
Was wäre …
… wenn wir um die Begrenztheit unseres eigenen Verstehens wissen würden, anstatt anderen unsere Meinung als die christliche Wahrheit unter die Nase zu reiben?
… wenn wir neugierig wären, Neues zu lernen und unser Denken verändern zu lassen, anstelle uns aus Unsicherheit ans Alte zu klammern?
… wenn wir bereit werden zu prüfen, wie sinnvoll unsere kirchliche Praxis ist, anstelle einfach immer so weiter zu machen?
… wenn wir all unsere mehr oder weniger liebgewonnenen Traditionen in Frage stellen würden und zurückkehrten zum Ursprung und Wesentlichen unseres Glaubens?
… wenn das Geheimnis des Mannes aus Nazareth mehr Bedeutung für uns hätte als die Dogmen der Kirchengeschichte?
… wenn der Glaube unseres Messias Jesus uns wichtiger wäre als unsere eigenen Glaubensbekenntnisse?
… wenn wir neugierig wären, unsere jüdischen Wurzeln kennenzulernen, anstelle Juden überzeugen zu wollen, dass wir recht haben?
… wenn wir uns die Mühe machten, die biblischen Texte zu studieren, anstatt uns mit Losungen, Kalenderblättchen und Andachtsbüchern zu begnügen?
… wenn wir uns von den Texten inspirieren ließen, anstatt uns über die Inspiration der Bibel zu streiten? Wenn wir mehr nach der Stimme Gottes lauschen würden als zu predigen?
… wenn wir fantasievoll und kreativ darin wären, uns selbst und anderen einen Zugang zu diesen alten Texten zu verschaffen, anstelle alte Bücher zur Bibel neu aufzulegen?
… wenn Liebe uns beflügeln würde, die biblischen Worte so zu gebrauchen, dass Menschen dadurch in ihrer Seele gesund werden?
… wenn wir eintreten würden in die ernsthafte Erforschung und Diskussion der biblischen Texte, anstatt mit unseren Lieblings-Versen Ping-Pong zu spielen?
… wenn wir ein Bewusstsein für die Weite und Tiefe der Themen und Fragen hätten, anstatt die Wahrheit der Bibel auf unser Niveau herabzuziehen?
… wenn wir ergriffen wären von den Botschaften der Texte, anstatt zu versuchen, die Bibel in den Griff zu kriegen?
… wenn wir Bibelausgaben als Sammlung von Rekonstruktionsversuchen antiker jüdischer und christlicher religiöser Texte transparent machen würden, anstelle die theologische Entgleisung eines Glaubens an ein göttliches Buch weiter zu befördern?
… wenn Kinder und Menschen, die noch jung im Glauben sind, durch unser Vorbild eine demütige und gesunde Wertschätzung der Texte lernen würden, und einen entsprechenden Umgang mit ihnen?
… wenn das Leben eines Menschen für uns wertvoller wäre als die Regeln der Kirche?
… wenn wir weniger Angst vor der Hölle hätten und mehr Vertrauen zu Gott?
… wenn wir Interesse hätten, andere Menschen zu verstehen, anstelle ihnen erklären zu wollen, dass wir die Wahrheit besitzen?
… wenn die eigene Authentizität und Integrität uns wichtiger wäre als die Zustimmung unserer Glaubensgenossen?
… wenn die Einsamkeit bei Jesus uns lieber wäre als die Geborgenheit im Schoß unserer Gruppe?
… wenn wir uns selbst und unsere Kirche reformieren würden, anstatt eine 500 Jahre alte Reformation aus einer anderen Zeit zu feiern?
… wenn wir uns den richtigen Glauben von Jesus erklären ließen und nicht von Katechismen?
… wenn wir darum ringen würden, die richtigen Worte für unseren Glauben zu finden, anstatt Auswendiggelerntes nachzuplappern?
… wenn wir konsequent wären in der Trennung von Kirche und Staat, anstatt uns durch alte Privilegien korrumpieren zu lassen und dem Staat das Eintreiben der Kirchensteuer und das Verwalten der Kirchenaustritte zu überlassen?
… wenn ein klares Profil wichtiger wäre als Mitgliederzahlen?
… wenn wir Menschen auf das Bekenntnis ihres Glaubens hin in einem Wassergrab untertauchen würden, anstatt Säuglinge nass zu machen?
… wenn wir zur Erinnerung an Jesus Brot und Wein in unseren Wohnungen teilen würden, anstatt einen Profi ein Ritual auf einer Bühne zelebrieren zu lassen?
… wenn wir zu Gott Vertrauen hätten wie ein Senfkorn, anstelle zu versuchen, die Angelegenheiten Gottes zu verwalten?
(Vor ein paar Hundert Jahren wäre ich für so einen Text wahrscheinlich von Menschen, die sich Christen nannten, auf einem Scheiterhaufen verbrannt worden.)
… „Komm, ich will dir die Braut zeigen, die Frau des Lammes!“
Gottes Geist ergriff mich und führte mich auf einen großen, hohen Berg. Dort zeigte er mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie von Gott aus dem Himmel herabkam. Die Stadt erstrahlte im Glanz der Herrlichkeit Gottes …
Nirgendwo in der Stadt sah ich einen Tempel. Ihr Tempel ist der Herr selbst, der allmächtige Gott, und mit ihm das Lamm. Die Stadt braucht als Lichtquelle weder Sonne noch Mond, denn in ihr leuchtet die Herrlichkeit Gottes und das Licht des Lammes. In diesem Licht werden die Völker der Erde leben, … Weil es keine Nacht gibt, werden die Tore niemals geschlossen; sie stehen immer offen.
Nun zeigte mir der Engel den Fluss, in dem das Wasser des Lebens fließt. Er entspringt am Thron Gottes und des Lammes, und sein Wasser ist so klar wie Kristall. An beiden Ufern des Flusses, der neben der großen Straße der Stadt fließt, wachsen Bäume des Lebens. Sie tragen zwölfmal im Jahr Früchte, jeden Monat aufs Neue. Mit den Blättern dieser Bäume werden die Völker geheilt.
In der Stadt wird nichts und niemand mehr unter dem Fluch Gottes stehen. Denn der Thron Gottes und des Lammes steht in ihr, und alle Einwohner werden Gott dienen …
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(Die Bibel, Neues Testament, Offenbarung an Johannes, Kapitel 21-22)
[Dies ist die Überarbeitung eines älteren Posts, den ihr mit Kommentar hier findet.]
Welch ein gelungener Artikel!
Mögen viele ihn lesen und verinnerlichen…
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Danke 🙂
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Sind das rhetorische Fragen oder gibt es Antworten darauf? Und – nicht rhetorisch gemeint: Wer sind diese „wir“ . Gibt es sie? Im Gegenüber zu wem?
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Das ist natürlich ein etwas polemischer Text, und die „wir“ sind jeweils die Christen, welche sich entsprechend verhalten. Rein rhetorisch ist das allerdings nicht gemeint. Es ist höchste Zeit, dass wir als Christen unserem Erbe und unserer Verantwortung besser gerecht werden, als dies bisher der Fall gewesen ist.
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