Rezension: “Freikirchliche Gottesdienste” von Stefan Schweyer

Stefan Schweyer: “Freikirchliche Gottesdienste – Empirische Analysen und theologische Reflexionen”. Erschienen 2020 in der Reihe “Arbeiten zur Praktischen Theologie” (APrTh Band 80) bei der Ev. Verlagsanstalt, Leipzig. 608 Seiten, Hardcover, 58 EUR, ISBN 978-3-374-06710-7.

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Schweyers Buch “Freikirchliche Gottesdienste – Empirische Analysen und theologische Reflexionen” ist in meinen Augen für alle empfehlenswert, die sich empirisch mit Gottesdiensten beschäftigen, sich speziell für freikirchliche Gottesdienste interessieren oder einfach nur Inspirationen zum Thema Gottesdienst suchen. (Alleine die Literaturhinweise bieten eine Fülle von Ansatzpunkten.)

Wem Freikirchen und deren Gottesdienste noch nicht vertraut sind, der bekommt durch das Buch einen guten Einblick durch einen Kenner der Szene; und denjenigen, die freikirchliche Gottesdienste schon kennen, begegnet eine detailreiche und reflektierte Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand, sowohl in der empirischen Arbeit, als auch in der theologischen Reflektion. 

Einzelne Aspekte freikirchlicher Gottesdienste, wie Musik, Gebete, Bibelgebrauch, die Rolle der Predigt, das Abendmahl und die Kollekte, werden bei der Studie berücksichtigt und analysiert, und wer sich nicht durch den Umfang und das wissenschaftliche Niveau dieser Habilitationsschrift abschrecken lässt, kann beim Lesen eine Menge lernen und viele Anregungen finden.

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ZUM AUTOR

Warum interessieren sich Menschen für freikirchliche Gottesdienste? Bei Stefan Schweyer ist dieses Interesse leicht nachzuvollziehen. In seinem Buch beschreibt er unter Punkt 3.4, “Reflektierte Subjektivität”, seine eigene persönliche Verwicklung mit dem Thema.

Schweyer wurde 1970 im Kanton Zürich geboren und war seit seiner Kindheit Teil der freikirchlichen Szene. Seine Eltern waren als Gemeindegründer in Freien Evangelischen Gemeinden tätig. Im Gymnasium des Benediktinerklosters Einsiedeln begegnete er allerdings auch den hochliturgischen Gottesdiensten in der prunkvollen Klosterkirche. Er studierte Theologie und arbeitete als Pastor in einer Freien Evangelischen Gemeinde. Seit 2008 ist er Dozent und seit 2020 Ordentlicher Professor für Praktische Theologie an der STH Basel. Das vorliegende Buch ist seine leicht überarbeitete Habilitationsschrift, welche 2019 von der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg (Schweiz) angenommen wurde.

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ZUM BUCH

Im deutschsprachigen Raum ist die Gottesdienstkultur seit Jahrhunderten durch die traditionellen Gottesdienste der Großkirchen geprägt worden. Schweyers Interesse gilt in seiner Habilitationsschrift Gottesdiensten, welche alternativ zu diesen traditionell-liturgisch gestalteten Gottesdiensten gefeiert werden. Er erläutert:

“Während solche Formate in grosskirchlichen Kontexten meist einen die ‘klassischen’ Gottesdienste ergänzenden Charakter haben, stellen sie in freikirchlichen Kontexten den sonntäglichen und regelmäßigen ‘Normalfall’ dar.” (S.100)

Um solche normalen freikirchliche Sonntagsgottesdienste geht es also in dem vorliegenden Buch. Da das Thema noch nicht ausreichend von Liturgiewissenschaftlern beanrbeitet worden ist, will Schweyer mit seiner Arbeit eine Lücke schließen; und da es in Freikirchen keine zugrunde liegendenden Gottesdienstbücher oder Agenden gibt, drängt sich der empirische Zugang zu diesem Forschungsgegenstand geradezu auf. Das Ziel der Studie war es, die impliziten Logiken freikirchlicher Gottesdienste besser zu verstehen:

“Meine Aufmerksamkeit gilt den theologischen Motiven, die in der Gottesdienstgestaltung und im Gottesdienstverständnis der verantwortlichen Personen zum Ausdruck kommen.” (Punkt 3.1, “Präzisierung der Fragestellung”, S.100)

Die kritische Reflexion des eigenen Standpunkts ist dabei ein wichtiges Element empirischer Sozialforschung. Schweyer ist sich dessen bewusst und dokumentiert dies unter Punkt 3.4, “Reflektierte Subjektivität”. Er schreibt dort bzgl. seiner Nähe zum Forschungsgegenstand: 

“Die Nachteile, dass blinde Flecken übersehen werden und die kritische Distanz fehlen kann, sind nicht zu unterschätzen …” (S.112)

Schweyer knüpft in seiner Studie an einer Aufteilung der freikirchlichen Szene in drei Submilieus an: “klassisch”, “konservativ” und “pfingstlich-charismatisch”. Er sieht innerhalb des pfingstlich-charismatischen Milieus allerdings nochmals wesentliche Unterschiede in Bezug auf die Gestaltung von Gottesdiensten und ergänzt deshalb die drei Submilieus durch ein viertes “neocharismatisches” Submilieu, zu dem er beispielsweise die International Christian Fellowship (ICF) zählt .

Schweyer hatte sich darum bemüht, auch Gottesdienste der sogenannten “geschlossenen Brüder” in seine Studie miteinzubeziehen. Aufgrund eines mangelnden Interesses an einer Zusammenarbeit seitens der angefragten Gemeinden konnten solche Gottesdienste dann allerdings leider nicht in die Studie mit aufgenommen werden (S.129). Besucht wurden schließlich jeweils ein Gottesdienst von insgesamt 16 Gemeinden aus dem konservativen (3 Gemeinden), dem klassischen (4 Gemeinden), dem pfingstlich-charismatischen (6 Gemeinden) und dem neocharismatischen Milieu (3 Gemeinden).

Schweyer weist darauf hin, dass es in der qualitativen Sozialforschung umstritten ist, “ob die vorgängige Formulierung von Hypothesen hilfreich oder hinderlich ist” (S. 105). Er entscheidet sich für “hypothesengeleitete Forschung”, welche einen Mittelweg zwischen hypothesengenerierender und hpyothesenüberprüfender Forschung darstellt. Er nähert sich dem Forschungsgegenstand auf vier Wegen: Teilnehmende Beobachtung, Videoaufzeichnung, Gruppeninterview und schriftliche Quellen. Den Kapiteln zur empirischen Arbeit gehen noch ein Kapitel mit einer Einführung in die Thematik und ein Kapitel mit einer Darstellung des aktuellen Forschungsstandes voraus.

Alle Sozialforscher kennen das Problem, dass die begrenzenden Rahmenbedingungen einer Studie leider manches verhindern, was aus wissenschaftlichem Interesse und zur Steigerung der wissenschaftlichen Qualität wünschenswert wäre. Diese Erfahrung musste auch Schweyer machen. Er weist z.B. explizit darauf hin, dass eine kommunikative Validierung mit den Interviewpartnern nicht erfolgt ist, weil der Forschungsprozess “nur einen einmaligen Aufenthalt an einem Gottesdienstort und nur ein einmaliges Treffen der Interviewgruppe vorsah” (S. 105).

Im Anschluss an die Analysen zu freikirchlicher Gottesdienstpraxis und Gottesdiensttheologie reflektiert er die Ergebnisse untergliedert in 6 Themenbereiche:

Alltag & Gottesdienst
Allgemeines Priestertum & Gottesdienst
Mission & Gottesdienst
Gottesdienst zwischen Form und Freiheit
Gottesdienst zwischen Individualität und Universalität
Liturgische Spannungsfelder

Abschließend formuliert er dann im letzten Kapitel noch “Ein- und Aussichten” in Bezug auf die freikirchliche Gottesdienstlandschaft und die liturgiewissenschaftliche Forschung. 

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KRITISCHE BEWERTUNG

Das Buch ist keine gefällige Lektüre. Es ist ein theologisches Fachbuch. Es folgt nicht dem geschmeidigen Verlauf einer Erzählung, sondern strenger wissenschaftlicher Logik. Schweyers sorgfältiges Arbeiten und seine präzise Sprache erleichtern allerdings das Lesen. Schweizer Kultur ist wahrnehmbar.

Ein Buch zu freikirchlichen Gottesdiensten veröffentlicht von einer Evangelischen Verlagsanstalt. Nicht selbstverständlich. Titel und Verlag lassen vermuten, dass es bei dem Buch um freikirchliche Gottesdienste in Deutschland geht. Diese kommen in dem Buch allerdings kaum vor. Schon auf der Rückseite des Buches wird erklärt, dass die Studie auf empirischen Untersuchungen in der deutschsprachigen Schweiz basiert.

Sicherlich werden viele Beobachtungen und Aussagen in ähnlicher Weise auch auf freikirchliche Gottesdienste in Deutschland zutreffen. In welchem Umfang es dabei auch Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland gibt, wird in der Studie selbst allerdings nicht empirisch erfasst. Wem die freikirchliche Szene in Deutschland nicht bereits vertraut ist, dem wird es schwer fallen zu beurteilen, inwieweit sich die Ergebnisse auf Deutschland übertragen lassen. Das beschriebene Zusammenspiel der für freikirchliche Gottesdienste wichtigen Elemente (Glaubensüberzeugungen, Allgemeines Priestertum, Mission, Alltagsbezug, usw.) dürfte allerdings nicht nur für Schweizer und auch nicht nur für freikirchliche Christ*innen interessant sein.

Bei dem Buch handelt es sich um eine interdisziplinäre Arbeit. Schweyer wendet Methoden der qualitativen Sozialforschung an, um ausgewählte Gottesdienste in der deutschsprachigen Schweiz zu untersuchen. Alle offenen Fragen der Sozialwissenschaft, wie sie z.B. im schon Jahrzehnte andauernden “Methodenstreit” (quantitativ vs. qualitativ) zum Ausdruck kommen, betreffen somit offensichtlich auch den empirischen Teil dieses Buches. Bei einem Forschungsgegenstand mit einer spirituell-religiösen Dimension sicherlich ein ernstzunehmender Aspekt.

Die Darstellung der Studie im Buch beschreibt ein fleißiges Vorgehen und offenbart Kenntnis sozialwissenschaftlicher Vorgehensweise. Ich konnte anhand von Schweyers Lebenslauf allerdings nicht erkennen, ob Schweyer schon vor dieser Habilitation einmal sozialwissenschaftlich gearbeitet hat. Auch nach Lesen des Buches blieben bei mir Zweifel bestehen, inwieweit ausreichende sozialwissenschaftliche Kompetenz für diese Studie vorhanden gewesen ist. Sicherlich würde es die Qualität interdisziplinärer Studien verbessern, wenn man entsprechend dem Forschungsgegenstand und dem Forschungsansatz auch in einem interdisziplinären Team arbeiten würde. 

Schweyer besitzt ein großes persönliches Interesse und eine biografische Nähe zu seinem Forschungsgegenstand. Dies hat offensichtliche Vorteile, bringt aber auch den Nachteil mit sich, dass die sozialwissenschaftlich geforderte “Verfremdungshaltung” in Bezug auf das sogenannte “Fremdverstehen” der involvierten Personen besonders schwer fallen dürfte. Auch in Bezug auf diesen Aspekt wäre Teamarbeit, gemeinsam mit Wissenschaftlern, die eine größere persönliche Distanz zum Forschungsgegenstand haben, sicherlich sinnvoll gewesen.

Gewünscht hätte ich mir auch, dass die theoretischen Voraussetzungen von Schweyers Überlegungen deutlicher geworden wären. Da er selbst evangelischer Theologe ist und das Buch in einem evangelischen Verlag erschienen ist, kann man davon ausgehen, dass “evangelische Identität” (was auch immer das genau sein mag) eine Rolle gespielt hat. (“Evangelisch” ist in den letzten Jahrhunderten zu einem ziemlich “breiten” Attribut geworden.) Andererseits ist allerdings auch Schweyers Liebe zur Ökumene in seinem Buch deutlich erkennbar. Aber mit welchen Überzeugungen und Denkvoraussetzungen geht er in die ökumenische Begegnung?

Schweyer ist Professor an einer Hochschule, die damit wirbt, “bibelorientiert” zu sein. Aber orientieren sich nicht alle Christ*innen irgendwie an der Bibel? – All die Fragen, welche mit der Bedeutung der biblischen Texte und unseren Umgang mit ihnen zusammenhängen, sind leider selbst auf der höchsten akademischen Ebene längst noch nicht geklärt, und es erscheint mir fraglich, ob dies jemals der Fall sein wird.

Die theoretischen Denkvoraussetzungen des Autors bleiben in meiner Wahrnehmung schwammig. (Wem die christliche Szene vertraut ist, dem ist allerdings auch dieses Problem vertraut.) Und dort, wo Schweyer bezug zur Bibel nimmt, empfinde ich seine Argumentation nicht immer als stimmig. So schreibt er z.B.:

“Schon in der Eröffnungssequenz kann die vertikale Dimension markiert werden, indem der Gottesdienst mit Bibelwort und Gebet startet.” (S. 548)

Aber warum sollte ein antikes Menschenwort aus der Bibel mehr “Vertikalität” markieren als ein aktuelles prophetisches “Menschenwort” eines Gemeindemitglieds? “Lehrt” uns nicht gerade die Bibel, z.B. im Ersten Korintherbrief, die Bedeutung solcher aktuellen prophetischen Worte?

Hätte man z.B. die Integrale Theorie Ken Wilbers genutzt, um die Aspekte von Gottesdienst differenzierter zu betrachten und Elemente entsprechend einzuordnen, so wären die Bezüge zwischen einzelnen Elementen und Argumentationslinien klarer gewesen und auch der theoretische Ansatz wäre eindeutig benannt. (Material zur Integralen Theorie und Integralem Christentum ist bereits seit vielen Jahren vorhanden.)

Trotz der angesprochenen Schwächen stellt das Buch, meiner Meinung nach, einen wertvollen Beitrag zum Verständnis und zur Weiterentwicklung von Gottesdienstkultur dar. Die Bedeutung der Studie dürfte über den deutschen Sprachraum hinausgehen. Persönlich schätze ich am Buch besonders Schweyers Interesse am ökumenischen Austausch und der Verbesserung gottesdienstlicher Praxis. Bleibt zu wünschen, dass dieses Buch dazu beiträgt.

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ANMERKUNGEN

Auf der Homepage des Verlages stehen Beilagen zur Studie zum Download zur Verfügung:

Stefan Schweyer: Freikirchliche Gottesdienste  ->  Beilagen

Die Publikation von Schweyers Buch wurde unterstützt vom Verband evangelischer Freikirchen und Gemeinden in der Schweiz (VFK – freikirchen.ch) und von der Arbeitsgemeinschaft für biblisch erneuerte Theologie (afbet.ch).

Weitere Rezensionen zum Buch findet man hier:

Stefan Schweyer: Freikirchliche Gottesdienste (Rezension von Dejan Aždajić, Arbeitskreis für evangelikale Theologie)

Freikirchliche Gottesdienste (Rezension von Ron Kubsch, Evangelium21)

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12 Jünger*innen, neulich, beim Abendmahl

 

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Weintrauben am Weinstock; fir0002 | flagstaffotos.com.au [GFDL 1.2 (http://www.gnu.org/licenses/old-licenses/fdl-1.2.html)%5D, from Wikimedia Commons
 

 

(Vor ein paar Jahren, irgendwo beim Arbeitskreis Ökumene im Randbezirk einer deutschen Großstadt …)

 

Maria:  Mich hat herzlich verlangt, dieses Abendmahl mit euch zu feiern. Ich freu mich immer so …

Stefan:  Hat euer Papst euch das nicht eigentlich verboten? Kommst du da mit deinem Gewissen klar?

Dagmar:  Komm, lass sie in Ruhe. Falls Maria wegbleibt, sind Christine und ich wieder die einzigen Frauen hier.

Christine:  Es wird echt so langsam Zeit für eine Quotenregelung: 50% Frauen in jedem Gremium! Auch in der Kirche.

Gerhard:  Ich würde mich wohler fühlen, wenn die hier anwesenden Frauen schweigen würden. Es steht geschrieben „Wie es in allen Gemeinden der Heiligen ist, sollen die Frauen in den Gemeinden schweigen.“

Mischa:  Mensch, Gerhard …

Martin:  Ist das hier überhaupt eine Gemeinde?

Klaus-Peter zu Christine:  Nu lass uns mal erst einmal die Sache mit dem ökumenischen Abendmahl-/Eucharistie-Projekt machen. Wir müssen unsere Kräfte bündeln …

Martin zu Maria:  Weißt du, ich freu mich ja, dass du dich freust; aber im Moment wird mir das wirklich etwas zu stressig mit dem ökumenischen Abendmahl jede Woche …

Klaus-Peter:  Es muss unbedingt wöchentlich sein, wegen der Öffentlichkeitswirkung und um den kirchenpolitischen Druck aufrecht zu erhalten.

Tobias:  Also ich könnte jeden Tag Abendmahl feiern.

Paul zu Stefan:  Feiert ihr eigentlich das Abendmahl beim ICF?

Gerhard:  „Und jeden Tag waren sie beständig und einmütig im Tempel und brachen das Brot in den Häusern …“

Dietrich:  Ich finde, es besteht schon eine gewisse Gefahr, dass das Abendmahl zu etwas Alltäglichem wird, wenn man es jede Woche feiert.

Tobias:  Einmal die Woche ist doch nicht  all-täglich.  Ich könnte sogar mehrmals täglich Abendmahl feiern. Ich denke doch sowieso ständig an Jesus und das Kreuz und so …

Dagmar:  Also ich hab Familie. Ich muss auch noch mal an was anderes denken.

Mischa:  Das Abendmahl ist etwas sehr Wertvolles. Es ist für mich Nahrung für die Seele.

Thomas:  Also für mich ist es eher ein Mich-Erinnern an das Wesentliche …

Martin:  Ich könnte mal auf YouTube schauen, ob Siggi Zimmer was dazu sagt.

Dietrich:  „Dies  ist  mein Leib“, und „dies  ist  mein Blut“ …

Gerhard:  Worthaus ist nicht dasselbe wie die Heilige Schrift.

Paul:  Ich möchte nur einen kleinen Moment daran erinnern, dass wir uns nicht über dogmatische Fragen streiten wollten.

Martin:  Genau. Mir geht so viel Theorie auch echt auf den Keks.

(Schweigen)

Martin:  Und ich wollte euch noch sagen, dass ich schwul bin. Ich dachte, es ist besser, wenn ihr es von mir selber hört.

Gerhard zur Gruppe über Martin:  Entweder  ER  geht, oder  ICH  gehe.

Maria:  Gerhard!

Christine zu Gerhard:  Du bist homophob? Ich dachte, du bist Christ?

Dagmar:  Leute, wir haben das hier jetzt schon monatelang gemacht und hatten immer eine gute Zeit.

Mischa:  Es geht nicht darum, dass  wir  eine gute Zeit haben …

Dietrich:  Das mit der Homosexualität ist schon ein schwieriges Thema …

Christine zu Dietrich:  Martin ist nicht ein „Thema“!

Klaus-Peter:  Wir müssen uns auf das ökumenische Abendmahl konzentrieren, sonst verzetteln wir uns!

Gerhard:  Es heißt in der Heiligen Schrift „Tut den Bösen von euch selbst hinaus!“

Tobias:  Wir brauchen als Christen unbedingt mehr Ambiguitätstoleranz. Ein Minimum an social skills sollte man auch unter Christen erwarten können.

Dagmar:  Vor allem brauchen wir eine allgemeinverständliche Sprache, die auch die Frau und der Mann auf der Straße verstehen.

Martin:  Genau. Wir sind hier wieder der typische, gutbürgerliche, fromme Klub … – und ich bin das schwarze Quoten-Schaf.

Stefan:  Häh?

Thomas zu Martin:  Du kamst ja eigentlich auch mal aus gutem Hause, nich?

Tobias zu Stefan:  Er meint, er ist so wie aus dem Gleichnis vom verlorenen, schwarzen Schaf.

Klaus-Peter in die Runde:  Stimmt schon. So Arbeitermilieu oder Schlimmeres ist hier nicht gerade stark vertreten …

Thomas:  Liebe Brüder und Schwestern, wir sind Christen! Wir sollten eigentlich an unserer Liebe erkannt werden.

Stefan:  Liebe, Liebe, Liebe, … ich kann’s schon nicht mehr hören. Dadrunter versteht doch jeder, was er will.

(Schweigen)

Gerhard:  „es müssen auch Parteiungen unter euch sein, damit die Bewährten unter euch offenbar werden.“

Martin:  Wer sind denn die Bewährten?

Tobias zu Klaus-Peter:  Vielleicht sollten wir doch besser Einzelkelche nehmen.

Klaus-Peter:  Also, wir haben uns am Anfang für einen einzelnen Kelch entschieden. Wir rollen die Sache jetzt nicht noch einmal auf.

(Schweigen)

Paul:  Ich möchte euch dazu einladen, gemeinsam eine kleine Meditationsübung zu machen, damit wir uns wieder innerlich zentrieren und zu uns selbst finden.

Thomas:  Ich dachte, es geht hier um Jesus.

Mischa:  Jesus ist doch im Zentrum unserer Seelen.

Maria:  Das mit dem Meditieren ist nicht so mein Ding.

(Schweigen)

Mischa:  Irgendwie bin ich nicht mehr so richtig in Stimmung fürs Abendmahl.

Thomas:  Es kommt nicht auf dein Gefühl an.

Dagmar:  Der Appetit kommt beim Essen.

Maria:  Dagmar!

Paul:  Wir dürfen vielleicht alle noch einmal versuchen uns daran zu erinnern, was uns eigentlich hier zusammengeführt hatte.

(Schweigen)

Dietrich:  Jesus!

(Alle nicken langsam, zustimmend.)

Martin:  Durch Jesus bin ich von den Drogen weggekommen. Ohne ihn hätt ich das nicht geschafft.

Thomas:  „Christen“ kommt von „Christus“ –  „JESUS  CHRISTUS.

Christine:  Wie seid ihr eigentlich alle zum Glauben gekommen?

Gerhard:  Ich bin christlich aufgewachsen. Ich war mein Leben lang in derselben Gemeinde. Ich kenne gar nichts anderes.

Martin:  Oh Gott!

Gerhard:  „Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht zu Nichtigem aussprechen, denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen zu Nichtigem ausspricht.“

Martin:  Entschuldigung.

Christine flüstert Dagmar ins Ohr:  Ich frag mich, ob Gerhard überhaupt ein richtiger Christ ist.

Christine zu Gerhard:  Hast du nie mal gezweifelt oder ’ne Krise gehabt? So’n Bekehrungserlebnis?

Gerhard:  Nein, für mich war immer alles klar, mit Jesus und so. Und mit 14 hab ich mich dann taufen lassen, so mit all den anderen Jugendlichen.

Mischa:  Wow!

Tobias:  Na, ich weiß nicht, ob das so gut ist …

Dagmar flüstert zurück in Christines Ohr:  Das ist nicht deine Aufgabe, das zu beurteilen.

Dietrich:  Jesus ist mein Leben. Ich wüsste gar nicht, wie ich anders leben könnte.

Thomas:  Ich hab mich lange rumgequält mit dem Sinn des Lebens und so. Meine Eltern sind Atheisten. Durch einen Kollegen hab ich dann die Bibel kennengelernt, und das mit Jesus hat mich echt angesprochen und überzeugt.

Martin:  Manchmal ist mir das echt alles zu viel, mit all den Bibelversen und den Streitereien und so. Aber dann denke ich an Jesus und merke: Der lässt mich irgendwie nicht los …

(Schweigen)

(Mischa nimmt das Brot, bricht es und gibt es in die Runde.)

Dietrich:  „Nehmet hin und esset: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Solches tut zu meinem Gedächtnis.“

(Maria nimmt den Kelch, nimmt einen Schluck und reicht ihn weiter.)

Dagmar:  „Dieser Kelch ist der neue Bund zwischen Gott und euch, der durch mein Blut besiegelt wird. Sooft ihr aus diesem Kelch trinkt, denkt an mich und an das, was ich für euch getan habe!“

(Schweigen.)

(Christine fängt an zu singen, und die anderen stimmen ein:)

„Seid still und erkennt, dass ich Gott bin …“

(Thomas hat noch ein paar Kekse mitgebracht und Klaus-Peter ein paar Chips. Maria holt eine Flasche Mineralwasser heraus, und Stefan, Tobias und Dagmar teilen sich den Rest vom Rotwein. – Sie unterhalten sich noch eine ganze Weile über alles Mögliche. Dann verabschieden und umarmen sie sich und gehen nach Hause.)