
„Persönliche Beziehung zu Gott bzw. Jesus“ scheint eine beliebte Formulierung in bestimmten christlichen Milieus zu sein. – Meines Wissens nicht gerade eine biblische Formulierung…
Gleichzeitig wird dann allerdings oft von denselben Leuten behauptet, die Bibel sei Gottes Wort, und gemeint ist dabei, die Bibel wäre Gottes Wort für alle Menschen, aller Kulturen, aller Zeiten (zumindest seitdem es Bibeln gibt).
„Viele Male und auf verschiedenste Weise sprach Gott in der Vergangenheit durch die Propheten zu unseren Vorfahren.“
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(Hebräerbrief, 1. Kapitel, Vers 1 – Bibel, Neues Testament)
In den biblischen Texten selbst lesen wir, dass Gott bzw. Jesus nicht allen Menschen, aller Kulturen zu allen Zeiten dasselbe sagt.
„Und es trat ein Schriftgelehrter herzu und sprach zu ihm:
‚Meister, ich will dir folgen, wohin du gehst.‘
Jesus sagt zu ihm:
‚Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.‘
Ein anderer aber, einer seiner Jünger, sprach zu ihm:
‚Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.‘
Aber Jesus spricht zu ihm:
‚Folge mir nach und lass die Toten ihre Toten begraben!'“
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(Jesus im Matthäus-Evangelium 8,19-22 – Bibel, Neues Testament)
Sollte Gott wirklich seine Art des Redens geändert haben und sagt heute mit Bibelversen allen Menschen dasselbe?
Angenommen, Gott würde durch die biblischen Texte unterschiedlich zu Menschen sprechen, welche Bedeutung hätte dann noch die Formulierung „die Bibel ist Gottes Wort“? Wie könnte man dann Bibelkommentare schreiben und die Texte für andere Menschen „auslegen“?
Tatsache ist, dass die meisten biblischen Texte für sich selbst überhaupt nicht den Anspruch erheben, Wort Gottes zu sein.
Sollten wir vielleicht auch alle mit unseren Ansprüchen ein bisschen bescheidener sein?
Würde es nicht reichen zu bezeugen „Gott hat durch einen Bibeltext zu mir gesprochen“ (wenn man davon überzeugt ist), anstatt zu versuchen, die eigene Erkenntnis auch anderen aufzuzwingen? – Paulus jedenfalls scheint der Meinung gewesen zu sein, dass all unsere Erkenntnis noch mangelhaft ist.
„Jetzt sehen wir nur ein undeutliches Bild wie in einem trüben Spiegel. Einmal aber werden wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen. Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke, doch einmal werde ich alles klar erkennen, so deutlich, wie Gott mich jetzt schon kennt.
Was bleibt, sind Glaube, Hoffnung und Liebe. Von diesen dreien aber ist die Liebe das Größte.“
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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 13,12-13)