Christliche Mission im 21. Jahrhundert – Anachronismus oder Avantgarde

 

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Der Missionar Eric Jansson taufend in Brasilien, 1910; unbekannter Fotograf, via Wikimedia Commons – Public domain

 

Ein katholischer Priester schreitet langsam in weißem Gewand durch das grüne Paradies des Dschungels. Die dunkelhäutigen Indios seiner noch jungen Gemeinde werden kämpfend einer nach dem andern von feindlichen Soldaten erschossen. Rotes Blut im grünen Paradies. Opfer des europäischen Imperialismus.

Ein in die Jahre gekommener, feuriger Prediger legt seine schwarze Bibel vor den Bagger und rettet so sein Gemeindehaus vor dem Abriss. Als Teil einer “Chain Gang” predigt er später noch seinen schwitzenden Mitgefangenen. Er war verurteilt worden, weil er im Affekt den Liebhaber seiner Frau mit einem Baseballschläger erschlagen hatte.

Mission hat eine lange Geschichte

“Christliche Mission”. Der Begriff weckt je nach Weltanschauung und persönlicher Erfahrung sehr unterschiedliche Gefühle. Sogar für die Kinoleinwand wurde das Thema bearbeitet. Vom katholischen Priester im Lateinamerika des 18. Jahrhunderts in “Mission”, bis hin zum charismatischen Prediger in den Südstaaten der USA des 20.. Jahrhunderts in “Apostel!”. Mission hat eine lange Geschichte. Viele Orte, viele Menschen, viele Kulturen, viele Sprachen,…

Viele kennen unangenehme Missionierungsversuche

Mission findet heutzutage nicht mehr nur in weit entfernter Übersee statt. Durch Säkularisierung und Migration wohnen auch im “christlichen Abendland” Christen und “Heiden” Tür an Tür. Wo auch immer Mission betrieben wird, “avantgardistisch” wird wohl kaum die Bezeichnung sein, welche den meisten Menschen dabei einfällt.

Viele bezweifeln sogar, dass Mission überhaupt jemals eine gute Sache gewesen ist. In ihr wird ein Mangel an Toleranz und eine Respektlosigkeit gegenüber der Individualität des einzelnen Menschen vermutet. Manche sprechen von “Kulturimperialismus”. Christliche Mission hat den unangenehmen Beigeschmack von Egozentrik bekommen, die bemüht ist, andere für die eigene Überzeugung zu gewinnen. Die historische Selbst-verständlichkeit von Kirche und Christentum im in die Jahre gekommenen christlichen Abendland gehört mittlerweile der Vergangenheit an.

Die bunte Vielfalt christlicher Identität(en)

Die alte Bezeichnung “christlich” ist über viele Jahrhunderte hinweg zu einem schillernden Begriff geworden. Manche sprechen sogar in der Mehrzahl von “Christenheiten” und “Christentümern”. Es soll die kaum noch überschaubare Uneinheitlichkeit christlicher Identität in Vergangenheit und Gegenwart zum Ausdruck bringen. Dem entspricht auch eine Fülle unterschiedlicher missionarischer Aktivitäten. Von großflächigen Plakaten, über Glaubenskurse, hin zu Missionierenden, welche an die Tür klopfen. Man könnte auch von “christlichen Missionen” im Plural sprechen.

Was ist “christliche Mission”?

Nach fast 2000 Jahren Christentum ist die Frage, was genau man unter “christlicher Mission” zu verstehen hat, nicht so einfach zu beantworten. All die unterschiedlichen Selbstverständnisse und Ausdrucksformen gegeneinander abzuwägen, würde allerdings den begrenzten Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengen. Stattdessen richte ich – inspiriert vom Begriff “avantgardistisch” – den Blick in die Zukunft, und frage:

Wie müsste christliche Mission denn aussehen, um das Prädikat “avantgardistisch” zu verdienen? Welche Kriterien müsste sie erfüllen?

Ein neues altes Christentum?

Kann etwas so Altes wie das aus der Antike stammende Christentum überhaupt noch avantgardistisch sein? – Altes nur aufzuwärmen und hübsch garniert erneut zu servieren, würde man doch wohl kaum als “avantgardistisch” bezeichnen, oder?

“Christlich” ist heute eine Sammelbezeichnung für eine Fülle religiöser Erscheinungs-formen, welche sich irgendwie auf Jesus von Nazareth berufen. All die Widersprüche und Streitigkeiten innerhalb des Christentums lassen allerdings erahnen, dass die Christenheit in ihrer Breite wohl noch nicht ganz verstanden haben kann, was Jesus gewollt hatte.

Der Jesus-Impuls

Jesus selbst hat uns keinen einzigen Text hinterlassen. Aber in den vielen Texten des frühen Christentums und den Erzählungen von Jesus begegnet uns die innovative spirituelle Kraft dieses Menschen. Die christliche Religion ist heute statistisch die größte Weltreligion. Offensichtlich war der Impuls, der von dem Mann aus Nazareth ausging, stark genug, um das Christentum entstehen und über den gesamten Erdball wachsen zu lassen.

Ein Visionär aus einem galiläischen Dorf

Haben all die Christen, welche sich nach Jesus Christus benennen, auch die große Vision verstanden, welche dieser Mann aus Nazareth gehabt hat? Ist das kirchliche Christentum in seiner Breite vielleicht zurückgefallen auf eine Stufe organisierter, kleinbürgerlicher Religiosität, welche es in ähnlicher Weise auch schon vor Jesus gegeben hatte? Wenn es gelänge, die innovative Kraft der Spiritualität von Jesus und vom frühen Christentum für unsere Zeit wiederzuentdecken, wäre das dann avantgardistisch?

Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft

Avantgarde ist kein Tagesgeschäft, sondern hat zu tun mit den langfristigen Prozessen einer Kultur. Die fortschrittlichsten Menschen einer Epoche wurden häufig erst nach ihrem Tod von der Masse der Menschen als solche erkannt. Entscheidendes Kriterium für das Prädikat “avantgardistisch” ist nicht die Popularität dessen, was man tut, in der Gegenwart, sondern dessen Wirkung in der Zukunft.

Wir können als Menschheit zurückblicken auf eine spektakuläre Geschichte, voller Errungenschaften und Grausamkeiten. Um im Zeitalter von Superlativen und Globalisierung als Menschheit überleben zu können, brauchen wir für die Zukunft allerdings eine bessere Kultur. Finanzielle Macht, militärische Stärke oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dürfen nicht länger die gestaltenden Kräfte sein. – Wie mag die Avantgarde einer solchen Kultur wohl aussehen?

Visionen haben eine Quelle

Visionäres erwächst in der Kultur, in der es beheimatet ist. Es sind nicht einfach nur neue verrückte Ideen, sondern es besteht ein innerer Zusammenhang zum Alten. Die Orientierungskraft ergibt sich aus der aus dem Alten erwachsenen und schon im Alten angelegten Richtung einer Entwicklung.

Jesus erwuchs aus der Frömmigkeit und den Hoffnungen seines Volkes und seiner Kultur. In den Erzählungen der frühen Christenheit, die von Jesus überliefert sind, knüpft Jesus an vielfältigen Erfahrungen von Menschen an, Alltagserfahrungen und religiöse Vorstellungen, und einige erkannten offensichtlich das Visionäre seiner Botschaft.

Menschen erzählen von Jesus

Die Erzählungen von Jesus sind voll von uralten menschlichen Themen: Suchen und Finden, Himmel und Erde, Schuld und Vergebung, Dämonen und Engel, Gerechtigkeit und Unrecht, Heil und Scheinheiligkeit, Krankheit und Heilung, Gott und Teufel, Frieden und Unfriede. Die multi-ethnische Jesus-Bewegung des 1.. Jahrhunderts war eine Lerngemeinschaft. Christen lernten durch Jesus über das Himmelreich und wurden zugleich Teil von ihm. Inmitten der harten Realität nahm eine bessere Welt in der Gemeinschaft der Jesus-Anhänger Gestalt an. In der frühen Christenheit breitete sich schnell die Überzeugung aus, dass Jesus nicht einfach nur die Mängel einer alten Religion reparieren wollte, sondern dass mit ihm etwas völlig Neues gekommen war.

Harter Alltag, aktive Hoffnung, neuer Wein

Kultur kann sich abnutzen und ihre gestaltende Kraft verlieren. Alte Traditionen reichen nicht mehr aus, um den Erfordernissen der Gegenwart gerecht zu werden. Es entsteht ein Bedürfnis nach Neuem. Avantgarde ist ein Angebot zur Befriedigung dieses Bedürfnisses.

Zur Zeit von Jesus litt sein Volk unter der gewaltsamen Unterdrückung und Ausbeutung durch das römische Imperium. Im Wirken von Jesus wurden für die Menschen gewaltlose Alternativen zum trostlosen Alltag deutlich und Hoffnung greifbar. In der Entstehung des Christentums findet die religionsgeschichtliche Entwicklung des Judentums einen vorläufigen Höhepunkt. Unterschiedliche Motive und Traditionslinien jüdischer Frömmigkeit münden in einer innovativen Spiritualität, welche das Judentum vorher so noch nie gesehen hatte.

Jesus gründete seine Botschaft auf der alten Frömmigkeit seines Volkes, und macht gleichzeitig deutlich, dass nun etwas Neues kommt. Er sprach von der Notwendigkeit von neuen Verpackungen für einen jungen, noch gärenden Wein: Neuer Wein in neuen Schläuchen!

Eine familienfreundliche und generationengerechte Alternative

Es ist schwer, etwas Genaues über die Zukunft zu sagen. Eines hat bis heute allerdings immer gestimmt: Die Kinder sind die Zukunft. Wer die Kultur von Morgen sucht, sollte dabei die Kinder von heute nicht vergessen. Die frühe Christenheit knüpft an eine Verheißung aus den heiligen Texten des Judentums an: “Siehe, ich will euch senden den Propheten […] Der soll das Herz der Väter bekehren zu den Kindern und das Herz der Kinder zu ihren Vätern…” (Maleachi). Wenn man eine Kultur sucht, die generationsübergreifend funktionieren soll, wäre es sinnvoll, diese familienfreundlich zu gestalten. – In einem Jesus-Zitat heißt es: “Wer das Reich Gottes nicht wie ein Kind annimmt, wird nicht hineinkommen.”

Die Religion der Bergpredigt

In den Texten der Evangelien fordert Jesus eine radikale Solidarität mit jedem Mitmenschen – nicht nur Solidarität zwischen den Generationen. “Selig sind die Barmherzigen…” heißt es z.B. in der Bergpredigt. Sogar Feindesliebe wird von ihm gefordert. Statt Superlative, Konkurrenzkampf und Ellenbogenmentalität ein solidarisches Miteinander. Insbesondere im Zeitalter nuklearer Bedrohung wohl alternativlos. Wir haben als hochgerüstete Menschheitsfamilie nur eine gemeinsame Zukunft, oder wir haben gar keine. Auch unsere moderne Hochleistungsgesellschaft funktioniert nicht gut für alle Menschen. Kranke, Alte und Behinderte fallen schnell aus dem “normalen” Leben raus. Eine Gesellschaft der Nächstenliebe würde anders aussehen.

Wir brauchen zeitlose Werte

In unserer schnelllebigen Zeit kann man schnell das Bewusstsein für die größeren Zusammenhänge und den Blick für zeitlose Werte verlieren. Wir brauchen Werte, welche auch in der Zukunft noch Bestand haben werden, einer Zukunft, die ganz anders sein wird als unsere Vergangenheit, die wir kennen. Avantgarde ist genau die Kultur, die Neues und Altes in solcher Weise verbindet, dass sie sich in der Zukunft etablieren wird. Damit wir als Menschheit überleben können, muss dies eine lebensfreundliche Kultur für alle Lebewesen sein. Vertrauen ist ein kostbares Gut.

Vom Sammeln himmlischer Schätze

Die frühe Christenheit weiß um die Vergänglichkeit weltlichen Luxus und strebt nach höheren Idealen. In einer Zeit der Massenproduktion und des maßlosen Konsums weist das Vorbild jesuanischer Spiritualität den Weg in eine nachhaltige Zukunft. Liebe ist mit Abstand der wichtigste Wert der Religion von Jesus. Liebe zu Gott, zum Mitmenschen, zu sich selbst und zur ganzen Schöpfung. In einer Welt, die kleiner wird, und wo die Ressourcen knapper werden, brauchen wir Kompetenz, die Wertvolles zu bewahren weiß.

Wir leben in komplexem Terrain

Unsere moderne, globalisierte Welt ist komplex. Wir brauchen Dinge in unserem Leben, die uns helfen uns zu orientieren und einen Lebensweg für uns zu finden, der zu uns selbst und unseren Rahmenbedingungen passt. Eine Art “Lebensphilosophie” oder Bauchgefühl, das auch in Krisen noch funktioniert und uns in einer manchmal chaotischen Welt noch Zuhause fühlen lässt. “Spiritualität” ist wohl ein populärer Begriff unserer Zeit, der gut dazu passt. Bestsellerautor Harari ist nicht der Einzige, der Spiritualität für eine Schlüsselkompetenz des Menschen von Morgen hält. Wir sollten heute lernen, was wir morgen brauchen werden. In der Bergpredigt beschreibt Jesus den Weg einer einfachen, verinnerlichten Spiritualität.

Christentum als Quelle von Jesus-Spiritualität

Das Christentum hat noch nicht ausgedient. Wir könnten heute in ihm die Spiritualität finden, die wir morgen brauchen werden, und eigentlich schon gestern gebraucht haben. Mission ist viel mehr als der Aufruf zur Anerkennung von Glaubenssätzen. Sie ist der Ver-such die Notwendigkeit eines Mentalitätswechsels aufzuzeigen, und die Einladung in eine himmlische Gegenkultur zu einer kranken Welt.

Christliche Mission hat seit jeher ein avantgardistisches Moment: Sie verweist auf eine bessere Welt, die noch nicht Gestalt gewonnen hat. Seit fast 2000 Jahren reden Christen von dem Zukünftigen, das bis heute im großen Stil noch nicht verwirklicht worden ist:

Das Kommen des Himmelreiches.

Leben mit Utopien und ohne Illusionen

Die ersten Christen hofften auf eine bessere Welt und erlebten gleichzeitig die raue Wirklichkeit. Sie machten sich keine Illusionen über einen sanften Weg in die Zukunft. Sie erlebten und glaubten, dass die neue Welt durch Leiden zu uns kommt. Die Gemeinschaft der ersten Christen bildete sich unter dem Symbol des Kreuzes, an dem ihr Held für seinen Glauben gestorben war und der Menschheit den gewaltlosen Weg in eine bessere Zukunft weist. Liebe muss gelebt werden, um zu überzeugen.

Zusammenarbeit von Wissen und Glaube

Wissenschaftler haben in der Moderne ein enormes Wissen zusammengetragen. Auch christliche Gelehrte sind in den vergangenen Jahrhunderten nicht untätig gewesen. Moderne Bibelwissenschaft, Theologie und interdisziplinäre Forschung ermöglichen es uns heute den christlichen Glauben besser zu verstehen, als jemals zuvor. Ein breiteres Geschichtsbewusstsein und Verständnis für andere Kulturen gibt uns dafür zusätzlich noch einen weiten Horizont.

Ein modernes Konzept, das die avantgardistische Qualität des christlichen Glaubens aufzeigt, nennt sich beispielsweise “Integrales Christentum”. Es macht den Reichtum, die kreative Kraft und das richtungsweisende Potential der christlichen Tradition nachvollziehbar. Die Spiritualität von Jesus nimmt hier für unsere Zeit erneut Gestalt an.

Ein Integrales Christentum

Behaupten tut dies zumindest die evangelische Theologin Marion Küstenmacher. Zusammen mit ihrem Mann und einem weiteren Theologen hatte sie vor ein paar Jahren das Buch “Gott 9.0” herausgebracht. Wie auch viele andere Christen, setzt sie sich für ein avantgardistisches Christentum ein. Marion Küstenmacher veröffentlichte dann vor zwei Jahren ein Buch mit dem Titel “Integrales Christentum” und reagierte damit auf die Wünsche vieler Leser von “Gott 9.0”, die sich mehr praktische Anleitungen zum Konzept des Integralen Christentums wünschten.

Die erfolgreiche Schriftstellerin Marion Küstenmacher

Die 1956 in Würzburg geborene Marion Küstenmacher ist eine der erfolgreichsten christlichen Schriftstellerinnen. Ähnlich wie ihr Mann, Werner Tiki Küstenmacher, verfasste sie eine Vielzahl von Büchern. Beide haben drei erwachsene Kinder. Über ihre schriftstellerische Tätigkeit hinaus ist Marion Küstenmacher in den Bereichen Lebenshilfe und Persönlichkeitsentwicklung tätig.

Eine spirituell erfahrene christliche Biographie

Marion Küstenmacher besitzt jahrzehntelange intensive Erfahrungen aus der christlichen Szene. Sie stammt aus einer Familie, in der seit 150 Jahren gemischt konfessionell geheiratet wurde. Bereits als Kind und Jugendliche hatte sie einige naturmystische Erlebnisse und las ihr erstes Mystikbuch, welches sie tief beeindruckte. Anfang der 70er besuchte sie “Hippiegottesdienste” im Saal eines Missionsordens und wurde Teil einer Teestubengemeinde. Sie studierte Theologie und Germanistik und arbeitete als Lektorin beim Claudius-Verlag mit den Schwerpunkten Psychologie und Spiritualität.

Ken Wilber – Philosoph und Visionär

1997 verlor Marion Küstenmacher in der Mitte der Schwangerschaft ihr Baby und fiel danach in eine seelische Krise. Halfen tat ihr ein Buch des amerikanischen Philosophen Ken Wilber. Sie vertraute Wilber, weil sie wusste, dass dieser selbst nach wenigen Jahren Ehe seine Frau durch Krebs verloren hatte. Ken Wilber, von der Transpersonalen Psychologie kommend, formulierte in den 90er Jahren die Integrale Theorie, von der auch das Integrale Christentum seinen Namen bekommen hat. Entstanden ist das Integrale Christentum in den USA, wo es mittlerweile auch schon integral ordinierte Pastoren und ein internationales integral-christliches Netzwerk gibt.

Kann Christentum multiperspektivisch sein?

Die Integrale Theorie erklärt u.a. auch, warum es unterschiedliche Perspektiven – auch im christlichen Glauben – geben muss. Sie weist damit einen Weg für Ökumene, interreligiösen Dialog und Interspiritualität. Laut Marion Küstenmacher hat all dies eine klare Richtung: “hin zu immer mehr Mitgefühl, Inklusivität und Liebe, wie sie uns Jesus, der Lebendige, vorgelebt hat.”

Es gibt avantgardistische christliche Mission!

Die Einladung zum Integralen Christentum ist ein Bespiel für eine avantgardistische christliche Mission. Integrales Christentum ist keine vage philosophische Idee und auch kein neues Arrangement alter religiöser Symbole, sondern ein bis ins Alltägliche heruntergebrochenes und durchdekliniertes zeitgemäßes und innovatives Christentum. Es hilft, die Bedeutung der biblischen Texte und die mystische Tiefe der Überlieferung von Jesus aus Nazareth für unsere Zeit zu verstehen. Integrales Christentum führt die unter-schiedlichen christlichen Traditionslinien zusammen und verbindet sie in einem in sich stimmigen Narrativ. Es erklärt den Reifungsprozess des einzelnen Menschen in Verbindung mit der kulturgeschichtlichen Entwicklung der Menschheit und zeigt die Bedeutung von Spiritualität für die Zukunft auf. Sie gibt dem Einzelnen praktische Übungen an die Hand, mit denen er selbst gleich anfangen kann.

Eine Vision, die man leben kann

Der Umfang dieses Artikels reicht nicht aus, um Integrales Christentum hier noch detaillierter zu erklären. Aber er reicht aus um darauf hinzuweisen: Es gibt sie schon die avantgardistische christliche Mission, und wer neugierig geworden ist, hat die Möglichkeit, sich damit vertraut zu machen und sie auszutesten. Integrales Christentum beschreibt eine zeitgemäße christliche Spiritualität. Darüber hinaus ist es visionär und lässt erahnen, was alles noch vor uns liegt. Es ist die lebendige Weiterführung einer Entwicklung, die wir schon in Geschichte und Gegenwart erkennen können.

Himmelreich: Die Transformation der Welt

Es gibt Menschen, die Marion Küstenmacher und ihre Mitstreiter kritisieren. Dies ist auch notwendig, da kein Konzept die Wirklichkeit hundertprozentig abbilden kann. Es ist wichtig, sich mit Stärken und Schwächen eines Konzepts vertraut zu machen. Mit solch modernen Konzepten erscheint es allerdings mehr als plausibel, dass Religion, Spiritualität und auch noch das Christentum in der Zukunft von großer Bedeutung sein werden. Christen verstehen sich als Teil des kommenden Himmelreiches, von dem Jesus gesprochen hat. Christliche Mission hatte in diesem Sinne seit jeher den Anspruch, Avantgarde zu sein. Mit dem integral-christlichen Konzept kann jeder praktisch ausprobieren, wie dies in unser modernen Welt aussehen kann.

“Reformation war gestern. Die Zukunft des Christentums gehört der Transformation.”

(Marion Küstenmacher)

Sabine Bobert | Neue Reformation durch Mystik

 

Sabine Bobert auf ihrem Blog „Mystik & Coaching“ über Reformation und Mystik:

500 später: Neue Reformation durch gelebte Mystik fällig

 

Die zweite/nächste Generation

 

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Früheste erhaltene Darstellung der Maria mit Kind in einer Katakombe (2. Jahrhundert) von einem unbekannten Künstler, via Wikimedia Commons – public domain

 

 

Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.

Die Erde aber war Irrsal und Wirrsal. Finsternis über Urwirbels Antlitz. Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser.

Gott sprach:

‚Licht werde!‘ …

[ 6 Tage später  😉 ]

Gott sah alles, was er gemacht hatte, und da, es war sehr gut.“

.
(Bibel / Tanach / Altes Testament, Bereschit / Genesis / 1. Mose, 1. Kapitel)

 

The Next Generation

Wir kennen das Problem aus der Unterhaltungsindustrie: Das Original war noch wirklich gut, aber ein Sequel oder die 2., 3., 4. … Staffel ist dann oft schon nicht mehr so toll.

Ein erfolgreiches Produkt hat meist etwas Besonderes, Originelles, Einzigartiges; aber die nächste Generation ist dann oft nicht mehr ganz so interessant oder die Qualität ist schlechter.

Es gibt kraftvolle, historische Ereignisse, live Events, Kämpfer an vorderster Front, Menschen, die Außergewöhnliches erleben …

Und dann gibt es noch die, die davon berichten und davon weitererzählen.

Wir bemühen uns, bestimmte Gefühle zu erzeugen oder Veränderungen zu erzwingen und werden dabei oft frustriert. Und manchmal ereignen sich Dinge in unserem Leben einfach, die wir nicht geplant hatten und die uns für immer verändern.

 

„… so wie es uns die Augenzeugen berichtet haben, die von Anfang an dabei waren …
.
… allem von Anfang an sorgfältig nachzugehen und es für dich, verehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben …“
.
(Lukas-Evangelium, 1. Kapitel, Verse 2-3; Bibel, Neues Testament)

 

Nachahmung

Es gibt Originale, und es gibt Kopien. Urheberrecht wird geschützt. Man kann das, was einem geschenkt ist, für sich selbst benutzen oder es allen zur Verfügung stellen.

 

„Jeder Mensch wird als Original geboren, aber die meisten sterben als Kopie.“

.
(Kaspar Schmidt / Max Stirner, 1806-1856)

 

„‚Ich gebiete dir durch Jesus, den Paulus predigt: Fahre aus!‘ …

‚Ich kenne Jesus und ich kenne Paulus. Aber wer seid ihr?‘

Und der Besessene stürzte sich auf sie und attackierte sie mit solcher Heftigkeit, dass sie nackt und verletzt aus dem Haus flohen …“

.
(Apostelgeschichte 19,13-16; Neues Testament)

 

Religiöse Menschen haben in der Kulturgeschichte der Menschheit eine schier unglaubliche Fülle an Produkten erzeugt, von der Malerei in einer Katakombe über einen wissenschaftlich-theologischen Bibelkommentar bis hin zur modernen Webseite. Auch hier gibt es allerdings beträchtliche Unterschiede in Qualität und Wirkung.

 

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Altarbibel auf einem lutherischen Altar; Foto von Leon Brooks, via Wikimedia Commons – public domain

 

Gesellschaft in Bewegung

Immer wieder tun sich Menschen zusammen, um etwas Neues zu schaffen oder Verhältnisse zu verändern; vom Nachbarschafts-Projekt bis hin zur Reformation oder Revolution.

Oft gibt es am Anfang eine zündende Idee oder einen Menschen mit einer Vision …

 

 „… und ich sah dort unzählige Knochen verstreut liegen …

‚Sprich zu diesen dürren Knochen …

Ich bringe Geist in euch zurück und mache euch wieder lebendig! … Ich lasse Sehnen und Fleisch um euch wachsen und überziehe euch mit Haut. Meinen Atem hauche ich euch ein, damit ihr wieder lebendig werdet …‘

… hörte ich ein lautes Geräusch und sah, wie die Knochen zusammenrückten, jeder an seine Stelle. Vor meinen Augen wuchsen Sehnen und Fleisch um sie herum, und darüber bildete sich Haut …

‚Du Mensch, ruf den Lebensgeist und befiehl ihm in meinem Namen:

‚Komm, Lebensgeist, aus den vier Himmelsrichtungen und hauche diese toten Menschen an, damit sie wieder zum Leben erwachen!'“

.
(Bibel / Tanach / Altes Testament, Jechesqel / Ezechiel / Hesekiel 37,2-9)

 

Die großen Fragen des Lebens

Dies ist eines der größten Probleme jeder gesellschaftlichen Bewegung, und zugleich die wichtigste Aufgabe jeder Tradition, die für sich beansprucht, belastbare und zeitlose Antworten auf die großen Fragen des Lebens zu geben:

Wie erschaffen wir eine lebensfreundliche Kultur, die in den folgenden Generationen weiterleben wird? – Solche Menschen wären Kulturschaffende im besten Sinne des Wortes.

 

„Wenn eure Kinder eines Tages fragen, was dieser Brauch bedeutet, dann erklärt ihnen:
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‚YHWH hat uns mit starker Hand aus der Sklaverei in Ägypten befreit …
.
Dieser Brauch soll uns wie ein Zeichen an der Hand oder ein Band um die Stirn daran erinnern, dass YHWH uns mit starker Hand aus Ägypten befreit hat.'“
.

(Bibel / Tanach / Altes Testament, Schemot / Exodus / 2. Mose 13,14-16)

 

Kultur, die sich selbst automatisch auf die nächsten Generationen überträgt. – Mathematiker denken jetzt vielleicht an das Prinzip der vollständigen Induktion.  😉

Wie die sexuelle Fortpflanzung des Menschen funktioniert ist ja recht offensichtlich und auch schon umfangreich erforscht. Aber wie genau funktioniert die geistig-kulturelle Fortpflanzung? Macht so ein Begriff oder so eine Vorstellung überhaupt Sinn?

Sprache spielt in dem Zusammenhang sicherlich eine große Rolle; aber das Thema geht auch über die Bedeutung von Sprache noch weit hinaus. Der Begriff „Mem“ ist hier von Bedeutung.

Tiere haben angeborene Instinkte. Darüber hinaus besitzen sie allerdings auch Verhalten, das sie von den älteren Tieren gelernt haben …

Es käme darauf an, aus unserer menschlichen Natur und aus der gesellschaftlichen Kultur ein harmonisches, organisches Ganzes zu schaffen, das nachhaltig dem Leben dient.

 

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Foto von „The Cookiemonster“ via Wikimedia Commons – CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)

 

Brutpflege

Eltern sorgen sich um ihre Kinder, Kinder um die Eltern, Großeltern um die Enkel, ….

Fürsorge ist einer der großen Schätze einer Gesellschaft.

In der Bewegung, die Jesus aus Nazareth ins Leben gerufen hat, ging es allerdings noch um etwas anderes.

 

„Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern, dazu auch sein eigenes Leben, der kann nicht mein Jünger sein.“

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(Lukas-Evangelium 14,26)

 

Wenn wir als Christen uns nur um unsere Familien sorgen, haben wir etwas Wichtiges noch nicht verstanden.

 

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„Rebranding Jesus“, Foto von Daniel Silliman – CC BY-NC-ND 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0

 

Das Geheimnis des Heiligen

Jede Gesellschaft lebt von Werten, die über das eigene kleine Leben und die eigene Familie hinausgehen. Weit darüber hinaus gehend gibt es noch zeitlose Werte, die der Nachhaltigkeit allen Lebens dienen.

In einer globalisierten Welt gewinnt das Verstehen darüber, was Werte sind, wie sie entstehen, vermittelt und übertragen werden immer mehr an Bedeutung; denn Werte bestimmen unser Verhalten.

 

 

Das Nachdenken über das, was für uns wertvoll, heilig ist, führt uns auch zum Geheimnis Gottes.

Wer oder was ist Gott für dich? Wie können wir ihn oder sie oder es kennenlernen? Ist der Begriff heutzutage überhaupt noch für alle Menschen sinnvoll? Was für Gottesvorstellungen gibt es? Wo kommen sie her und was haben sie mit spiritueller Erfahrung zu tun?

 

„… trennt euch ganz entschieden von einem Lebensstil, wie er für diese Welt kennzeichnend ist!

… auch von der Habgier, die den Besitz für das Wichtigste hält und ihn zu ihrem Gott macht!“

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(Kolosserbrief 3,5; Neues Testament)

 

 

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Leinengewebe, Foto von Dee.lite, via Wikimedia Commons – public domain

 

Kultur – ein vielschichtiges, komplexes Gewebe

Wie heilige Texte und Religion, so ist auch Kultur ein komplexes, vielschichtiges Gewebe. Eine Fülle von Verbindungen und Beziehungen … historisch gewachsen …

Unser geistiges Wesen ist darauf angelegt, Sinnzusammenhänge herzustellen; und die Vermittlung von Sinn ist auch eine wichtige Aufgabe von Kultur. Wir suchen Halt, Sicherheit und Orientierung in einer Welt die bedrohlich und gefährlich sein kann. – Schönheit hat etwas Beruhigendes …

 

„Wer in schönen Dingen einen schönen Sinn entdeckt – der hat Kultur.“

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(Oscar Wilde (1854 – 1900), eigentlich Oscar Fingal O’Flahertie Wills, irischer Lyriker, Dramatiker und Bühnenautor)

 

Religiöse Erziehung im Judentum

Die Christenheit ist keine ethnische Gemeinschaft mehr, die allein auf Grund der physischen Abstammung besteht. Doch auch schon im Judentum hatte es existentielle Bedeutung für das Volk Gottes, dass Kinder in der Treue zu ihrem Gott YHWH erzogen wurden. Für eine Identität als ein großes Volk braucht man mehr als gemeinsame Gene.

Bildung hat einen sehr hohen Stellenwert in der jüdischen Kulturgeschichte; und es ist eine der auffälligen Leistungen jüdischen Lebens, dass das Judentum es bist heute geschafft hat, in fremden Kulturen eine eigene Identität zu bewahren.

 

„Im Übrigen finden sich alle diese Forderungen im Gesetz des Mose, das seit vielen Generationen in allen Städten verkündet und Sabbat für Sabbat in allen Synagogen vorgelesen wird.“

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(Apostelgeschichte 15,21)

 

 

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Spielende Kinder, römisches Relief (2. Jh. nach Chr), Louvre, via Wikimedia Commons – CC BY 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0)

 

Generationen – eine Kette mit vielen Gliedern

Wenn man älter wird, wird einem mehr und mehr bewusst, wie groß der Anteil ist, den all die früheren Generationen am eigenen Leben haben. Die Prägung in den frühen Kindertagen durch Eltern und andere; das Leben der Großeltern, dessen Auswirkungen immer noch spürbar sind; historische Ereignisse, die lange Schatten werfen; kulturelle Errungenschaften, die frühere Generationen erkämpft haben …

 

„YHWH, YHWH, Gott, barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue, der Gnade bewahrt an Tausenden von Generationen, der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt, aber keineswegs ungestraft lässt, sondern die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern, an der dritten und vierten Generation.“

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(Bibel / Tanach / Altes Testament, Schemot / Exodus / 2. Mose 34,6-7)

 

Glaube hat mit der persönlichen Biografie zu tun. Auch die Menschen, von denen die biblischen Texte erzählen hatte eine Vergangenheit, und eine Wirkung auf die Menschen in ihrem Leben.

 

„Ich habe deinen aufrichtigen Glauben vor Augen, den Glauben, der zuerst deine Großmutter Loïs und deine Mutter Eunike erfüllte und der nun auch – da bin ich ganz sicher – dein Leben bestimmt.“

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(Paulus im zweiten Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus 1,5)“

 

 

Impuls ohne Kraft

Ein neues Projekt anzustoßen braucht oft schon enorme Anstrengungen. Wenn man eine  gute  Idee hat, finden sich häufig andere, die sie unterstützen, und die Dinge nehmen ihren Lauf …

Schon den Gründern selbst fällt es allerdings manchmal nicht leicht, die ursprüngliche Begeisterung frisch zu halten. Noch schwieriger wird es dann bei den Angestellten und der nächsten Generation:

Wird es gelingen Begeisterung zu vermitteln und als Bewegung im Flow zu bleiben?

Häufig erstarren Bewegungen nach einer Weile in Traditionen und Strukturen, und die tiefe innere Verbindung zu den ursprünglichen Ursachen der Bewegung und der Kraft der Entstehung gehen bei den Nachfolgern verloren.

 

„‚… Es ist damit wie beim Wind:
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Er weht, wo er will. Du hörst ihn, aber du kannst nicht erklären, woher er kommt und wohin er geht. So ist es auch mit der Geburt aus Gottes Geist.‘
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Nikodemus ließ nicht locker:
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‚Aber wie soll das nur vor sich gehen?‘
.
Jesus erwiderte:
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„Du bist ein anerkannter Gelehrter in Israel und verstehst das nicht? …'“
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(Johannes-Evangelium 3,8-10; Neues Testament)

 

Erfasst und getragen von ewiger Kraft

Eine Bewegung, die aus der Quelle des Lebens schöpft und mit dem Leben verbunden bleibt, dürfte solche kulturellen Nachhaltigkeits-Probleme eigentlich nicht haben.

Und solange es Leben gibt, gibt es Hoffnung, und Hoffnung gibt Kraft.

 

„Zum Beginn des jüdischen Pfingstfestes waren alle, die zu Jesus gehörten, wieder beieinander.
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Plötzlich kam vom Himmel her ein Brausen wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie sich versammelt hatten. Zugleich sahen sie etwas wie züngelndes Feuer, das sich auf jedem Einzelnen von ihnen niederließ. So wurden sie alle mit dem Heiligen Geist erfüllt und fingen an, in fremden Sprachen zu reden …
.
‚Hört her, ihr Leute aus Judäa und ihr Einwohner von Jerusalem! Ich will euch erklären, was hier geschieht …'“
.
(Apostelgeschichte 2,1-14)

 

 

Wellenreiten
„Wellenreiter“ von Jon Sullivan via Wikimedia Commons – public domain

 

Die zweite Generation der Jesus-Bewegung

Eine in manchen Gemeinden populäre Variante des Gemeindewachstums scheint das Kinderkriegen zu sein.  😉

 

„Deshalb möchte ich, dass die jüngeren Witwen wieder heiraten, Kinder zur Welt bringen und sich um ihren Haushalt kümmern.“

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(Paulus im ersten Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus 5,14; Neues Testament)

 

Schon bald, nachdem das Christentum entstanden war, gab es Gläubige, die Jesus nicht mehr live erlebt hatten. Und für die Kinder, die dann in christliche Familien hineingeboren wurden, gilt natürlich dasselbe.

Kinder sind heilig. Sie sind der Schatz jeder Gesellschaft und garantieren deren fortbestehen. – Eine religiöse Tradition überträgt sich allerdings nicht unbedingt automatisch auf die Kinder.

Ein paar Jahrzehnte nach Pfingsten waren dann auch die letzten Augenzeugen verstorben, die Jesus noch gesehen und gehört hatten, und es gab neben dem geistlichen Leben, das in religiöser Gemeinschaft erlebt wurde, nur noch die Überlieferung. Dies war sicherlich auch der entscheidende Motor dafür, dass man anfing die Schriften der ersten Christen zu sammeln.

Überlieferung ereignet sich in einem 4-dimensionalen Raum. Alles verändert sich ständig: die Welt, die Sprachen, der Blick auf die Geschichte, die Kultur, die Religion, …

 

tesseract
von Jason Hise via Wikimedia Commons (English Wikipedia) – public domain

 

Bibel + Glaubensbekenntnis

Manche betrachten das Christentum als Buchreligion; aber das war es ursprünglich vom Wesen her eigentlich nicht.

Die auffälligste Veränderung gegenüber dem Judentum ist die Weite und Vielfalt des Christentums. In Christus stand nun  allen  Menschen, unabhängig davon zu welchen Völkern sie gehörten, das Heiligtum der Juden weit offen. – Gott kommt zu uns und wohnt in allen Völkern.

Dies war auch verbunden mit einer veränderten Spiritualität. Gegenüber der alten Synagogen-Frömmigkeit scheint nun das persönliche, individuelle Erleben des Einzelnen (im Glauben an Jesus) und das kreative, vielfältige Gestalten des gemeinsamen religiösen Lebens deutlich an Bedeutung zu gewinnen.

 

 Jedem hat Gott seine ganz bestimmte Aufgabe in der Gemeinde zugeteilt. Da sind zunächst die Apostel, dann die Propheten, die verkünden, was Gott ihnen eingibt, und drittens diejenigen, die andere im Glauben unterweisen.

Dann gibt es Christen, die Wunder tun, und solche, die Kranke heilen oder Bedürftigen helfen. Einige übernehmen leitende Aufgaben in der Gemeinde, andere reden in unbekannten Sprachen“

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(Paulus im ersten Brief an die Christen in Korinth 12,28; Neues Testament)

 

„… der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig.“

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(im zweiten Brief an die Christen in Korinth 3,6; Neues Testament)

 

 

So wie es in Geschichte und Zeitgeschichte schon oft mit gesellschaftlichen Bewegungen passiert ist, so ist dann auch die Christenheit weitgehend erstarrt in Strukturen, Glaubensbekenntnissen, Grundlagen-Papieren und heiligen Texten. Besonders im Protestantismus erlangte die Bibel überragende Bedeutung als  das  Heilige Buch.

 

 

Gott ist kein Schriftsteller

 

Die Bibel diente auch als Machtinstrument für die Kirche, und sie diente zur Stabilisierung des römischen Reiches, das dringend eine religiöse Grundlage brauchte, die besser funktionieren sollte als die althergebrachten religiösen Traditionen.

Glaubensbekenntnisse und Bibel waren Instrumente im Kampf gegen konkurrierende christliche Bewegungen und dienten der Abgrenzung und Vereinheitlichung. – Konsolidierung des Christentums. – Ein Kampf, der im Grunde bis heute andauert.

Dieser Vorgang hat auch zu tun mit den großen Themen der christlichen Theologie:

Christologie, Heiliger Geist (Pneumatologie), Sakrament, Bischof, Kirche (Ekklesiologie), Abendmahl/Eucharistie, TaufeVorherbestimmung/Prädestination, Erwählung, Heiligung und Heiligenverehrung, LiturgieEschatologie / Tausendjähriges Reich, …

 

„Jesus kündete das Reich Gottes an und gekommen ist die Kirche.“

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(Alfred Loisy)

 

War der  „christliche“ Glaube, der auf diese Weise überliefert worden ist, noch identisch mit dem, was Jesus gelehrt hatte? Wo sind die geist-erfüllten Menschen, die es schaffen, die Herzen von Christen unterschiedlicher Traditionslinien wieder mit einander zu verbinden?

Wie ihr wahrscheinlich schon gemerkt habt, bin ich überhaupt kein Fan von Glaubensbekenntnissen. Andererseits scheint es mir allerdings schon so zu sein, dass sie als Bekenntnis der persönlichen Glaubensüberzeugung auch ihren Platz haben. Gut finde ich das Buch von David Steindl-Rast: Credo.

Es wird eine der entscheidenden Fragen bzgl. der Zukunft der Christenheit sein, wie wir mit dem historischen Erbe des bisherigen Christentums umgehen.

 

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Petersplatz im Morgengrauen, mit Petersdom (Vatikan), Foto von Islandoftrees via Wikimedia Commons – CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

 

Nachhaltigkeit als Wesensmerkmal eines Systems

Strukturen und Schriften reichen nicht aus, um religiöses Leben zu konservieren. Es braucht immer auch noch Menschen aus Fleisch und Blut, welche die Schriften sinnvoll nutzen und Strukturen ausfüllen.

 

„Was ich dir vor vielen Zeugen als die Lehre unseres Glaubens übergeben habe, das gib in derselben Weise an zuverlässige Menschen weiter, die imstande sind, es anderen zu vermitteln.“

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(Paulus im zweiten Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus 2,2; Neues Testament)

 

Und darüber hinaus braucht es noch dieses nicht greifbare Etwas, eine gewisse geistige, fluide Kultur mit spiritueller Qualität, die uns nie völlig verfügbar ist, aber die wir versuchen können aufzuspüren. Ein Wahrnehmen des Lebens und der Wirklichkeit und die Verbindung zur Quelle der Kraft. Dieses „gewisse Etwas“ zu kultivieren wäre eine der wichtigsten Aufgaben christlicher Spiritualität.

Auch die biblischen Texte erzählen ja davon, dass Gott selbst es ist, der seine Schöpfung erhält und den Menschen sucht, der den Lauf der Geschichte gestaltet und ein gutes Ziel für sie hat. Und es war die Überzeugung der ersten Christen, dass dies jetzt durch Jesus geschieht und Gottes himmliches Reich angebrochen ist.

 

„Und wie lautet dieses Geheimnis?

‚Christus in euch  – die Hoffnung auf Gottes Herrlichkeit!'“

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(Kolosserbrief 1,27)

 

Erziehung zum christlichen Glauben

Geht das überhaupt? Oder ist der Titel schon schlecht formuliert? Sollte es vielleicht besser heißen  „Erziehen  im  Glauben“  oder  „Erziehung im Christentum“?

Und ist Erziehung zum Glauben an Jesus dasselbe wie „christliche Erziehung“ oder gibt es da einen Unterschied?

 

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„Lasst doch die Kinder zu mir kommen, und hindert sie nicht daran! Gottes Reich ist ja gerade für solche wie sie bestimmt.“ (Markus 10,14) Gemälde von Carl Heinrich Bloch, 19. Jahrhundert, via Wikimedia Commons – public domain

 

Einen interessanten Artikel von Tobias Faix zum Thema gibt es hier:

„Ist Glaube machbar? Über den Sinn und Unsinn christlicher Erziehung“

Da das Christentum noch nicht ausgestorben ist und so mancher Christ auch schon im christlichen Elternhaus groß geworden ist, scheint es durchaus möglich zu sein, christlichen Glauben über die Generationen hinweg zu überliefern.

 

 

Es gab allerdings nie einen einheitlichen christlichen Glauben, und nach fast 2000 Jahren ist die Vielfalt christlicher Konfessionen, Denominationen, Kirchen, Projekten und Bewegungen schier unübersehbar. Zu welchem christlichen Glauben soll man denn sein Kind erziehen?

 

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(Glaube allein)

Vielleicht mehr als irgendwo sonst, ist es im Protestantismus, dass der Glaube die zentrale Rolle spielt: Er entscheidet über Leben und Tod, über Himmel und Hölle.

Umso wichtiger ist es, was denn genau Wesen und Inhalt des Glaubens sind. – Gedanken sind Kräfte.

Im Protestantismus wurde Glaube immer mehr zu einer Art „Bildungsgut“. Mit dem Buchdruck und der Alphabetisierung und Schulpflicht wurde es immer mehr Menschen möglich, eine Bibel zu besitzen und darin zu lesen. Die Frage,  was  man denn glaubt oder auch was man meint, nicht mehr glauben zu können, rückte bei vielen Menschen in den Vordergrund.

 

„Denn man wird für gerecht erklärt, wenn man mit dem Herzen glaubt; man wird gerettet, wenn man den Glauben mit dem Mund bekennt.“

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(Paulus im Brief an die Christen in Rom 10,10; Neues Testament)

 

Plappernde Fromme und sprachlose Christen

Sobald Menschen den Mund aufmachen, wird es kompliziert. Manche Christen gehen mit ihrem missionarischen Eifer und persönlichen Überzeugungen anderen auf die Nerven, und andere sind sprachlos geworden, weil sie selbst kaum noch verstehen, was sie eigentlich glauben.

Sprache(n) spielt, besonders für den christlichen Glauben, eine überragende Rolle. Man denke nur an die Bibel, die Mission und Bibelübersetzungs-Projekte.

In Diskussionen zwischen Christen erlebe ich es ständig, dass man kaum noch in der Lage ist, mit einander zu reden. Zu unterschiedlich ist die Art und Weise, wie man den christlichen Glauben versteht und lebt, und die Voraussetzungen, von denen man ausgeht. Dabei wäre es angesichts der Globalisierung und der Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, so wichtig, dass wir als Christen wirklich ein Licht für die Welt wären.

 

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Calvary Church bei Nacht; eine „non-denominational evangelical church“ in Charlotte, North Carolina; Foto von Fartbarker, via Wikimedia Commons – public domain

 

Sprachfähige Eltern

Ich glaube, es würde helfen, wenn wir uns von traditionellen christlichen Sprachmustern etwas distanzieren, und neu lernen, das, was wir wirklich von ganzem Herzen glauben, selbst und frisch in Worte zu fassen. Kreativer, kulturschaffender Umgang mit Sprache. Neue Formen wie biblisches Erzählen und Poetry-Slam könnten dabei vielleicht helfen – oder Erlebnispädagogik  😉

 

Ich war in eine verzweifelte Lage geraten – wie jemand, der bis zum Hals in einer Grube voll Schlamm und Kot steckt!
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Aber er hat mich herausgezogen und auf festen Boden gestellt. Jetzt haben meine Füße wieder sicheren Halt.
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Er gab mir ein neues Lied in meinen Mund …“
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(Psalm 40,3-4, Altes Testament / Tanach)

 

Theologen scheinen als Berufsgruppe nicht unbedingt für diese Aufgabe geeignet zu sein. Auch in der Vergangenheit (man denke nur an die Psalmen und Propheten) waren es Poeten, Visionäre, Musiker, Maler, Sänger, Künstler … die spirituellen Menschen geholfen haben, das was sie glauben in Worte zu fassen und religiös sprachfähig zu werden.

 

 

 

Lasst uns die Künstler in uns wecken!

 

Verankert im Hier und Jetzt

Manche von uns haben viel Bibelwissen und können mitreden. Manche haben schon eine lange Geschichte als Christen und tragen mit sich viel liebgewordene christliche Tradition. Wir bringen das dann auch unseren Kindern bei: Glaubensbekenntnis, Katechismus, Christenlehre, Familienandachten, …

Dies bleibt allerdings zum Teil nur Theorie. Ein Christentum für den Kopf, aber das Herz bleibt leer; und das theoretische Wissen hat kaum erkennbare Wirkung im Alltag. In Kirchen und Gemeinden sind manche engagiert und nett, während zuhause die Familie den Bach runtergeht …

 

„Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber mit dem Herzen sind sie weit weg von mir.“

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(Jeschajahu / Jesaja 29,13, Altes Testament / Tanach)

 

Ich glaube, um gangbare und heilsame Wege für uns selbst, unsere Familien, das Christentum und die Menschheit zu finden, müssen wir dicht bei uns selbst und unser alltäglichen Wirklichkeit bleiben. – Die großen Fragen in Kopf und Herzen bewegen, aber bei mir selbst beginnen. – Die neue Welt beginnt bei mir.

Spiritualität braucht Ruhe und Stille. Sie kann man nicht kaufen oder sich mal schnell als Instant-Produkt in irgendwas einrühren. Man muss im eigenen Leben den nötigen Raum schaffen.

Wenn wir zu einer eigenen Spiritualität finden, die in unserer persönlichen Erfahrung verankert ist und die wir selbst verantworten können, brauchen wir uns auch nicht mehr hinter dem Schwergewicht der Tradition oder den breiten Schultern christlicher Persönlichkeiten verstecken.

 

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„Sky Walker – Heaven of Dreams“ von Hartwig HKD via flickr – CC BY-ND 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0

 

„Darum hat Gott einen neuen Tag festgesetzt, an dem er sein Versprechen erfüllen will. Dieser Tag heißt ‚Heute‘ …

‚Heute, wenn ihr meine Stimme hört, dann verschließt eure Herzen nicht.'“

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(Hebräerbrief 4,7; Neues Testament)

 

Wir und die Kinder

Kinder sind klein und schwach und abhängig. Sie genießen in der Gesellschaft einen besonderen Schutz – zumindest theoretisch.

Schwache und Kinder genießen in den biblischen Texten auch die besondere Sympathie Gottes:

 

„Da sagte Jesus:
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‚Lasst doch die Kinder! Hindert sie nicht, zu mir zu kommen; denn für Menschen wie sie steht Gottes neue Welt offen.‘
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Dann legte er den Kindern segnend die Hände auf …“
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(Matthäus-Evangelium 19,14-15; Neues Testament)

 

Ein beliebter Bibelvers. Viel wurde schon gesagt und geschrieben. Christen diskutieren über Kindertaufe, Kinder-Evangelisation, Religionsunterricht für Kinder, …

Alle Kinder der Welt sind unsere Kinder – eine große Menschheitsfamilie. Wir können über die Zukunft von Kindern nachdenken und unser eigenes Leben verändern. Eine bessere Zukunft für Kinder kann bei mir beginnen: in meinem Herzen, meinen Träumen, meinem Alltag, meiner Familie, meinem Engagement …

 

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„Got you, daddy!“ von Clarence Goss from USA (Flickr: Got You Daddy) via Wikimedia Commons – CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)

 

Prägen durch gemeinsame Zeit

Viele Familien verbringen nicht mehr viel Zeit mit einander: Kita, Schule, Arbeit, … – Und die Zeit, die sie zusammen haben, ist manchmal nur Zeit vor dem Fernseher oder Zeit über dem Handy oder Tablet.

Ein tiefergehendes Gespräch mit seinem Kind führen zu können, ist alles andere als selbstverständlich; und das betrifft nicht nur Teenager. Oft braucht man kreative Ideen, um Situationen und Atmosphäre zu schaffen, wo Kinder anfangen aus ihrem Leben zu erzählen.

 

„Alle, die zum Glauben an Jesus gefunden hatten, ließen sich regelmäßig von den Aposteln unterweisen und lebten in enger Gemeinschaft. Sie feierten das Abendmahl und beteten miteinander …

Die Gläubigen lebten wie in einer großen Familie. Was sie besaßen, gehörte ihnen gemeinsam …

Tag für Tag kamen die Gläubigen einmütig im Tempel zusammen und feierten in den Häusern das Abendmahl. In großer Freude und mit aufrichtigem Herzen trafen sie sich zu den gemeinsamen Mahlzeiten.“

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(Apostelgeschichte 2,42-46)

 

More than words … – Das eigene Vorbild

Ein Gedankenexperiment:

Eltern, die nicht sprechen und nicht schreiben können haben ein Kind. Gibt es für sie überhaupt Möglichkeiten ihr Kind christlich zu erziehen oder brauchen sie dazu unbedingt Sprache? Wie sieht es aus mit nicht-sprachlichen Möglichkeiten der Kommunikation und mit anderen Formen von Prägung?

Eltern kennen das: Wir können uns den Mund fusselig reden … – doch Kinder machen oft nicht das, was wir sagen. Aber das Leben, das wir ihnen vorleben, bleibt in ihnen für den Rest ihres Lebens.

Eine rauchende Mutter mag ihrem Kind den guten Rat geben: „Fang bloß nicht an zu rauchen …“ – Aber Kinder scheinen sich mehr an dem zu orientieren, was wir vorleben, als an dem, was wir sagen. Das eigene Vorbild hat wohl mehr Kraft, als unseren Worte.

 

„Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr Heuchler! Ihr versperrt anderen den Zugang zu Gottes himmlischem Reich. Denn ihr selbst geht nicht hinein, und die hineinwollen, hindert ihr auch noch daran.“

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(Matthäus-Evangelium 23,13)

 

 

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Big Spring (Missouri, USA), Foto von Kbh3rd, via Wikimedia Commons – GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)

 

 

Im göttlichen Flow

Wir sind alle bedürftig. Auch Eltern. Es gibt so viel Mangel und Not … und die Herausforderungen und Bedrohungen in unserer Welt können Angst machen.

Wenn wir für uns selbst eine tiefe und reiche Spiritualität gefunden haben, dann fließt sie durch uns auch zu den Menschen in unserem Leben. Das göttliche Leben, das uns erfüllt, wird auch auf unsere Kinder ausstrahlen.

 

„Wer an mich glaubt, wird erfahren, was die Heilige Schrift sagt: Von seinem Inneren wird Leben spendendes Wasser ausgehen wie ein starker Strom.“

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(Johannes-Evangelium 7,38)

 

Heiligung

Gott macht unsere Seele gesund und „heilt all unsere Gebrechen“. Er ist der gute Hirte, der uns mit allem versorgt. Bei ihm ist kein Mangel. Wenn wir unser Altes loslassen, macht er alles neu.

Er fügt uns ein in die Gemeinschaft der Heiligen. Eine Generation aus Königen und Priestern. Wie  ein  Organismus wirken alle zusammen. Was einer nicht kann, kann der andere. Gott schenkt Befähigung, so wie es der Organismus braucht; und alle wachsen gemeinsam und zusammen der Ganzheit entgegen. Gott ist Liebe.

Christus in uns – die Hoffnung der Herrlichkeit. Immer wieder suchen wir seinen Frieden, und er wird uns geschenkt, in einer Weise, die wir nicht verstehen. Gottes Wirken erfasst uns und führt uns mit sich im Strom des Lebens.

Er macht unser Leben hell und führt uns auf einem guten Weg. Er gießt seine Liebe in unsere Herzen …

Wir sind das Licht der Welt. Unsere Kinder finden Sicherheit und Orientierung in dem Licht, das von uns ausgeht. Unsere Liebe wärmt ihre Seelen.

 

Ich versichere euch: Wer sich Gottes Reich nicht wie ein Kind schenken lässt, der wird ganz sicher nicht hineinkommen.“

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(Lukas-Evangelium 18,17)

 

 

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Selbstporträt von Élisabeth Vigée-Lebrun mit ihrer Tochter, via Wikimedia Commons – public domain

 

Liebe, Vertrauen und Freiheit

Vielleicht besteht eine gute christliche Erziehung gerade in der geschickten Balance zwischen der freiheitlichen Entwicklung des einzelnen Persönlichkeit und der kreativen und kraftvollen Vermittlung zeitloser Werte. – Urvertrauen ins Leben, das befähigt so zu leben, dass es allem Leben dient.

Das Wechselspiel zwischen der Persönlichkeits-Entwicklung und dem Seelenleben des Einzelnen einerseits und dem Leben der Gesellschaft andererseits ist etwas, das unser ganzes Leben bestimmt. Ich bin immer ein Teil von unterschiedlichen Gruppen. Wie ich diese Gemeinschaft erfahre und mitgestalten kann, ist entscheidend für mich selbst und auch die Wirkung, die von mir ausgeht.

Die beste Orientierung in diesem vielschichtigen, komplexen Geschehen bietet meines Erachtens die Integrale Theorie (zumindest hab ich bis jetzt noch nichts Besseres gefunden.).

Vielleicht wird ein tieferes Verstehen von guter Erziehung und dem Überliefern von Werten und Spiritualität an kommende Generationen dazu beitragen, dass das Himmelreich zu uns kommt, von dem Jesus geredet hat.

 

„Reformation war gestern. Die Zukunft des Christentums gehört der Transformation.“

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(Marion Küstenmacher auf dem Cover ihres Buches „Integrales Christentum“)

 

Bibel. Jetzt. (3) – Der Griff zur Bibel

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Verbotenes Lesen von Karel Ooms (1876) [Public domain], via Wikimedia Commons

WOZU BIBELLESEN?

Es gibt viele interessante Bücher, die man lesen könnte, und manche, die man lesen muss. Für Theologie-Studierende ist die Bibel allerdings nicht einfach ein Lehrbuch unter vielen, sie ist  DAS  Buch der Christlichen Theologie schlechthin.

Die Bibel ist ein sehr dickes Buch. Im ersten Semester kann einem die Bibel wie ein Hochhaus vorkommen, dessen oberste Stockwerke von Nebel und Wolken verhüllt sind. Und wenn man dann irgendwann sein Studium abgeschlossen hat, ist man mit der Bibel noch lange nicht fertig…

Aber nicht jeder Mensch interessiert sich für die Bibel.

„Bibel“ ???

Und diejenigen, die wenigstens schon einmal das Wort kennen, wissen deswegen nicht unbedingt auch, was da drin ist.

Es gibt viele verschiedene Gründe, weshalb Menschen zur Bibel greifen; und die folgende Liste ist bestimmt nicht vollständig (die verlinkten Seiten bitte nicht als Empfehlung verstehen, sondern als Illustration):

  1. ANGST:  Ich will nicht in die Hölle kommen. Vielleicht enthält die Bibel wichtige Informationen, die ich noch nicht kenne; oder Gott verdammt mich, weil ich nicht genug in der Bibel gelesen habe. Ich will die himmlische Chance nicht verpassen.
  2. GEHORSAM: Irgendjemand hat mir gesagt, dass ich in der Bibel lesen soll. – Pfarrer, Lehrer, Eltern, Oma, Professor, Arbeitgeber, Kirche…
  3. ANPASSUNG: In meiner Clique lesen alle die Bibel. Ich will mitreden können.
  4. GEMÜTLICHKEIT: Bibellesen versetzt mich in eine so andächtige Stimmung. Und wenn ich mit anderen zusammen in der Bibel lese, ist das so ein schönes Gemeinschaftsgefühl.
  5. ALLGEMEINBILDUNG: Bibelkenntnis gehört einfach zur Allgemeinbildung. Punkt.
  6. GESCHICHTE: Ich bin History-Freak. Geschichte hat mich schon immer fasziniert; und es gibt wohl kaum ein anderes Buch, das kulturgeschichtlich eine so große Bedeutung hat.
  7. NEUGIER: Der Name dieses Buches taucht immer wieder auf. Manche behaupten sogar, dass in der Bibel Prophezeiungen über die Zukunft sind. Ich schau jetzt mal rein und mach mich schlau.
  8. HOFFNUNG: Seit vielen hundert Jahren schon werden diese Texte von Menschen geschätzt. Vielleicht hab ich ja auch was davon, wenn ich in der Bibel lese.
  9. SUCHE: Ich will wissen, was es mit Gott auf sich hat. Die Bibel scheint für diese Frage ein wichtiges Buch zu sein. Zumindest behaupten das viele.
  10. HUNGER & DURST: Ich habe Wissensdurst und Seelenhunger. Ich will wissen, wie Leben besser funktionieren kann; und meine Seele hungert nach Worten, die satt machen.
  11. HÄNGEN GEBLIEBEN: Ich hab angefangen in der Bibel zu lesen, und irgendwas hat mich berührt und gepackt. Es zieht mich immer wieder zu diesem Buch.
  12. ÜBERZEUGUNGSTÄTER: Ich bin überzeugt, dass dieses Buch, mehr als alle anderen Bücher, für mein Leben und das anderer Menschen, wichtig ist.
  13. VERÄNDERUNG: Ich hab den Eindruck, dass das Bibellesen mir und anderen gut tut. Menschen, die viel in der Bibel lesen, sind irgendwie anders.
  14. REFORMATION: Im Christentum ist schon zu viel schief gelaufen, und die gegenwärtige Situation ist vielerorts traurig. Ich gehe zurück zu den biblischen Texten, um zu verstehen, worauf es ankommt.
  15. BEWAFFNUNG: Damit ich in der nächsten Diskussion mit einem Frommen oder Pseudo-Frommen schlagkräftige Bibel-Argumente habe. Vielleicht auch zur Teufel&Dämonen-Abwehr.
  16. GEWOHNHEIT: Bibellesen gehört für mich zur alltäglichen Routine. Bei einem Tag ohne Bibel fehlt mir was.
  17. PFLICHT: Ich muss in der Bibel lesen, weil ich Theologie-Studierender bin. Ich habe keine andere Wahl.

Enttäuschung

Es gibt viele mögliche Gründe, warum jemand in der Bibel liest – oder auch nicht. Ich glaube, ich war neun, als ich das erste Mal völlig freiwillig zur Bibel griff. Ich kann mich gar nicht mehr genau erinnern, warum. Ich fing gleich mit dem Neuen Testament an (ein bisschen wusste ich schon über die Bibel) und blieb dann bei Markus stecken, weil mir alles so bekannt vorkam.

Nicht immer, wenn man in der Bibel liest, erzielt man auch die gewünschte Wirkung. Bibellesen kann frustrierend sein; und dies wird man auch kaum verhindern können. Die Bibel wurde nicht unmittelbar für uns geschrieben, und auch nicht, damit wir spannende Lektüre haben. Es ist oft mühsam, wenn man versucht, die ursprüngliche Bedeutung eines Textes herauszufinden. (Übersetzungen verschleiern dies natürlich systematisch im Interesse der Lesbarkeit.)

Relevanz

In diesem Artikel geht es um Wirkungsgeschichte und Relevanz. Wie kommt es, dass Menschen überhaupt zur Bibel greifen? – Dass die Bibel kulturgeschichtlich gewaltige Bedeutung hat, kann niemand leugnen. Aber wie wichtig ist die Beschäftigung mit Kulturgeschichte? Was hat der einzelne Mensch oder die gesamte Menschheit davon? Hätten wir vielleicht Wichtigeres zu tun?

Ich bin bekennender Bibel-Fan; und das vor allem wegen Jesus. ER hat’s mir angetan. Und die Bibel ist die beste Quelle, wenn man verstehen will, wer Jesus war und was er wollte. (Auch wenn sicherlich manche biblischen Texte für diese Frage eine größere Bedeutung haben als andere.)

Jesus

Wir finden in der Bibel krasse Aussagen über Jesus, wie z.B.:

„Ich bin der Weg“, antwortete Jesus, „ich bin die Wahrheit, und ich bin das Leben. Zum Vater kommt man nur durch mich.“

(Neues Testament, Johannes-Evangelium, 14. Kapitel, Vers 6)

Wenn man diesen Vers liest oder zitiert, ist damit allerdings noch lange nicht klar, was denn damit genau gemeint ist. Und wenn mir jemand verklickern will, dass er das weiß, würde ich mir einmal genau erklären lassen, wie er denn zu dieser Erkenntnis gekommen ist. Es werden leider viel zu oft traditionelle Erklärungen wiederholt, die nicht richtig sein müssen.

Wenn wir Jesus besser verstehen wollen, reicht es nicht aus, nur einzelne Verse zu zitieren, sondern wir sollten uns möglichst viele relevante Texte anschauen und versuchen diese im Kontext der Bibel und im Zusammenhang ihrer Zeit zu sehen.

Die Apostel verkündeten Jesus als den Messias. Diesen Titel hatten sie sich nicht selber ausgedacht, sondern ihr Glaubensbekenntnis beruhte auf den heiligen Texten der Juden und deren Interpretation. Ohne diesen Hintergrund zu kennen, kann man die Aussage kaum richtig verstehen.

Ihr forscht in der Schrift, weil ihr meint, durch sie das ewige Leben zu finden. Aber gerade die Schrift weist auf mich hin.

(Johannes-Evangelium 5,39)

Der Verfasser des Johannes-Evangeliums sah in Jesus offensichtlich die Erfüllung jüdischer Messias-Erwartung. Eine Überzeugung, die wir auch in vielen anderen neutestamentlichen Texten finden.

Auch in der paulinischen Theologie hat Jesus fundamentale Bedeutung. Nicht nur in der persönlichen Berufungsgeschichte des Apostels (Galater 1,12), sondern auch in seiner Verkündigung:

… ich hatte mir vorgenommen, eure Aufmerksamkeit einzig und allein auf Jesus Christus zu lenken – auf Jesus Christus, den Gekreuzigten.

(1. Korintherbrief 2,2)

Zeit

Die Bibel wurde nicht für Menschen geschrieben, die keine Zeit haben. Sie ist keine Sammlung von Kalenderblättchen oder guten Zitaten. Wer zur Bibel greift, sollte damit rechnen, dass er Zeit braucht, um herauszufinden, was die Texte damals bedeutet haben und wozu sie heute noch gut sein können. Fragen, die eng verbunden sind mit der Frage, welche Bedeutung die Überlieferung über den Mann aus Nazareth nach fast 2.000 Jahren für uns heute noch hat.

Die Wirkungsgeschichte der biblischen Texte ist komplex und nicht nur positiv. Herauszuarbeiten, wie diese Texte auch heute Gutes bewirken können, ist eine Aufgabe für Menschen mit einem langen Atem und göttlicher Berufung.

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[Dies ist die neuere Überarbeitung eines älteren Artikels. Den älteren Artikel findet ihr hier.]

Der Schatten der Bibel

 

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Hieronymus (im Bild) machte im 4. Jahrhundert eine Bibel in lateinischer Sprache, bekannt als „Vulgata“, welche die offizielle Übersetzung der Katholischen Kirche wurde; Marinus van Reymerswaele [Public domain], via Wikimedia Commons

 

Jahrhunderte, nachdem Jesus aus Nazareth über die staubigen Wege Palästinas gegangen war, hatten Menschen die Idee, man könnte doch, um Klarheit zu schaffen, einige frühchristlichen Texte zusammennehmen und sie gemeinsam mit den vorausgegangenen jüdischen heiligen Schriften in einem Band veröffentlichen. Dies war auch buchtechnisch eine große Leistung. Solche riesigen Bücher (z.B. der Codex Sinaiticus) waren allerdings nicht gerade handlich und wegen des horrenden Preises auch noch nicht als Bestseller geeignet.

Ungefähr ein Jahrtausend (!) später sollte sich dies allerdings ändern. Mit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern und dem Ausbruch der Reformation wurde die Bibel allmählich für viele Menschen zum häuslichen Begleiter in vielen Lebensfragen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die biblischen Texte allerdings schon längst eine gewaltige Wirkungsgeschichte und hatten ihre Spuren in der Geschichte hinterlassen.

Viele Jahrhunderte lang war die Bibel nicht das weit verbreitete und gern gelesene Buch der Christenheit, sondern es waren Texte für eine sehr begrenzte Leserschaft. Diese wenigen Menschen bestimmten, welche Inhalte die einfachen Gläubigen erreichen würden – und auf welche Weise.

Keine Texte können so heilig sein, dass sie nicht missbraucht werden können. – Aber wer bestimmt, was ein guter, und was ein schlechter Umgang mit diesen Texten ist?

Die Wirkungsgeschichte der Bibel ist gewaltig – und nicht nur positiv. Wer die Schattenseite der Bibel ausblendet, läuft Gefahr, auch in der Gegenwart nicht wahrzunehmen, wo die Bibel Menschen schadet. Bibel verstehen ist Arbeit – auch Schattenarbeit.

Die biblischen Texte sind einer der großen Schätze in meinem Leben. Auch deshalb liegt mir sehr daran, dass auch andere Menschen diese Texte als Bereicherung in ihrem Leben erfahren. Dies ist allerdings leider nicht selbstverständlich …

Bibel. Jetzt. (1)

 

 

Jens Stangenberg

 

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Jens Stangenberg (Mitte), Quelle: Senatskanzlei Bremen (Pressestelle)

 

Vielleicht ein Name, den man in der christlichen Szene kennen sollte:

Zellgemeinde Bremen

Serve the City Bremen

Mir ist Jens Stangenberg beim Emergent Forum 2016 begegnet und sein Name noch einige Male danach. Sein Name taucht sogar bei Wikipedia auf:

Radikale Reformation (Weblinks)

Ich verweise auf meinem Blog normalerweise nicht auf Podcasts. Diesmal mach‘ ich es aber:

RADIKALE REFORMATION # 41 : Schwärmender Christus

Jens war auch schon bei den Hossa-Talkern:

#82 Reformation – Kirche zwischen Macht und Ohnmacht

Mehr Infos zu Jens auch auf seiner Homepage:

Über Jens Stangenberg

 

Tobias Faix | „Rückblick Reformationsjubiläum. Das Beste in zehn Links.“

 

Nachruf zum Reformationsjubiläum von Tobias Faix auf seinem Blog „tobiasfaix.de“:

„Rückblick Reformationsjubiläum. Das Beste in zehn Links.“

Brian McLaren | The Last Reformation … and the Next Reformation

 

Auf patheos.com gibt es ein paar Progressive-Christian-Kolumnen. Leider natürlich auf Englisch. Unter anderem schreibt dort Brian McLaren:

„The last reformation is said to have begun on an identifiable day – October 31, 1517, corresponding to a single identifiable event – Luther’s nailing 95 theses to the door of the Wittenberg […]

Weiterlesen auf patheos.com:  The Last Reformation … and the Next Reformation

 

Eine andere Christenheit

 

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Fra Angelico (circa 1395–1455) [Public domain], via Wikimedia Commons

 

Was wäre …

… wenn wir um die Begrenztheit unseres eigenen Verstehens wissen würden, anstatt anderen unsere Meinung als die christliche Wahrheit unter die Nase zu reiben?

… wenn wir neugierig wären, Neues zu lernen und unser Denken verändern zu lassen, anstelle uns aus Unsicherheit ans Alte zu klammern?

… wenn wir bereit werden zu prüfen, wie sinnvoll unsere kirchliche Praxis ist, anstelle einfach immer so weiter zu machen?

… wenn wir all unsere mehr oder weniger liebgewonnenen Traditionen in Frage stellen würden und zurückkehrten zum Ursprung und Wesentlichen unseres Glaubens?

… wenn das Geheimnis des Mannes aus Nazareth mehr Bedeutung für uns hätte als die Dogmen der Kirchengeschichte?

… wenn der Glaube unseres Messias Jesus uns wichtiger wäre als unsere eigenen Glaubensbekenntnisse?

… wenn wir neugierig wären, unsere jüdischen Wurzeln kennenzulernen, anstelle Juden überzeugen zu wollen, dass wir recht haben?

… wenn wir uns die Mühe machten, die biblischen Texte zu studieren, anstatt uns mit Losungen, Kalenderblättchen und Andachtsbüchern zu begnügen?

… wenn wir uns von den Texten  inspirieren ließen, anstatt uns über die Inspiration der Bibel zu streiten? Wenn wir mehr nach der Stimme Gottes lauschen würden als zu predigen?

… wenn wir fantasievoll und kreativ darin wären, uns selbst und anderen einen Zugang zu diesen alten Texten zu verschaffen, anstelle alte Bücher zur Bibel neu aufzulegen?

… wenn Liebe uns beflügeln würde, die biblischen Worte so zu gebrauchen, dass Menschen dadurch in ihrer Seele gesund werden?

… wenn wir eintreten würden in die ernsthafte Erforschung und Diskussion der biblischen Texte, anstatt mit unseren Lieblings-Versen Ping-Pong zu spielen?

… wenn wir ein Bewusstsein für die Weite und Tiefe der Themen und Fragen hätten, anstatt die Wahrheit der Bibel auf unser Niveau herabzuziehen?

… wenn wir ergriffen wären von den Botschaften der Texte, anstatt zu versuchen, die Bibel in den Griff zu kriegen?

… wenn wir Bibelausgaben als Sammlung von Rekonstruktionsversuchen antiker jüdischer und christlicher religiöser Texte transparent machen würden, anstelle die theologische Entgleisung eines Glaubens an ein göttliches Buch weiter zu befördern?

… wenn Kinder und Menschen, die noch jung im Glauben sind, durch unser Vorbild eine demütige und gesunde Wertschätzung der Texte lernen würden, und einen entsprechenden Umgang mit ihnen?

… wenn das Leben eines Menschen für uns wertvoller wäre als die Regeln der Kirche?

… wenn wir weniger Angst vor der Hölle hätten und mehr Vertrauen zu Gott?

… wenn wir Interesse hätten, andere Menschen zu verstehen, anstelle ihnen erklären zu wollen, dass wir die Wahrheit besitzen?

… wenn die eigene Authentizität und Integrität uns wichtiger wäre als die Zustimmung unserer Glaubensgenossen?

… wenn die Einsamkeit bei Jesus uns lieber wäre als die Geborgenheit im Schoß unserer Gruppe?

… wenn wir uns selbst und unsere Kirche reformieren würden, anstatt eine 500 Jahre alte Reformation aus einer anderen Zeit zu feiern?

… wenn wir uns den richtigen Glauben von Jesus erklären ließen und nicht von Katechismen?

… wenn wir darum ringen würden, die richtigen Worte für unseren Glauben zu finden, anstatt Auswendiggelerntes nachzuplappern?

… wenn wir konsequent wären in der Trennung von Kirche und Staat, anstatt uns durch alte Privilegien korrumpieren zu lassen und dem Staat das Eintreiben der Kirchensteuer und das Verwalten der Kirchenaustritte zu überlassen?

… wenn ein klares Profil wichtiger wäre als Mitgliederzahlen?

… wenn wir Menschen auf das Bekenntnis ihres Glaubens hin in einem Wassergrab untertauchen würden, anstatt Säuglinge nass zu machen?

… wenn wir zur Erinnerung an Jesus Brot und Wein in unseren Wohnungen teilen würden, anstatt einen Profi ein Ritual auf einer Bühne zelebrieren zu lassen?

… wenn wir zu Gott Vertrauen hätten wie ein Senfkorn, anstelle zu versuchen, die Angelegenheiten Gottes zu verwalten?

(Vor ein paar Hundert Jahren wäre ich für so einen Text wahrscheinlich von Menschen, die sich Christen nannten, auf einem Scheiterhaufen verbrannt worden.)

 

… „Komm, ich will dir die Braut zeigen, die Frau des Lammes!“

Gottes Geist ergriff mich und führte mich auf einen großen, hohen Berg. Dort zeigte er mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie von Gott aus dem Himmel herabkam. Die Stadt erstrahlte im Glanz der Herrlichkeit Gottes …

Nirgendwo in der Stadt sah ich einen Tempel. Ihr Tempel ist der Herr selbst, der allmächtige Gott, und mit ihm das Lamm. Die Stadt braucht als Lichtquelle weder Sonne noch Mond, denn in ihr leuchtet die Herrlichkeit Gottes und das Licht des Lammes. In diesem Licht werden die Völker der Erde leben, … Weil es keine Nacht gibt, werden die Tore niemals geschlossen; sie stehen immer offen.

Nun zeigte mir der Engel den Fluss, in dem das Wasser des Lebens fließt. Er entspringt am Thron Gottes und des Lammes, und sein Wasser ist so klar wie Kristall. An beiden Ufern des Flusses, der neben der großen Straße der Stadt fließt, wachsen Bäume des Lebens. Sie tragen zwölfmal im Jahr Früchte, jeden Monat aufs Neue. Mit den Blättern dieser Bäume werden die Völker geheilt.

In der Stadt wird nichts und niemand mehr unter dem Fluch Gottes stehen. Denn der Thron Gottes und des Lammes steht in ihr, und alle Einwohner werden Gott dienen …

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(Die Bibel, Neues Testament, Offenbarung an Johannes, Kapitel 21-22)

 

[Dies ist die Überarbeitung eines älteren Posts, den ihr mit Kommentar hier findet.]

 

BERUF(ung) : Reformator_in

 

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Unterschrift von Katharina Zell, von Esilerey (Own work) via Wikimedia Commons – CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)

 

„Wenn ich groß bin, werde ich Reformatorin.“

 

Was für ein Berufswunsch!!

Es gibt sooo viel zu reformieren…

Ausreichende Beschäftigung bis ans Lebensende. – Garantiert!

Es ist ja auch schon so viel schief gelaufen. Sogar unter den Frommen. Entarteter Glaube und instrumentalisierte Frömmigkeit. Manchmal ist es mir fast peinlich zu sagen, dass ich Christ bin. – Wer weiß, was sich mein Gegenüber dadrunter vorstellt???

Es gab in der Geschichte schon so einige Reformatoren und Reformatorinnen. Argula von Grumbach,  Jan Hus, Katharina Zell, Dietrich Bonhoeffer, … und heutzutage gibt es auch welche (Küng, Drewermann,… ). Die Zeiten ändern sich ständig, und von der Vollkommenheit sind wir noch weit entfernt. – Es gibt große und kleine Reformatorinnen und Reformatoren; und bestimmt gibt es auch einige, die kein Schwein kennt.

Wie wird man eigentlich Reformator? Und bekommt man den Titel erst, wenn man erfolgreich gewesen ist, oder kann man auch Reformator sein, wenn keiner auf einen hört und finanziert?

Reformatoren machen auch nicht immer alles richtig. Es sind halt auch nur Menschen. Es gilt immer:

 

Prüft aber alles und das Gute behaltet.

(Die Bibel, Neues Testament, Paulus‘ erster Brief an die
Gemeinde in Thessalonich, 5. Kapitel, Vers 21)

 

und:

ecclesia semper reformanda

Die sogenannten „Reformierten“ haben übrigens kein Monopol auf Reformation. Lutheraner allerdings auch nicht. Reformation war auch keine Erfindung des 16. Jahrhunderts. Reformatoren gibt es schon viel, viel länger.

War Jesus vielleicht auch ein Reformator?

 

Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr verschließt den Menschen das Himmelreich. Selbst geht ihr nicht hinein, und die, die hineingehen wollen, lasst ihr nicht hinein.

(Matthäus-Evangelium 23,13-14)

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Jesus knüpfte aus Stricken eine Peitsche und jagte die Händler mit all ihren Schafen und Ochsen aus dem Tempel. Er schleuderte das Geld der Wechsler auf den Boden und warf ihre Tische um. Den Taubenhändlern befahl er: „Schafft das alles hinaus! Das Haus meines Vaters ist keine Markthalle!“ Seine Jünger aber mussten an das Wort in der Heiligen Schrift denken: „Der Eifer für deinen Tempel wird mich vernichten!“ Die führenden Männer der Juden stellten Jesus daraufhin zur Rede: „Woher nimmst du dir das Recht, die Leute hinauszuwerfen? …“

(Johannes-Evangelium 2,15-18)

 

Mir geht es nicht um mich selbst. Vielleicht bin ich ja schon morgen nicht mehr da, und nur noch ein Schatten meiner selbst. Es geht um die Sache! Reich Gottes – Himmel auf Erden.

Alle menschen-gemachte Religion hat keinen Anspruch darauf, das Non-plus-ultra für alle Ewigkeit zu sein. So manche Kirche sollte eingerissen und aufgelöst werden. – Geistliche Führer wie getünchte Gräber …

Hoffentlich ende ich nicht auch noch am Kreuz oder auf dem Scheiterhaufen …