Turteltäubchen, Zimtblüte und Schminktöpfchen

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Audienz einer venezianischen Botschaft in Damaskus. Malerei der venezianischen Schule vom Anfang des 16. Jahrhunderts. (Foto von: „Follower of Gentile Bellini“, public domain, via Wikimedia Commons)

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“Die älteste Tochter nannte er Täubchen, die zweite Zimtblüte und die jüngste Schminktöpfchen. Im ganzen Land gab es keine schöneren Frauen als die Töchter Hiobs. Ihr Vater bedachte sie in seinem Testament genau wie ihre Brüder und vermachte jeder einen Anteil seines Landbesitzes.”
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(Hiob, 42. Kapitel, Verse 14-15 – Bibel/Tanach)

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Man kann das Buch Hiob lesen als die klassische Botschaft biblischer Frömmigkeit: Halte dich an den Gott Israels und du wirst gesegnet. Hiob musste zwar durch eine in ihrer Intensität kaum vorstellbare Prüfung gehen (wir kennen die sprichwörtlichen „Hiobsbotschaften“), aber am Ende scheint es ihm besser zu gehen als am Anfang. („Der HERR aber segnete die spätere Lebenszeit Hiobs mehr als seine frühere.“ – 42,12)

Das Buch Hiob ist ein meisterliches Werk. Weltliteratur. Die Wörter sind sorgsam ausgewählt von einem Profi seines Faches.

Nur wenige Person im Buch Hiob werden namentlich erwähnt. So erfahren wir z.B. nicht die Namen der Ehefrau von Hiob oder seiner Kinder (am Anfang des Buches). Wir erfahren allerdings die Namen der Töchter, welche Hiob nach seiner schweren Prüfung geboren werden: Turteltaube, Zimtblüte und Schminktöpfchen. (Interessanterweise werden die Namen ihrer Brüder nicht genannt. Sicherlich waren diese nicht so hübsch …) – Selbst nach mehr als 2000 Jahren lassen diese Namen sicherlich die Herzen mancher Menschen höher schlagen. Sie waren die Schönsten im Land. Schönheit, geboren nach Leiden und Schmerzen …

Und wir erfahren sogar noch mehr:

„Ihr Vater bedachte sie in seinem Testament genau wie ihre Brüder und vermachte jeder einen Anteil seines Landbesitzes.“ (Vers 15)

Es wäre sicherlich interessant von Expert*innen altorientalischem Erbrechts zu erfahren, was dieses Vermächtnis für diese Töchter praktisch in ihrer antiken Lebenswelt bedeutet hat …

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Heilsame Kränkung

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Die Bergpredigt von Jesus. Gemälde von Carl Bloch. – Public domain, via Wikimedia Commons

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„Verurteilt niemand, damit auch ihr nicht verurteilt werdet. Denn so, wie ihr über andere urteilt, werdet ihr selbst beurteilt werden, und mit dem Maß, das ihr bei anderen anlegt, werdet ihr selbst gemessen werden.

Wie kommt es, dass du den Splitter im Auge deines Bruders siehst, aber den Balken in deinem eigenen Auge nicht bemerkst? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: ›Halt still! Ich will dir den Splitter aus dem Auge ziehen‹ – und dabei sitzt ein Balken in deinem eigenen Auge?

Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge; dann wirst du klar sehen und kannst den Splitter aus dem Auge deines Bruders ziehen.“
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(Jesus in der Bergpredigt – Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium, 7. Kapitel, Verse 1-5)

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Diese Verse sind für mich einer der großartigsten Texte in der Bibel. Biblische Psychologie.

Man könnte sich durch diesen Text allerdings auch gekränkt oder beleidigt fühlen: Soll ich etwa ein „Heuchler“ sein? Sollen diese Verse auch für mich gelten?

Die Vorstellung ist schon etwas skurril: ein Balken im Auge … Es scheint allerdings in der Tat so zu sein, dass unsere Wahrnehmung beeinträchtigt ist. Manchmal sprechen wir nicht vom „Balken im Auge“, sondern vom „Brett vor’m Kopf“. Andere können unser Brett bzw. unseren Balken leicht erkennen, aber wir selbst sind dafür blind. Wir sind zu dicht dran. Wir hatten unseren Balken schon, solange wir denken können, und haben uns so an ihn gewöhnt, dass er uns gar nicht auffällt.

Jesus spricht in der Bergpredigt davon, dass wir den Balken aus unserem Auge ziehen sollen. – Ist das möglich? Sollten wir wirklich diesen Balken aus unserem Auge entfernen können?

Für mich ist das Enneagramm in den vergangenen Jahren zu einem wertvollen Hilfsmittel geworden, um den Balken aus meinem Auge zu entfernen. Wahrnehmungstraining. Mich selbst und andere besser erkennen und verstehen. Barmherziger werden mit mir selbst und der Welt. Die Wahrheit macht uns frei, aber zunächst kränkt sie uns, indem sie uns erkennen lässt, wie wir wirklich sind.
Wenn sich der Balken in unserem Auge auflöst, dann können wir den Splitter im Auge unseres Mitmenschen viel besser erkennen. (Falls dieser sich nicht auch bereits aufgelöst hat …)

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Mama, Papa, … und das Loch im Herzen des Protestantismus

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(Marienstatue)

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Ich sage nichts Neues, wenn ich davon spreche, dass es wohl kaum Menschen gibt, die größere Bedeutung für unser Leben haben, als unsere Eltern. Im Bauch meiner Mutter bin ich zu einem Baby herangewachsen, noch bevor ich meinen ersten Atemzug gemacht habe. Für sich selbst einen inneren Frieden zu finden mit den eigenen Eltern ist eine Lebensaufgabe.

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„Ich sende euch den Propheten Elija, bevor der große und schreckliche Tag kommt, an dem ich, der HERR, Gericht halte. Er wird das Herz der Eltern den Kindern zuwenden und das Herz der Kinder den Eltern. Er wird beide miteinander versöhnen, damit ich nicht das ganze Volk vernichten muss, wenn ich komme.“
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(Bibel / Tanach / Altes Testament, Maleachi, 3. Kapitel, Verse 23-24)
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Um selbst eine gute Mutter zu werden, braucht eine Frau vermutlich – zumindest ansatzweise – eine Ahnung von positiver weiblicher Autorität. Und um ein guter Vater zu werden, braucht ein Mann vermutlich – zumindest ansatzweise – eine Ahnung von positiver männlicher Autorität. Eltern tragen die Verantwortung dafür, gute Entscheidungen für ihre Kinder zu treffen, solange diese noch nicht in der Lage sind, dies für sich selbst zu tun.

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(Michelangelo, Die Erschaffung Adams. Public domain, via Wikimedia Commons)

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In der patriarchalischen Kulturgeschichte der Menschheit begegnet uns ein männliches Reden vom Göttlichen und männliche Gottesbilder: Zeus, Jupiter, Odin …

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„Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.“
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(Vaterunser. Gegenwärtige ökumenische Fassung, erarbeitet durch die ALT 1968. Gemäß Matthäus 6. – Quelle: Wikipedia)
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Durch meine Verlobte habe ich die Schönheit katholischer Frömmigkeit kennengelernt, und das Ave Maria ist zu meinem Lieblingsgebet geworden:

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„Gegrüßet seist du,
Maria,
voll der Gnade,
der Herr ist mit dir.
Du bist gebenedeit unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes,
Jesus.
Heilige Maria,
Mutter Gottes,
bitte für uns Sünder
jetzt
und in der Stunde unseres Todes.
Amen.
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(Ave Maria. – Quelle: Wikipedia)

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Die jüdische und christliche Frömmigkeit und Geschichte sind voll von männlichen Bildern und Namen: Adam, Noah, Abraham, David, Salomo, Jesaja, Daniel, Maleachi, Johannes der Täufer, Jesus und die zwölf Apostel, Paulus, Timotheus und viele mehr. Weibliche wichtige Namen gibt es deutlich weniger.

Im Protestantismus gibt es im Gegensatz zur katholischen Kirche bereits weibliche Priesterinnen und Pfarrerinnen. Aber, während es im Katholizismus und Protestantismus weitere wichtige männliche Namen gibt (Gregor der Große, Franz von Assisi, Luther, Melanchthon, Ignatius von Loyola, Zwingli, Calvin, Pius X, Karl Barth, Bonhoeffer … ), fehlt im Protestantismus weitgehend eine Frömmigkeit, die der katholischen Marienfrömmigkeit entsprechen würde.

(Mir ist bewusst, dass es Marienfrömmigkeit vereinzelt auch im Protestantismus gibt und dass sie zur Zeit der Reformation auch bei den Protestant*innen noch vorhanden war. Aber irgendwie scheint sie dann weitgehend verloren gegangen zu sein.)

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„Gott erschuf den Menschen als Bild Gottes,
als Bild Gottes erschuf er den Menschen.
Männlich und weiblich erschuf er sie.“
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(Bibel / Tanach / Altes Testament, Genesis / Bereschit, 1,27)

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Sandra Hauser | Das Böse – aus integraler Sicht

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Sandra Hauser auf ihrem Blog „Integrales Christsein“ über das Phänomen und den Begriff des „Bösen“:

Das Böse – aus integraler Sicht

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Das Beugen des Egos – die Konjugation des Seins.

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ICH BIN
DU BIST im Blick
ER IST die Verbindung
SIE IST das Leben
ES IST hier

WIR SIND hier zusammen
IHR SEID in Begegnungen
SIE SIND das Leben

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„Ich mach dir Platz!“

Paternoster Square in London – gren, Public domain, via Wikimedia Commons

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Platz machen, kann jemand, der Raum hat …

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„Es soll kein Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder. Steht dir nicht alles Land offen? …“

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(Bibel/Tanach, 1. Mose / Genesis / Bereschith, 13. Kapitel, Verse 8-9)

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Die Zukunft liegt vor uns, wie ein weites Land. Und gleichzeitig wird es eng auf unserem Planeten. Ressourcen werden knapp …

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„Wer an mich glaubt, wird erfahren, was die Heilige Schrift sagt: ‚Von seinem Inneren wird Leben spendendes Wasser ausgehen wie ein starker Strom …“

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(Jesus im Johannes-Evangelium, Bibel, Neues Testament, 7,38)

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Innere Freiheit. Ein weites Herz. Innerer Reichtum beschenkt andere Menschen …

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„Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge …“

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(Weihnachtsgeschichte, Lukas-Evangelium, Neues Testament, 2,7)

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(Kein) Platz für Gott. Raum schaffen. Orte, wo wir Gott begegnen …

Freiheit. Spielraum. Lebensraum. Möglichkeiten …

Raum schaffen. Platz im Kopf, im Herzen …

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„Der Platz in unserem Herzen ist euch sicher, auch wenn ihr euch uns gegenüber verschlossen habt. Ich rede zu euch wie ein Vater zu seinen Kindern. Schenkt mir doch dasselbe Vertrauen, das ich euch entgegenbringe, und öffnet mir eure Herzen!“

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( Paulus in seinem zweiten Brief an die Christen in Korinth, 6,12-13

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Heimat.

Zuhause.

Die Tür steht offen … Komm doch rein! …

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Der Weltenkuss

 

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Der Kuss. Ölgemälde von Francesco Hayez, 1859, Pinacoteca di Brera, Mailand – Public domain

 

Eine Stern-Schnuppe der Literaturgeschichte

 

Meine süße Puppe
Mir ist alles schnuppe.
Wenn ich meine Schnauze,
auf die Deine bautze.

Kurt Schwitters (1887-1948)

 

Eine Sternstunde der Menschheit

Wenn Himmel und Erde sich küssen… – Ein Kind ist uns geboren.

 

Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen:

„Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten …“

Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut und gingen in das Haus und sahen das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an …

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(Matthäus-Evangelium, 2. Kapitel, Verse 1-11 – Bibel, Neues Testament)

 

Die Heilung des Lebens

Leben ist heilig, und leider oft heilungsbedürftig.

Möge uns ein guter Stern in die Zukunft leuchten, und Menschen zu einander finden.

 

Ganz sicher wird er allen helfen,
die ihm mit Ehrfurcht begegnen,
seine Herrlichkeit wird wieder in unserem Land wohnen.

Dann verbünden sich Güte und Treue,
dann küssen einander Gerechtigkeit und Frieden.

Treue wird aus der Erde sprießen
und Gerechtigkeit vom Himmel herabblicken.

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(Psalm 85,10-12 – Bibel / Tanach / Altes Testament)

 

Gastfreundschaft

 

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Philemon und Baucis bewirten Jupiter und Merkur. Gemälde von Adam Elsheimer, via Wikimedia Commons – Public domain

 

Die langen Finger der Dunkelheit
greifen nach Büschen und Hügeln.
Bald sind Häuser und Bäume eingehüllt
in den Mantel der Nacht.
Kalter Wind erfüllt die Weite.

Mond und Sterne bleiben verborgen.
Menschen spenden das letzte Licht.
Insekten schwirren um einsame Laternen,
und die Fenster der Häuser leuchten
von Ferne wie Sterne.

Ich klopfe an eine Tür.
Nach einem kurzen Moment
öffnet sie sich schwungvoll.
Wärme und der Duft von frischem Essen
begrüßen mich herzlich…

 

Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt!

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(Hebräerbrief 13. Kapitel, Vers 2 – Bibel, Neues Testament)

 

„Hungrige Missionierende“ (7. Teil): Solidarität der Suchenden

Die Bedeutung von Mängeln und Mangel für die Mission

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Herbst, Foto von Martin.Heiss via Wikimedia Commons – GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

 

“Glücklich schätzen
können sich Menschen,
die hungrig und durstig sind
nach Gerechtigkeit.
Sie werden satt werden.”
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(Worte von Jesus aus der Bergpredigt – Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium 5. Kapitel, Vers 6)

 

Solidarität der Suchenden

Sattheit macht träge. Hunger setzt uns in Bewegung, auf der Suche nach etwas, das die Sehnsucht unseres Herzens stillt und Körper und Seele satt machen. Unsere Bedürfnisse sind allerdings je nach Lebensphase und -umständen unterschiedlich. Es gibt geistliche Reifungsprozesse…

Der Glaube eines Erwachsenden ist nicht dasselbe, wie der Glaube eines Kindes. Wenn ein Mensch ein Bekehrungserlebnis hin zum Christentum hat, sind damit noch nicht alle Fragen für alle Zeit beantwortet. Die Vielfalt des weltweiten Christentums heutzutage ist nicht identisch mit dem Christentum zur Zeit der ersten Apostel. Wir sind alle noch auf dem Weg und suchen Erfahrungen (Phil. 3,10-12) und Antworten…

 

„Um Christus allein geht es mir. Ihn will ich immer besser kennen lernen: Ich will die Kraft seiner Auferstehung erfahren, aber auch seine Leiden möchte ich mit ihm teilen und mein Leben ganz für Gott aufgeben, so wie es Jesus am Kreuz getan hat…
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Dabei ist mir klar, dass ich dies alles noch lange nicht erreicht habe und ich noch nicht am Ziel bin. Doch ich setze alles daran, es zu ergreifen, weil ich von Jesus Christus ergriffen bin…“
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(Paulus im Brief an die Christen in Philippi 3,10-12)

 

Gute Erfahrungen machen uns Hoffnung, Ähnliches könnte sich noch einmal ereignen. Sie öffnen die Augen für die Schönheiten des Lebens: Es gibt erfahrbare Vergebung, die Kraft eines guten Gewissens, echte Liebe, Solidarität aus tiefer Überzeugung, Hilfsbereitschaft im Glauben an zeitlose Werte, Leben in einer größeren Dimension, tieferes Verstehen, erweitertes Bewusstsein, Sinn im Leben,…

Es gibt viele Menschen, die etwas suchen, und manchmal sind die Probleme und Fragen von Christen und Nichtchristen dieselben:

Wie können wir als Menschheit eine Zukunft haben? Wie können wir verantwortungsvoll und nachhaltig leben? Wie macht unser Alltag Sinn? Wie werde ich meine Depressionen los? Wie können wir in Frieden miteinander leben? Wie schaffe ich es, das Richtige zu tun? Wie werde ich glücklich? Wie findet und pflegt man belastbare Beziehungen? Wie funktioniert Familie? Wie wird meine Seele satt?…

Wie könnte Mission im Auftrag Gottes etwas anderes sein, als die Antwort auf die tiefsten Sehnsüchte des Menschen?

 

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Wolken über Afrika; Foto von Muhammad Mahdi Karim via Wikimedia Commons [GFDL 1.2 (http://www.gnu.org/licenses/old-licenses/fdl-1.2.html)%5D
 

 

Das Bild, das die Evangelien von Jesus malen, ist das Bild eines Menschen, der sich radikal mit allen Menschen solidarisiert. Er wendet sich den Ausgegrenzten zu und ruft sogar zur Feindesliebe auf. Der Gott dieses Jesus ist der Gott des Jona, welcher sich auch um die Feinde sorgt – und sogar um die Tiere (Jona 4,11; Matthäus 10,29; Johannes 2,15-16). In der Bergpredigt spricht er zu seinen Jüngern (!):

 

Bittet, so wird euch gegeben;  suchet, so werdet ihr finden;  klopfet an, so wird euch aufgetan.”

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(Matthäus-Evangelium 7,7 – Hervorhebung von mir)

 

Wir bräuchten in der Christenheit eine deutliche Zäsur: Weg von der Besserwisserei und hin zur Solidarität mit der Not und den Fragen jedes Menschen. Was sich in meinem Leben bewährt hat, sollte ich sicherlich nicht so einfach wieder aufgeben. Es gehört jedoch auch zu einem Leben im Geist Jesu, die Nöte und Fragen anderer wirklich ernst zu nehmen.

Angesichts der Geschichte und Gegenwart der Christenheit wäre ein Beharren auf der Position “man selbst vertrete aber die richtige Variante des Christentums” etwas peinlich. Gelebter Pluralismus und eine Kultur gesunden, konstruktiven Austauschs könnten selbstgemachtes Christentum überwinden (2 Kor 10, 4-5) und uns weit bringen. Da wir noch nicht am Ziel sind, können wir bereits Erreichtes immer wieder in Frage stellen. Wenn man bereit ist, Gutes loszulassen, könnte man vielleicht Besseres empfangen...

 

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Symbol der Ökumene; von Rechtfertigungslehre_St.-Anna_Augsburg, Emkaer derivative work: ARvєδuι via Wikimedia Commons – CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

 

“Glücklich schätzen
können sich Menschen,
die hungrig und durstig sind
nach Gerechtigkeit.
Sie werden satt werden.”

 

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„Hungrige Missionierende“ (6. Teil): Haben oder Sein?

Die Bedeutung von Mängeln und Mangel für die Mission

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Petersplatz im Morgengrauen, mit Petersdom (Vatikan), Foto von Islandoftrees via Wikimedia Commons – CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)

 

“Glücklich schätzen
können sich Menschen,
die hungrig und durstig sind
nach Gerechtigkeit.
Sie werden satt werden.”
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(Worte von Jesus aus der Bergpredigt – Bibel, Neues Testament, Matthäus-Evangelium 5. Kapitel, Vers 6)

 

Haben oder Sein?

Besitz als Statussymbol hat lange Tradition. Es kann ein teures Auto, die gestylte äußere Erscheinung oder persönliche Kompetenz sein, mit denen man oder frau versucht andere zu beeindrucken. – Macht und Ohnmacht liegen dabei oft dicht beieinander. – In einer Konsumgesellschaft fällt es uns schwer Mängel wahrzunehmen, welche sich nicht durch Konsum abstellen lassen.

Missionierung ist älter als das Christentum (Mt 23,15). Menschen ziehen durch die Welt, um andere für ihre Sache zu gewinnen – auch in unserer heutigen Zeit. Wer missioniert besitzt etwas: eine Idee, ein Produkt, eine Botschaft, usw., und die Beweggründe zum Missionieren sind unterschiedlich.

 

„Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr verschließt den Menschen das Himmelreich. Selbst geht ihr nicht hinein, und die, die hineingehen wollen, lasst ihr nicht hinein…
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Ihr reist über Land und Meer, um auch nur einen einzigen Anhänger zu gewinnen, und wenn ihr einen gewonnen habt, macht ihr ihn zu einem Anwärter auf die Hölle, der doppelt so schlimm ist wie ihr.
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Wehe euch, ihr verblendeten Führer!…Matthäus-Evangelium“
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(Matthäus-Evangelium 23,13-16)

 

Auch Christen missionieren, und auch bei Christen sind die Beweggründe unterschiedlich. Die Bergpredigt fordert uns auf, uns Schätze im Himmel zu sammeln (Mt 6,20). Christen sind Christen nicht wegen dem, was sie besitzen, sondern wegen dem, was sie sind: Sie sind Menschen, die von Jesus lernen, und ein lebendiges Zeugnis der Veränderung, die in ihrem Leben stattfindet.

Es gehört zu den Grundüberzeugungen des Christentums, dass Gott sich “am besten” nicht in Lehrsätzen oder in einem Buch, sondern in einem Menschen aus Fleisch und Blut offenbart. Das Wesen von Mission ist Ausdruck der Identität der Missionierenden. Als Missionierende sind wir lebendiges, authentisches Zeugnis dessen, was Jesus im Leben eines Menschen bedeuten kann.

 

Gott ist kein Schriftsteller

 

Wir können als Christen bezeugen, welche Erfahrungen wir selbst mit Jesus gemacht haben. Wir können jedoch nicht Zeugen sein von dem, was Christen früherer Generationen mit Jesus erlebt haben. Da können wir nur weitererzählen, was wir von anderen gehört oder gelesen haben. – Haben oder Sein?

Es geht bei Mission im Geiste Jesu kaum um die Informationen, die wir besitzen, sondern es geht darum, was für Menschen wir sind (Apg 19,13-15). Sind wir Menschen, die dem Auferstandenen begegnet sind (Gal 3,1; Mt 25,40)? …die Vergebung und Veränderung erfahren haben und aus Gnade leben? …die das Heilige berührt haben? …welche die Kraft eines guten Gewissens kennen (2 Kor 1,12)? …welche die Kräfte einer neuen Welt gespürt haben (Hebr 6,5)? …in denen der Geist Jesu weiterlebt (Röm 8,9)? …die noch Hungrige und Lernende sind?

 

“Jesus kenne ich und Paulus auch. Aber wer seid ihr?”

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(Apostelgeschichte 19,15 – Neues Testament)

 

Wer  bist  du ??

 

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„Sky Walker – Heaven of Dreams“ von Hartwig HKD via flickr (CC BY-ND 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0)

 

“Glücklich schätzen
können sich Menschen,
die hungrig und durstig sind
nach Gerechtigkeit.
Sie werden satt werden.”

 

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