Christentum heute ist ohne die biblischen Texte kaum vorstellbar. Es gab allerdings schon Christentum bevor die Bibel entstand. Auch ist die Bibel nicht vom Himmel gefallen. Wie wir mit ihr umgehen, ist entscheidend für uns selbst und für andere. – VORSICHT : Das Anliegen des Blogs ist mir sehr ernst; einzelne Sätze sind allerdings nicht immer wörtlich zu nehmen. ;-) – Bin übrigens als Christian Schmill auf Facebook, @C_Schmill bei Twitter.
Ich lese zurzeit ein außergewöhnliches Buch, dessen besonderer Reiz ist, dass es ein Gespräch zwischen Vater und Sohn ist. Beide sind Franzosen. Der Vater, Jean-François Revel, ist ein erfolgreicher Schriftsteller und Philosoph, und der Sohn, Matthieu Ricard, ein Biologe, der eine aussichtsreiche Karriere an der Universität gegen eine Laufbahn als buddhistischer Mönch eingetauscht hat. Er ist der französische Übersetzer des Dalai Lama und wurde in den Medien als „glücklichster Mensch der Welt“ bezeichnet.
Das Buch ist leider nicht mehr ganz neu, aber da das Thema bis weit in die Antike zurückgeht, spielen ein paar Jahre da keine große Rolle. Das Buch ist ein Gespräch zwischen tibetischem Buddhismus und abendländischer Philosophie. Da Ricard selbst auch durch die europäische Kultur geprägt ist, sind ihm nun sowohl westliches als auch buddhistisches Denken vertraut, und er versucht in dem Gespräch u.a. Missverständnisse gegenüber dem Buddhismus auszuräumen.
Besonders beeindrucken tut mich die Ganzheitlichkeit buddhistischer Spiritualität und die hoch entwickelte tibetische Kultur. Die Verbindung von Denken und Leben und Charakter ist ein Ansatz, der in der abendländischen Philosophie früher auch zu finden war; in den vergangenen Jahrhunderten allerdings scheint die europäische Philosophie weitgehend verkopft geworden zu sein, wobei Verbindungen zu praktischer Erfahrung und Charakterbildung häufig nicht erkennbar sind.
Mir ist Ricard vor einer Weile im Internet aufgefallen. Ich weiß nicht, ob er auch Deutsch spricht, aber 2015 wurde ein nettes Interview mit ihm bei SRF Kultur (Sternstunde Philosophie) ausgestrahlt, wo er ins Deutsche übersetzt wird. Auch Bücher von ihm in Deutsch sind vorhanden.
Gott so anreden zu können, mit dem hemmungslosen Vertrauen eines Kindes, das ist Himmelreich. Alle Glaubensverkündigung, alles Evangelisieren und alle Theologie ist eigentlich nur eine Erklärung, wie man dahin kommt und dabei bleibt.
Ich versichere euch: Wer sich Gottes Reich nicht wie ein Kind schenken lässt, der wird ganz sicher nicht hineinkommen.
(Bibel, Neues Testament, Markus-Evangelium, 10. Kapitel, Vers 15)
„Abba“ und Joachim Jeremias
Vor ca. 50 Jahren erschien ein Buch des bekannten Theologen Joachim Jeremias: „Abba“ (Studien zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte) Offensichtlich war ihm das Wort „Abba“ und was damit zusammenhängt ein ganzes Buch wert.
Das Aramäische Wort „Abba“ (Vater/Papa) kommt dreimal im Neuen Testament vor. Davon finden sich zwei Stellen ausgerechnet bei Paulus.
Weil ihr nun seine Kinder seid, schenkte euch Gott seinen Geist, denselben Geist, den auch der Sohn hat. Jetzt können wir zu Gott kommen und zu ihm sagen: »Abba, lieber Vater!«
(Bibel, Neues Testament, Paulus‘ Brief an die Christen in Galatien, 4. Kapitel, Vers 6)
Paulus
Sprach Paulus überhaupt Aramäisch? – Es war wahrscheinlich nicht seine Muttersprache. War er nicht von Tarsus? Aus der Diaspora? Warum finden wir das Wort nicht z.B. in den Petrusbriefen? (Petrus, Simon, stammte ja, im Gegensatz zu Paulus, aus Galiläa – wie Jesus.)
Gerade Paulus war es offensichtlich wichtig, dieses Fremdwort aus dem Aramäischen zu benutzen, um auf das Leben hinzuweisen, dass durch Jesus möglich geworden ist. Manchmal sind es Kleinigkeiten, wie dieses kleine Wort, das nur dreimal vorkommt, die in ihrer Auffälligkeit Indizien sind für etwas Wesentliches.
Dann – vierzehn Jahre später – ging ich wieder nach Jerusalem hinauf …Der Grund für meine Reise war, dass Gott mir in einer Offenbarung eine entsprechende Weisung gegeben hatte. Ich legte der Gemeinde von Jerusalem das Evangelium vor, das ich unter den nichtjüdischen Völkern verkünde … Denn ich wollte sicherstellen, dass die Arbeit, die ich getan hatte und noch tun würde, nicht vergeblich war.
(Paulus‘ Brief an die Christen in Galatien, 2,1-2)
Verbundenheit
Paulus war die meiste Zeit in der Diaspora unterwegs, um Menschen für die Sache Jesu zu gewinnen. Dabei war ein ständiges, riesiges, alltägliches Problem, wie Christen jüdischer Abstammung und nicht-jüdische Christen zusammenleben können. Die kulturellen Unterschiede waren groß (wie wir aus den neutestamentlichen Schriften leicht erkennen können).
Das aramäische Wort „Abba“ war durch die sprachliche Fremdheit und die Vertrautheit zu Gott, auf die es verweist, eine spielerische Art und Weise die Verbundenheit der gemischten christlichen Gemeinden in der Diaspora zu den Aramäisch sprechenden Christen im jüdischen Mutterland zum Ausdruck zu bringen. Auch die Spenden, die er für Christen in Palästina sammelte, zeigen, wie wichtig ihm diese Verbundenheit war.
Briefe an Rom und Galatien
Bei Paulus finden wir das Wort interessanterweise im Römer- und im Galaterbrief. – Haben die beiden irgendetwas gemeinsam? – Seit wann liegt Rom in Galatien? 😉
Römerbrief = „dogmatischster“ Brief an Christen, die er nicht kennt
Galaterbrief = krassester Brief an Christen, die er kennt
In beiden Briefen beschäftigt sich Paulus mit dem Unterschied zwischen dem, was Gott durch die Tora gewirkt hat, und der Erlösung, die durch Jesus möglich geworden ist; im Römerbrief ruhig, im Galaterbrief leidenschaftlich (fast verzweifelnd).
»Abba, Vater«, sagte er, »alles ist dir möglich. Lass diesen bitteren Kelch an mir vorübergehen! Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.«
(Markus-Evangelium 14,36)
Stünde das Vaterunser bei Markus, hieße es dann Abbaunser?
Wir finden das Vaterunser bei Matthäus und Lukas – aber nicht bei Markus. – Markus ist ja auch das kürzeste Evangelium. Vielleicht hatte er nicht genug Platz. 😉
Wir finden bei Markus allerdings die dritte Stelle, wo das Wort „Abba“ vorkommt. Und erstaunlicherweise benutzt gerade Matthäus in der Parallelstelle dazu das Wort nicht, sondern erzählt die Szene einfach mit dem Wort „Vater“. – Warum kommt „Abba“ nicht auch bei den anderen beiden Synoptikern vor? Oder bei Johannes? (Bin neugierig auf eure Ideen.)
Ich hatte eine Weile die Idee im Kopf, das Wort „Abba“ hätte etwas mit dem Vaterunser zu tun. Wer weiß …, wenn das Vaterunser bei Markus stünde, vielleicht hieße es dann ja „Abbaunser“.
„Vatersprache“?
Interessanterweise wird dieses Wort im Deutschen kaum benutzt. Wir sprechen meistens von der „Muttersprache“, wenn wir die erste, vertrauteste Sprache meinen, die ein Mensch als kleines Kind gelernt hat. (Auch dann, wenn beide Elternteile dieselbe „Muttersprache“ besitzen.) – Wie männlich ist, im Gegensatz dazu, noch unsere „christliche Sprache“, wenn wir von Gott reden?
„Papa“ oder „Mama“?
In einer patriarchalischen Gesellschaft ist es logischerweise problematisch Gott mit „Mama!“ anzureden – Frauen spielen ja nur die zweite Geige. Gott aber nicht.
In einer Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichberechtigt sind, macht es eine Menge Sinn, Gott mit „Mama!“ anzusprechen, denn es sind die Mütter, die unmittelbarer als die Väter das neue Leben nähren und in die Welt bringen.
Ich las einmal von einem Mann, der versuchte, männlichen, jugendlichen Strafgefangenen Jesus zu erklären. „Gott liebt dich wie ein Vater“ machte für viele keinen Sinn, da ihr Vater immer abwesend gewesen war. „Gott liebt dich wie eine Mutter“ machte für sie eine Menge Sinn, denn es waren bei vielen die Mütter, die sich abrackerten, um ihren Söhnen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.
Ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr immer noch Angst haben müsstet – sondern einen kindlichen Geist, so dass ihr „Mama“ sagen könnt.
Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens; und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben.Da wir nun einen großen Hohenpriester haben, der durch die Himmel gegangen ist, Jesus, den Sohn Gottes, so lasst uns das Bekenntnis festhalten!
(Die Bibel, Neues Testament, Brief an die Hebräer, 4. Kapitel, Verse 12-14)
Ich bin aufgewachsen mit dem Vers „das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert …“ (Hebräer 4,12). Und irgendwie war immer klar, dass damit die Bibel gemeint sein sollte.
Dabei ist eigentlich offensichtlich, dass der Autor des Hebräerbriefs gar nicht die Bibel gemeint haben kann , da diese ja noch gar nicht existiert hat.
Der Vergleich mit dem „zweischneidigen Schwert“ ist uns heute fremd. Aber die Bedeutung scheint klar: Das Wort Gottes ist ganz besonders scharf. Etwas, das extra scharf ist, schneidet besonders gut und man kann sich daran auch leicht verletzen. („Messer, Gabel, Scher‘ und Licht …“)
Nehmen wir einmal an, die Aussage „schärfer als jedes zweischneidige Schwert“ würde auch für die biblischen Texte gelten. Dann müssten wir mit diesen Texten sehr vorsichtig umgehen – denn man könnte leicht sich selbst oder andere verletzen. Und es gibt Menschen, die von solchen Verletzungen berichten.
… das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert …
(Hebräerbrief 4,12)
Woran dachte ein Christ des ersten Jahrhunderts, wenn er den Ausdruck „Wort Gottes“ hörte? An die Worte christlicher Propheten der frühen Christenheit? Die Worte, die in den christlichen Versammlungen verkündigt wurden? Die Worte der Apostel? Erzählungen über Jesus? Jesus Christus selbst? Worte, die der Christ selbst in seinem Herzen oder in Visionen zuvor gehört hatte?
Auf der Webseite eines Predigtpreises finden wir eine Predigt von Joost Reinke über Hebräer 4,12, in der er „Gottes Wort“ mit Jesus Christus identifiziert. Wenn man den Vers im Zusammenhang liest, sicherlich ein naheliegender Gedanke.
Wenn mich jemand fragt, wie ICH etwas gemeint habe, dann tue ich mich manchmal schwer. Mir ist selbst nicht immer ganz klar, was ich eigentlich meine. – Bezieht sich nicht auf diesen Beitrag. 😉 – Aber zumindest bin ich der richtige Ansprechpartner, um zu erklären, was ich mir denn bei meiner eigenen Aussage gedacht habe. (Falls ich überhaupt gedacht habe).
Bei der Aussage einer anderen Person ist das schon ganz etwas anderes. Wenn ich mich anschicke, eine andere Person zu interpretieren, dann sollte ich das mit Respekt, Sorgfalt und Zurückhaltung tun. Es handelt sich schließlich um das geistige Eigentum von jemand anderen.
Tja, wie ist das nun mit dem Wort Gottes?
Sind wir der richtige Ansprechpartner, um zu erklären, was Gott sich bei seinen Worten denkt? Welche Worte sind überhaupt GOTTES Worte? Inwieweit sind wir autorisiert, dazu etwas zu sagen? Und falls wir uns überhaupt trauen, etwas dazu zu sagen: Auf welche Art und Weise sollten wir dies tun?
… stellt euch vor, ihr alle verkündet prophetische Botschaften. Wenn jetzt jemand dazukommt, der vom Glauben nichts oder nicht viel weiß, macht alles, was ihr sagt, ihm bewusst, dass er ein Sünder ist. Durch alles, was er hört, sieht er sich zur Rechenschaft gezogen, und seine verborgensten Gedanken kommen ans Licht. Er wird sich niederwerfen, um Gott anzubeten, und wird ausrufen: »Gott ist wirklich in eurer Mitte!«
(1. Korintherbrief 14,24-25)
Prophetisches Reden. Vielleicht etwas, dass mir und dir noch nicht so vertraut ist. Menschen, die von Gott inspiriert und aus ihm heraus in eine aktuelle Situation hinein sprechen. – Ist die Ähnlichkeit zur Aussage über das „Wort Gottes“ in Hebräer 4 nicht auffällig?
Das soll also euer Ziel sein: ein Leben, das von der Liebe bestimmt wird. Bemüht euch aber auch um die Fähigkeiten, die uns durch Gottes Geist gegeben werden, und wenn ich das sage, denke ich vor allem an die Gabe des prophetischen Redens.
(1. Korinther 14,1-2)
Paulus geht hier davon aus, dass prophetisches Reden eine Gabe Gottes ist. Wir können es uns also nicht einfach nehmen. Es ist ein Geschenk, das wir zwar erstreben sollen, bei dem wir aber auch darauf warten müssen, dass es uns gegeben wird.
Wir alle wollen mitreden. Kommunikation ist auch sehr wichtig. Wenn wir aber nicht aus Gott heraus, prophetisch, reden können, dann wäre es manchmal besser, unsere Klappe zu halten.
… das Wort Gottes ist LEBENDIG …
Gottes Wort ist lebendig. Es ist nicht einfach ein alter Text. Sobald etwas aufgeschrieben worden ist, ist es fixiert, starr, unabänderlich …
Es gibt einen Unterschied zwischen schriftlicher und mündlicher Überlieferung – insbesondere auch im Judentum. Solche Überlegungen führen uns sehr tief hinein in die Kulturgeschichte der Menschheit und in ein Nachdenken über Begriffe wie „Tradition“ und „Offenbarung“, starre und flexible kulturelle Systeme und den Umgang mit Literatur.
Dabei fällt auch auf, dass Jesus selbst es offensichtlich nicht für wichtig hielt, schriftliche Texte zu hinterlassen. Meines Wissens gibt es nicht eine einzige Handschrift, die für sich in Anspruch nimmt, von Jesus selbst geschrieben oder diktiert worden zu sein.
Wie viele Mythen und Märchen, so erzählen auch die biblischen Texte von dem epischen Kampf der Menschheit zwischen Gut und Böse.
… Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, mit den Herren der Welt, die über diese Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt. So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und beschuht an den Füßen, bereit für das Evangelium des Friedens.Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.
(Paulus‘ Brief an die Epheser, 6,10-17)
Paulus versteht unter dem „Wort Gottes“ hier etwas, das man „nehmen“ kann. Gesprochen zu einer Zeit, in der es noch keine Bibeln gab und auch die allermeisten Christen keine Tora-Rollen zu Hause hatten.
Die Idee des „Ergreifens des Wortes Gottes“ hat auch etwas Gefährliches an sich. Dies wird deutlich, wenn man vom „Instrumentalisieren“ des Wortes Gottes sprechen würde. Wenn wir über die Worte Gottes verfügen können, dann können wir sie auch missbrauchen.
Mit biblischen Texte ist dies in der Vergangenheit und Gegenwart auch immer wieder gemacht worden. Dabei wurde ihnen oft eine göttliche Autorität zugesprochen, die sie für sich selbst häufig gar nicht in Anspruch nehmen. (Welche biblischen Texte präsentieren sich denn explizit als die Worte Gottes?)
Bei allen warnenden Worten ist es allerdings auch sehr wichtig, dass wir den unschätzbaren Wert des Leben-schaffenden Reden Gottes erkennen.
Die biblischen Texte erzählen von einem Gott, der spricht. Noch bevor ein Menschenohr da war, um das Wort Gottes zu hören, sprach Gott unsere Welt aus dem Nichts ins Dasein (Genesis 1). Gottes Wort gestaltet. Er sendet es aus, und es verwirklicht seine gute Absicht. Im ersten Kapitel des Johannes-Evangeliums stehen die berühmten Worte über das „Logos„, durch das alles erschaffen worden war und das Fleisch geworden ist …
… In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen …
(Johannes 1)
Wenn wir einem gütigen Menschen begegnen, mag uns dies beschämen, weil wir erkennen, dass wir selbst nicht so sind. Die Begegnung spricht zu uns. Sie erhellt unser Leben. Güte ist anziehend – aber das Erkennen der eigenen Mangelhaftigkeit ist auch schmerzhaft.
Jesus war ein lebendiger Mensch aus Fleisch und Blut wie wir. Er erlitt höllische Qualen. Er wurde zu Tode gefoltert. Aber seine Hinrichtung ist unsere Berichtigung. Durch seinen Schaden und sein Leiden werden wir heil.
Die Jesus-Bewegung endete nicht am Kreuz. Jesus ist auferstanden. Er lebt in uns und begegnet uns auch im bedürftigen Nächsten. Ich bin du – und du bist ich. In Christus vereint Gott alle Menschen.
In der Vergangenheit hat Gott immer wieder und auf vielfältige Weise durch die Propheten zu unseren Vorfahren gesprochen. Doch jetzt, in dieser letzten Zeit, sprach Gott durch seinen Sohn zu uns. Durch ihn schuf Gott Himmel und Erde, und ihn hat er auch zum Erben über alles eingesetzt. In dem Sohn zeigt sich die göttliche Herrlichkeit seines Vaters, denn er ist ganz und gar Gottes Ebenbild …
(Hebräer 1)
In den biblischen Texten redet Gott auf vielfältige Weise: in Träumen, durch Engel, durch Menschen, seine Propheten, durch Jesus oder auch selbst direkt vom Himmel.
Wie redet Gott heute zu mir und dir? Wohin gehen wir, um seine Stimme zu hören?
… Heute, wenn ihr meine Stimme hört, dann verschließt eure Herzen nicht …
(Hebräer 3,7-9)
Auch wenn’s weh tut …
Gottes Sprechen dient unserer Heilung und der Verwirklichung seines herrlichen Friedens. Schalom.
[Dies ist die Überarbeitung eines älteren Artikels. Den älteren Artikel mit Kommentaren findet ihr hier.]
… Mein Vater, wenn es möglich ist, dann lass den Kelch an mir vorübergehen und erspare mir dieses Leiden! Aber nicht was ich will, sondern was du willst, soll geschehen.
(Jesus in Gethsemane – Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium, 26. Kapitel, Vers 39)
Sich fügen in den Willen Gottes. Jede Ausrede und jeder Widerspruch verstummt. In der Klarheit des Weges verblassen alle Alternativen. Die innere Gewissheit ist der Kompass, der die Richtung gibt.
… ich bin mit Christus gekreuzigt. Nicht mehr ich bin es, der lebt, nein, Christus lebt in mir. Und solange ich noch dieses irdische Leben habe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mir seine Liebe erwiesen und sich selbst für mich hingegeben hat.
(Neues Testament, Paulus‘ Brief an die Galater, 2,19-20)
Andacht. Denken an das Wesentliche. Kontemplation. Ich versenke mich in das, was mich unbedingt angeht. Kein Wenn, kein Aber. Ich füge mich in das große Ganze, von dem ich ein Teil bin. Ich ordne mich ein in den Willen Gottes. Ich lass mich erfassen vom Wirken Gottes in seiner Welt …
… Richtet eure Gedanken ganz auf die Dinge, die wahr und achtenswert, gerecht, rein und unanstößig sind und allgemeine Zustimmung verdienen; beschäftigt euch mit dem, was vorbildlich ist und zu Recht gelobt wird. Haltet euch bei allem, was ihr tut, an die Botschaft, die euch verkündet worden ist und die ihr angenommen habt; lebt so, wie ich es euch gesagt und vorgelebt habe. Dann wird der Gott des Friedens mit euch sein.
Foto von der British Library, via Wikimedia Commons – Aristotle [Public domain, CC0]
Anders, als die hippen modernen Städte-Touristen, easyjetete Jesus nicht durch den Vorderen Orient, sondern lief zu Fuß, über die staubigen Straßen und Wege des römischen Palästina. – Wieviel Gepäck kann man da wohl dabei haben?
Jesus war auch nicht als Tourist unterwegs, sondern als Wanderprediger; und von ihm selbst sind die Worte überliefert, in denen er auf den mangelnden Komfort seines Lebens und das seiner Jünger hinweist:
… »Meister«, sagte er, »ich will dir folgen, wohin du auch gehst.« Jesus erwiderte: »Die Füchse haben ihren Bau und die Vögel ihre Nester; aber der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sich ausruhen kann.«
Archäologen und Jesus-Forscher wären bestimmt ganz aus dem Häuschen, wenn sie noch ein paar Utensilien von Jesus‘ Camping-Ausrüstung ausgraben würden. – Vielleicht sogar seinen Rucksack? – Aber Wanderprediger hinterlassen nun mal nicht gerade viel archäologische Spuren.
Für uns als Christen heute ist die Frage allerdings viel interessanter, was Jesus nicht im Gepäck hatte.
Jesus kam in die Welt wie wir alle: Nackt und bloß, als ein Baby. Babys haben selbstverständlich kein Handgepäck, und Jesus brachte auch nichts mit. Später verließ er dann sein Zuhause, um als Wanderprediger von Ort zu Ort zu ziehen. Es wird nicht erzählt, dass er irgendwas von Zuhause mitnahm. Auch in den Erzählungen über sein Wirken wird nicht berichtet, dass er irgendwelche heiligen Gegenstände oder Ähnliches dabei hatte. Nach einer relativ kurzen Zeit als Wanderprediger (höchstens 3 Jahre) wird er hingerichtet und begraben. Es wird in den biblischen Texten wiederum nicht erzählt, dass er seinen Jüngern irgendetwas vererbte. Und auch in der unmittelbaren Zeit danach wird nicht davon erzählt, dass noch irgendwelche Sachen von Jesus vorhanden gewesen wären.
Das bisher Gesagte wird viele Christen nicht beeindrucken. Es gibt allerdings bei der Angelegenheit ein Detail, dass viele Christen beeindrucken sollte.
Die jüdischen Messias-Erwartung zur Zeit von Jesus gründete sich u.a. auf einen Vers in der Tora:
Er wird euch einen Propheten wie mich senden, einen Mann aus eurem Volk. Auf den sollt ihr hören!
Insbesondere das Matthäus-Evangelium versucht auf z.T. subtile Weise zu zeigen, dass der Mann, Jesus aus Nazareth, dieser erwartete „neue Mose“ ist. Dieser neue Mose hat seinem Volk aber KEINE neue Tora gebracht.
Es gibt zwar die Szene in der Synagoge, in der Jesus aus den heiligen Texten vorliest, aber es gibt meines Wissens keine einzige Szene, in der Jesus zusammen mit seinen Jüngern die heiligen Texte studiert. Auch wird nirgends behauptet, Jesus hätte Texte verfasst, obwohl er sicherlich die Möglichkeit gehabt hätte, da auch wohlhabendere Menschen zu seinen Anhängern zählten.
Auch in den Szenen, wo Jesus sich von seinen Jüngern verabschiedet, gibt er ihnen NICHT den Auftrag, heilige Texte, Glaubensbekenntnisse oder Katechismen zu verfassen, sondern weist auf die Sendung des Heiligen Geistes hin. Und auch in der Zeit nach Pfingsten gibt es KEINEN himmlischen Auftrag, heilige Texte zu verfassen. Es gibt einen Beschluss in Briefform in der Apostelgeschichte, im 15. Kapitel. Aber auch dieser Brief ist weit davon entfernt, ein Gründungsdokument des Christentums zu sein.
Der neue Bund, von dem schon Jeremia redet (Kapitel 31) besteht ja auch nicht mehr in dem Befolgen von fixierten schriftlichen Anweisungen, sondern im Geist Gottes und Jesu.
Denkt daran: Der Heilige Geist, mit dem Christus euch gesalbt hat, ist in euch und bleibt in euch. Deshalb seid ihr nicht darauf angewiesen, dass euch jemand belehrt. Nein, der Geist Gottes, mit dem ihr ausgerüstet seid, gibt euch über alles Aufschluss, und was er euch lehrt, ist wahr und keine Lüge. Darum bleibt in Christus, wie Gottes Geist es euch gelehrt hat!
(Neues Testament, 1. Brief des Johannes 2,27)
Jesus investierte sich nicht in Texte, sondern in Menschen. Seine Jünger hatten IHN selbst, seine Gegenwart, seine Worte und die Kraft, die von ihm ausging. Sie hatten den GESAMTEINDRUCK des Sohnes Gottes, inklusive all der Eindrücke, die man nicht beschreiben oder in Worte fassen kann. Volles Leben. Live und echt. Von Mensch zu Mensch.
Wie eigenartig, dass sich Menschen später doch wieder ein heiliges Buch in Form der Bibel gemacht haben. Die historischen Zeugnisse über Jesus brauchen wir und auch die heiligen Schriften der Juden zu seiner Zeit; aber eine „christliche“ Heilige Schrift oder ein Dogma von der Unfehlbarkeit der Bibel braucht niemand, der im Geist Gottes leben will.
In der Kraft des Heiligen Geistes habt ihr begonnen, und jetzt wollt ihr aus eigener Kraft das Ziel erreichen? Seid ihr wirklich so unverständig?
(Paulus‘ Brief an die Galater 3,3)
HINWEIS ZUM BILD : Das Bild zeigt als Beispiel einen Papyrus aus dem 1. Jahrhundert. Zu sehen ist die Verfassung von Athen (Papyrus 131 der British Library). Von Jesus selbst sind keine Texte überliefert. Auch von seinen Jüngern gibt es kein vergleichbares Gründungsdokument des Christentums.