Hörer der Antike hineinzuversetzen.

 

„… Wenn ich jetzt etwas erkenne, erkenne ich immer nur einen Teil des Ganzen; dann aber werde ich alles so kennen, wie Gott mich jetzt schon kennt …“

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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 13,12)

 

Die Illusion des unverstellten Blicks

Das man eigentlich gar keinen unverstellten Blick auf die Bibel haben kann, wissen auch die Macher von Worthaus. Deshalb heißt ihr Slogan ja auch „unverstellterer Blick“. „Unverstellterer“ als die traditionelle Sicht auf die Bibel, aber halt auch nicht ganz unverstellt. Wir haben nun mal alle unsere Brillen, durch die wir die Wirklichkeit wahrnehmen.

Eine Idee von Worthaus ist, sich der eigenen Vorstellungen bewusst zu werden, mit denen man an die Bibel herangeht, und zu versuchen die biblischen Texte so zu lesen, wie sie die ursprünglichen Adressaten gelesen haben. In diesem Prozess kann man sich dann auch fragen, was die Texte uns heute noch zu sagen haben.

 

“ … Es lenkt uns ab von der Aufgabe, die Gott uns gegeben hat und die wir im Glauben ausführen.
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Die Unterweisung in der Lehre unseres Glaubens hat nur das eine Ziel: die Liebe, die aus einem reinen Herzen, einem guten Gewissen und einem aufrichtigen Glauben kommt.“
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(Paulus im ersten Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus 1,4-5)

 

Die Bibel-Falle

Die Beschäftigung mit der Bibel ist unbedingt notwendig, und Worthaus ist das beste Bibel-Projekt, das ich kenne. Aber die Beschäftigung mit der Bibel kann immer auch zur Falle werden.

Die Bibel hat die Aura eines Heiligen Buches. Als solches kann sie schnell auch zum Götzen werden. – Nichts, was wir als Menschen produzieren, ist vollkommen. Und die biblischen Texte sind Texte von Menschen für die Menschen einer anderen Zeit.

 

„Ihr sucht in den Schriften, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie sind’s, die von mir zeugen; aber ihr wollt nicht zu mir kommen …“
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(Jesus im Johannes-Evangelium 5,39)

 

Veraltetes Christentum

Die biblischen Texte führen uns in unseren Gedanken und unserer Vorstellungswelt immer zurück in ein antikes Christentum. Unsere Welt hat sich seit dem aber dramatisch verändert. Wenn wir nicht aufpassen, schenken wir der Vergangenheit zu viel Aufmerksamkeit und bleiben an veralteten Denkmustern kleben.

Die Beschäftigung mit der Bibel kann auch eine Form von Weltflucht sein. Wir sind als Christen aber nicht nur aus der Welt herausgerufen, wir werden auch von Gott zu den Menschen geschickt. Und das sind Menschen des 21. Jahrhunderts, von denen sich die meisten nicht besonders für antike Religion interessieren.

Manche Menschen verbringen einen großen Teil ihres Lebens mit der Bibel. Man kann dies tun und trotzdem verpassen, worum es in den biblischen Texten im Wesentlichen geht.

 

Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.
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Du sprichst: Ich bin reich und habe mehr als genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß.“
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(Offenbarung 3,15-17)

 

Die Persönlichkeit des Theologen – Bedeutungs-Sucht

Was sind Theologen für Menschen?

Die Referenten von Worthaus finde ich eigentlich alle ganz toll. Aber da ich mich auch selber ein bisschen kenne, mach ich mir auch ein bisschen Sorge.

Wir haben alle eine Sehnsucht danach, dass unser eigenes kleines Leben Bedeutung hat. Das ist auch gut so. – Wenn man die Bibel, und vielleicht dazu sogar noch Theologie studiert hat, hat man sicherlich den Wunsch, dass das alles nicht umsonst gewesen ist.

Die Herausforderungen unserer Zeit fragen allerdings nicht nach unseren Hobbies und unserem Wissen, und lassen sich nicht durch theologische Qualifikationen beeindrucken. Es kommt darauf an, was funktioniert und wo Kraft erfahrbar ist, die verändert. Auch Theologen müssen die Bedeutung ihrer Arbeit daran messen lassen, welche positiven Wirkungen davon für die Menschen unserer Zeit ausgehen.

Wir versuchen oft uns vor notwendigen Auseinandersetzungen zu drücken. Auch davor, uns mit unseren eigenen Macken zu konfrontieren. Die Beschäftigung mit der Bibel ist eine hervorragende scheinheilige Methode, um der Wirklichkeit der eigenen spirituellen Armut auszuweichen. Auf diese Weise zementieren wir unseren eigenen Mangel und unsere institutionalisierte Mangelhaftigkeit des Christentums.

 

„… bloßes Wissen macht überheblich. Was uns wirklich voranbringt, ist die Liebe.“

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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 8,1)

 

Kopf und Herz und authentische Spiritualität

Wir brauchen eine einfache, ganzheitliche Spiritualität für die Menschen unserer Zeit. Nicht nur für den Kopf, sondern auch für das Herz und die Seele, und tief genug, dass sie auch das Unbewusste erfasst.

Nicht nur heilige Texte können uns spirituell inspirieren. Auch die Sprache selbst, mit der wir uns verstehen, hat z.B. schon eine transzendente Qualität.

Ich werde mir bestimmt auch weiterhin Worthaus-Vorträge ansehen und weiterempfehlen, aber ich mache mich auch mit aktuellen spirituellen Bewegungen vertraut.

 

„… der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“

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(Paulus im zweiten Brief an die Christen in Korinth 3,6)

 

Der Blick nach vorn

Wir haben die großen Schätze der Religionen und Weisheits-Traditionen. Wir haben moderne Wissenschaft und interdisziplinäre Forschung. Wir haben globale spirituelle Bewegungen, inter-religiösen Dialog, ein Weltethos-Projekt und vieles mehr …

Wir haben schon mehr als genug, um den Blick nach vorn zu richten.

 

„Reformation war gestern. Die Zukunft des Christentums gehört der Transformation.“

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(Marion Küstenmacher auf dem Buchrücken ihres Buches „Integrales Christentum„)

 

[Dies ist die neuere Überarbeitung eines älteren Artikels, welchen ihr mit Kommentaren hier findet.]

 

Das offene Christus-Experiment Berlin

 

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Meditierende Menschen im Madison Square Park, Manhattan, New York City; von Beyond My Ken (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY-SA 4.0-3.0-2.5-2.0-1.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0-3.0-2.5-2.0-1.0)%5D, via Wikimedia Commons
Ich konnte leider noch kein Foto vom „Offenen Christus-Experiment Berlin“ machen, da das erste Treffen ja noch nicht stattgefunden hat.  😉

 

„… Stellt mich auf die Probe“, sagt der Herr, der Herrscher der Welt, „macht den Versuch …“

(Die Bibel, Altes Testament, Maleachi 3,10)

 

Na, neugierig? – Falls ihr selbst nicht in Berlin & Umgebung wohnt, wäre es toll, wenn ihr die Info weiterleitet an Leute, die das vielleicht interessieren könnte.

 

ZUM NAMEN

„Das offene Christus Experiment“. Dies könnte fast eine Bezeichnung für die Geschichte der Christenheit sein. Mir geht es hier allerdings um ein konkretes Projekt in Berlin, bei dem man sich wöchentlich trifft. Die Idee ist geboren. Jetzt brauche ich noch ein paar Leute, die mitmachen. (Ihr verpflichtet euch dabei zu nichts.)

 

DIE IDEE

Es geht um eine kleine Gruppe, ca. 12 Personen, die sich jede Woche 2 Stunden lang treffen. (Darüber hinaus können sich die Teilnehmer natürlich so oft treffen wie sie wollen und Zeit haben). Genaue Uhrzeit und Ort können wir verhandeln, sobald sich ein paar Interessenten gefunden haben.

 

„offen“

Dies soll ein „offenes“ Experiment sein:

  • Keine Begrenzung von Gottes Möglichkeiten durch unsere Konzepte.
  • Keine Festlegung auf eine Konfession oder Tradition.
  • Offenes Ende: Das Langzeit-Experiment endet, wenn keiner mehr da ist bzw. Gott es beendet. (Jeder kann jederzeit aussteigen.)
  • Wir fangen an mit ca. 12 Teilnehmern, aber sind offen für unbegrenztes Wachstum.

 

„Christus“

 

„… wie lautet dieses Geheimnis? Christus in euch – die Hoffnung auf Gottes Herrlichkeit!“

(Neues Testament, Paulus‘ Brief an die Gemeinde in Kolossai, 1,27)

 

Ein Glaube an Gottes Wirken durch Jesus Christus in uns ist die Grundlage dieses Experiments:

  • Ohne Gott kann ich gar nichts. Gott jedoch kann alles.
  • Wir fangen mit nichts an (kein Kirchengebäude, kein Geld, kein Pfarrer, keine Organisation, kein Spenderkreis, …) und erwarten Alles von Gott.
  • Wir bitten nicht um Gottes Segen für unsere Pläne, sondern stellen uns einfach IHM zur Verfügung und achten darauf, was er mit uns macht.
  • Christus verbindet alle, die ihm vertrauen. In seiner Liebe werden wir zu einer Art „Organismus“ (Leib Jesu).
  • Gott wirkt auf ein gutes Ziel seiner Schöpfung hin, und mit seiner Hilfe sind wir in der Lage dieses Wirken in unserem Leben und in einer Gruppe aufzuspüren.
  • Wir begegnen uns nicht als Habende, Wissende und Fähige, sondern als Bedürftige. Tag für Tag brauchen wir Gott, um zu leben. Und wir brauchen auch einander, um für ihn richtig brauchbar zu werden.

 

„Experiment“

Ich weiß nicht, was Gott mit dieser Gruppe machen wird. Die Welt heutzutage ist nicht dieselbe wie im Neuen Testament in der Apostelgeschichte. Worum es geht?

  • Es geht um die Praxis, nicht nur um schöne Theorie.
  • Was funktioniert, entscheidet sich im Leben.
  • Das Ergebnis hängt von Gott ab – und von uns.

 

WAS IST ANDERS ?  WAS IST NEU ?

  • Wir orientieren uns weniger an Vergangenem und mehr an der Gegenwart und Zukunft.
  • Wir achten die Erfahrungen und Überzeugungen der Einzelnen und bemühen uns, gemeinsam zu lernen. Die Worte jedes Einzelnen sind wichtig.
  • Wir achten auf die Wirkung dessen, was in der Gruppe passiert. Gott ist gut. Sein Wirken ist heilsam für uns Menschen.
  • Wir verwirklichen nicht ein vorbereitetes Konzept, sondern entscheiden gemeinsam als Gruppe, wie wir auf dem Weg mit Gott vorangehen.

 

ZU MEINER PERSON

Die Frage nach einem besseren Christentum beschäftigt mich schon, solange ich denken kann. Ich bin christlich erzogen und in einer familiären, fundamentalistischen Freikirche mit sehr intensiver Gemeinschaft groß geworden. Später distanzierte ich mich von meinen Wurzeln und bin jetzt Mitglied in der Ev. Kirche und arbeite als Mitarbeiter für Jugendliche im Kirchenkreis Berlin Nord-Ost. Außerdem studiere ich Ev. Theologie an der Humboldt Unversität zu Berlin in Teilzeit.

Dieses Experiment ist mein „Privatvergnügen“ und hat direkt nichts mit meiner Anstellung bei der Kirche oder mit meinem Studium zu tun. Es ist auch kein Experiment im wissenschaftlichen Sinn, sondern es geht konkret nur um die Menschen, die an diesem Experiment teilnehmen und darum, was Gott aus uns macht.

Noch mehr Infos über mich? – Hier klicken.

 

NOCH FRAGEN ?  –  Hier klicken.

sola scriptura | Kirchenreiseführer: Fresh-X – der Guide

David Jäggis Buchbesprechung zum Buch „Fresh-X: Der Guide“ von Reinhold Krebs und Daniel Rempe (SCM R.Brockhaus Verlag) über das Projekt zu neuen Gemeindeformen.

Zum Artikel: Kirchenreiseführer: Fresh-X – der Guide | sola scriptura

WORTHAUS

[Die neuere Überarbeitung dieses Artikels findet ihr hier.]

 

Dekan Manfred Oeming
Einer der Referenten beim Worthaus-Projekt, by Manfred_Oeming (Manfred_Oeming) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)%5D, via Wikimedia Commons

Ich bin Worthaus-Fan (worthaus.org). Habe das Projekt durch eine Freundin meiner Mutter kennengelernt und bin begeistert. In den vergangenen Monaten habe ich mir schon viele Vorträge, z.T. zusammen mit anderen, im Netz angeschaut und warte immer noch darauf, dass ich mal einen Vortrag erwische, den ich nicht gut finde.  😉

Hören wir heute die Bibel noch so, wie die antiken Menschen die Texte gehört haben?

Natürlich nicht. Geht ja gar nicht. Wir haben eine andere Muttersprache und (fast) alle lesen die Texte in der Regel auch nicht in der Originalsprache. Da hängt schon eine Menge dran. Denn Sprache ist nicht nur Buchstaben, sondern ist unauflösbar mit der Kultur verbunden, in der sie entstanden ist und gesprochen wird. Jeder, der schon mal richtig eine Fremdsprache gelernt hat, weiß das. Man lernt nicht nur Wörterpaare im Wörterbuch (z.B. Englisch-Deutsch), wo man versucht passende Übersetzungen zu finden, sondern man lernt immer auch die Kultur mit. Jemand ist erst in einer ersprünglich fremden Sprache Zuhause, wenn ihm auch die Kultur vertraut ist.

Wir können selbstverständlich nicht alle mal auf die Schnelle, Hebräisch, Griechisch und Aramäisch lernen. Worthaus.org ist auch kein Sprachen-Lern-Projekt. Die Idee dahinter ist, sich der eigenen Vorstellungen bewusst zu werden, mit denen man an die Bibel herangeht, und zu versuchen die biblischen Texte so zu lesen, wie sie die ursprünglichen Adressaten gelesen haben. Ein Slogan von Worthaus ist „zu versuchen, einen unverstellten Blick zu bekommen“. In diesem Prozess kann man sich dann auch fragen, was die Texte uns heute noch zu sagen haben …

 

[Die neuere Überarbeitung dieses Artikels findet ihr hier.]