Giannina Wedde | Rezension von Tilmann Haberers „Von der Anmut der Welt“

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Giannina Wedde rezensiert auf ihrem Blog „klanggebet.de“ ein Buch von Tilmann Haberer:

Tilmann Haberer: „Von der Anmut der Welt“ – Eine Buchbesprechung

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Christentum neu lernen

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Altarraum-Kreuz in Taizé. Foto von Christian Pulfrich, CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0) via Wikimedia Commons

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Nicht nur die „entkirchlichten“ Menschen in Ostdeutschland (so sie sich denn überhaupt dafür interessieren), auch die Gläubigen in allen Regionen des deutschsprachigen Raumes und darüber hinaus, stehen vor der Herausforderung, das Christentum neu zu lernen.

Über Jahrhunderte hinweg waren Kirchen in vielen Gegenden der Welt für die flächendeckende religiöse „Versorgung“ der dort lebenden Menschen zuständig. Heutzutage sieht die Welt anders aus. Der christliche Glaube, so er denn überhaupt als Angebot wahrgenommen wird, ist häufig nur ein religiös-spirituelles Angebot unter vielen.

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„Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch plagt und von eurer Last fast erdrückt werdet; ich werde sie euch abnehmen.“
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(Jesus im Matthäus-Evangelium, 11. Kapitel, Vers 28 – Bibel, Neues Testament)

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Werbende Christenheit

Die Selbstverständlichkeit von Kirchenzugehörigkeit gehört der Vergangenheit an. Religiöse Gemeinschaften stehen heutzutage vor der Herausforderung, wahrnehmbar zu sein und Menschen mit ihrer Botschaft und ihrem Angebot zu erreichen.

Die Gläubigen selbst und ihre Gemeinschaften, und insbesondere die herausragenden „Funktionäre“ (manchmal als „Gottes Bodenpersonal“ bezeichnet), sind dabei sozusagen die „Visitenkarten“ ihres Glaubens. – Warum sollte sich jemand für einen Glauben interessieren, dessen Vertreter*innen unsympathisch sind? – Die Ganzheitlichkeit eines menschlichen Lebens kann überzeugender sein als die beste Theorie.

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„Ja, jeder kann sehen, dass ihr selbst ein Brief von Christus seid, den wir in seinem Auftrag geschrieben haben; nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes; nicht auf steinerne Gesetzestafeln wie bei Mose, sondern in menschliche Herzen.“
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(Paulus im 2. Brief an die Gemeinde in Korinth, 3. Kapitel Vers 3 – Bibel, Neues Testament)

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Multiperspektivisch

Wie man einen besonderen Gegenstand hin und her dreht, so lässt sich auch der christliche Glaube heute aus unterschiedlichen Perspektiven wahrnehmen. Ökumenische Begegnung und Zusammenarbeit sind religiöser Alltag in Europa und darüber hinaus. Durch die Unterschiedlichkeit und Vielfalt christlicher Traditionen und Ausdrucksformen lässt sich das Gemeinsame und Wesentliche besser erkennen.

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„Jetzt sehen wir nur ein undeutliches Bild wie in einem trüben Spiegel. Einmal aber werden wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen. Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke, doch einmal werde ich alles klar erkennen, so deutlich, wie Gott mich jetzt schon kennt.“
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(Paulus im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth, 13,12)

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Was meint ihr? Müssen wir Christentum neu lernen? Sollten wir zurückkehren zu einem Christentum, wie es früher einmal war?

Hinterlasst gerne eure Gedanken in den Kommentaren … 🙂

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Paul R. Smith: Is Your God Big Enough?

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Ein weiteres Buch, das wichtig für meine Bachelorarbeit war. Ein wunderbares Buch, das es bisher leider nur auf Englisch zu geben scheint:

Is Your God Big Enough? Close Enough? You Enough? – Jesus and the Three Faces of God

Paul R. Smith. Einer der wichtigen Autoren zum Integralen Christentum. Das Vorwort hat der bekannte christliche Autor und Franziskanerpater Richard Rohr geschrieben, das Nachwort der bekannte amerikanische Bewusstseinsphilosoph Ken Wilber. Dieses Buch könnte die traditionelle christliche Lehre von der Trinität Gottes zum Aufblühen bringen. Smith erklärt die Dreifaltigkeit aus der Tiefe spiritueller Erfahrung heraus.

Beim Lesen spürt man die reiche Lebenserfahrung und den langen Weg, den dieser Pastor im Ruhestand zurückgelegt hat. Ganz besonders liebe ich seine verständnisvolle, vermittelnde und erklärende Art. Die Christenheit und die ganze Welt brauchen mehr reife Christen wie ihn.

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Ken Wilber: The Religion of Tomorrow – A Vision for the Future of the Great Traditions. More Inclusive, More Comprehensive, More Complete

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Ein weiteres Buch, das ich für meine Bachelorarbeit verwendet habe, ist das 2017 im Shambhala Verlag erschienene Buch des amerikanischen Bewusstseinsphilosphen Ken Wilber. Ein Buch, das nicht nur was die Dicke betrifft ein echtes Schwergewicht ist.

In diesem Buch fasst Wilber seine Gedanken in Bezug auf die großen Traditionen der Menschheit in systematischer Weise zusammen. Man kann dieses Buch als sein Opus magnum zu den Themen Bewusstsein und Spiritualität betrachten. Er geht darin auch auf die Bedeutung von Symbolen und Zeichen ein. So schreibt er beispielsweise:

„This is why semiotics is a matter of emancipatory interest. Semiotics is the doorway to Freedom, Liberation, Release, Fullness, Abundance, Overflowingness, Outrageous Love and Joy and Bliss and Beauty and Being, Unborn and Undying, Unmade and Uncreate, Infinite and All- Pervading, Eternal and All-Inclusive. Those are just words. But they are part of the twenty-eight words for Spirit, and the richness of our vocabulary points to the richness of our very Being.“

(Seite 642)

Die Bedeutung von Symbolen und Sprache sind auch in der jüdischen und christlichen Kultur kaum zu übersehen. Ein Symbol, das global in den vergangenen vier Jahrzehnten populär geworden ist, ist beispielsweise das Enneagramm. Auch Wilber erwähnt es in seinem Buch auf ein paar Seiten. In einer Zeit, in der Menschen mit unterschiedlicher kultureller und religiöser Prägung immer enger mit einander leben, sind Möglichkeiten der Verständigung und des gegenseitigen Verstehens von herausragender Bedeutung.

Wilber gelingt es auch in diesem Buch wieder die großen Zusammenhänge und Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Traditionen deutlich zu machen, und dies in einer lesbaren Art und Weise. Möge dieses Buch zur Klärung der vielen Fragen in all den interkulturellen, interreligiösen und interspirituellen Begegnungen beitragen.

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